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Dieser Beitrag ist Teil von Beschäftigung im Wandel: Wie KI, Demografie und Institutionen den Arbeitsmarkt verändern

Die deutsche Volkswirtschaft befindet sich aktuell nicht nur in einer konjunkturell angespannten Lage, sondern steht zugleich vor einem tiefgreifenden Strukturwandel – getrieben durch technologische Innovationen, Dekarbonisierung, (De-)Globalisierung – sowie dem demografischen Wandel. Diese Entwicklungen haben weitreichende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Der Arbeitsmarkt ist geprägt von einer zunehmenden Polarisierung, bei der Fachkräfteengpässe und steigende Arbeitslosigkeit gleichzeitig auftreten können. Das bewusste Halten von Arbeitskräften durch Unternehmen trotz rückläufiger Auslastung (Labour Hoarding) verzögert zusätzlich die notwendige Reallokation. Dieser Artikel analysiert diese strukturellen Trends vor dem Hintergrund des sich beschleunigenden Strukturwandels. Abschließend werden wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zur Bewältigung dieser Herausforderungen diskutiert.

Der Strukturwandel in Deutschland wird durch langfristige Transformationsprozesse im Zuge technologischer Innovationen, der Dekarbonisierung, der Verlagerung globaler Handelsketten sowie der demografischen Alterung beschleunigt und verstärkt (SVR, 2025). Dabei zeigen sich schon jetzt Entwicklungen am Arbeitsmarkt, die Fragen hinsichtlich der Stabilität und zukünftigen Dynamik aufwerfen. Aktuell zeigen sich drei strukturelle Trends am Arbeitsmarkt: Polarisierung, Fachkräfteengpässe sowie Labour Hoarding.

Polarisierung

Die dem momentanen und zukünftigen Strukturwandel zugrundeliegenden Prozesse führen nicht nur zu sektoralen Verschiebungen, etwa vom Verarbeitenden Gewerbe hin zu wissensintensiven Dienstleistungen, sondern auch zu grundlegenden Veränderungen in der Qualifikationsstruktur der Beschäftigung. So zeigt sich eine Polarisierung des Arbeitsmarktes: Die Arbeitsnachfrage entlang der Qualifikationsniveaus entwickelt sich U-förmig. Während die Beschäftigung in hochqualifizierten und analytischen, Nicht-Routine-Tätigkeiten sowie in niedrigqualifizierten und interaktiven Tätigkeiten oder personenbezogenen Dienstleistungen zunimmt, nimmt die Nachfrage nach Tätigkeiten mittlerer Qualifikation, typischerweise administrativen oder technischen Berufen mit hohen Anteilen von Routine-Tätigkeiten, ab (Abbildung 1 basierend auf dem IAB-Berufepanel (Grienberger et al., 2022)).

Abbildung 1
Arbeitsmarktpolarisierung in Deutschland
Arbeitsmarktpolarisierung in Deutschland

Links zeigt die relative Änderung von vollzeit-äquivalenten Tätigkeiten im Verhältnis zum allgemeinen Beschäftigungswachstum Deutschlands. Rechts zeigt die relative Änderung von vollzeit-äquivalenten Anforderungsniveaus im Verhältnis zum allgemeinen Beschäftigungswachstum Deutschlands.

Quelle: IAB-Berufepanel (Grienberger et al., 2022), eigene Berechnungen.

Die Konsequenzen dieser Polarisierung sind nicht unerheblich. Soziale Mobilität wird erschwert, insbesondere für Beschäftigte mit mittlerem Bildungsniveau, die aus schrumpfenden Berufsfeldern verdrängt werden und mangels ausreichender Weiterbildungsanreize häufig in weniger produktive und schlechter bezahlte Tätigkeiten ausweichen müssen (Hennig, 2021; Seltzer, 2024). Es zeigte sich zwischen den Jahren 1995 und 2008 eine zunehmende Spreizung in den Löhnen und Gehältern: Während die oberen Dezile reale Lohnzuwächse verzeichneten, stagnierten oder sanken die Reallöhne im mittleren Bereich (Dustmann et al., 2014; Boddin & Kroeger, 2022). Diese Entwicklung bestätigt sich für den Zeitraum 2012 bis 2022 zumindest bei Betrachtung der Entwicklung der realen mittleren und Medianlöhne der Berufsgruppen nicht mehr. In diesem Zeitraum sind die mittleren sowie Medianlöhne der unteren Perzentile der Lohnverteilung stärker gewachsen als die der oberen Perzentile bzw. Tätigkeitsniveaus (Abbildung 2). Dennoch bleibt die Lohndifferenz zwischen den Medianlöhnen der Tätigkeitsniveaus erheblich (Abbildung 2, Punkte rechts).

