Die Dauer militärischer Beschaffungen zeigt die wirtschaftliche Notwendigkeit, Bedarfsträger und Bedarfsdeckung institutionell zusammenzuführen, um die Ausrüstung der Bundeswehr schneller und wirtschaftlicher zu beschaffen. Es erscheint sinnvoll, die Rüstungsplanung und -beschaffung unter politischer Führung des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) zu vereinheitlichen, während die nachgelagerten Beschaffungs- und Betriebsprozesse marktwirtschaftlich organisiert werden sollten. Damit wird sichergestellt, dass die wirtschaftlichen Anforderungen an das öffentliche Gut „äußere Sicherheit“ nachhaltig erfüllt werden können.
Rund zwei Jahre nach dem Beginn der russischen Invasion in die Ukraine und der nachfolgenden Ankündigung des Bundeskanzlers, die Bundeswehr zur bestausgerüsteten Armee Europas zu machen, hat der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium (BMWK), Empfehlungen ausgesprochen, um dem nationalen Notstand einer nicht einsatzfähigen Armee abzuhelfen (Wissenschaftlicher Beirat beim BMWK, 2023). Das Ergebnis des Gutachtens spiegelt das stiefmütterliche Dasein der Militärökonomie in Deutschland wider. Abgesehen von zaghaften Bemühungen im Rahmen der Bundeswehruniversität und der Führungsakademie der Bundeswehr gibt es in Deutschland keine militärökonomische Forschung, da im Unterschied zum Ausland in Deutschland weder eine strategische Kultur gepflegt noch als Teil derselben Militärökonomie wissenschaftlich betrieben wird. Im entscheidenden Punkt bekennt sich das Gutachten zur Vergangenheit: Bei der Trennung zwischen ziviler Beschaffung durch das Beschaffungsamt in Koblenz und der Formulierung militärischer Anforderungen durch die Bundeswehr will die Kommission nicht Hand anlegen. An Art. 87 b Abs. 1 GG soll sich demnach nichts ändern.
Die Begründung lautet: „Der normative Grund für diese Lösung ist ein demokratischer. Die Macht des Militärs wird dadurch beschränkt, dass zentrale Voraussetzungen seines Handelns nicht in seiner eigenen Hand liegen.“ Aus ökonomischer Sicht sollte die künstliche Trennung von Bedarfsdeckung und Bedarfsträgerschaft allerdings beendet werden. Dazu müsste Art. 87 b Abs. 1 S. 2 GG gestrichen werden. Es gibt weder demokratietheoretisch noch staatsrechtlich einen Grund dafür, dem Militär die Verantwortung für die Beschaffung von Material vorzuenthalten, das sie einsatzgerecht definiert haben.
Die gegenwärtige Ressourcenstruktur
Die gegenwärtigen Schwierigkeiten der Bundeswehr, ihrem radikal geänderten Einsatzprofil technisch gerecht zu werden, sind mittlerweile auch der Öffentlichkeit nicht verborgen geblieben. Die Schaffung eines Sondervermögens von 100 Mrd. Euro trifft aber wegen der beschaffungsrechtlichen Umsetzung auf schwerwiegende Probleme. Wie können die nationalen Beschaffungsvorgänge dynamisiert werden? Trotz der Zeitenwende hält die Disproportionalität zwischen den verteidigungsinvestiven Ausgaben (F&E, Erprobung, Beschaffung und militärische Anlagen) und den Betriebsausgaben (Personal, Materialerhalt und Betrieb, Verpflegung, Betriebsstoff, Liegenschaften) im Verteidigungshaushalt unverändert an.1 Der einzig erkennbar kontinuierliche Trend auch der kommenden Jahre ist die Verschlechterung des Verhältnisses von Betriebsausgaben (einschließlich Personalausgaben) zulasten sogenannter verteidigungsinvestiver Ausgaben. Folgende Daten verdeutlichen diesen Trend:
- Die Summe der Betriebsausgaben entspricht im Haushaltsjahr 20222 54 % des gesamten Verteidigungsetats, während die verteidigungsinvestiven Ausgaben nur 28 % der Gesamtausgaben ausmachen. Die Personalausgaben machen mit 27 % den Löwenanteil des Verteidigungsetats aus.3 Währenddessen werden die für den Ausrüstungsstandard der Armee und ihre Einsatzbereitschaft relevanten Ausgabenposten für Beschaffungen (20 %), Forschung, Entwicklung, Erprobung (4 %) sowie Materialerhaltung und -betrieb (9 %) vom Verteidigungsministerium selbst als unzureichend bezeichnet. Sie sind über einen mehrjährigen Zeitraum betrachtet tendenziell rückläufig.
