Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

Dieser Beitrag ist Teil von Die ökonomischen Bedingungen einer neuen Sicherheitsarchitektur für Deutschland und Europa

Die sicherheitspolitische Lage Europas und Deutschlands hat sich fundamental gewandelt, insbesondere durch Russlands Angriffskrieg und die abnehmende Verlässlichkeit transatlantischer Sicherheitsgarantien. Gleichzeitig verschärft sich der globale Wettlauf um technologische Vorherrschaft. Deutschland muss jetzt Initiator eines „SPARTA“”-Projektes (Strategic Protection and Advanced Resilience Technology Alliance) für die europäische Verteidigung sein. Dies bedeutet das unverzügliche Aufsetzen großer Rüstungsprogramme mit Fokus auf neue Technologien und souveräner innereuropäischer Beschaffung.

Folgende Schlüsselprogramme sollten Teil dieses Projekts sein. Allen gemein ist, dass sie asymmetrische Überlegenheit schaffen und wenn nicht unmittelbar (6 bis 12 Monate), dann im militärischen Sinne kurz- (1 bis 3 Jahre) oder mittelfristig (3 bis 5 Jahre) machbar sind. Wirklich langfristige Entwicklungsvorhaben sind nicht im Fokus dieses Beitrags. In Summe zielen die Überlegungen hier auf „das scharfe Ende“ der Verteidigung, also die Überlegenheit auf dem modernen Gefechtsfeld, und weniger auf Unterstützungs- oder Logistikaspekte der Verteidigung.

Aufklärungs- und Wirküberlegenheit in allen Dimensionen (unmittelbar/kurzfristig):

  • Etablierung eines weiträumigen Drohnenwalls über der NATO-Ostflanke zur wirksamen Abschreckung durch echte Masse (mehrere zehntausend Kampfdrohnen für zeitnah beschaffbare, asymmetrische Fähigkeit),
  • Modernisierung von Bestandssystemen aller Waffengattungen, damit sie auf dem modernen Gefechtsfeld zur Aufklärung und effektiveren Wirkung mit Drohnen sowie gegen gegnerische Drohnen befähigt sind,
  • Aufbau einer souveränen Satellitenkonstellation und Echtzeit-Auswertung für militärische Anwendungen bzw. zur Überwachung der NATO-Ostflanke,
  • Aufbau einer großflächigen Unterwasserüberwachung im Baltikum, in Verbund mit den Ostseeanrainer­staaten, um die hybride Kriegsführung Russlands im Bereich kritischer Infrastruktur zu unterbinden,
  • wirksamer Schutz und Abschreckung gegenüber hybrider Kriegsführung seitens Russland, sowohl im Cyber als auch im physischen Bereich.

Asymmetrische digitale Führungsüberlegenheit (kurz- bis mittelfristig):

  • Schnelle Realisierung einer europäischen Multi-Domain-Combat-Cloud für die dezentrale, vernetzte Nutzung von Daten auf dem Gefechtsfeld zur Beschleunigung der eigenen Führungs- und letztlich der Wirkfähigkeit.
  • Entwicklung eigener Systeme für die elektronische Kampfführung zur Schwächung der Führungsfähigkeiten des Gegners.

Nukleare Abschreckung und strategische Luft-Überlegenheit (mittelfristig):

  • Einstieg in unbemannte, souverän steuerbare Kampfdrohnen-Systeme (in den USA genannt: Collaborative Combat Air) für qualitative und quantitative Luft-Überlegenheit,
  • Aufbau eines europäischen Raketen- und Drohnenabwehrsystems („European Sky Shield“),
  • Aufbau eines europäischen Hyperschallprogramms mit Fokus auf manövrierfähige Systeme für strategische Abschreckung,
  • Kooperation mit Frankreich und Großbritannien zur Ausweitung der Abschreckungsfähigkeiten auch im Bereich strategischer und taktischer Nuklearwaffen.