Abbildung 2
Reallohnentwicklung in den Anforderungsniveaus
Reallohnentwicklung in den Anforderungsniveaus

Quelle: IAB-Berufepanel (Grienberger et al., 2022), eigene Berechnungen.

Hinzu kommen gesellschaftspolitische Risiken. Die Fragmentierung des Arbeitsmarkts unterminiert das Gefühl sozialer Kohäsion, befördert Statusunsicherheit und kann zu politischen Polarisierungstendenzen führen (Colantone & Stanig, 2019; Lewis-Beck & Stegmaier, 2019), wie etwa die Wahlerfolge populistischer Parteien in Regionen mit hohem Anteil an durch den Strukturwandel benachteiligten Tätigkeiten zeigen (Dippel et al., 2022). Die Gefahr einer räumlichen und sozialen Fragmentierung wächst, insbesondere dort, wo weder Bildungs- noch Weiterbildungsinfrastruktur adäquat ausgebaut werden.

Fachkräfteengpässe

Der deutsche Arbeitsmarkt wies in den letzten zehn Jahren in bestimmten Berufsgruppen einen zunehmenden Nachfrageüberschuss nach Arbeitskräften auf. Diese Engpässe betreffen bei den beruflich ausgebildeten Arbeitskräften vor allem Dienstleistungsberufe in der Pflege und anderen medizinischen Bereichen sowie Berufskraftfahrer:innen. Bei den akademisch ausgebildeten Arbeitskräften hingegen sind insbesondere Berufe im IT-Bereich sowie im Bauwesen von Engpässen betroffen. Aufgrund der seit dem Jahr 2019 anhaltenden konjunkturellen Schwächephase und der damit einhergehenden zurückhaltenden Einstellungsbereitschaft der Unternehmen hat sich die Engpasssituation am aktuellen Rand etwas entspannt (BA, 2025).

Trotz dieses konjunkturell bedingten Rückgangs bleiben strukturelle Einflussfaktoren wie der demografische Wandel und der Strukturwandel bestehen, die einen künftigen (Wieder-)Anstieg der Engpässe wahrscheinlich machen. Der demografische Wandel wird das Arbeitsangebot in den kommenden Jahren deutlich reduzieren und dabei vor allem abseits der Großstädte spürbar werden (Hellwagner et al., 2023; Abbildung 8 rechts).

Der Strukturwandel führt dazu, dass neue Tätigkeitsfelder und Berufe entstehen, während andere an Bedeutung verlieren (SVR, 2025). Die Bedeutung von Industrieberufen wird weiter abnehmen, wohingegen Dienstleistungsberufe an Bedeutung gewinnen dürften. Außerdem verstärkt die Automatisierung und Digitalisierung die Polarisierung bei den Qualifikationsanforderungen am Arbeitsmarkt weiter, was bestehende qualifikatorische Passungsprobleme (sogenannten Skill-Mismatch) verschärfen könnte (Abbildung 3 links).

Abbildung 3
Skill-Mismatch1 im Jahr 2023 und Entwicklung seit dem Jahr 2013
Skill-Mismatch1 im Jahr 2023 und Entwicklung seit dem Jahr 2013

