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Während der Coronakrise kam es darauf an, dass die Krankenversorgung funktionierte. Mittlerweile werden zaghafte Versuche unternommen, Fehler aufzuarbeiten. Nach dem Ende der akuten Krise ist es auch wieder an der Zeit, grundlegende Probleme anzugehen. So will Gesundheitsminister Lauterbach eine Krankenhausreform wagen. Zuletzt wurden einige Reformen des deutschen Gesundheitswesens umgesetzt, unter anderem die Neugestaltung von Finanzierung und Mittelverteilung der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) durch einen Gesundheitsfonds ab 2009 und die Einführung von Fallpauschalen für die Leistungsabrechnung in den Krankenhäusern, die ebenfalls 2009 deutschlandweit wirksam wurde.

Die deutschen Gesundheitsausgaben standen 2022 im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit 12,7 % weltweit an zweiter Stelle nach den USA (16,6 %). Deutschland lag damit in der EU an erster Stelle vor Frankreich (12,1 %) und Österreich (11,4 %) (vgl. Abbildung 1). Die OECD definiert die Gesundheitsausgaben sehr weit (wie auch die deutsche Statistik). Ob die Gesundheitssysteme eher direkt staatlich gelenkt oder durch private oder öffentliche Versicherungen organisiert sind, entscheidet letztlich aber nicht über die relative Höhe der Ausgaben. Die skandinavischen Länder – sie liegen eher im unteren Bereich, vor allem Dänemark mit 9,5 % – haben ein staatliches System, genau wie Großbritannien (11,3 %) und zu einem geringeren Teil auch die südeuropäischen Staaten. Die übrigen Länder organisieren die Krankenversorgung weitgehend in einem Pflicht-Versicherungssystem (OECD, 2023, Figure 7.10.).

Abbildung 1
Gesundheitsausgaben ausgewählter Länder

in % des Bruttoinlandsprodukts

Gesundheitsausgaben ausgewählter Länder

Quelle: OECD (2023); Erbe (2012).

Der Vergleich mit den USA zeigt, dass diese aggregierten Daten allein keine Aussage über die Qualität oder die Zugänglichkeit der Gesundheitssysteme erlauben. Trotz hoher Gesundheitsausgaben hatten nach Angaben der OECD nur 91,3 % der US-Bürger Zugang zur Gesundheitsversorgung. In den meisten europäischen Ländern liegt der Zugang bei 100 % (OECD, 2023, Table 1.4.). Auch in Hinblick auf die Lebenserwartung als ein mögliches Kriterium für die Qualität des Gesundheitssystems schneiden die USA schlecht ab: Im Durchschnitt erreichten im Jahr 2021 in den USA Geborene nur 76,4 Jahre, in den skandinavischen Ländern liegt die Lebenserwartung über 83 Jahre, in Deutschland immerhin bei 80,8 Jahre (OECD, 2023, Table 1.2.). Auffällig ist die unterschiedliche Entwicklung der Gesundheitsausgaben im Verhältnis zum BIP seit 2009: einige Länder wie die USA, die Niederlande und Dänemark verzeichnen deutliche Rückgänge, in anderen wie in Großbritannien und Deutschland nahmen diese zu. Sowohl Dänemark als auch die Niederlande haben in den vergangenen 20 Jahren ihr Gesundheitssystem reformiert, in Dänemark vor allem die Krankenhausversorgung (Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, 2024) – ganz offenbar ein Vorbild für die deutschen Reformen.

