In den Jahren vor der Pandemie erlebte die deutsche Wohnungsbauwirtschaft einen Boom. Niedrige Zinsen und der hohe Wohnraumbedarf in den großen deutschen Ballungszentren führten zu einer starken Nachfrage. Sowohl institutionelle Investoren als auch private Haushalte setzten auf das begehrte deutsche Betongold. Die Immobilienpreise stiegen kontinuierlich an. Für den Wohnungsbau bedeutete dies eine goldene Ära, in der Unternehmen mit der Abarbeitung ihrer Aufträge kaum Schritt halten konnten. Sowohl die Zahl der Baugenehmigungen als auch die Zahl der Auftragseingänge stiegen stetig an.
Dies spiegelte sich auch in den monatlichen ifo Konjunkturumfragen wider (vgl. Abbildung 1): 2018 und 2019 erreichte der Geschäftsklimaindikator für den Wohnungsbau Höchststände von über 30 Punkten. Ein Niveau, das seit Beginn der Zeitreihe 1991 nicht erreicht wurde. Für die Beurteilung der aktuellen Lage wurde das Maximum im Oktober 2018 mit knapp über 60 Saldenpunkten erreicht. Ein solch hoher Wert kommt nur selten in den ifo Umfragen vor. Wenige Jahre später ist die Stimmung im Wohnungsbau auf einen Tiefpunkt gesunken. Zu Beginn der Coronapandemie kam es auch zu einem Einbruch des Geschäftsklimas, jedoch weniger stark als in anderen Sektoren (Sauer & Wohlrabe, 2020a). Dieser wurde vor allem durch die Erwartungen getrieben, während die Unternehmen mit den laufenden Geschäften weiterhin zufrieden waren. Der Sinkflug des Geschäftsklimas im Wohnungsbau begann ab November 2021 und damit früher als die erste Zinserhöhung der EZB seit Jahren (Juli 2022). Der richtige Einbruch erfolgte mit Kriegsbeginn in der Ukraine. Der historische Tiefpunkt wurde im Februar 2024 erreicht. Gleiches gilt auch für die Erwartungen. Die Geschäftslage wurde jedoch um das Jahr 1997 und zwischen 2000 und 2005 noch schlechter eingeschätzt als am aktuellen lokalen Tiefpunkt.
Abbildung 1
Geschäftsklima und seine Komponenten im Wohnungsbau
Index
Quelle: ifo Konjunkturumfrage.
Ein Blick auf die verschiedenen Bausparten zeigt, dass das Geschäftsklima im Wohnungsbau gegenwärtig (Juni 2024) am schlechtesten notiert. Generell ist die Stimmung im Hochbau im Krisenbereich. Das Geschäftsklima im öffentlichen Hochbau ist mit rund -38 Saldenpunkten nur wenig besser als der Wohnungsbau (-44). Weniger deutlich im Minus liegt der gewerbliche Hochbau (-29). Im Tiefbau ist die Stimmung weniger pessimistisch. Dort rangiert das Geschäftsklima bei gegenwärtig -9,5 Saldenpunkten und ist somit auch ein Stück vom Optimismus entfernt.
Was sind die Gründe für den Absturz des Geschäftsklimas?
In Abbildung 2 wird die Entwicklung von vier Hinderungsgründen (Finanzierungsengpässe, Materialengpässe, Stornierungen und Auftragsmangel) für die Bauproduktion dargestellt. Diese werden im Rahmen der monatlichen Erhebung abgefragt. Während der Coronakrise kam es zu massiven Lieferengpässen bei Baumaterialien (Leiss & Wohlrabe, 2021). Im Zuge des Corona-Schocks hatten viele Produzenten ihre Produktionsprogramme gekürzt, dazu kamen pandemiebedingte Produktionsausfälle und andere Beeinträchtigungen. Nicht nur beim Baumaterial kam es damals global zu einer empfindlichen Störung der Wertschöpfungsketten in der Industrie. Das Uhrwerk war aus dem Takt geraten und es dauerte einige Zeit, bis die Produzenten die Nachfrage wieder mit gewohnter Zuverlässigkeit bedienen konnten. Infolgedessen bauten sich ab März 2021 – mit saisonal bedingt steigender Bauproduktion – teils massive Engpässe beim Material auf. Es mangelte an Schnittholz, Kunststoffrohren, Dämmmaterial, Baustahl und diversen anderen Materialien. Lieferzeiten und Preise schossen in die Höhe. Teilweise berichtete mehr als jedes zweite Wohnungsbauunternehmen von entsprechenden Problemen.1 Diese Engpässe entspannten sich zunächst ab der zweiten Jahreshälfte 2021, um sich dann mit dem Kriegsausbruch in der Ukraine 2022 wieder erheblich zu verschärfen. Sowohl Russland als auch die Ukraine waren zuvor wichtige Lieferanten für Baustahl. Zudem sind viele Baumaterialien in ihrer Herstellung energieintensiv, die inländischen Produzenten damit besonders von der Energiekrise betroffen.