1 Skill-Mismatch: Abweichung des Angebots von der Nachfrage innerhalb einer Berufs- und Qualifikationsgruppe, normiert auf ein Intervall zwischen 0 und 1. 2 Der Skill-Mismatch-Indikator betrachtet die absolute Differenz zwischen dem Anteil des Arbeitsangebots eines Berufs- und Qualifikationsniveaus und dem Anteil der Arbeitsnachfrage eines Landkreises und ist definiert zwischen 0 und 1, wobei 1 einen besonders hohen Mismatch anzeigt. Das Arbeitsangebot ist definiert als Summe aus sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und Arbeitslosen und die Arbeitsnachfrage als Summe aus sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und gemeldeten offenen Stellen. Als Berufsgruppe wird das 2-Steller-Niveau und das Qualifikationsniveau gemäß Klassifikation der Berufe (KldB), Ausgabe 2010, der Bundesagentur für Arbeit (BA) betrachtet. Wenn zugelassene kommunale Träger unvollständige oder fehlerhafte Daten liefern, kann die BA nicht alle Merkmale schätzen. In solchen Fällen fehlen vereinzelt Werte zu den Arbeitslosenzahlen auf Kreis- und Qualifikationsebene. Um diese Lücken zu schließen, wurden fehlende Werte mithilfe des Durchschnitts aus dem Vor- und Folgejahr geschätzt. Gab es kein Vor- oder Folgejahr, wurde der entsprechend andere Wert angenommen. 3 Die Entwicklung des Skill-Mismatch-Indikators zeigt die Differenz der Indikatoren zwischen den Jahren 2023 und 2013. Für Werte größer 0 hat sich der Skill-Mismatch in der Region verschäft, für Werte kleiner 0 hat sich der Mismatch entspannt.

Quelle: BA, eigene Berechnungen.

Auf regionaler Ebene sind hiervon aktuell vor allem das Ruhrgebiet, der Norden mit den Landkreisen Bremerhaven und Wilhelmshaven und große Teile Ostdeutschlands betroffen. Aufgrund der demografischen Entwicklung in Ostdeutschland ging der Skill-Mismatch zwischen den Jahren 2013 und 2023 dort zwar stark zurück, das Niveau bleibt aber nach wie vor hoch (Abbildung 3 rechts). Im Ruhrgebiet und in den betroffenen norddeutschen Landkreisen haben sich die Passungsprobleme über die Zeit kaum verändert oder sogar verschärft.

Labour Hoarding

In konjunkturellen Schwächephasen zeigte sich der deutsche Arbeitsmarkt seit Mitte der 2000er Jahre bemerkenswert stabil. Dies lässt sich insbesondere durch die sektorale Verschiebung hin zu Dienstleistungsberufen erklären, da diese tendenziell weniger anfällig für konjunkturelle Schwankungen sind (Klinger & Weber, 2020). In den letzten Jahren spielt zudem das Phänomen des „Labour Hoarding“ eine zentrale Rolle: Es beschreibt die Tatsache, dass Unternehmen Arbeitskräfte halten, obwohl sie diese aufgrund rückläufiger Auslastung nicht benötigen. Für Deutschland lässt sich auf Basis eines umfragebasierten Labour Hoarding Indikators der Europäischen Kommission seit Beginn der Coronapandemie ein erhöhtes Niveau an Labour Hoarding beobachten (Abbildung 4). In den Jahren 2020 und 2021 wurde Labour Hoarding durch die Corona-Unternehmenshilfen, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und eine erleichterte Nutzung von Kurzarbeit staatlich gefördert. Trotz Auslaufen dieser Programme bleibt das Niveau des Labour Hoardings weiterhin erhöht. Diese Entwicklung zeigt sich insbesondere im Verarbeitenden Gewerbe und im Baugewerbe.

Abbildung 4
Labour-Hoarding-Indikator1 und Arbeitsproduktivität2 als Abweichung vom langfristigen Trend3
Labour-Hoarding-Indikator¹ und Arbeitsproduktivität² als Abweichung vom langfristigen Trend³

1 Saisonbereinigte Werte; Quartalsdurchschnitte aus Monatswerten. Der Indikator basiert auf Daten der har­mo­ni­­sierten Business and Consumer Surveys der Europäischen Kommission und misst den (gewich­te­ten) Prozent­satz der Unternehmen, die einen Rück­gang ihrer Produktion, aber eine gleich­bleibende oder sogar steigende Beschäf­ti­gung erwarten. Gemäß der Statistischen Systematik der Wirtschafts­zweige in der Europäischen Gemeinschaft (NACE Rev. 2). 2 Saison- und kalenderbereinigte Werte. Preisbereinigte Brutto­wert­schöpfung je Erwerbs­tätigen­stunde. Gemäß der Klassifikation der Wirtschafts­zweige, Ausgabe 2008 (WZ 2008). 3 Linearer Trend im Zeit­raum 1991 bis 2019.

Quelle: Europäische Kommission (o. D.), Statistisches Bundesamt (o. D.), eigene Berechnungen.