Das deutsche Gesundheitssystem

Das deutsche Gesundheitssystem ist breitgefächert. Dominant ist die GKV mit 53 % der Gesundheitsausgaben (vgl. Abbildung 2). Dieser Anteil ist über die letzten 15 Jahre relativ stabil geblieben. Wichtiger Ausgabenträger sind zudem die privaten Haushalte mit einem Anteil von 12 %. Dies betrifft insbesondere Zuzahlungen und Ausgaben für Selbstmedikation. Zu den Gesundheitsausgaben wird auch die soziale Pflegeversicherung gerechnet, deren Leistungen vom 1.4.1995 für ambulante und ab dem 1.7.1996 für stationäre Pflege abgerufen werden konnten. Ihr Anteil an allen Gesundheitsausgaben nahm von 2,5 % (1995) über 7,3 % (2009) auf 11 % (2022) zu – insbesondere da sich die Zahl der Leistungsempfänger seit 2009 mehr als verdoppelt hat (vdek, 2024, S. 56). Ebenfalls wichtig ist und bleibt mit 8 % die private Krankenversicherung, die zu etwas mehr als der Hälfte von beihilfeberechtigten Beamten genutzt wird (vdek, 2024, S. 16). Die Dualität der Vollversicherungssysteme ist in der EU einmalig und wird kritisiert, weil sie zu einer adversen Selektion der Mitglieder und massiven Fehlanreizen in der ambulanten ärztlichen Versorgung führe (z. B. Greß, 2022).

Abbildung 2
Gesundheitsausgaben nach Ausgabenträgern, 2022

Anteil in %

Gesundheitsausgaben nach Ausgabenträgern, 2022

Quelle: vdek (2024).

Aber auch die öffentlichen Haushalte hatten 2022 in der Coronakrise eine wichtige Rolle gespielt. Nachdem der Anteil aus verschiedenen Gründen bis 2019 auf 4,4 % gesunken war, erreichte er 2022 10 %. Ursächlich für den Anstieg bei den staatlichen Transfers und Zuschüssen waren direkte und ergänzende Bundeszuschüsse zur Bekämpfung der Pandemie. So (re-)finanzierte der Bund über den Gesundheitsfonds Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser, Schutzmasken, Testungen und Aufwendungen in Impfzentren.

Die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung

An der Entwicklung des BIP gemessen, haben sich die Ausgaben der GKV moderat entwickelt. Im Jahr 2000 machten sie 6,5 % des BIP aus, 22 Jahre später 7,4 % und dies ist nicht der Pandemie geschuldet: 2019 lag der Anteil bei 7,3 %. Die GKV finanziert sich durch Beiträge und dem jährlichen Bundeszuschuss. Seit 2009 fließen diese Einnahmen in einen Gesundheitsfonds, der beim Bundesamt für Soziale Sicherung als Sondervermögen des Bundes geführt wird. Seit 2015 liegt der allgemeine Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung bei 14,6 %, der jeweils zur Hälfte vom Arbeitnehmer und vom Arbeitgeber getragen wird. Die gesetzlichen Krankenkassen dürfen seitdem einen kassenindividuellen Zusatzbeitrag erheben, sodass mittlerweile der gesamte Beitrag im Durchschnitt 16,3 % beträgt (Statista, 2024). Zunächst hatten ihn die Arbeitnehmer allein zu tragen, seit 2019 ist er auch hälftig von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu zahlen. Wie es mit dem Zusatzbeitrag weitergeht, wird noch diskutiert. Die gesetzlichen Kassen hatten bis 2018 ein erhebliches Vermögen aufgebaut, das in den Folgejahren zur Finanzierung von Defiziten genutzt wurde (vdek, 2024, S. 21). Ende 2023 lag der Mittelbestand nur noch bei 8,4 Mrd. Euro (BMG, 2024a) nach zuvor 21,3 Mrd. Euro (2018). Mittlerweile rechnet der GKV-Spitzenverband für 2025 mit einer deutlichen Erhöhung des Zusatzbeitrags (Pfeiffer, 2024).

Die Bundesbeteiligung wird seit 2004 zur pauschalen Abgeltung der zahlreichen versicherungsfremden Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung geleistet, etwa für die beitragsfreie Familienversicherung von Kindern und Ehegatten oder Leistungen für Mutterschaft und Schwangerschaft. Seit 2012 betrug der Bundeszuschuss 14 Mrd. Euro. Zwischenzeitlich wurde er zur Konsolidierung des Bundeshaushalts vorübergehend abgesenkt und ist seit 2017 auf jährlich 14,5 Mrd. Euro festgeschrieben. Angesichts der hohen Anforderungen der Coronapandemie sah sich der Bund gezwungen, seine Zuschüsse deutlich zu erhöhen – 2022 sogar auf 28,5 Mrd. Euro (Institut Arbeit und Qualifikation, IAQ, 2024). Ab 2024 sollen die Kassen wieder mit dem vorpandemischen Zuschuss auskommen.