- Der Anteil des Verteidigungshaushalts am gesamten Bundesetat nimmt erst seit wenigen Jahren zu. Obwohl seit geraumer Zeit aus dem parlamentarischen Raum eine Reform der Wehrstruktur mit dem Ziel gefordert wird, die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte – unabhängig von der Personalstärke – zu verbessern und die technische Ausrüstung durch Erhöhung der verteidigungsinvestiven Ausgaben von 28 % auf 35 % des Gesamtetats mittelfristig internationalem Niveau anzugleichen, bewirkte die „Zeitenwende“ keine Änderung.
Die Ähnlichkeit der Ausgabenstruktur zwischen dem von Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer verantworteten Haushaltsentwurf für 2022 und dem unter der neuen Bundesregierung eingebrachten Etat für das Haushaltsjahr 2022/2023 ist frappierend. Der Verteidigungshaushalt ist gleichwohl einer der wenigen Einzeletats, der über erhebliche Manövriermasse verfügt. Unter allen Einzelplänen des Bundeshaushalts verfügt der Verteidigungsetat über den mit Abstand größten Posten flexibilisierter Ausgaben im Sinne von § 5 Haushaltsgesetz. Hierbei handelt es sich um sogenannte deckungsfähige Ausgabenansätze.4
Es ist kein Zufall, dass es einen Haushaltstitel für das Beschaffungswesen der Bundeswehr im formalen Sinn nicht gibt. Im Wesentlichen organisiert es das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung (BAAINBw). Jedoch lassen sich die Kosten allein für das BAAINBw mit 8,86 Mrd. Euro 2022 beziffern.5 Diese wurden überwiegend für Personal aufgewandt. Dies bedeutet, dass bezogen auf die Summe verteidigungsinvestiver Ausgaben von ca. 14,2 Mrd. Euro die Beschaffungsorganisation ca. 60 % des Beschaffungsvolumens kostet.6
Institutionelle Pathologien
Die Trennung von Rüstungsplanung und -beschaffung spaltet nicht nur einen Vorgang, der ökonomisch ein einheitliches Ganzes darstellt, sondern bringt die rapports de force zwischen den Marktteilnehmern aus dem Gleichgewicht. Das unbestreitbare Spezifikum der Rüstungsbeschaffung besteht in der Nachfrage des Staates bei einer oligopolistisch strukturierten Industrie nach militärischer Ausrüstung. Eine Spezialindustrie bietet einem einzigen nationalen Kunden ihre Produkte und Dienstleistungen an und ist dementsprechend von ihm abhängig. Diese gegenseitige Verwiesenheit wird – einmal abgesehen von den noch komplizierteren Fällen multinationaler Kooperation – dadurch verstärkt, dass die einzelnen Beschaffungsvorhaben langwierig, komplex und fast nie ohne größere Modifikationen durchführbar sind. Mit Beginn jedweden Projekts verändern sich die Kräfteverhältnisse zugunsten der Industrie, weil es aus dem Vorhaben mit zunehmendem Zeitlauf kein ökonomisch vertretbares Entrinnen gibt. Die Macht des Staates in der Vorphase der Beschaffung wird spätestens in seiner Spätphase zur Ohnmacht. Der faktische Hoheitsverlust über das jeweilige Vorhaben wird nunmehr institutionell dadurch verstärkt, dass die Nachfrageseite suboptimal organisiert ist. Die Verantwortung für Devianzen im Projektverlauf werden vom BAAINBw dem BMVg und umgekehrt vom BMVg dem BAAINBw zugewiesen, wenn beide nicht ausnahmsweise gemeinsam die Industrie verantwortlich machen.