Labour Hoarding erlaubt Unternehmen zwar die Sicherung unternehmensspezifischen Humankapitals und ermöglicht somit eine flexible Reaktion auf eine potenzielle zukünftige Erholung der wirtschaftlichen Lage. Es geht jedoch mit hohen Kosten für die Unternehmen einher. Aufgrund der zunehmenden Fachkräfteengpässe waren bisher viele Unternehmen bereit, diese Kosten auf sich zu nehmen. In der Folge kam es zu einer Verlangsamung des Strukturwandels auf dem Arbeitsmarkt, da der Beschäftigungsabbau insbesondere im Verarbeitenden Gewerbe gebremst wurde. Diese Entwicklung kann im Gegenzug jedoch dazu führen, dass es in anderen Wirtschaftsbereichen zu Fachkräfteengpässen kommt, da eine Reallokation der Beschäftigten verhindert wird.

Gesamtwirtschaftlich kann Labour Hoarding als Reaktion auf kurzfristige Schocks (z. B. die Coronapandemie) zu einer Stabilisierung des Arbeitsmarktes beitragen, mittelfristig kann es sich jedoch durch das Ausbleiben von Beschäftigungswechseln hin zu produktiveren Unternehmen negativ auf die gesamtwirtschaftliche Produktivität auswirken (Cooper et al., 2017; Giupponi & Landais, 2023). Ein negativer Produktivitätseffekt zeigt sich bereits in der Entwicklung der Arbeitsproduktivität, die in den letzten Jahren unter ihren langfristigen Trend gefallen ist. Zuletzt zeigte sich jedoch insbesondere im Verarbeitenden Gewerbe aufgrund der anhaltenden wirtschaftlichen Schwäche ein größerer Beschäftigungsabbau. In der Folge nahm dort das Labour Hoarding ab und die Arbeitsproduktivität stieg in Konsequenz an (Abbildung 4).

Strukturelle Treiber der Arbeitsmarkttrends

Im folgenden Abschnitt werden vier zentrale Treiber (Digitalisierung und KI, Dekarbonisierung, Globalisierung und demografischer Wandel) der zuvor diskutierten Arbeitsmarkttrends diskutiert. Im Fokus steht dabei die Frage, welche Gruppen in welcher Weise betroffen sein werden und welche Anpassungsprozesse am Arbeitsmarkt zu erwarten sind.

Digitalisierung und Künstliche Intelligenz

Die Automatisierung von Produktionsprozessen kann gesamtwirtschaftlich zu Effizienzvorteilen führen, erfordert jedoch eine hohe Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes. Die Auswirkungen von Automatisierung auf die gesamtwirtschaftliche Arbeitsnachfrage sind ex ante unklar und hängen laut Acemoglu und Restrepo (2019) vom Zusammenspiel dreier Effekte ab. Insbesondere kurzfristig kann es durch den Verdrängungseffekt zu einer Reduktion der Arbeitsnachfrage durch die Automatisierung von Tätigkeiten kommen. Längerfristig kann die Arbeitsnachfrage jedoch steigen; zum einen, weil automatisierte Tätigkeiten produktiver werden und dadurch mehr komplementäre nicht-automatisierte Arbeiten nachgefragt werden (Produktivitätseffekt), und zum anderen, weil ganz neue Tätigkeiten entstehen (Wiedereinsetzungseffekt). Frühere Automatisierungstechnologien haben in Deutschland zu einer Verschiebung der Arbeitsnachfrage zwischen verschiedenen Wirtschaftsbereichen geführt, jedoch war bisher kein Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Beschäftigung durch Automatisierung feststellbar (Lehmer & Matthes, 2017; Arntz et al., 2018).

