Vor dem Hintergrund der europäischen Klimaschutzziele und der Herausforderungen der nationalen Energiewende- und Klimapolitik hat die Bundesregierung 2023 mehrere Gesetzesvorhaben vorangetrieben. Während die Reform des Gebäudeenergiegesetzes („Heizungsgesetz“) und das damit verbundene Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung nicht nur in der Fachöffentlichkeit, sondern auch in der Bevölkerung große Resonanz gefunden und zu kontroversen Diskussionen geführt haben, ist das Energieeffizienzgesetz weitgehend „unter dem Radar“ der öffentlichen Wahrnehmung geblieben.
Die intensive und zum Teil extrem zugespitzte Auseinandersetzung über das Gebäudeenergiegesetz war unmittelbar nachvollziehbar, da – zumindest in der ursprünglich extrem dirigistischen Fassung des damaligen Staatssekretärs Patrick Graichen – Millionen Haushalte direkt und gegebenenfalls kurzfristig von den neuen Vorschriften des Gesetzes betroffen waren bzw. sind. Das Energieeffizienzgesetz hingegen adressiert primär energieintensive Unternehmen der Privatwirtschaft sowie den öffentlichen Sektor selbst und ist daher für einen Großteil der Bürger:innen nicht unmittelbar relevant oder absehbar spürbar. Da Wähler:innen entsprechend der Demokratietheorie von Downs (1957) einem Kosten-Nutzen-Kalkül bei der Informationsaufnahme folgen, ist davon auszugehen, dass sie am Energieeffizienzgesetz, von dem sie selbst nicht betroffen sind, wenig interessiert waren. Das äußerte sich auch in der sehr begrenzten Medienresonanz dieses Gesetzes. Darüber hinaus gab es sehr wenige vertiefende wirtschaftspolitische Analysen, wie beispielsweise von Fuest (2023) und Pritzl (2023). Dies ist bedauerlich, da die Regelungen dieses Gesetzes einen gravierenden Eingriff in den Ordnungsrahmen der Sozialen Marktwirtschaft darstellen dürften, wie noch zu zeigen ist.
Vorgaben des Energieeffizienzgesetzes
Das am 18. November 2023 in Kraft getretene Energieeffizienzgesetz (genauer: Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Änderung des Energiedienstleistungsgesetzes – EnEfG) knüpft an bestehende nationale Regelungen zur nationalen Energieeffizienz an, wie den Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) von 2014 sowie die Energieeffizienzstrategie 2050 von Dezember 2019 und das ursprünglich aus dem Jahr 2010 stammende und mehrfach reformierte Gesetz über Energiedienstleistungen und andere Energieeffizienzmaßnahmen (EDL-G). Außerdem bezieht sich das Gesetz auf die parallel auf europäischer Ebene betriebene Reform der europäischen Energieeffizienzrichtlinie (EED) vom 13. September 2023.
Das EnEfG beinhaltet mehrere Regelungsschwerpunkte: Nach den umfänglichen Begriffsbestimmungen und den in § 4 formulierten Energieeffizienzzielen enthält Abschnitt 2 jährliche Energieeinsparverpflichtungen des Bundes und der Länder. Es folgen Vorschriften zur Einrichtung von Energie- und Umweltmanagementsystemen und zu Umsetzungsplänen für Unternehmen (Abschnitt 3), Vorgaben zur Effizienz in Rechenzentren (Abschnitt 4) und Regelungen zur Vermeidung und Verwendung von Abwärme (Abschnitt 5). Nachfolgend werden die wichtigsten Vorgaben zu diesen Punkten vorgestellt und gegebenenfalls erläutert. Zentrale Bedeutung für die Programmatik haben die in § 4 EnEfG aufgeführten Energieeffizienzziele. Demnach zielt das Gesetz darauf ab,
- den Endenergieverbrauch Deutschlands gegenüber dem Wert des Jahres 2008 bis 2030 um mindestens 26,5 % auf 1.867 Terawattstunden (TWh) zu senken;
- den Primärenergieverbrauch Deutschlands gegenüber dem Wert des Jahres 2008 bis 2030 um mindestens 39,3 % auf 2.252 TWh zu senken.
