Öffentliche Ausgaben für Gesundheitsleistungen steigen im Durchschnitt in den OECD-Ländern doppelt so schnell wie die Ausgaben in anderen Sektoren (OECD, 2024). Deutschland liegt hier mit Gesundheitsausgaben von 13 % des BIP weltweit in der Spitzengruppe hinter der Schweiz und den USA. Während die Ausgabensteigerungen lange Zeit durch Steuergelder – in Form von höheren Bundeszuschüssen in das System der gesetzlichen Krankenversicherungen – abgefedert wurden, führen die steigenden Gesundheitsausgaben in Zeiten restriktiverer Staatsausgaben in den vergangenen Jahren zu einer merklichen Erhöhung der Krankenkassenbeiträge.
Weder ein größerer Anstieg an Steuermitteln noch die weitere Erhöhung von Krankenkassenbeiträgen sind allerdings ein nachhaltiger Weg zur Finanzierung des Gesundheitswesens. Alternativen zum höheren Mitteleinsatz sind entweder Leistungskürzungen oder die Steigerung der Effizienz in der Gesundheitsversorgung.
Ursachen der Kostensteigerung im Gesundheitswesen
Um Pfade für ein nachhaltig finanzierbares Gesundheitssystem zu identifizieren, ist zuerst ein Blick auf die Gründe für die weiter steigenden Kosten hilfreich. Etwa die Hälfte der Steigerung in den vergangenen zwei Jahrzehnten kann mit der alternden Bevölkerung und der generell steigenden Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen erklärt werden (BCG, 2021). Diese Mengenkomponente unterliegt direkt dem politischen Gestaltungsspielraum. So sind Leistungseinschränkungen oder Zuzahlungen ein direkter Weg, die Ausgaben zu senken. Dieser Weg ist jedoch politisch schwierig.
Etwa ein weiteres Viertel der Kostensteigerung kann durch steigende Komplexität und Innovationen in der Versorgung erklärt werden (BCG, 2021). Hier gehen die steigenden Kosten mit besserer Leistung einher, was natürlich für Patient:innen eine wünschenswerte Entwicklung ist. Ähnlich wie bei der steigenden Inanspruchnahme ist es politisch schwierig, solche Innovationen nicht zu finanzieren. Grundsätzlich bietet das Gesundheitssystem an vielen Stellen die Möglichkeit, marginal schlechtere Leistungen deutlich günstiger anzubieten (Rebitzer & Rebitzer, 2023).
Das letzte Viertel der Kostensteigerung kann durch Preissteigerungen über den Anstieg der Inflation erklärt werden (BCG, 2021). Hierbei handelt es sich um die in der Ökonomie viel diskutierte Baumolsche Kostenkrankheit. Baumol und Bowen (1965) haben argumentiert, dass sich bei personalintensiven wirtschaftlichen Tätigkeiten weniger Effizienzgewinne erzielen lassen als bei kapitalintensiven Tätigkeiten – entsprechend steigen die relativen Kosten bei personalintensiven Tätigkeiten. Während sich heute beim historischen Anschauungsbeispiel der Künstlerinnen und Künstler aus Baumol und Bowen (1965) in Zeiten von millionenfach besuchten Konzerttourneen und den trotz Massenspektakel astronomischen Ticketpreisen die Frage stellt, ob hier nicht doch eine deutliche Effizienzsteigerung und Künstlerrenten erreicht werden, ist das Phänomen für den Gesundheitssektor empirisch belegt (Hartwig, 2008). Aber auch für den Gesundheitssektor wird seit Jahren die Hoffnung geäußert, dass das System im Zuge der digitalen Transformation effizienter wird.
Produktivitätsparadoxon der Digitalisierung
Insbesondere der Einführung von digitalen Systemen wie Gesundheitsakten im Krankenhaus wird seit mindestens 20 Jahren auch in der ökonomischen Literatur ein großes Potenzial zur Effizienzsteigerung zugeschrieben (Hillestad et al., 2005). Einen Einblick in den Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Effizienz kann man aus Daten des European Hospital Survey erhalten (Sabes-Figuera & Maghiros, 2013). Als einfaches Produktivitätsmaß stellen wir in Abbildung 1 das jährliche Behandlungsvolumen in Patienten-Tagen und die Zahl der Beschäftigten für verschiedene Gruppen von Krankenhäusern gegenüber. Für alle Gruppen zeigt sich der erwartete positive Zusammenhang, der erklärt, dass mit mehr Personal auch ein größeres Behandlungsvolumen erreicht werden kann. Die Stärke des Zusammenhangs gibt einen Aufschluss darüber, wie effizient Krankenhäuser in der Übersetzung von Personal in Behandlungstagen sind.
Abbildung 1
Produktivität von Krankenhäusern
Erhebungsjahre 2012 und 2013. N = 343.