Durch den Vergleich von Tätigkeitsbeschreibungen einzelner Berufe mit den Anwendungsfeldern von Automatisierungstechnologien lässt sich deren potenzielle Betroffenheit durch Automatisierung abschätzen. Eine Übertragung der von Webb (2020) bestimmten Automatisierungspotenziale durch Roboter, Software und KI auf die deutsche Beschäftigungsstruktur des Jahres 2023 zeigt eine heterogene Betroffenheit entlang der Anforderungsniveaus (Abbildung 5). Das Automatisierungspotenzial durch Roboter sinkt erheblich mit dem Anforderungsniveau. Für die Automatisierung durch Software ist dieser negative Zusammenhang schwächer ausgeprägt. Für KI hingegen steigt das Automatisierungspotenzial mit dem Anforderungsniveau. Dies impliziert nicht, dass die Arbeitsnachfrage in höher qualifizierten Tätigkeiten durch KI abnehmen wird. Im Gegenteil kann es insbesondere in den wissensintensiven Dienstleistungen zu einem erhöhten Produktivitätswachstum und dadurch zu Beschäftigungswachstum kommen; der Produktivitäts- wie auch der Wiedereinsetzungseffekt dürften überwiegen (Czarnitzki et al., 2023; Filippucci et al., 2024; McElheran et al., 2024). Die potenzielle Betroffenheit regionaler Arbeitsmärkte von Automatisierung durch KI variiert erheblich (SVR, 2025). Die höchsten Automatisierungspotenziale zeigen sich dabei in wirtschaftlich starken Kreisen, die häufig einen hohen Beschäftigungsanteil im wissensintensiven Verarbeitenden Gewerbe, wie z. B. in der Automobil- oder chemischen Industrie, aufweisen.

Abbildung 5
Automatisierungspotenziale nach Anforderungsniveau1
Automatisierungspotenziale nach Anforderungsniveau1

1 Die Automatisierungspotenziale sind eine Übertragung der Klassifikation von Webb (2020) auf die deutsche Berufsklassifikation; sie messen die Übereinstimmung der Tätigkeitsbeschreibungen einzelner Berufe mit Anwendungsfeldern von Robotern, Software und KI aus Patenttexten auf einer Skala von 1 bis 100. Der Indikator zeigt das beschäftigungsgewichtete Automatisierungspotenzial nach Anforderungsniveau. Bei uneindeutigen Matches wurde der Median des Automatisierungspotenzials angenommen. Die Beschäftigungsstruktur basiert auf den Daten der 2-Steller der Wirtschaftszweige und der Anforderungsniveaus der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung des Jahres 2023.

Lesebeispiel: Der grüne Balken bei Helfer- und Anlerntätigkeiten zeigt, dass potenziell 31 % der Tätigkeiten in diesem Anforderungsniveau durch KI automatisiert werden können.

Quelle: Sonderauswertung der BA für die Autoren, Webb (2020).

Dekarbonisierung

Die Dekarbonisierung der Produktionsprozesse stellt eine der zentralen Transformationsaufgaben der kommenden Jahrzehnte dar und wird Rückwirkungen auf die Beschäftigungsstruktur in Deutschland entfalten (Bachmann et al., 2024; Hohendanner et al., 2024). Dabei wirken viele Arbeitsmarktmechanismen in bekannter Weise, etwa über technologische Substitution, veränderte Qualifikationsanforderungen und sektorale Disruption, mit teils neuen Mustern von Komplementarität und Verschiebungen der Arbeitsnachfrage.

Die Beschäftigungseffekte der Dekarbonisierung werden dabei heterogen ausfallen. Während Beschäftigte in CO₂-intensiven Industrien wie Stahl, Zement, Chemie oder auch der Produktion von Verbrennungsmotoren unter erheblichem Druck stehen (Südekum & Posch, 2024; Haywood et al., 2024), entstehen zugleich neue Beschäftigungspotenziale z. B. in den Bereichen erneuerbarer Energien, Gebäudesanierung, Wasserstoffwirtschaft oder Elektromobilität (Bachmann et al., 2024). Somit verändert sich das sektorale Beschäftigungsgefüge. Auch steigt der Bedarf an Berufsprofilen, die komplementär zur Energiewende stehen, etwa Mechatroniker im Bereich E-Mobilität, Fachkräfte für Gebäudetechnik oder Projektplaner für Energieinfrastruktur. Diese Berufe erfordern häufig spezifisches technisches Wissen, sind teils nicht akademisch, jedoch durch praxisorientierte Spezialisierung gekennzeichnet, was gezielte berufliche Weiterbildung erfordert (Bachmann et al., 2024). Bereits für den Zeitraum 2012 bis 2022 zeigt sich, dass die Beschäftigung in Berufen mit positiven Klimaauswirkungen (Janser, 2019, 2022) relativ stark steigt, während die Beschäftigung in Berufen mit eher negativen Klimaauswirkungen sinkt (Abbildung 6).