Für den Zeitraum nach 2030 strebt die Bundesregierung laut Gesetz zudem an, den Endenergieverbrauch Deutschlands gegenüber dem Wert des Jahres 2008 bis 2045 um 45 % zu senken. Die geforderte Reduzierung soll über den gesamten Zeitraum stetig erfolgen; eine Überprüfung der Einsparerfolge und eine Fortschreibung der Ziele nach 2030 ist für 2027 geplant.
Aus dem EnEfG ergeben sich folgende Anforderungen:
- Die Energieeinsparverpflichtungen des Bundes und der Länder (§ 5 EnEfG) bestehen in jährlich (neu) zu erzielenden Einsparungen von jeweils 45 TWh bzw. 3 TWh Endenergie, wobei die geforderten Ländereinsparungen nach einer Anlage zum Gesetz verbindlich auf die einzelnen Bundesländer verteilt werden. Bund bzw. die Länder müssen demnach geeignete „Maßnahmeninstrumente“ erlassen, um so die Einsparvorgaben in der deutschen Volkswirtschaft zu bewirken. Eine solche „strategische Maßnahme“ ist in § 3 Nr. 26 EnEfG definiert als „Regulierungs-, Finanz-, Fiskal-, Fakultativ- oder Informationsinstrument zur Schaffung eines unterstützenden Rahmens oder Auflagen oder Anreize für Marktteilnehmer, damit sie Energiedienstleistungen erbringen oder beauftragen und weitere energieeffizienzverbessernde Maßnahmen ergreifen“. Normadressaten sind demnach Bund und Länder, wobei die tatsächliche Realisierung von Energieeinsparungen „vor Ort“ in Wirtschaft und Gesellschaft stattfinden soll.
- Zusätzlich haben öffentliche Stellen (Bund, Länder bzw. Gemeinden)1 mit einem jährlichen Gesamtendenergieverbrauch von 1 Gigawattstunde (GWh) oder mehr eine unmittelbare jährliche Verpflichtung zu Einsparungen beim Endenergieverbrauch in Höhe von 2 % bis zum Jahr 2045. Hierzu sind gegebenenfalls Energie- und Umweltmanagementsysteme einzuführen.
- Für die Unternehmen selbst gibt es keine konkreten obligatorischen Einsparziele. Sie haben aber gemäß Abschnitt 3 umfangreiche Verpflichtungen, Energie- oder Umweltmanagementsysteme zu etablieren und Umsetzungspläne von Endenergieeinsparmaßnahmen zu erstellen und zu veröffentlichen. Im ursprünglichen, von Staatssekretär Graichen verantworteten Entwurf des EnEfG vom 18. Oktober 2022 war in § 13 sogar eine verpflichtende Umsetzung der Maßnahmen zur Verringerung des Energieverbrauchs vorgesehen.
- Der größte Handlungsbedarf besteht für Unternehmen mit einem Verbrauch von über 7,5 GWh p. a. Diese müssen – sofern noch nicht vorhanden – bis zum 18. Juli 2025 ein Energiemanagementsystem nach ISO 50001 oder ein Umweltmanagementsystem nach EMAS einrichten, wobei Bußgelder von bis zu 100.000 Euro bei Nichtbeachtung der Vorschrift drohen. Alle Unternehmen ab 2,5 GWh Endenergieverbrauch p. a. sind nach § 9 EnEfG verpflichtet, spätestens binnen drei Jahren für alle als wirtschaftlich identifizierten Endenergieeinsparmaßnahmen, die sich aus Audits oder Managementsystemen ergeben haben, konkrete und durchführbare Umsetzungspläne zu erstellen und zu veröffentlichen. Welche Maßnahmen als wirtschaftlich gelten, ist anhand einer Bewertung nach DIN EN 17463 zu ermitteln. Dabei legt das EnEfG zugrunde, dass alle Maßnahmen als wirtschaftlich gelten, für die sich spätestens nach der Hälfte ihrer Nutzungsdauer (maximal 15 Jahre) ein positiver Kapitalwert ergibt (BAFA, 2024).