Abbildung 2
Baubehinderungsfaktoren
in % der befragten Betriebe
Quelle: ifo Konjunkturumfrage.
Es war jedoch nicht so, dass die Bauproduktion infolge der Engpässe einbrach. Die Kapazitätsauslastung im Hochbau lag im Jahresdurchschnitt 2021 bei sehr guten 79,2 % und damit nur unwesentlich niedriger als im Vorjahr der Pandemie 2019, als durchschnittlich 79,4 % ermittelt wurden. Auch 2022 blieb die Auslastung mit 79,3 % im Jahresdurchschnitt auf diesem sehr guten Niveau. Die Kräne drehten sich also trotz der vorherrschenden Materialengpässe weiter über den deutschen Baustellen. Ein deutlicher Effekt zeigte sich aber zum einen auf die Baupreise und zum anderen auf die Fertigstellungszeiten. Der Baupreisindex für Wohngebäude des Statischen Bundesamtes wies ab dem dritten Quartal 2021 bis zum ersten Quartal 2023 zweistellige Zuwachsraten auf. Die Spitze war im zweiten Quartal 2022 mit einer Verteuerung um 17,6 % gegenüber dem Vorjahr erreicht. Der durchschnittliche Zeitraum von der Erteilung einer Baugenehmigung bis zur Fertigstellung der Wohneinheiten hat sich nach Daten des Statistischen Bundesamtes zwischen 2020 und 2023 um 4 Monate auf nun 24 Monate verlängert. Bemerkenswert ist, dass die drastisch gestiegenen Baukosten und Fertigstellungszeiten zunächst noch nicht zu Nachfrageproblemen im Wohnungsbau führten.
Mit dem Kriegsausbruch 2022 und der im selben Jahr eingeleiteten Zinswende begann die Krise (Michelsen, 2023). Dies verteuerte die Finanzierungskosten von Wohngebäuden teilweise deutlich. Das Finanzierungskalkül vieler privater Haushalte und institutioneller Investoren war vor allem von günstigen Finanzierungskonditionen getragen. Das Zinsniveau war jahrelang sehr niedrig. Mit dem schnellen und deutlichen Anstieg der Leitzinsen gingen viele Finanzkalkulationen nicht mehr auf (Leiss et al., 2023). Dies führte zu erheblich weniger Neuaufträgen für Wohngebäude auf der einen und verstärkten Stornierungen auf der anderen Seite.
Die Entwicklung des Auftragsmangels ist in Abbildung 2 dargestellt. Seit der zweiten Jahreshälfte 2022 stieg der Anteil der Betriebe, die über fehlende Neuaufträge klagen, stark an. Während es im Juni 2022 nur 10,8 % der Unternehmen waren, lag der Anteil zwei Jahre später bei rund 50 %.2 Im historischen Vergleich wurde im Dezember 2023 mit 56,9 % ein neuer Höchststand erreicht. Zwischen 1999 und 2005 wurde auch häufiger die 50-Prozentmarke überschritten. Der berichtete Auftragsmangel spiegelt sich auch in den Wohnungsbaugenehmigungen wider, die laut Destatis ebenfalls seit Mitte 2022 im Trend kontinuierlich rückläufig sind. Die Zahl der genehmigten Wohnungen sank vom März 2022 mit rund 34.000 (saisonbereinigt) und halbierte sich bis April 2024 auf 17.000.
Eine weitere Nebenwirkung der Zinswende sind Stornierungen von bereits erteilten Aufträgen. Mit diesem Phänomen mussten sich die Wohnungsbauunternehmen in der Niedrigzinsphase kaum auseinandersetzen. Bereits im April 2022, d. h. vor der Zinswende, meldeten 10,5 % der Unternehmen stornierte Aufträge, ein auffallend hoher Wert. Dies war vermutlich durch die stark gestiegenen Baukosten und die gestiegene Unsicherheit getrieben. Im Mittel hatte der Anteil von 2012 bis 2021 bei nur 1,5 % der Antworten gelegen. Diese Entwicklung verschärfte sich in den folgenden Monaten zusehends, immer mehr Projekte scheiterten an schlechteren Rahmenbedingungen, potenzielle Bauherren warfen reihenweise das Handtuch. Ihren Höchststand markierte die Stornierungswelle im Oktober 2023, als 22,2 % der Wohnungsbauunternehmen über abgesagte Aufträge klagten. Bis zum aktuellen Rand nahmen die Stornierungen wieder ein Stück ab, im Rahmen der jüngsten Umfrage (Juni 2024) waren es aber immer noch 13,7 % der Unternehmen, die entsprechend meldeten.