Ökonomische Kriterien für eine optimierte Organisation des Sachbedarfs der Streitkräfte
Landesverteidigung gilt in der Finanzwissenschaft als eines der wenigen Beispiele für ein rein öffentliches Gut. Von einem öffentlichen Gut wird dann gesprochen, wenn hiervon im Unterschied zu privaten Gütern, die (nur) für einen Marktpreis von jedermann erworben werden können, niemand ausgeschlossen werden kann.7 Die Frage nach der optimalen Ressourcenallokation innerhalb des Verteidigungsbudgets zielt auf die Organisation der Mittelverwendung. Obwohl sie abstrakt von der Finanzwissenschaft beantwortet ist, bereitet die Umsetzung Schwierigkeiten. Allgemein gilt, dass die Ressourcen denjenigen Instanzen im Staat zugeteilt werden sollen, die sie zur Bewältigung ihrer Aufgaben benötigen (Tiebout, 1956). Konnexität umschreibt die Kongruenz von Aufgabenzuständigkeit und Ressourcenverwendung, um die z. B. im föderalen Finanzausgleich zwischen den einzelnen Gebietskörperschaften gerungen wird. Sie lässt sich prinzipiell auch auf die Mittelallokation innerhalb des Verteidigungshaushalts anwenden.
Die finanzwissenschaftliche Vermutung optimaler Ressourcenzuordnung zugunsten jener Instanz, die mit diesen Mitteln eine öffentliche Aufgabe zu bewältigen hat, geht einher mit dem übergeordneten Grundsatz fiskalischer Äquivalenz. Hiernach soll diejenige Instanz, die eine Ausgabe veranlasst, auch für die Mittelaufbringung verantwortlich sein. Daraus folgt, dass der verwendenden Behörde eine weitgehende Beschaffungskompetenz zu verleihen ist, allerdings mit der strikten Maßgabe, dass der Umfang der zur Verfügung gestellten Mittel nicht von ihrer eigenen Entscheidung abhängt (dies wäre Selbstermächtigung) und jedweder Ausgabenposten auf einem haushaltsrechtlichen Titel beruhen muss.8 In praxi würde dies bedeuten: Die Streitkräfte hätten die Beschaffung, d. h. die Verwendung der haushaltsrechtlich vorgesehenen Mittel zur Entwicklung, Erwerb und Instandsetzung von Rüstungsgütern, selbst in die Hand zu nehmen.
Mit diesem Postulat einer neuen institutionellen Ökonomie der Rüstungsbeschaffung soll die Frage nach präzisierenden ökonomischen Maßstäben für Rüstungsentscheidungen nicht verdrängt werden. Sie zielt auf die Erarbeitung von Standards, die die gegebenenfalls engen Grenzen jährlicher Haushaltsrechnung überschreiten und die Wirtschaftlichkeit von Rüstungsbeschaffung ökonomisch neu definieren. Dazu gehören folgende Punkte:
- Die Notwendigkeit, bei der Beschaffung von wehrtechnischen Gütern nicht länger nur auf Anschaffungskosten, sondern auf Lebenszeitkosten abzustellen.
- Die fortschrittskongruente Bezahlung der jeweiligen Projekte und ihre Integration in die Haushaltsplanung: Hierdurch könnte die notgedrungene Verausgabung später benötigter Mittel für zweitrangige Projekte am Ende des Haushaltsjahres, nur um den Haushaltstitel nicht zu verlieren (Überkipperphänomen), vermieden werden.
- Die gegenseitige Deckungsfähigkeit von Ausgabenermächtigungen bei Beschaffungen ist einer kritischen Revision zu unterziehen: Ihre Bewertung ist ambivalent. Sie sollte theoretisch einer flexiblen Haushaltsführung dienen. Im Laufe der Zeit hat sie aber dazu geführt, dass Projekte der Abt. II der geheimen Erläuterungen zum Einzelplan 14, die nur subsidiär zur Verwirklichung kommen sollen, aufgrund dieser Treasury-Fehlplanungen plötzlich und unwiderruflich als erste Priorität eingestuft werden.