- Abschnitt 4 des EnEfG enthält umfangreiche und kleinteilige Vorgaben für die Energieeffizienz von neu zu errichtenden Rechenzentren. Rechenzentren, die vor dem 1. Juli 2026 den Betrieb aufnehmen oder aufgenommen haben, müssen ab dem 1. Juli 2027 eine sogenannte Energieverbrauchseffektivität (PUE) von kleiner oder gleich 1,5 und ab dem 1. Juli 2030 von kleiner oder gleich 1,3 erreichen.2 Nochmals strengere Anforderungen gelten für Rechenzentren, die ab dem 1. Juli 2026 den Betrieb aufnehmen: Hier gilt eine PUE von höchstens 1,2 und eine verpflichtende Nutzung der Abwärme. Darüber hinaus müssen je nach Energieverbrauch Umwelt- oder Energiemanagementsysteme eingerichtet werden.
- Schließlich werden alle Unternehmen über 2,5 GWh Gesamtendenergieverbrauch durch das EnEfG dazu verpflichtet, eventuell entstehende Abwärme nach dem Stand der Technik zu vermeiden bzw. soweit zumutbar wiederzuverwenden. Darüber hinaus sind Daten zur relevanten Wärmemenge, zum Leistungsprofil und Temperaturniveau sowie zu den Regelungsmöglichkeiten jährlich an die Bundesstelle für Energieeffizienz zu übermitteln.
In der EU und in Deutschland: Energy Efficiency First
Die inhaltliche Rechtfertigung für das EnEfG besteht laut Bundesregierung darin, dass Strom und Wärme noch effizienter genutzt werden müssen, damit die Energiewende ein Erfolg wird. Energieeffizienz wird als unverzichtbarer Beitrag zur Erreichung unserer Klimaziele und damit zum Schutz der Erde apostrophiert (BMWK, 2024). Dafür notwendig sei eine deutliche Steigerung der Energieeffizienz und dadurch eine Senkung des Energieverbrauchs. Bereits in der Energieeffizienzstrategie 2050 aus dem Jahre 2019 wurde festgehalten, dass der Primärenergieverbrauch bis 2030 um 30 % gegenüber 2008 sinken solle. Gemäß dem EDL-G gab es auch bisher schon eine gesetzliche Pflicht zu regelmäßigen Energieaudits für Nicht-KMU sowie Regelungen zur Vorbildfunktion der öffentlichen Hand (z. B. durch verbindliche Vorgaben für Energieeinsparinvestitionen im Gebäudebereich unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit).
Die Notwendigkeit ambitionierterer Ziele im Rahmen einer gesetzlichen Regelung leitete die Bundesregierung in ihrer Gesetzesbegründung aus der Vorlage des Entwurfs einer überarbeiteten EU-Energieeffizienzrichtlinie durch die EU-Kommission als Teil des „Fit for 55“-Pakets am 14. Juli 2021 ab. Mit den neuen Richtlinienvorschlägen – seinerzeit war die Neufassung der Richtlinie allerdings noch nicht verbschiedet – wurden die Energieeffizienzziele deutlich angehoben, die Energieeffizienzanforderungen anspruchsvoller ausgestaltet und der Anwendungsbereich, insbesondere bei der Vorbildfunktion der öffentlichen Hand, deutlich über den Bund hinaus auf Länder, Kommunen und sonstige öffentliche Einrichtungen erweitert. Es soll umfassend das Prinzip „Energy Efficiency First“ gelten. Daher sei ein entsprechendes Gesetz notwendig (cep, 2018; Deutscher Bundestag, 2023a).