Quelle: eigene Berechnung mit Daten des European Hospital Survey aus Sabes-Figuera und Maghiros (2013).
Für die Darstellung (1a) sind die Krankenhäuser in Bezug auf ihre Integration von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) aufgeteilt. Krankenhäuser mit IKT-Integration tauschen Informationen zur klinischen Versorgung, Labor- oder Radiologiebefunde mit externen Anbietern wie anderen Krankenhäusern oder ambulanten Ärzt:innen. Ein einfacherer, digitaler Austausch sollte Ressourcen sparen, die dann für die Behandlung von mehr Fällen eingesetzt werden können. Es zeigt sich aber, dass sich die Korrelation zwischen Personal und Behandlungstagen nicht zwischen Krankenhäusern mit und ohne IKT-Integration unterscheidet und keine offensichtlichen Effizienzgewinne realisiert werden.
In Darstellung (1b) werden die Krankenhäuser im Hinblick auf ihre Dokumentationstechnologie von rein papierbasiert, über hybride bis hin zu voll elektronischen Systemen gruppiert. Digitale Systeme sollen die Dokumentation von Behandlungsverläufen und den Austausch von Informationen vereinfachen und dadurch Ressourcen sparen. Es zeigt sich, dass bei hybriden und elektronischen Systemen mehr Personal mit mehr Behandlungsvolumen einhergeht als dies bei papierbasierten Systemen der Fall ist. Hieraus kann geschlossen werden, dass sich Digitalisierung teilweise effizienzsteigernd auswirkt. Auffällig ist allerdings, dass die Effizienz bei hybriden Krankenhäusern höher ist als bei voll digitalisierten Systemen.
Das Phänomen, dass sich Effizienzgewinne durch Digitalisierung nur schwer empirisch messen lassen, wurde allgemein schon von Solow (1987) beschrieben. Auch für das Gesundheitswesen zeigen eine frühe Überblicksarbeit von Chaudhry et al. (2006) oder die neuere Fallstudie von Collum et al. (2016) keine klare Evidenz für Effizienzsteigerung durch Digitalisierung. Es gibt allerdings erste Hinweise darauf, dass zumindest ein positiver Zusammenhang zwischen Investitionen in Digitalisierung und Profitabilität von Krankenhäusern besteht (Vogel et al., 2024; Wang et al., 2018). Hier bleibt allerdings offen, ob sich Digitalisierung kausal (etwa über steigende Effizienz) auf die Wirtschaftlichkeit auswirkt oder aber ob profitablere Krankenhäuser häufiger in Digitalisierung investieren.
Wege zum digitalisierten Krankenhaus
Aus ökonomischer Sicht stellt sich die Frage, warum Krankenhäuser, die je nach Trägerschaft entweder Profitmaximierung oder zumindest Verlustminimierung als wirtschaftliches Ziel haben, nicht mehr in effizienzsteigernde Technologien investieren. Aktuelle Schätzungen von Blum und Löffert (2024) zeigen, dass medizinisches Personal im Krankenhaus etwa ein Drittel der Arbeitszeit für Dokumentation aufwendet. Vor allem vor dem Hintergrund des viel diskutierten Fachkräftemangels im Gesundheitswesen ist ungeklärt, warum Technologien, die die zeitliche Belastung durch Dokumentationsanforderungen senken, nicht vor Jahren flächendeckend eingeführt wurden.
Bemerkenswert ist, dass zumindest in der deutschen Gesundheitspolitik auf Anregung zu mehr Digitalisierung fast ausschließlich mit dem Ruf nach zusätzlicher finanzieller Förderung reagiert wird. Zwar verursachen Investitionen wie z. B. in digitale Technologien im Krankenhaus immer zuerst Kosten. Allerdings sollten sich Investitionen mit dem Ziel der Effizienzsteigerung auch finanziell lohnen, sodass allenfalls Darlehen für die Überbrückung der Zeit bis zur Realisierung der Effizienzgewinne nötig sind. Das enorme Potenzial knappes medizinisches Personal vom Dokumentationsaufwand zu entlasten, müsste sich wirtschaftlich schnell gelohnt haben. Vor dem Hintergrund der bisherigen Literatur zu den Auswirkungen von Digitalisierung auf die Effizienz im Krankenhaus ist allerdings unklar, wie groß das wirtschaftliche Potenzial solcher Innovationen tatsächlich ist. So gesehen ist das zögerliche Verhalten der Krankenhäuser auch nachvollziehbar.
Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz läuft seit 2021 der Versuch, Krankenhäuser durch staatliche Unterstützung von 4,3 Mrd. Euro digitaler aufzustellen. Dass in den Krankenhäusern der Handlungsbedarf erkannt ist, lässt sich auch daran erkennen, dass ein Viertel der Förderanträge in das Themenfeld Digitalisierung der Dokumentation fallen (Bundesamt für Soziale Sicherung, 2024). Begrüßenswert ist, dass im Zuge dieser Förderung mit dem DigitalRadar (2024) auch eine Evaluation der Maßnahmen durchgeführt wird.