Eine weitere Folge der Leitzinserhöhung war auch, dass es bei den Unternehmen zu Finanzierungsengpässen gekommen ist. Abbildung 2 zeigt, dass während der Niedrigzinsphase de facto kaum Unternehmen über Probleme bei der Finanzierung berichteten. Die entsprechenden Anteile schwankten um 1 %. Im Rahmen der Baukrise stieg dieser Anteil im August 2023 auf 12 %, was gleichzeitig einen neuen historischen Höchststand darstellte. In den letzten Monaten sank der Anteil auf rund 7 %. Ein Grund war sicherlich auch die teilweise restriktive Kreditvergabe der Banken. Dies wird durch die ifo Kredithürde dargestellt (Sauer & Wohlrabe, 2020b). Im Durschnitt der vergangenen zwei Jahre lag diese Hürde für den Bausektor bei rund 26 %, d. h. etwa ein Viertel der Unternehmen, die sich um einen Kredit bemühten, berichteten von einer Zurückhaltung bei den Banken. Zwischen 2017 und 2021 lag der Anteil bei rund 11 %.
Wie ordnen sich die ausgeführten Ergebnisse im europäischen Vergleich ein?
Dies soll beispielhaft am Auftragsmangel im Wohnungsbau illustriert werden. Im Jahr 1991 wurde ein harmonisiertes EU-Programm für Konjunktur- und Verbraucherumfragen ins Leben gerufen. Derzeit umfasst das Programm alle 27 EU-Mitgliedstaaten sowie weitere mögliche Beitrittskandidaten. Im Rahmen von langfristigen Verträgen zwischen der Europäischen Kommission und den Instituten, die diese Umfragen durchführen, wird sichergestellt, dass einige Fragen in allen Ländern identisch gestellt werden. Dies erlaubt eine direkte Vergleichbarkeit.3 Die Daten sind in einigen Fällen schon ab dem Jahr 1985 verfügbar, teilweise jedoch auch deutlich später. Je nachdem, wann die Länder systematische Unternehmensbefragungen gestartet haben oder sich dem harmonisierten System der Europäischen Kommission angeschlossen haben.
Im Folgenden sollen die Daten ab 1996 betrachtet werden, da ab diesem Zeitpunkt für Deutschland die Zahlen zum Auftragsmangel im Wohnungsbau vorliegen. In Tabelle 1 sind verschiedene deskriptive Statistiken für 26 Länder sowie für das Aggregat der Europäischen Union und der Eurozone dargestellt. Dies umfasst die letzten beiden Beobachtungen (Mai, Juni 2024), den Durchschnitt ab 1996, das Minimum und Maximum. Bei letzterem auch, in welchem Jahr dieses erreicht wurde. Mit Blick auf die aktuellen Zahlen zeigt sich, dass der Auftragsmangel gegenwärtig ein generelles Problem für sehr viele Unternehmen in Europa ist. Neben Deutschland liegt der Anteil in vier weiteren Ländern über der 50-Prozentmarke. Mit 85 % ist gegenwärtig Finnland am stärksten betroffen. In der Mehrheit der Fälle liegen die aktuellen Werte über ihrem jeweiligen langfristigen Durchschnitt. Es fällt auf, dass das historische Maximum nicht in der jüngsten Zeit erzielt wurde. Meist geschah dies zwischen 2009 und 2014. In Deutschland war es mit 54,3 % im Jahr 2023. Nur in Schweden wurde der Höchstwert (84,5 %) in diesem Jahr erreicht. Es gibt jedoch auch Beispiele, wo der Anteil der klagenden Firmen eher gering ist. Dies gilt beispielswiese für Kroatien (6 %) und Griechenland (6,9 %). Innerhalb der Eurozone ist Italien auffällig, wo gegenwärtig nur rund 15 % von mangelnder Wohnungsbaunachfrage berichten. Insgesamt unterscheiden sich die Werte zwischen der EU insgesamt und der Währungsunion de facto kaum.