Diese Liste kann hier nicht vollständig sein, setzt aber einen klaren Akzent auf Abschreckung durch einen asymmetrischen Technologievorsprung. Anstatt numerische Nachteile in Legacy-Plattformen schrittweise aufzuholen, sollten wir eine deutliche technologische Überlegenheit in Verbindung mit bezahlbarer Masse und einer Nachrüstung von Bestandssystemen schaffen.

Strategische Analyse: Die neue europäische Sicherheitsarchitektur

Europa und Deutschlands durchlaufen einen Epochenwandel. Das transatlantische Bündnis mit seinen Sicherheitsgarantien der Vergangenheit ist nicht mehr selbstverständlich. Russlands fortgesetzter Angriffskrieg in der Ukraine macht deutlich, dass Europas Sicherheit nicht nur auf diplomatischem Willen, sondern auf militärischer Abschreckung und Kriegstüchtigkeit basiert. Europas Fähigkeit zur eigenständigen Resilienz, Technologie-Souveränität und Verteidigung entscheidet über seine strategische Handlungsfähigkeit.

Die Ukraine zeigt, dass Überlegenheit durch Masse in Verbindung mit technologischer Exzellenz erzielt wird. Die Ukraine hält die Verteidigungslinie für uns alle, kämpft also auch für Europa. Die wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Folgen einer ukrainischen Niederlage zeigen unmissverständlich, dass das Verlieren des Krieges einen fundamentalen Einschnitt in unsere Gesellschaften und Wirtschaftssysteme bedeuten würde. Binder und Schularick (2024) rechnen für dieses Negativszenario mit Kosten von hunderten Milliarden Euro über fünf Jahre hinweg durch zusätzliche Flüchtlingsströme, höhere reaktive Militärausgaben aufgrund der Stärkung Russlands und Verluste aus Handel und Direktinvestitionen.

Zwar befindet sich Europa selbst (noch) nicht im Krieg – aber auch nicht mehr im Frieden. Russland führt einen hybriden Krieg gegen uns. Angriffe auf kritische Infrastruktur, wie z. B. Unterwasserkabel in der Ostsee, ständige Desinformation, Cyberangriffe und Sabotage, stellen Einschnitte in die Lebensadern europäischer Gesellschaften dar. Das Hinnehmen dieser Vorgänge wird Gesellschaften und das geeinte Europa auseinandertreiben. Die Toleranz gegenüber derartigen Grenzüberschreitungen wächst. Wir müssen uns dagegen wehren.

Gleichzeitig verschärft sich der globale Wettlauf um technologische Vorherrschaft. Künstliche Intelligenz (KI), autonome Systeme, Hyperschallwaffen und militärische Raumfahrt sind nicht mehr Zukunftsvisionen, sondern entscheidende Faktoren für geopolitische Macht. Europa kann es sich nicht länger leisten, militärische Schlüsseltechnologien zu verpassen. Übrigens auch, weil die Synergien mit dem zivilen Sektor erheblich sind. Ganze Industrien und Wertschöpfungsketten drohen wegzubrechen oder sich zu verlagern, wenn Deutschland und Europa diesen militärtechnologischen Wandel – wie in anderen Industrien – verpassen. Auf der Basis einer konservativen Schätzung der Effekte auf das deutsche Potenzialwachstum würde allein das entgangene Wachstum 200 bis 300 Mrd. Euro über das nächste Jahrzehnt betragen.

Europäische Technologie-Souveränität für Verteidigung und Sicherheit

Deutschland und Europa müssen deshalb nach unserer Überzeugung eine technologiegetriebene Verteidigungsstrategie verfolgen, die militärische Innovationskraft mit wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit verbindet. Dies ist gleichzeitig möglich und bedingt sich sogar. Die Vergangenheit zeigt: Krisendruck treibt technologische Höchstleistungen. Die Entstehung von Silicon-Valley-Innovationen oder Israels Hochtechnologie-Cluster sind Beispiele dafür, wie gezielte staatliche und private Investitionen in Sicherheitstechnologien, Wirtschaftswachstum und technologische Führerschaft fördern.