Mehr Evidenz für mehr Effizienz
Während im Gesundheitswesen direkt wirksame Kosteneinsparungen durch eine Reduzierung des Leistungsumfangs politisch (kaum) gewünscht sind, haben sich auch die Hoffnungen auf Kosteneinsparungen durch Effizienzgewinne ohne spürbare Auswirkung auf die Versorgung bis jetzt nicht erfüllt. Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz wird der Versuch unternommen, den stationären Sektor digital aufzurüsten – in der Hoffnung hier Effizienzreserven zu haben. Es bleibt zu hoffen, dass diese Investitionen im Gegensatz zu den Vorhersagen aus der bestehenden ökonomischen Literatur Erfolg haben.
Über die Digitalisierung im Krankenhaus hinaus gibt es derzeit verschiedene weitere Initiativen, Daten und digitale Technologien stärker in das Gesundheitswesen zu integrieren. Sowohl die einfachere Nutzbarmachung von Daten im Zuge des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes als auch die Bündelung der Regulierung im Zuge der digitalen Transformation in der Digitalagentur für Gesundheit sind vielversprechende Ansätze. In beiden Fällen sind jedoch die erwarteten Auswirkungen abstrakt und werden sich nur indirekt auf die Effizienz des Gesundheitswesens auswirken.
Im Gegensatz zur Häufigkeit, mit der Effizienzreserven im Gesundheitswesen als Lösung gegen den Kostenanstieg benannt werden, ist die Evidenz für tatsächlich effizienzsteigernde Innovationen selten. Angesichts der extrem angespannten Finanzlage im Gesundheitswesen sollten sich Politik, Wirtschaft und auch Wissenschaft darum bemühen, solche Lösungen zu identifizieren und die konkreten Auswirkungen zu quantifizieren. Wenn Effizienzsteigerung durch Digitalisierung weiterhin nur ein Versprechen bleibt, kann die Konsequenz für das Gesundheitswesen nur eine Leistungseinschränkung sein.
Literatur
Baumol, W. J. & Bowen, W. G. (1965). On the Performing Arts: The Anatomy of Their Economic Problems. American Economic Review, 55(1).
BCG. (2021). Die 300-Milliarden-Euro-Frage – Perspektive für ein nachhaltiges Gesundheitssystem.
Blum, K. & Löffert, S. (2024). Aktuelle Bürokratiebelastung in den Krankenhäusern. Deutsches Krankenhaus Institut.
Bundesamt für Soziale Sicherung. (2024, 2. September). Förderanträge Krankenhäuser.
Chaudhry, B., Wang, J., Wu, S., Maglione, M., Mojica, W., Roth, E., Morton, S. C. & Shekelle, P. G. (2006). Systematic Review: Impact of Health Information Technology on Quality, Efficiency, and Costs of Medical Care. Annals of Internal Medicine, 144(10), 742.
Collum, T. H., Menachemi, N. & Sen, B. (2016). Does electronic health record use improve hospital financial performance? Evidence from panel data. Health Care Management Review, 41(3), 267–274.
DigitalRadar. (2024). https://www.digitalradar-krankenhaus.de/
Hartwig, J. (2008). What drives health care expenditure?—Baumol’s model of ‘unbalanced growth’ revisited. Journal of Health Economics, 27(3), 603–623.
Hillestad, R., Bigelow, J., Bower, A., Girosi, F., Meili, R., Scoville, R. & Taylor, R. (2005). Can Electronic Medical Record Systems Transform Health Care? Potential Health Benefits, Savings, And Costs. Health Affairs, 24(5), 1103–1117.
OECD. (2024). Fiscal Sustainability of Health Systems: How to Finance More Resilient Health Systems When Money Is Tight? OECD Publishing.
Rebitzer, J. B. & Rebitzer, R. S. (2023). Why not better and cheaper? Healthcare and innovation. Oxford University Press.
Sabes-Figuera, R. & Maghiros, I. (2013). European Hospital Survey: Benchmarking Deployment of e-Health Services (2012–2013): Composite Indicators on eHealth Deployment and on Availability and Use of eHealth Functionalities. JRC Scientific and Policy Papers. F. Abadie (Hrsg.). EU Commission Joint Research Centre.
Solow, R. M. (1987, 12. Juni). We’d Better Watch Out. New York Times Book Review, 36.
Vogel, J., Hollenbach, J., Haering, A., Augurzky, B. & Geissler, A. (2024). The association of hospital profitability and digital maturity – An explorative study using data from the German DigitalRadar project. Health Policy, 142, 105012.
Wang, T., Wang, Y. & McLeod, A. (2018). Do health information technology investments impact hospital financial performance and productivity? International Journal of Accounting Information Systems, 28, 1–13.