Die im Juli 2023 vom Europäischen Rat angenommene Energieeffizienzrichtlinie (EU) 2023/1791 (EED) basiert wiederum auf der bereits mehrfach novellierten früheren Richtlinie 2012/27/EU. Mit den neuen Vorschriften wird die EU als Ganzes verpflichtet, ihren Endenergieverbrauch zu reduzieren. Gegenüber dem früheren Ziel, den Primär- und Endenergieverbrauch bis 2030 gegenüber den 2007 für 2030 prognostizierten Werten um 32,5 % zu reduzieren, wird jetzt eine Absenkung des Endenergieverbrauchs um 38 % verbindlich gemacht (Primärenergie -40,6 % als Richtziel). Bisher wurde eine Einsparung von durchschnittlich 29 % erreicht. Die Mitgliedstaaten müssen von 2024 jährlich durchschnittlich 1,49 % ihres Gesamtenergieverbrauchs reduzieren, wobei die geforderten Einsparungen bis auf 1,9 % im Jahr 2030 ansteigen. Der öffentliche Sektor selbst hat seinen Endenergieverbrauch sogar um 1,9 % p. a. zu reduzieren. Die Mitgliedstaaten legen dazu indikative nationale Beiträge und Zielpfade fest (Europäischer Rat, 2023).
Es ist festzuhalten, dass das EnEfG an verschiedenen Stellen deutlich über die Vorgaben der EED hinausgeht und der deutsche Gesetzgeber damit der deutschen Wirtschaft zusätzliche Lasten aufbürdet (Deutscher Bundestag, 2023b; DIHK, 2023).
Abkehr von marktwirtschaftlicher Politik
Mit dem EnEfG wendet sich die deutsche Energie- und Klimapolitik ein weiteres Mal von marktwirtschaftlichen Prinzipien ab. Dies lässt sich auf sehr grundsätzlicher Ebene zeigen, aber auch anhand der absehbaren und geradezu zwangsläufigen wirtschaftlichen Auswirkungen. Zu einer umfassenden Bewertung des Gesetzes sollten zudem seine vielfältigen dysfunktionalen Anreizeffekte analysiert werden.
Die grundsätzliche Idee hinter dem EnEfG besteht darin, dass sich die Klimapolitik der EU nicht ausschließlich auf den Emissionshandel bzw. spezifische Vorgaben für die Lastenteilung der Emissionen in den nicht dem Emissionshandel unterliegenden Wirtschaftssektoren stützen sollte.3 Neben den mit dem European Green Deal formulierten Minderungszielen für Treibhausgase (THG) bis 2030 (- 55 %) werden zusätzlich Quoten für den Anteil erneuerbarer Energien und Vorgaben für die Energieeffizienz festgesetzt. Entsprechend der aktuell gültigen Regelungen sind bis 2030 der Anteil von Energien aus erneuerbaren Quellen auf 40 % und die Energieeffizienz entsprechend der oben genannten Vorgaben zu steigern. Diese Zielgrößen sind letztlich eine Fortschreibung der berühmten 20/20/20-Ziele, die bereits 2007 beschlossen wurden. Seinerzeit hatten sich die europäischen Staats- und Regierungschefs darauf verständigt, bis 2020 folgende klimapolitischen Ziele zu erreichen: (1) Senkung der THG-Emissionen um 20 % (gegenüber 1990), (2) 20 % der Energie in der EU aus erneuerbaren Quellen, (3) Verbesserung der Energieeffizienz um 20 % (EU, 2015).
Bereits damals sollte klar gewesen sein, dass aus klimapolitischer Sicht allein die Reduktion der THG-Emissionen die relevante Zielgröße darstellt. Ob dieses Ziel durch eine Verbesserung der Energieeffizienz oder einen Mehreinsatz erneuerbarer Energien erreicht wird, ist den Marktteilnehmern zu überlassen und sollte nicht politisch vorgegeben werden, auch wenn die Politik damals wie heute den Ungeist des Misstrauens gegenüber den marktwirtschaftlichen Signalen eines CO2-Preises widerspiegelt.4 Insbesondere mit der Einführung eines Emissionshandelssystems sind für die dadurch abgedeckten Sektoren aber zusätzliche Regulierungen hinsichtlich des Einsatzes erneuerbarer Energien oder der Energieeffizienz grundsätzlich nicht erforderlich, ineffizient und sogar kontraproduktiv, da die Restrukturierung der Energienutzung im Sinne ökonomischer Effizienz allein auf die Preissignale durch die knappen Emissionsrechte setzen kann und sollte (cep, 2018).