Wenn Deutschland nun durch eine generelle Ausnahme für Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse etwa in den nächsten Jahren hunderte von Milliarden Euro in seine Sicherheit investiert, so müssen diese Gelder Wehrhaftigkeit, Technologiefortschritt und Wirtschaftswachstum zum Ziel haben. Angesichts der Bedrohungslage und der Notwendigkeit, sich schnell aus der Abhängigkeit von den USA zu lösen, erscheinen deutsche Verteidigungsausgaben von 3,5 % des Bruttoinlandsprodukts eine nachvollziehbare Größe. Mit realistischen Annahmen zur Geschwindigkeit der Umschichtung im Bundeshaushalt im nächsten Jahrzehnt sollte durch die Ausnahme von der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben ein mehrjähriger Finanzrahmen mindestens 400 Mrd. Euro bzw. ca. 10 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2024 (das deutsche BIP im Jahr 2024 betrug 4.300 Mrd. Euro) betragen. Damit könnte über das nächste Jahrzehnt im Mittel etwa 1 % des BIP zusätzlich in den Aufbau von Verteidigungskapazitäten fließen, während durch Umschichtungen bzw. Einsparungen im Kernhaushalt weitere 10 Mrd. Euro (~0,2 % des BIP) pro Jahr zufließen. Über das kommende Jahrzehnt könnten damit unter realistischen Annahmen zu Umschichtungen und Einsparungen Verteidigungsausgaben von 3,5 % des BIP getätigt werden. Die Budgets sollten sich allerdings aus der konkreten Bedarfsplanung ergeben.

Das erste Sondervermögen floss unter Zeitdruck in die Technologien der 2000er und 2010er Jahre, in großen Teilen zudem in nicht-europäische Systeme. Der deutsche und europäische Anteil ging primär in die Land- und Seedomäne. Künftige Investitionen im Rahmen der Ausnahme von der Schuldenbremse müssen stärker auf strategische Fähigkeiten (Deep Strike und Luftabwehr) und moderne Technologiefelder (vernetzte und autonomere Systeme, Weltraum) ausgerichtet werden und zugleich die notwendigen bisherigen Fähigkeiten ausbauen bzw. mit moderner Technologie schnell nachrüsten. Hierzu zählen Artillerie, die mit Drohnen und Software effektiver gemacht wird, die Einrüstung europäischer Mittelstreckenraketen bzw. Präzisionswaffen wie Taurus, die Nachrüstung der Eurofighter mit Fähigkeiten zur elektronischen Kriegsführung sowie die Flugzeugtypen Airbus A400M und C-295 für Transport und die Multi-Role Tanker Transport (MRTT) Flugzeuge für die Luftbetankung.

Neue Beschaffungsstrategie: Technologievorteile nutzen

Eine neue Beschaffungsstrategie muss die militärischen wie auch die wachstumspolitischen Vorteile von Technologie neu kombinieren:

Technologischer Vorsprung in Geschwindigkeit und Präzision ist kriegsentscheidend: Die Ukraine demonstriert, dass Kampfkraft heute durch Geschwindigkeit, Automatisierung und vernetzte Sensorik deutlich verbessert wird. Eine Debatte über reine Stückzahlen von Panzern und Flugzeugen ist nicht zielführend. Entscheidend sind die Geschwindigkeit von Datenflüssen, Präzision und digitale Integration auf dem Gefechtsfeld. Deutschland hat bereits erhebliche Summen für F-35-Kampfjets ausgegeben. Diese Flugzeuge verfügen über eine hochgradig verschlüsselte und geschlossene Softwarearchitektur, was ihre direkte Integration in europäische Systeme erschwert. Für ihren Betrieb sind regelmäßige Software-Updates und Wartungen erforderlich, die US-seitig kontrolliert werden, was zu einer fortdauernden Abhängigkeit führt.