Abbildung 6
Änderung der Berufsnachfrage nach Klimaauswirkungen der Tätigkeiten1
Änderung der Berufsnachfrage nach Klimaauswirkungen der Tätigkeiten1

1 Die Abbildung zeigt die Änderung von vollzeit-äquivalenten Tätigkeiten zwischen 2012 und 2022. Anteile „brauner“ und „grüner“ Tätigkeiten nach dem „greenness of jobs indicator“ (Janser, 2019, 2024).

Lesebeispiel: Der grüne Balken bei „einfache Tätigkeiten“ bedeutet, dass die Anzahl der vollzeit-äquivalenten Tätigkeiten mit positiven Klimaauswirkungen nach Janser (2024) um 25 % zugenommen hat.

Quelle: IAB-Berufepanel (Grienberger et al., 2022).

Dabei sind Regionen mit hoher industrieller Spezialisierung stärker von den negativen Anpassungskosten der Dekarbonisierung der Produktion betroffen, was Risiken struktureller Arbeitslosigkeit birgt, die insbesondere bei geringer regionaler Mobilität oder Skill-Mismatch entstehen dürften (Többen, 2017; Buch et al., 2024). Bereits heute zeigt sich, dass bei der Expansion „grüner“ Branchen wie Windkraftinstallation oder Gebäudedämmung nicht automatisch jene Beschäftigten absorbiert werden, die andernorts freigesetzt werden (Frankenberg et al., 2025). Dies betrifft insbesondere mittel-qualifizierte Tätigkeiten in industriellen Fertigungsprozessen, bei denen die Dekarbonisierung mit technologischem Fortschritt einhergeht (Cox et al., 2014; Abbildung 6).

Auch im Hinblick auf die Polarisierungstendenzen des Arbeitsmarktes entfaltet die Dekarbonisierung ambivalente Wirkungen: Einerseits entstehen neue, hochqualifizierte Tätigkeiten im Bereich Forschung, Planung und Steuerung der Energiewende, andererseits sind auch niedrigqualifizierte Arbeitskräfte im Bereich Sanierung, Logistik oder Anlagenmontage zunehmend gefragt – allerdings oft zu unattraktiven Bedingungen. Die Gefahr eines weiteren Ausdünnens mittlerer Qualifikationsniveaus am Arbeitsmarkt besteht weiterhin.

Globalisierung

Die verstärkte Globalisierung seit etwa Mitte der 1990er Jahre führt nicht nur zu sektoralen Verschiebungen, sondern geht auch mit tiefgreifenden Veränderungen in der Berufs- und Qualifikationsstruktur der Beschäftigung einher. Dabei sind in der Vergangenheit neue Beschäftigungschancen durch die wachsende Nachfrage nach deutschen Industriegütern in globalen Märkten entstanden, sodass die Globalisierung bis dato eher positive Beschäftigungseffekte hatte (Dauth et al., 2014). Während sich deutsche Unternehmen auf technologisch hochwertige und kapitalintensive Produkte wie Automobile und Maschinenbau fokussierten, wurden arbeitsintensive Produkte, wie z. B. Textilien, Konsumgüter und Elektronik, zunehmend aus Ländern mit niedrigeren Arbeitskosten im asiatischen Raum oder aus Osteuropa bezogen (Dauth et al., 2014; SVR, 2017). Allerdings erhöht sich mittlerweile der Wettbewerbsdruck durch die fortschreitende Industrialisierung der Schwellenländer, vornehmlich aus China (SVR, 2025; Hsieh & Ossa, 2016; Mao et al., 2021).

Der deutsche Arbeitsmarkt hängt stark vom Welthandel ab: Etwa jeder fünfte Arbeitsplatz steht in direktem Zusammenhang mit Exporten ins außereuropäische Ausland (Statistisches Bundesamt, 2022). Auch wenn der Außenhandel bislang zu einem Beschäftigungszuwachs in den Exportbranchen führen konnte, wirken sich diese Effekte nicht gleichmäßig auf alle Berufsgruppen aus (Dauth et al., 2021a; Autor et al., 2025). Besonders stark vom internationalen Wettbewerb betroffen dürften Berufsfelder in den bislang exportstarken Industrien sein. Die dort typischen Berufsfelder sind einer doppelten Substitution ausgesetzt: durch Automatisierung im Inland (Dauth et al., 2017) und durch Offshoring ins Ausland (Koerner, 2023; Egger et al., 2024). Dies führt zu einem relativen Rückgang von Beschäftigung im mittleren Qualifikationsbereich sowie zu Lohnrückgängen für diese Beschäftigten (Keller & Utar, 2023; Egger et al., 2024). Ein Reshoring durch die zunehmende geoökonomische Unsicherheit wird absehbar nicht mit einem Beschäftigungsaufbau einhergehen, sondern vor allem dort stattfinden, wo Produktionsschritte automatisierbar sind (Faber et al., 2025).