Vorgaben für die Energieeffizienz, wie sie das deutsche EnEfG bzw. das EED formulieren, sind also grundsätzlich abzulehnen. Sie stellen darüber hinaus einen wirtschaftspolitischen Etikettenschwindel dar, da tatsächlich keine Energieeffizienzziele, sondern konkrete Energieeinsparziele vorgegeben werden, die sogar auf einzelne Sektoren heruntergebrochen werden (Öffentlicher Sektor, Rechenzentren).5 Unter Effizienz wird generell das Verhältnis von Output zu den eingesetzten Inputs verstanden. Vorgaben zu Energieeffizienzsteigerung in einer Volkswirtschaft müssten demnach darauf abstellen, dass die Energieproduktivität, d. h. der Output (reales BIP) je TWh Energieverbrauch im Zeitablauf steigt. Tatsächlich führt das EnEfG aber eine im Zeitablauf stetig absinkende Schranke für den absoluten Energieverbrauch ein (Endenergieverbrauch maximal 1.867 TWh im Jahre 2030). Dabei wird nicht unterschieden, ob es sich um fossile Energien (mit der Folge entsprechender THG-Emissionen) oder Energien aus erneuerbaren Quellen handelt, was aus klimapolitischer Sicht kaum nachvollziehbar ist. Außerdem ist der verwendete Effizienzbegriff infrage zu stellen, da den Energieeinsparungen im Sinne einer wirtschaftlichen Effizienz der entsprechende Ressourcenaufwand gegenüberzustellen wäre. Das gesetzliche Energieeinsparziel konterkariert also zusätzlich noch die Effizienz des EU-Emissionshandels.
Wenn die Energieproduktivität in Zukunft nicht ausreichend steigt, wirken die ambitionierten deutschen Energieeinsparziele wie eine Schranke für das Wirtschaftswachstum. So errechnet Fuest (2023) eine notwendige Schrumpfung des BIP um 14 % bis 2030 aufgrund des EnEfG, wenn die Energieproduktivität nur im gleichen Maße wie seit 2008 zunimmt, d. h. um 1,4 % p. a. Die geforderte Einsparung kann nur durch Herunterfahren der Produktion im Inland oder ein Verlagern ins Ausland erreicht werden; im letzteren Fall kommt es dann zu einer Verlagerung der Emissionen. Berechnungen, die mit dem laut EnEfG für das Jahr 2045 intendierten Minderungsziel von 45 % Endenergie arbeiten, zeigen, dass der Energiebedarf im Zieljahr hypothetisch auf dem Niveau des früheren Bundesgebiets Anfang der 1960er Jahre liegen würde. Selbst wenn die Zielvorstellung der Bundesregierung für die Endenergieproduktivitätssteigerung von 2,1 % p. a. bis 2050 als realistisch angenommen wird, ließe sich das reale BIP in Deutschland bis 2045 faktisch nicht mehr erhöhen (Kübler, 2024).6 Damit kommt man einer gesetzlich unterlegten Zero- bzw. Degrowth-Politik und der Perspektive einer Mangelwirtschaft schon sehr nahe. Und angesichts der höheren THG-Intensität in der Produktion in vielen anderen Länder ist eine Produktionsverlagerung aus Deutschland heraus zudem klimapolitisch wenig zielführend.
Ein solcher fundamentaler Eingriff in die Volkswirtschaft – mit den absehbaren Konsequenzen für Wohlstand und Stabilität der Gesellschaft – ist bereits aus grundsätzlichen ordnungspolitischen Überlegungen abzulehnen. Er führt die wirtschaftlichen Akteure in eine faktische „Klima-Planwirtschaft“, da er deren Eigentumsrechte an Ressourcen unter einen nicht abdingbaren Energieeinsparungsvorbehalt stellt, der diese Eigentumsrechte entwertet und anstelle markbezogener Preissignale die Ressourcenallokation lenkt. Die zu erwartenden ökonomischen Kollateralschäden dürften gewaltig sein (Pritzl, 2023).