Die Erfahrungen aus der Ukraine zeigen, dass die Realität auf dem Gefechtsfeld nicht mehr die des Kalten Krieges ist: Sie hält dem zahlenmäßig überlegenen Gegner durch den massenhaften und kostengünstigen Einsatz neuer Technologien, allen voran Aufklärungs- und Wirkdrohnen, sowie andauernde Innovation seit nunmehr drei Jahren viel entgegen. Komplexe, große Waffensysteme, die langwierig in der Entwicklung und Produktion sind, aber keine technologische Überlegenheit sichern oder permanent weiterentwickelt werden können, stellen für uns nicht die alleinige Lösung dar. In der Beschaffung wurde jahrelang und auch im ersten Sondervermögen ganz überwiegend – im Verhältnis 99:1 – auf diese Systeme gesetzt.

Technologiebasierte Rüstungsinvestitionen sind Wachstumstreiber: Analysen des Kiel Instituts für Weltwirtschaft zeigen, dass Investitionen in hochmoderne Verteidigungstechnologien höhere wirtschaftliche Multiplikatoren haben als der Nachbau veralteter Systeme. Die makroökonomischen Multiplikatoren von Verteidigungsinvestitionen reichen von 0,6 bis 1,5. Wenn der Staat also 100 Mrd. Euro in die Verteidigung investiert, steigt das Bruttoinlandsprodukt um 60 bis 150 Mrd. Euro. Das obere Ende dieser Effekte ist dann realistisch, wenn vor allem in deutsche und europäische Entwicklung und Produktion von Hochtechnologien investiert wird. Je mehr wir also in fortschrittliche Bereiche mit Chancen auf echte Technologiesprünge investieren, umso mehr profitieren wir auch wirtschaftlich und sichern europäische Wertschöpfung.

Neben den positiven makroökonomischen Effekten können hochmoderne Technologien konkrete Fortschritte in den Streitkräften bereits kurzfristig erzielen. Eingeführtes Wehrmaterial kann durch eine höhere Systemintegration mit anderen Fähigkeitsträgern schneller und effektiver zur Wirkung gebracht werden.Dazu werden militärische Entscheidungsprozesse aller Ebenen vernetzt und mit KI unterstützt. Auch deshalb hat sich deutsches Wehrmaterial im Ukrainekrieg oft bewährt.

Die Kosten für eine solche Modernisierung sind im Vergleich zur Neubeschaffung komplexer Hardware und der damit verbundenen logistischen Folgekosten gering, während der Fähigkeitsgewinn in den Streitkräften zeitnah spürbar wäre.

Darüber hinaus kann hochmoderne Technologie das quantitative Defizit – waffentechnischer und zahlenmäßiger Unterlegenheit – gegenüber einem potenziellen russischen Gegner zum Teil kompensieren. Dabei kommt dem Bereich der elektronischen Kriegsführung eine besondere Bedeutung zu.

Um die durch die Ausnahme von der Schuldenbremse geplanten verfügbaren Mittel effizient zu nutzen, benötigt Deutschland eine Vereinfachung seiner Beschaffung. Die gegenwärtigen Beschaffungsprozesse sind noch immer bürokratisch sehr aufwändig, weisen erhebliche Verzögerungen auf und führen teilweise auch zur Benachteiligung europäischer Anbieter gegenüber US-amerikanischen Lieferanten. Für europäische Partner, gerade im Bereich kritischer Schlüsseltechnologien, könnte ein separates Fast-Track-Beschaffungsverfahren etabliert werden, das Vorhaben mit sicherheitspolitischer Dringlichkeit ermöglicht.