Zugleich entstehen neue berufliche Anforderungen, etwa in der Steuerung internationaler Lieferketten, im technischen Vertrieb oder im Management grenzüberschreitender Standards und Normen. Diese Tätigkeiten setzen in der Regel höhere kognitive und sprachlich-kommunikative Kompetenzen voraus und weisen oft eine hohe Komplementarität zu globalisierten Produktionsprozessen auf (Reijnders & de Vries, 2018). Kruse et al. (2024) zeigen, dass sich die exportbezogene Wertschöpfung in Deutschland verstärkt auf Schlüsselbranchen wie den Maschinenbau und die Automobilindustrie konzentriert. Innerhalb dieser Sektoren ist ein Strukturwandel hin zu wissensintensiven Tätigkeiten wie Ingenieurwesen, Management und anderen dienstleistungsnahen Berufen zu beobachten (Abbildung 7). In der Folge fördert die Globalisierung eine zunehmende Divergenz in den Qualifikationsanforderungen und verstärkt damit die Polarisierung des Arbeitsmarkts (Cravino & Sotelo, 2019).

Abbildung 7
Berufsanteile im Export1
Berufsanteile im Export¹

1 Die Abbildung zeigt den Wert­schöpfungsanteil der Berufsgruppen der jeweiligen Industrien an den gesamten Wert­schöpfungsexporten Deutschlands. Berufe gemäß der Internationalen Standardklassifikation der Berufe (ISCO-88 COM). Sie repliziert Abbildung 1 und Appendix 1.1 für Deutschland aus Kruse et al. (2024). 2 Ingenieure umfassen ISCO-Codes 21 und 31. 3 Manager umfassen ISCO-Codes 12–13. 4 Unternehmensdienstleistungsberufe umfassen ISCO-Codes 24, 34, 41, 42, 52, 911. 5 Produktionsberufe umfassen ISCO-Codes 60–61, 71–74, 81–83, 92–93.

Quelle: Kruse et al. (2024); Reijnders und de Vries (2018).

Demografischer Wandel

Das Arbeitsangebot wird in den nächsten zehn Jahren durch das Ausscheiden der Baby-Boomer Generation aus dem Arbeitsmarkt signifikant zurückgehen. Langfristig dürfte das Erwerbspersonenpotenzial, aufgrund einer anhaltend niedrigen Geburtenrate und einer unzureichenden Zuwanderung, um rund 12 % bis zum Jahr 2060 sinken (Hellwagner et al., 2023). Der Anteil älterer Beschäftigter im sekundären Sektor sinkt in Deutschland weniger schnell als der Anteil jüngerer Beschäftigter (Abbildung 8 links). Dies liegt daran, dass ältere Beschäftigte ihren Beruf in der Regel seltener wechseln und sich im Falle eines Wechsels eher für Tätigkeiten mit einem ähnlichen Anforderungsprofil entscheiden (Gathmann & Schönberg, 2010; Lamo et al., 2011). Ein Branchen- oder Berufswechsel ist für diese Personen angesichts der nur noch kurzen verbleibenden Erwerbszeit erschwert, da sich die erworbenen berufs-, unternehmens- oder wirtschaftszweigspezifischen Fähigkeiten bei einem Unternehmens- oder Branchenwechsel nur eingeschränkt übertragen lassen (Neal, 1995; Sullivan, 2010). Ohnehin zeigt sich, dass die Verlagerung der Beschäftigung vom Industrie- in den Dienstleistungssektor größtenteils durch Arbeitsmarkteintritte oder Wiedereintritte erfolgt, während direkte Übergänge von Beschäftigten aus der Industrie in den Dienstleistungssektor seltener sind (Dauth et al., 2017, 2021b; Hobijn & Schoellman, 2017; Porzio et al., 2022).