Die Leistungsausgaben

Die Leistungsausgaben der GKV (ohne Verwaltungskosten) haben sich seit 2003 von 136,2 Mrd. Euro (Erbe, 2005) in 20 Jahren auf 288,4 Mrd. Euro (BMG, 2024b) verdoppelt. Die Anteile der einzelnen Leistungsträger haben sich seit 2010 nicht wesentlich geändert (vgl. Tabelle 1). Die Ausgaben für Zahnbehandlungen sind anteilsmäßig etwas gesunken, die Ausgaben für Arznei- und Hilfsmittel sind etwas gestiegen, letztere vor allem aufgrund der demografischen Entwicklung (WIdO, 2024). Auffällig ist der rückläufige Anteil der Ausgaben für die Krankenhäuser. Der Krankenhaussektor hat sich seit 2002 erheblich verändert. So ist die Zahl der Krankenhäuser von 2002 bis 2022 deutlich um 328 auf 1893 zurückgegangen. Dabei hat sich die Struktur der Trägerschaft verändert: Viele freigemeinnützige und öffentliche Krankenhäuser wurden von privaten Trägern übernommen. Der größte Teil der Krankenhäuser ist als eher klein anzusehen. Nur 30 % der Krankenhäuser hatten 2022 mehr als 300 Betten (vdek, 2024). Mit 7,9 Krankenhausbetten pro 100 Einwohner hatte Deutschland 2021 aber immer noch die höchste Bettendichte in der EU, 50 % über dem Durchschnitt. Die Quote der Ärzte pro Bett ist allerdings relativ gering und die Quote an Pflegekräften pro Bett ist die niedrigste in der EU (OECD, 2021). Nach Angaben der OECD ist die Bettenkapazität seit 2000 nur um 13 % zurückgegangen, während Finnland und Dänemark ihre Kapazitäten im gleichen Zeitraum um mehr als 40 % senken konnten.

Tabelle 1
Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung

in % der gesamten Leistungsausgaben

Ausgabenbereiche 2010 2019 2022
Ärzte 16,7 17,2 16,9
Zahnärztliche Behandlung mit Zahnersatz 7,0 6,3 6,1
Arzneimittel 18,4 17,1 17,8
Heilmittel 2,8 3,6 4,0
Hilfsmittel 3,6 3,8 3,8
Krankenhaus 35,6 33,6 31,9
Krankengeld 4,7 6,0 6,6
Übrige1 11,2 12,4 12,9

1 Fahrkosten, Vorsorge- und Reha-Maßnahmen, Schutzimpfungen, Früherkennung, Schwangerschaft/Mutterschaft, Häusliche Krankenpflege, sonstige.

Quelle: vdek (2024), BMG (2024b).

Die Krankenhäuser stehen im Mittelpunkt der von Gesundheitsminister Lauterbach geplanten Reform mit den Elementen: Ergänzung des Systems der Fallpauschalen durch Vorhaltepauschalen, Aufteilung der Krankenhäuser nach Leistungsgruppen und das Transparenzgesetz, das den Patienten einen Überblick über Qualität und Leistungen von Kliniken verschaffen soll. Der entsprechende Gesetzentwurf wurde im Mai 2024 im Bundeskabinett beschlossen (Bundesregierung, 2024).