Tabelle 1
Auftragsmangel im Wohnungsbau in Europa
Juni 2024 | Mai 2024 | Durchschnitt ab 1996 | Minimum | Maximum | Wann Maximum? | |
---|---|---|---|---|---|---|
EU | 40,8 | 41,2 | 44,8 | 14,1 | 60,8 | 2010 |
Eurozone | 40,9 | 41,3 | 46,1 | 14,3 | 61,6 | 2010 |
Belgien | 17,1 | 21,6 | 12,1 | 2,3 | 36,0 | 1996 |
Bulgarien | 14,4 | 13,5 | 33,1 | 4,0 | 71,7 | 2009 |
Dänemark | 31,9 | 38,8 | 21,3 | 4,0 | 44,0 | 2009 |
Deutschland | 50,0 | 48,8 | 14,1 | 5,4 | 54,3 | 2023 |
Estland | 5,1 | 7,9 | 13,7 | 0 | 27,8 | 2017 |
Finnland | 85,0 | 88,0 | 38,1 | 3,0 | 92,0 | 2008 |
Frankreich | 46,5 | 45,8 | 43,6 | 3,2 | 67,0 | 2009 |
Griechenland | 6,9 | 7,8 | 51,6 | 3,7 | 92,2 | 2021 |
Italien | 15,0 | 14,3 | 52,5 | 7,2 | 78,0 | 1997 |
Kroatien | 6,0 | 6,9 | 37,9 | 2,2 | 84,8 | 2004 |
Lettland | 43,5 | 44,4 | 50,9 | 6,3 | 87,4 | 2009 |
Litauen | 42,1 | 39,0 | 43,2 | 8,2 | 82,1 | 2009 |
Luxemburg | 54,2 | 55,3 | 13,3 | 0 | 95,0 | 1999 |
Malta | 23,9 | 40,4 | 38,4 | 0 | 89,5 | 2023 |
Niederlande | 16,4 | 15,2 | 26,5 | 0,5 | 59,6 | 2013 |
Österreich | 35,9 | 35,4 | 17,1 | 0,3 | 47,5 | 1997 |
Polen | 22,7 | 23,0 | 34,4 | 7,8 | 84,9 | 2002 |
Portugal | 9,1 | 8,3 | 41,4 | 1,9 | 68,4 | 2013 |
Rumänien | 12,8 | 8,3 | 35,7 | 6,7 | 58,1 | 2010 |
Schweden | 80,7 | 78,9 | 33,7 | 0,5 | 84,5 | 2024 |
Slowakei | 39,0 | 40,0 | 52,0 | 6,0 | 77,0 | 2014 |
Slowenien | 6,5 | 11,1 | 47,8 | 3,5 | 87,6 | 2010 |
Spanien | 65,5 | 67,5 | 69,2 | 8,2 | 97,6 | 2011 |
Tschechien | 27,3 | 27,8 | 58,0 | 10,6 | 88,3 | 2013 |
Ungarn | 44,0 | 55,3 | 45,7 | 0 | 85,9 | 2011 |
Zypern | 10,7 | 10,2 | 56,3 | 1,7 | 83,6 | 2016 |
Quelle: EU-Kommission, ifo Institut.
Wie geht es weiter?
Die aktuelle Erholung des Geschäftsklimas am aktuellen Rand (vgl. Abbildung 1) ist eine Erholung auf sehr niedrigem Niveau. Die Indizes sind weiterhin tief im Minus. Insbesondere die Erwartungen sind weiterhin von Pessimismus geprägt. Der Auftragsmangel ist weiterhin unvermindert drängend und die Wohnungsbaugenehmigungen im Sinkflug. Da nichts gebaut werden kann, was nicht genehmigt und beauftragt wurde, ist davon auszugehen, dass sich die (Stimmungs-)Krise im Wohnungsbau weiter fortsetzen wird.
- 1 In der Industrie waren deutlich mehr Unternehmen von Materialknappheit bei Vorprodukten und Rohstoffen betroffen. Zudem zog sich die Krise etwas länger hin (Licht & Wohlrabe, 2024).
- 2 Im Tiefbau liegt der Anteil bei 20 %.
3 Bei den EU-Daten handelt es sich um Gebäude („Construction of Buildings“) allgemein, d.h . inklusive Gewerbe- und öffentlichen Hochbau. Deshalb unterscheiden sich die Zahlen für Deutschland leicht zu denen in Abbildung 2.
Literatur
Leiss, F. & Wohlrabe, K. (2021). Aktuelle Entwicklungen bei Materialengpässen und Lieferproblemen in der deutschen Wirtschaft. ifo Schnelldienst Digital, 2(19).
Leiss, F., Licht, T. & Wohlrabe, K. (2023). Zur aktuellen Lage im Wohnungsbau. ifo Schnelldienst, 76(11), 48–51.
Licht, T. & Wohlrabe, K. (2024). Materialengpässe in der Industrie: Ein Blick zurück, Status quo und ein europäischer Vergleich, ifo Schnelldienst, 77(3), 59–62.
Michelsen, C. (2023). Steigende Zinsen ziehen der Baukonjunktur den Stecker. Wirtschaftsdienst, 103(1), 16–19.
Sauer, S. & Wohlrabe, K. (2020a). Konjunkturumfragen im Fokus: Deutsche Wirtschaft in Corona-Schockstarre. ifo Schnelldienst, 73(4), 44–47.
Sauer, S. & Wohlrabe, K. (2020b). ifo Handbuch der Konjunkturumfragen. ifo Beiträge zur Wirtschaftsforschung, 88.