Weiterhin krankt das Gesetz an inneren Schwächen und Inkonsistenzen. So bleibt weitgehend unklar, wie die straffen, von Bund und Ländern zu verantwortenden Einsparvorgaben aus § 6 EnEfG mittels „strategischer Maßnahmen“ erreicht werden sollen. Die Rollen der Normadressaten und der wirtschaftlichen Akteure fallen auseinander, es mangelt an einer Konkretisierung wirksamer politischer Instrumente und an belastbaren Wirkungsabschätzungen. Zudem sind entsprechende Vorgaben – wie bereits diskutiert wurde – überflüssig und hypertroph angesichts des europäischen Emissionshandels, der ab 2027 auch auf die Sektoren Gebäude und Wärme ausgedehnt wird. Die originären Einsparverpflichtungen öffentlicher Stellen (Bund, Länder und evtl. Gemeinden) aus § 6 EnEfG scheinen primär ein Ausdruck des politischen Aktionismus zu sein. Zwar verkauft sich die „Vorbildfunktion der öffentlichen Hand“ gut, doch bleibt unklar, wie sich der öffentliche Leistungsauftrag mittelfristig angesichts dieser Einsparziele erfüllen lässt, ganz zu schweigen von der Frage der gesamtwirtschaftlichen Effizienz notwendiger Maßnahmen.
Zwar werden Unternehmen nach geltendem Recht nur ab einem bestimmten Energieverbrauch zur Errichtung von Energie- und Umweltmanagementsystemen bzw. zur Erstellung von Umsetzungsplänen für Endenergieeinsparmaßnahmen gezwungen, jedoch dürfte die mit den §§ 5 und 6 EnEfG verbundene Regulierungsbürokratie dort zu erheblichen Kostensteigerungen führen und den Standort Deutschland weiter schwächen. Gestärkt wird durch diese Vorschriften nur die Zertifizierungsindustrie, für die das EnEfG ein willkommenes Arbeitsbeschaffungsprogramm darstellt.7
Bedenklich sind darüber hinaus die Auswirkungen einer umfassenden Verpflichtung zur Veröffentlichung von Umsetzungsplänen zur Energieeinsparung. Damit werden möglicherweise Betriebsgeheimnisse in die Öffentlichkeit getragen; es besteht auch die Gefahr, dass Medien und gesellschaftliche Interessensgruppen die Unternehmen unzulässiger Weise öffentlich an den Pranger stellen, wenn Maßnahmen publik gemacht werden, die zwar gemäß dem Gesetz als wirtschaftlich bewertet wurden, aber nicht realisiert sind.
Damit stellt sich auch die Frage nach der Verbindlichkeit der Umsetzung sowie möglichen Ausweichreaktionen der Unternehmen. Der Gesetzgeber formuliert sehr dezidiert Vorstellungen, wie die Wirtschaftlichkeit von energiesparenden Maßnahmen zu bestimmen ist und greift damit in das Mikromanagement privater Unternehmen ein. Spätestens wenn der Widerspruch zwischen ambitionierten Minderungszielen und Unverbindlichkeit der Umsetzungspläne in der Realität offen zu Tage tritt, dürfte der Ruf nach Verbindlichkeit der voraussehbare nächste Schritt sein.8 Dies weist auch auf die grundsätzliche Frage hin, was bei einer Zielverfehlung bezüglich der §§ 4 bis 6 EnEfG sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene passiert.
Nicht ausblenden sollte man auch die dysfunktionale Anreizwirkung dieser Regelung. In einer Marktwirtschaft ist selbstverständlich davon auszugehen, dass Unternehmen alle als wirtschaftlich erkannten Energieeinsparmaßnahmen umsetzen, um im Wettbewerb bestehen zu können, auch wenn die Gesetzesbegründung dies explizit verneint, was inhaltlich kaum nachvollziehbar ist. Der Emissionshandel sollte dafür ausreichende Preissignale generieren. Es bestehen aber umgekehrt ökonomische Anreize und diskretionäre Spielräume für die Unternehmen, Projekte zur Energieeinsparung, die man selbst aus guten Gründen nicht realisieren möchte, schlecht zu rechnen. Zur Eindämmung dieser Dysfunktionalitäten ist wiederum Mikrosteuerung in Form einer ausufernden Kontrollbürokratie erforderlich.