- Die haushaltsrechtsrechtlichen Kriterien für die Privatisierung von nicht-militärischen Dienstleistungen (§§ 7, 65 BHO): § 7 I BHO verpflichtet den Gesetzgeber bei der Aufstellung des Haushaltsplans zu prüfen, inwieweit staatliche Aufgaben durch Ausgliederung und Entstaatlichung oder Privatisierung erfüllt werden können.
Verfassungsrechtliche Aufgabenzuweisung versus wirtschaftlicher Ressourceneinsatz
Bei einer Gesamtbetrachtung darf das Grundgesetz nicht übergangen werden. Die Verfassung hat unter Berufung auf den Primat des Politischen einer künstlichen Aufgabentrennung in Art. 87 a, b GG Vorschub geleistet, deren ökonomische Rationalität nie überzeugt hat. Der Wille des verfassungsändernden Gesetzgebers, bei der Integration der Streitkräfte in die grundgesetzliche Ordnung den Primat der Politik sicherzustellen, mag auf den historischen Erfahrungen beruhen, die Deutschland mit faktisch verselbstständigten Streitkräften, ihrem politischen Einfluss und ihren fatalen Unterlassungssünden gemacht hat. Daher sehen die Artikel 65 a und 87 b GG ein System gewaltentrennender Kontrolle zwischen ziviler und militärischer Gewalt vor, das auf institutionellen Aufgabenzuweisungen beruht.
Die Beschreibung der Aufgabengliederung gerade im Hinblick auf das Beschaffungswesen wäre unvollständig, wenn nicht das grundgesetzlich unerwähnte, tatsächlich aber sehr wichtige, BAAINBw mit Sitz in Koblenz und seinen elf Dienststellen9 im Bundesgebiet in diesem Beitrag Erwähnung fände. Obwohl hierarchisch eine nachgeordnete Bundesbehörde im Geschäftsbereich des BMVg, ist sein funktionelles Gewicht mit ca. 11.000 Beamten, Angestellten und Arbeitern in seinem Geschäftsbereich nicht zu unterschätzen. Das BMVg führt lediglich die Fachaufsicht über alle Vorhaben, die im Geschäftsbereich des BAAINBw realisiert werden. Dies gibt ihr zu deren Beginn und bei deren Endabnahme eine wichtige Rolle. Während der langen Laufzeit der Projekte erhält der Bereich Ausrüstung im BMVg Zwischenstandsberichte vom BAAINBw und kann diese kommentieren bzw. von sich aus eine Adjustierung der Vorhaben verlangen.
Tatsächlich ist das BAAINBw durch seine vielfältigen Einwirkungs- und damit Verzögerungsmöglichkeiten im Verhältnis zum BMVg keineswegs nur Exekutivbehörde, sondern der eigentliche Inhaber der operativen Beschaffungsgewalt. Die mit der Komplexität der Projekte stets gerechtfertigte Laufzeit der Beschaffungsvorgänge und die Intensität der Projektbetreuung sowie ihre dezisionäre Gliederung in Entwicklung, Serienreife und Beschaffung erlaubt ein Ausmaß von Neudefinitionen, technischen Anpassungen sowie Sonderwünschen des Bedarfsträgers, die im Ergebnis zu einer zeitlichen Streckung sowie strukturell zur Verteuerung der Produkte führen.
Diese institutionelle Pathologie, die für die Ressourcenfehlallokation im Beschaffungswesen ursächlich ist, kann nicht etwa mit dem zivilen Träger der Beschaffungsbehörde oder dem unzureichenden oder übermäßigen militärischem Einfluss auf die einzelnen Projekte erklärt werden. Das BAAINBw ist mit der Doppelrolle als Ausrüstungs-Konzeptor, Projektmanager und Güte-Schiedsrichter schlichtweg überfordert. Diese Rolle hat es dadurch inne, dass es von der technisch-taktischen Forderung bis zur Indienststellung der Ausrüstung, das faktische Entscheidungsmonopol hat und es ihm sogar vorbehalten bleibt, das Gütesiegel für die eigenen Konzeptionen zu erteilen. Bei nicht-militärischen Beschaffungen ist die Funktion des BAAINBw ohnehin überflüssig. Diese Aufgaben können von Unternehmen wahrgenommen werden.