Fünf zentrale Technologiebereiche im Fokus

Die durch die Ausnahme von der Schuldenbremse für Verteidigung und Sicherheit Deutschlands verfügbaren Mittel müssen durch Projekte, wie oben genannt, maßgeblich in fünf Technologiebereiche investiert werden:

1) Skalierung der Produktion von autonomen Systemen und Robotik

Autonome Systeme transformieren das moderne Gefechtsfeld durch die Synthese fortschrittlicher Technologie, Software und KI. Sie bringen Masse auf das Gefechtsfeld und verstärken dabei das knappe Personal der Streitkräfte. Technologieführerschaft kann hier andere Fähigkeitslücken überkompensieren und somit Vorteile schaffen. Autonome Systeme und Roboter kombinieren KI, Sensorik und Steuerungssoftware, um wichtige offensive und defensive Aufgaben zu übernehmen. Beispiele sind Drohnensysteme in der Luft, im Wasser und zu Land.

Die Fähigkeitsentwicklung dieser Systeme wird maßgeblich durch Software vorangetrieben. Umfangreiche Fähigkeiten, die früher in Hardware fest „verdrahtet“ wurden, verlagern sich zunehmend auf Software. Sie befähigt auch die Konsumgüterelektronik, z. B. Kamerasysteme oder Datenlinks, zum militärischen Einsatz. Diese Komponenten sind mit zivilen Produktionsmitteln preiswert und massenhaft herstellbar. Insbesondere mit einer Kombination aus bemannten und unbemannten Systemen, die eng koordiniert zusammenwirken, ist der Erfolg im Luftkampf entscheidend für den gesamtmilitärischen Erfolg.

Unter anderem Russland, Ukraine und China produzieren militärische Drohnen und robotergestützte Systeme bereits in großen Stückzahlen. Die USA münzen diese Erkenntnis seit längerem in konkrete Beschaffungsprojekte im Land- und Luftbereich um: Besonders die Investitionen in unbemannte Kampfflugzeuge, deren Wert primär durch KI-unterstützte Steuerungssoftware entsteht, zeigen die Richtung für zukünftige Entwicklungen auf.

Deutschland und Europa dürfen hier technologisch nicht weiter zurückfallen. Die neue und etablierte deutsche Rüstungsindustrie umfasst Unternehmen, die hier mit führend sein könnten.

2) Breiter Einsatz von Angewandter KI und Advanced Software

Die strategische Bedeutung von KI und Software in der modernen Verteidigungstechnologie wächst rapide. Sie entscheidet zunehmend über militärische Überlegenheit und nationale Sicherheit. Algorithmen, maschinelles Lernen und datengetriebene Systeme zur Automatisierung, Analyse und Entscheidungsunterstützung sind von großer Bedeutung im Gefechtsfeld. In Kombination mit elektronischer Kampfführung und bemannten und unbemannten Systemen ermöglichen sie ein vernetztes Gesamtsystem für moderne Kriegsführung.

Die USA versuchen, ihre Führungsposition gezielt auszubauen. Softwareunternehmen wie Palantir sollen durch großangelegte Beschaffungsaufträge zu Schlüsselspielern in der Verteidigungsindustrie werden. KI-Anbieter wie OpenAI beginnen, ihre Modelle der Verteidigungsindustrie zur Verfügung zu stellen. China holt auch hier durch staatlich geförderte KI-Programme deutlich auf.

Trotz exzellenter Forschungseinrichtungen, vieler KI-Firmen und internationaler Spitzenforschung bleibt Deutschlands Verteidigungssektor hinter seinen Möglichkeiten zurück. Es fehlen ambitionierte, großangelegte Beschaffungsprogramme, die diese Spitzentechnologien effektiv in die Bundeswehr integrieren und ihre transformative Kraft entfalten lassen. Außerdem sollten die Universitäten ihre Zivilklauseln streichen, wodurch ansonsten die Kooperation mit dem militärischen Sektor unterbunden bleibt.