Abschließend nur ein kurzer Hinweis auf die Vorgaben zur Energieeffizienz von Rechenzentren und für die Nutzung von Abwärme. Nachvollziehbar erscheinen die Klagen der betroffenen Industrie, dass die sehr ambitionierten gesetzlichen Vorgaben die Standortbedingungen für neue Rechenzentren massiv verschlechtern und damit einen potenziellen Wachstumsmarkt verhindern, auch und besonders in Hinblick auf die Verbreitung von Anwendungen der Künstlichen Intelligenz. Das Gesetz enthält diesbezüglich in jedem Fall marktwirtschaftsferne Maßnahmen klimapolitischer Feinsteuerung mit der Folge bürokratischer Planungs- und Kontrollexzesse. Dies alles kann nicht im Interesse einer weiteren gedeihlichen wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland sein.
Schlussfolgerungen
Es ist festzuhalten, dass das EnEfG ein weiteres Beispiel gezielter Aushöhlung ordnungspolitischer Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland darstellt. Statt marktwirtschaftskonformer Klimapolitik über den Emissionshandel setzt die Regierung auf dirigistische Eingriffe und Preissetzungsvorgaben. Das EnEfG zeigt eine ähnliche Tendenz zur Beeinträchtigung des freien Marktes wie andere aktuelle politische Maßnahmen, beispielsweise das Gebäudeenergiegesetz, das Verbrennerverbot der EU, die Quotenvorgaben für erneuerbare Energien oder die Bepreisung von CO₂-Emissionen bei der Lkw-Maut.Zusammen mit dem Lieferkettengesetz und der absehbar auf uns zukommenden EU-Ökodesign-Richtlinie wird es den bevorstehenden „Regulierungsinfarkt“ in Deutschland beschleunigen.
Das Gesetz ist überflüssig, da Effizienzsteigerungen sich aufgrund der Preissignale allein im Markt ergeben. Es ist inkonsistent, da Ziele, Maßnahmen und Normadressaten nicht kongruent gemacht werden, und es ist im Ergebnis marktwirtschaftsinkonform, da Energy Efficiency First im Sinne staatlich verordneter Energieeinsparungsvorgaben die Grundlagen freiheitlichen privaten Wirtschaftens durch Einschränkungen der unternehmerischen Handlungs-, Dispositions- und Vertragsfreiheit zersetzt. Über dieses Gesetz in das Mikromanagement privater Unternehmen einzugreifen, zeugt von politischer Übergriffigkeit, Anmaßung von Wissen und Allmachtsfantasien.
Mit überambitionierten Zielvorgaben möchte Deutschland sich wieder einmal als europäischer Musterschüler präsentieren und moralisch legitimieren. Die bei nüchterner Analyse offensichtlichen massiven Kollateralschäden für Wirtschaft und Gesellschaft scheinen niemand zu interessieren. Sie werden aber ebenso wenig ausbleiben wie die frustrierenden Zielverfehlungen, nicht zuletzt hinsichtlich der Vorgaben für die Einsparungen der öffentlichen Hand selbst.
Die Autoren geben ihre persönliche Meinung wieder.
- 1 Das EnEfG nimmt Kommunen explizit aus dem Geltungsbereich aus (gemäß § 3 Ziff. 22 EnEfG). Bislang noch nicht geklärt ist die Frage, ob über den Umweg der „Vorbildfunktion der öffentlichen Hand“ bzw. über die EU-EED die Kommunen nicht auch unter diese Einsparverpflichtung fallen.
- 2 Die PUE bezeichnet das Verhältnis des jährlichen Energiebedarfs des gesamten Rechenzentrums zum Energiebedarf der Informationstechnik. Der Durchschnitt für alle Rechenzentren in Deutschland lag 2022 bei 1,55 (Bitkom, 2024).
- 3 So ist auch der geplante Emissionshandel für die Sektoren Verkehr und Gebäude nicht das Leitinstrument der Klimapolitik im Straßenverkehr, sondern es sind die Flottengrenzwerte (Eisenkopf & Knorr, 2021).
- 4 So gibt es laut Gesetzesbegründung keine Alternative zum EnEfG: „Insbesondere reicht das Kohlendioxid-Preissignal durch den Emissionshandel bei vielen Unternehmen allein nicht aus, die bestehenden Effizienzpotenziale zu realisieren“ (Deutscher Bundestag, 2023a).