Die Flexibilität der Aufgabenorganisation
Die generelle Legitimation der Gründung öffentlicher Unternehmen ist in § 65 BHO umrissen. Hiernach kann sich der Bund an der Gründung eines Unternehmens in einer Rechtsform des privaten Rechts beteiligen, wenn ein wichtiges Interesse des Bundes vorliegt und sich der vom Bund angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lässt.
Die zuvor erörterte Problematik kann dahinstehen, weil die Übertragung öffentlicher Aufgaben an ein privatrechtliches Unternehmen als ein Akt der Organisationsgewalt (des BMVg oder der Bundesregierung) zulässig ist. Forsthoff (1938, 28) definierte Organisationsgewalt als „das Recht, innerhalb der gesetzlichen Schranken ohne besondere gesetzliche Ermächtigung und ohne besondere Mitwirkung der gesetzgebenden Körperschaften organisatorische Anordnungen zu erlassen“ (vgl. auch Böckenförde, 1964, 21). Zur begrifflichen Klarstellung mag ferner der Hinweis geboten sein, dass es sich bei der Neuordnung der Aufgaben im Zusammenhang mit Art. 87 b GG unter dem Gesichtspunkt der Organisationsgewalt stets um die Organisationsgewalt der Bundesregierung handelt.10 Hierauf hat der Verteidigungsminister nur im Rahmen der GOBReg (§§ 15, 20 gemeinsame Beratung und Beschlussfassung) gestaltenden Einfluss, während er als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte einseitig-dezisionär entscheiden kann, wenngleich er dabei in die politischen Richtlinien der Bundesregierung eingebunden ist.11 Angesichts der unbestrittenen Notwendigkeit, die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr alsbald herzustellen, dürfte die Organisationsgewalt der Bundesregierung weit auszulegen sein. Wenn die Auslagerung nicht-militärischer Tätigkeit an Private die Herstellung der Einsatzfähigkeit beschleunigt, kann dies auch ohne gesetzliche Grundlage im Rahmen der Organisationsgewalt der Bundesregierung geschehen.
Die verfassungsrechtlichen Chancen für eine vereinheitlichte Rüstungsplanung und -beschaffung
Für den halbmilitärischen und nicht-militärischen Teil der Wehrverwaltung ist eine relative große Gestaltungsbefugnis des BMVg bzw. der BR nicht zuletzt im Rahmen der Organisationsgewalt des BMVg und der BR unproblematisch. Wie weit bei Rüstungsgütern die verfassungsrechtliche Beweglichkeit geht, ist eine Frage der Auslegung, weil Art. 87 b I GG nur für die unmittelbare Deckung des Sachbedarfs die Wahrnehmung „durch eine bundeseigene Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau“ anordnet.