3) Souveräner Zugang zum Weltraum, Schutzschirm und sichere Kommunikation

Souveräner Zugang zum Weltraum, ein Raketenschutzschild und eigene satellitengestützte Kommunikationsfähigkeiten sind unverzichtbare Komponenten nationaler Sicherheit und strategischer Autonomie in einer zunehmend digitalen Kriegsführung. Der Ukraine-Konflikt zeigt, dass der Erfolg militärischer Operationen heute maßgeblich von breitbandiger Satellitenkommunikation und Echtzeit-Erdbeobachtung abhängt, bei Truppenbewegungen aber auch zum Schutz der Zivilbevölkerung und kritischer Infrastruktur unverzichtbar ist. Die USA haben mit Starlink die erste weltumspannende Hochleistungskonstellation geschaffen. China zieht derzeit mit einer eigenen Fähigkeit nach.

Europäische Staaten liegen bei Startkapazitäten und Satellitenkonstellationen weit zurück. Europa hat mit OneWeb, bestehend aus 600+ Satelliten, bereits ein operationelles System, das ähnliche Kommunikationsfähigkeiten wie Starlink bieten soll, jedoch noch modernisiert und weiter ausgebaut werden muss. Parallel soll IRIS² (Infrastructure for Resilience, Interconnectivity and Security by Satellite) aufgebaut werden, das in Bezug auf Sicherheit und Verschlüsselung der Kommunikationssignale auf neuestem Stand sein soll, jedoch erst 2030 voll einsatzbereit sein dürfte.

Der gesicherte Zugang zum Weltraum soll durch Trägerraketen wie Ariane 6, mittlere und neue (Mikro-)Launcher gewährleistet werden. Deutschland allein hat bereits drei Mikro-Launcher in der Entwicklung (RFA, Isar Aerospace, Hyimpulse), die über die European Launcher Challenge 2025 mit anderen europäischen Ländern in Konkurrenz stehen. Eine gemeinsame europäische Vorgehensweise wäre jetzt ratsam, um alle Ressourcen zu bündeln.

Mit den richtigen Anreizen kann die Privatwirtschaft innerhalb der nächsten 3 bis 4 Jahre eine eigene leistungsfähige Satellitenkonstellation entwickeln und bereitstellen. Ein dedizierter Fokus auf militärische Anwendungsmöglichkeiten ist dringend notwendig.

Stand heute befinden sich Europas Streitkräfte in strategischer Abhängigkeit von Starlink – und müssten im Ernstfall Elon Musk um kritische Unterstützung bitten, demzufolge unsere Sicherheit von unternehmerischen Entscheidungen einer einzelnen Person abhinge.

4) Ausbau und Modernisierung nuklearer Abschreckungsfähigkeiten

Nukleare Abschreckung bleibt ein zentraler Pfeiler strategischer Stabilität und muss sich der konkreten nuklearen Bedrohung seitens Russlands entgegenstellen. Die Weiterentwicklung europäischer Fähigkeiten in diesem Bereich kann mittelfristig unsere geopolitische Erpressbarkeit verhindern. Die russische Stationierung taktischer Nuklearwaffen in Kaliningrad und die Vorbereitung von Abschussbasen in Belarus für ballistische Raketen, die ebenfalls nuklear bestückt werden sollen, bilden ein großes Erpressungspotential gegen uns in Europa.

Europa muss mit ähnlichen Fähigkeiten ausgestattet sein, um hier wirksam abschrecken zu können. Eine enge Zusammenarbeit Deutschlands mit Frankreich und Großbritannien zur Erweiterung der Kapazitäten und Einbindung in deren spezifische Schutzschirme erscheint als die beste Option. Auch andere europäische Länder sollten sich an diesem Programm in einer Koalition der Freiheitsverteidiger beteiligen.