- 5 Dies entspricht der Logik sektorbezogener Einsparziele, die aus dem Klimaschutzgesetz in der bisher gültigen Fassung bekannt ist.
- 6 Vgl. zu einer ähnlichen Modellrechnung DIHK (2023).
- 7Dies zeigt sich beispielsweise anhand der Treffer auf Google, wenn nach dem Begriff „Energieeffizienzgesetz“ gesucht wird.
- 8 Eine Maßnahmenverbindlichkeit war im ersten Referentenentwurf enthalten und wurde auch in den Anhörungen im Ausschuss für Klimaschutz und Energie vom Umweltbundesamt und dem Umweltinstitut München e. V. gefordert (Deutscher Bundestag, 2023b).
Literatur
BAFA – Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. (2024). Merkblatt für das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) nach den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 8 – 10 und 19 des EnEfG. https://www.bafa.de/SharedDocs/Downloads/DE/Energie/ea_merkblatt_energieefffizienzgesetz.html
Bitkom e. V. (2024). Energieeffizienzgesetz für Rechenzentren. Vorgaben und Umsetzung.
BMWK – Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. (2024). Energieeffizienz lohnt sich. https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Dossier/energieeffizienz.html
cep – Centre for European Policy Network. (2018). Die EU-Energieeffizienzpolitik. Stand und Perspektiven nach der Reform. https://www.cep.eu/de/eu-themen/details/die-eu-energieeffizienzpolitik.html
Deutscher Bundestag. (2023a). Gesetzentwurf der Bundesregierung. Entwurf eines Gesetzes zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Änderung des Energiedienstleistungsgesetzes [BT-Drucksache 20/6872]. https://dserver.bundestag.de/btd/20/068/2006872.pdf
Deutscher Bundestag. (2023b). Energieeffizienzgesetz der Regierung stößt auf Lob und Kritik. https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw24-pa-klimaschutz-energieeffizienzgesetz-950108
DIHK – Deutsche Industrie- und Handelskammer (2023). Wohlstandsverluste durch das geplante Energieeffizienzgesetz. https://www.wima-ihk.de/standort-politik/2023/04/wohlstandsverluste-durch-das-geplante-energieeffizienzgesetz/
Downs, A. (1957). An Economic Theory of Democracy. Harper & Brothers.
Eisenkopf, A. & Knorr, A. (2021). Emissionshandel als Leitinstrument für eine effektive und effiziente EU-Klimapolitik im Verkehr. Wirtschaftsdienst, 101(10), S. 795–803. https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2021/heft/10/beitrag/emissionshandel-als-leitinstrument-fuer-eine-effektive-und-effiziente-eu-klimapolitik-im-verkehr.html
EU – Europäische Union. (2015). Klima- und Energiepaket 2020. https://eur-lex.europa.eu/DE/legal-content/summary/2020-climate-and-energy-package.html
Europäischer Rat. (2023). Fit für 55: Wie die EU energieeffizienter wird. https://www.consilium.europa.eu/de/infographics/fit-for-55-how-the-eu-will-become-more-energy-efficient/
Fuest, C. (2023, 11. Mai). Das Energieeffizienzgesetz bedroht das Wirtschaftswachstum [Gastkommentar]. Handelsblatt-online. https://www.handelsblatt.com/meinung/gastbeitraege/gastkommentar-das-energieeffizienzgesetz-bedroht-das-wirtschaftswachstum-/29142748.html
Kübler, K. (2024). Energieeffizienzgesetz 2023: Neue Perspektiven für das wirtschaftliche Wachstum. Energiewirtschaftliche Tagesfragen, 74(1-2), S. 44–47.
Pritzl, R. (2023). Das Energieeffizienzgesetz – ein weiterer Schritt zur „Klima-Planwirtschaft“ in Deutschland. Ludwig-Erhard-Stiftung. https://www.ludwig-erhard.de/das-energieeffizienzgesetz-ein-weiterer-schritt-zur-klima-planwirtschaft-in-deutschland/