Fazit

Das deutsche Gesundheitssystem ist das ausgabenstärkste in der EU und wird weltweit allein von den USA überholt. Allerdings werden hier alle Ausgabenträger betrachtet von der Pflege bis zur Unfallkasse. Wie effizient und erfolgreich die Gesundheitsversorgung ist, lässt sich im Ländervergleich nur ansatzweise ermitteln. Die deutschen Ausgaben der GKV haben sich sehr lange parallel zum Bruttoinlandsprodukt entwickelt. Auch die Beitragssätze sind trotz der Coronapandemie nicht explodiert, weil die öffentlichen Haushalte hier Extreme abgefedert haben. Auffällig ist der rückläufige Anteil der Krankenhausausgaben an den Leistungsausgaben der GKV, der sich auch in einem Rückgang der Bettenzahl widerspiegelt. Ein Vergleich mit den skandinavischen Ländern zeigt, dass hier noch mehr Effizienzpotenzial liegt. Insofern spricht viel dafür, dass die geplante Krankenhausreform ein sinnvolles Projekt darstellt.

Literatur

BMG – Bundesministerium für Gesundheit. (2024a). Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/finanzierung-gkv

BMG – Bundesministerium für Gesundheit. (2024b). Vorläufige Finanzergebnisse der GKV für das Jahr 2023. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/vorlaeufige-gkv-finanzergebnisse-2023

Bundesregierung. (2024). Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/K/KHVVG_GE_Kabinett.pdf

Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste. (2024). Finanzierung der Krankenhausstrukturreformen in der Schweiz und in Dänemark. https://www.bundestag.de/resource/blob/946332/9ec75605b903755de405f6b8c22a66c9/WD-9-018-23-pdf.pdf

Erbe, S. (2005). Entwicklung der Gesetzlichen Krankenversicherung und Reformansätze. Wirtschaftsdienst, 85(10), 664–669. https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2005/heft/10/beitrag/entwicklung-der-gesetzlichen-krankenversicherung-und-reformansaetze.html

Erbe, S. (2012). Gesundheitsausgaben: Kostenexplosion und Alterslasten? Wirtschaftsdienst, 92(6), 420–422. https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2012/heft/6/beitrag/gesundheitsausgaben-kostenexplosion-und-alterslasten.html

Greß, S. (2022, 2. März). Die Abschaffung der privaten Krankenversicherung ist überfällig. Makronom-Magazin. https://makronom.de/die-abschaffung-der-privaten-krankenversicherung-ist-ueberfaellig-41335

IAQ – Institut Arbeit und Qualifikation. (2024). Sozialpolitik aktuell. Universität Duisburg-Essen. https://www.sozialpolitik-aktuell.de/files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Gesundheitswesen/Datensammlung/PDF-Dateien/abbVI51.pdf

OECD. (2021). State of Health in the EU – Deutschland, Länderprofil Gesundheit 2021. https://health.ec.europa.eu/system/files/2021-12/2021_chp_de_german.pdf

OECD. (2023). Health at a Glance 2023. https://doi.org/10.1787/19991312

Pfeiffer, D. (2024, 18. Juni). ZDF Heute. https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/krankenkassen-beitraege-erhoehung-2025-100.html

Statista. (2024). Entwicklung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenkasse [Dataset]. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/162965/umfrage/entwicklung-der-beitragssaetze-in-der-gesetzlichen-krankenkasse/

vdek. (2024). Verband der Ersatzkassen, 2024 - vdek-Basisdaten des Gesundheitswesens in Deutschland. https://www.vdek.com/presse/daten.html

WIdO – Wissenschaftliches Institut der AOK. (2024). Heilmittelbericht 2023/2024. https://www.wido.de/fileadmin/Dateien/Dokumente/Publikationen_Produkte/Buchreihen/Heilmittelbericht/wido_hei_heilmittelbericht_2023_2024.pdf

Title:The Situation in the German Healthcare System

Abstract:Germany spent the most on healthcare out of any country in the EU and is only surpassed worldwide by the USA. However, German health expenditure has not exploded despite the coronavirus pandemic. The declining share of German hospital expenditures is striking. A comparison with the Scandinavian countries shows that there is more potential for efficiency in this area.

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© Der/die Autor:in 2024

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2024-0148

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