Aus dem Hinweis auf den Haushaltsplan in Art. 87 a GG folgt allerdings der allgemeine Vorbehalt der Finanzierbarkeit der Wehrstruktur. Ferner enthält das GG12 die eindeutige, unentziehbare Aufgabenzuweisung, die Bundesregierung möge die äußere Sicherheit durch Aufstellung von Streitkräften gewährleisten.13 Da diese Aufgabenzuweisung – gerade auch bei der Bündnisverteidigung – Einsatzfähigkeit erfordert, hat die Bundesregierung das Recht, wenn nicht sogar die Pflicht, ihre Organisationsgewalt kompetenzdurchbrechend in einer Weise zu nutzen, die der Ressourcenlage und der Bedrohungslage entspricht. Aus den Motiven des verfassungsändernden Gesetzgebers anlässlich der Einfügung von Art. 87 a, b GG ergibt sich eindeutig, dass die Aufgabenzuweisungen dann jedenfalls durchbrochen werden dürfen, wenn zwingende Sachgründe dies zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr erfordern.14
Dieser anhaltende institutionelle Notstand steht im Widerspruch zu den neuen Einsatzanforderungen an die Bundeswehr. Wenn es innerhalb der Güterabwägung darum geht, zwischen formalen Aufgabenzuweisungen an Bundesverwaltungen und der Erfüllung des Verteidigungsauftrags schlechthin zu entscheiden, hat letzterer Vorrang. Dies gilt allerdings nur in dem Maße, wie sich die Organisationsveränderungen eindeutig an dem Ziel orientieren, Ressourcen einzusparen und dieses Ziel eine eindeutige haushaltsrechtliche Legitimation (§ 7 BHO) findet. Abzugrenzen hiervon ist die Umorganisation mit dem eigentlichen Motiv, der militärischen Komponente im BMVg ein größeres Gewicht zu geben. Hiervon kann aber dann keine Rede sein, wenn im Vordergrund der hier angedachten Maßnahmen
- die Konzentration von Rüstungsplanung und -beschaffung aus Gründen ökonomischer Rationalität steht und diesen Überlegungen große Teile des Bestands des BAAINBw weichen müssen;
- die Übertragung von staatlichen Aufgaben auf Private steht, vermittelt durch einen privatrechtlichen Generalunternehmer (GEBB), weil § 7 BHO genau dies vom Bund fordert (Piduch, 1996, § 7 Rz). Mit Hinweisen zu den institutionellen Ausprägungen des Wirtschaftlichkeitsgebots sowie der Pflicht des Bundesfinanzministeriums bei der Aufstellung des Haushaltsplanes hierauf zu achten. Deshalb ist es besonders überraschend, dass aus Gründen eines falsch verstandenen Ressortdenkens aus dem Bundesfinanzministerium nicht schon früher Impulse zu einer Neuordnung der Wehrbeschaffung kamen.
Die ökonomisch zwingende Kongruenz von Aufgabenzuständigkeit und Ressourcenhoheit gebietet es nicht nur, die vorbeschriebene Umorganisation ins Werk zu setzen. Vielmehr wird erst dadurch die notwendige Bedingung für eine dann folgende Reform der normativ-fiskalischen Grundlagen der Rüstungsbeschaffung erfüllt.
- 1 Mit der Definition öffentlicher Investitionen in § 11 Bundeshaushaltsordnung (BHO) ist diese Terminologie nicht vereinbar. Vgl. zur Problematik des Begriffs der öffentlichen Investition: Wissenschaftlicher Beirat beim BMF (1980).
- 2 Bundesrechnungshof Bericht vom 14.4.22, Gz.: IV 1 - 2021 – 0620, 13.
- 3 Dazu kommen noch 6,3 Mrd. Euro für Versorgungsleistungen.
- 4 Vgl. § 15 HGrG und §§ 20,46 BHO sowie Piduch (1996), § 20 BHO, Rz. 2 ff. Der Verteidigungsetat ist also der einzige Ausgabenbereich geblieben, wo in großem Umfang – insbesondere bei Beschaffungen – Ausgabenumschichtungen vorgenommen werden können, um unvorhergesehene Mehrausgaben bei einem Projekt mit unvorhergesehenen Minderausgaben bei einem anderen Projekt zu verrechnen.
- 5 Siehe Überblick über den Haushalt des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in den Jahren 2022 und 2023, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1296018/umfrage/ueberblick-ueber-den-haushalt-des-baainbw/- (19. Februar 2024).