Die bisherige Teilhabe Deutschlands am nuklearen Programm der NATO muss bestehen bleiben, in der Hoffnung, dass die USA zur NATO und zum Schutz Europas auch künftig stehen. Allerdings sollte zügig geprüft werden, ob nicht in Ergänzung zum F-35-Kampfjet auch europäische Kampfflugzeuge in der Nachfolge des Tornados die Voraussetzungen zur entsprechenden Zertifizierung erfüllen können.

5) Entwicklung und Integration von modernen Flugkörpern und Hyperschall-Waffensystemen

Die Hyperschall-Technologie definiert die nächste Generation strategischer Waffensysteme und verändert das Kräfteverhältnis in der modernen Kriegsführung. Durch die extreme Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit von Hyperschallwaffen können sie bestehende Abwehrsysteme überwinden und sind deshalb ballistischen Raketen überlegen. Dies macht sie zu einem relevanten Faktor für Abschreckung und Verteidigungsfähigkeit und einem elementaren Bestandteil eines neuen strategischen Verteidigungsportfolios.

Hierbei geht es explizit um Waffensysteme, die manövrierfähig sind (z. B. die chinesische DF-17) und daher weit über die Fähigkeiten momentan angewandter Systeme im Krieg in der Ukraine hinausgehen.

Hyperschallsysteme können nuklear und konventionell bestückt werden, wodurch je nach Situation eine angemessene militärische Leistungsfähigkeit garantiert wird. Konventionell bestückt bieten sie die höchste subnukleare Abschreckungsstufe.

Russland, China und die USA haben das strategische Potenzial erkannt und arbeiten bereits mit Milliardeninvestitionen an diesem Thema. Europa und Deutschland liegen gefährlich weit zurück. Um über eine zukunftsfähige strategische Abschreckungsstrategie zu verfügen, muss Deutschland diese Fähigkeit souverän entwickeln. Nur so kann im Feld der Flugkörpertechnologie ein Mithalten mit dieser Sprunginnovation gewährleistet werden.

Schlussappell

Als Unternehmer und Wissenschaftler sind wir überzeugt: Unsere Sicherheit entscheidet sich letztlich durch technologische Überlegenheit und die Bereitschaft, dort massiv zu investieren. Wer die richtigen Technologien skaliert und einsetzt, kann sich vor Aggressoren besser schützen. Als Kernbestandteil eines starken Europas muss Deutschland dies jetzt in seiner Verteidigungspolitik umsetzen. Wir stehen an einer historischen Weggabelung: Behaupten wir uns als souveräner, wehrhafter Kontinent und verteidigen wir unsere Freiheit und unseren Wohlstand? Oder begeben wir uns in Abhängigkeiten und verlieren schrittweise alles, was uns lieb geworden ist?

Deutschland muss jetzt Initiator einer „SPARTA“ (Strategic Protection and Advanced Resilience Technology Alliance) für die europäische Verteidigung sein. Investitionen in autonome Systeme, KI-Technologien, souveräne Raumfahrt etc. sind nicht nur sicherheitspolitisch zwingend, sie sind auch wichtige Katalysatoren für Wachstum und technologische Souveränität.

Literatur

Binder, J. & Schularick, M. (2024). The costs of not supporting Ukraine. Kiel Policy Brief, 179.

Die Autor:innen haben diesen Beitrag als Privatpersonen verfasst.

Title: Dependence or Self-assertion: Germany and Europe’s Role in the 21st Century is Being Decided Now

Abstract: The security situation in Europe and Germany has fundamentally changed, particularly due to Russia’s war of aggression and the declining reliability of transatlantic security guarantees. At the same time, the global race for technological supremacy is intensifying. Germany must now initiate a “SPARTA” (Strategic Protection and Advanced Resilience Technology Alliance) project for European defense. This means the immediate launch of major armament programs focused on new technologies and sovereign intra-European procurement.

Beitrag als PDF

© Der/die Autor:in 2025

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2025-0070

Mehr zu diesem Thema bei EconBiz