- 6 Diese Zahlen lassen sich nicht unmittelbar aus dem veröffentlichten Einzelplan 14 des HaushaltsG entnehmen. Vielmehr ist im Einzelplan 1404 lediglich das Haushaltsvolumen für die gesamte Bundeswehrverwaltung einschließlich BAAINBw enthalten. Wesentliche Mittel, so z. B. die Ausgabentitel für die Erarbeitung der Phasendokumente, werden an anderer Stelle verbucht (Einzelplan 1420 Wehrforschung), sodass es für Außenstehende nahezu unmöglich ist, die Kosten für das BAAINBw zu konsolidieren. Bei der hier zugrunde liegenden Kostenschätzung sind dem BAAINBw die nachgeordneten Behörden, besonders die wehrtechnischen Dienststellen sowie das Marinearsenal Wilhemshaven und die Forschungsanstalt der Bundeswehr für Wasserschall und Geophysik, das wehrwissenschaftliche Institut für Schutztechnologien und ABC-Schutz sowie schließlich das Wehrwissenschaftliche Institut für Explosiv- und Betriebsstoffe, hinsichtlich der Personalausgaben zugerechnet worden.
- 7 Vgl. die zum Teil unterschiedlichen Definitionen bei Frey und Kirchgässner (1994, 51 f.) sowie Stiglitz und Schönefelder (1989, 115 f.). In allen Fällen wird auf das Trittbrettfahrerproblem hingewiesen.
- 8 Dieser Haushaltsermächtigung bedarf es ohnehin deshalb, weil nicht nur die einzelnen Ausgabenposten parlamentarisch zu genehmigen sind, sondern die Grundzüge der Streitkräfte-Organisation aus dem Haushaltsplan zu entnehmen sein müssen (Art. 87a I GG).
- 9 Quelle: https://www.bundeswehr.de/resource/blob/138018/88723b360d9b6b922960da166e46bf2b/flyer-baainbw-deu-data.pdf (22. Febuar 2024).
- 10 Hierauf macht Roellecke (1992, 200) unter Bezugnahme auf Böckenförde (1964, 156 ff.) aufmerksam.
- 11 Vgl. hier den Gesetzesvorbehalt in § 66 SoldatenG sowie die gratwandernden Versuche von Böckenförde (1964, 162 unter Hinweis auf die Differenzierungen bei Lorenz v. Stein sowie 316 ff.) verbunden mit dem Hinweis, dass § 66 SoldatenG nicht die militärische Organisationsgewalt des BMVg beschneide und die völlige legislativ programmierte Durchorganisation des BMVg unzulässig sei.
- 12 Vgl. Landes- und Bündnisverteidigung gemäß Art. 87 a I, III GG; Einsatz im Rahmen kollektiver Sicherheitssysteme gemäß Art. 24 II GG; Einsatz bei innerem Notstand gemäß Art. 87 a IV GG sowie Amtshilfe gemäß Art. 35 I und Katastrophennotstand gemäß Art. 35 II, III GG.
- 13 Die Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr haben Verfassungsrang, vgl. BVerfGE 48, 159 ff.
- 14 Vgl. Bundestagsdrucksache.9/964, 16 ff.
Literatur
Böckenförde, E.-W. (1964), Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung.
Forsthoff, E. (1938), Öffentliche Körperschaft.
Frey, B. S. und G. Kirchgässner (1994), Demokratische Wirtschaftspolitik, 2. Aufl.
Piduch, E. A. (1996), Bundeshaushaltsrecht, 2. Aufl.
Roellecke, G. (1992), Streitkräfte und Bundeswehrverwaltung – Versuch einer funktionalen Abgrenzung ihrer Kompetenzen, DÖV.
Stiglitz, J. E. und B. Schönefelder (1989), Finanzwissenschaft, 2.Aufl.
Tiebout, C. M. (1956), A Pure Theory of Public Expenditure, Journal of Political Economy, 416-424.
Wissenschaftlicher Beirat beim BMF (1980), Gutachten zum Begriff der öffentlichen Investition – Abgrenzungen und Folgerungen im Hinblick auf Art. 115 GG, Schriftenreihe des BMF, 29.
Wissenschaftlicher Beirat beim BMWK (2023), Bundeswehr besser ausrüsten – aber wie? Gutachten, https://.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Ministerium/Veroeffentlichung-Wissenschaftlicher-Beirat/bundeswehr-besser-ausruesten.html (22. Februar 2024).