Abbildung 8
Sektorale und regionale Beschäftigungsstruktur im Wandel
Sektorale und regionale Beschäftigungsstruktur im Wandel

1 Gemäß der Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008 (WZ 2008). 2 Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)-Bevölkerungsprognose 2045/ROP auf Basis des Zensus 2022 für die Altersgruppe 20 bis unter 67 Jahre. Siedlungsstrukturelle Kreistypen gemäß der Einteilung des BBSR. Lesebeispiel links: Im dritten Quartal 2024 lag der Anteil von Beschäftigten im Alter von 25 bis 55 Jahren im tertiären Sektor an allen Beschäftigten ca. 1,4 Prozentpunkte über dem Anteil im ersten Quartal 2015. Lesebeispiel rechts: Gegenüber dem Jahr 2022 wird die Bevölkerung in dünn besiedelten ländlichen Kreisen im Jahr 2040 um 12 Prozent zurückgehen.

Quelle: BA (o. D.), BBSR (2025), eigene Berechnungen.

Für die künftige Entwicklung des Arbeitsmarkts bedeutet dies, dass bei einem Gleichlauf von Strukturwandel und demografischem Wandel die negativen Auswirkungen in Form von zunehmenden Engpässen oder Arbeitslosigkeit begrenzt bleiben dürften. Sofern sich jedoch der Strukturwandel beschleunigt, wären aufgrund der geringeren Anpassungsfähigkeit insbesondere ältere Beschäftigte von Arbeitslosigkeit betroffen. Ist das Gegenteil der Fall, könnten Arbeitskräfteengpässe selbst in eigentlich vom Strukturwandel negativ betroffenen Wirtschaftszweigen entstehen. Dies könnte aufgrund der Altersstruktur vor allem ländliche Regionen treffen (Abbildung 8 rechts; Bossler & Popp, 2023; Buch et al., 2024).

Auch die Erwartungen über das Ausscheiden der Baby-Boomer Generation in naher Zukunft dürften dazu beitragen, dass Unternehmen in den letzten Jahren mehr Arbeitskräfte beschäftigen als tatsächlich benötigt. Die daraus entstehende parallele Beschäftigung kann wichtig sein, um den Wissenstransfer zwischen den Beschäftigten zu gewährleisten. Mit anhaltender wirtschaftlicher Schwächephase zeigt sich aber, dass immer weniger Unternehmen sich das Vorhalten von Beschäftigten leisten können und das Phänomen am aktuellen Rand wieder zurückgeht. Aufgrund der demografischen Entwicklung ist nach Überwindung der Wachstumsschwäche jedoch denkbar, dass auch das Labour Hoarding wieder zunimmt.

Zwischenfazit und Ausblick

Der deutsche Arbeitsmarkt ist tiefgreifenden strukturellen Veränderungen ausgesetzt. Die Treiber dieser Entwicklung sind vielfältig. So führt die Automatisierung, insbesondere durch Informations- und Kommunikationstechnologien sowie Künstliche Intelligenz, dazu, dass standardisierbare Tätigkeiten vor allem in mittleren Qualifikationsgruppen zunehmend substituiert werden (Acemoglu & Restrepo, 2019). Zudem wurden in der Vergangenheit Tätigkeiten von Beschäftigten in Produktionsberufen im Verarbeitenden Gewerbe ins kostengünstigere Ausland verlagert (Ebenstein et al., 2014). So verändert sich die Wertschöpfungserbringung der Berufe im Inland. Es wird vermehrt Wertschöpfung durch hochqualifizierte Dienstleistungsberufe erbracht (Kruse et al., 2024). Ebenso verändern sich die Kompetenzanforderungen in vielen Berufen (Card & Lemieux, 2001; Krusell et al., 2000), was nicht nur zu einem Anstieg der Nachfrage nach akademischen Abschlüssen führt, sondern auch zu einer Neubewertung von Tätigkeiten im niedrigen Qualifikationsbereich, etwa in der Pflege oder Gastronomie, die nicht automatisierbar sind, jedoch niedrig entlohnt werden. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, sind gezielte wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen erforderlich.

Anpassungsfähigkeit durch Weiterbildung und Technologietransfer stärken

Nicht nur die zunehmende Polarisierung der Arbeitsnachfrage, sondern auch die Veränderung der nachgefragten Tätigkeitsprofile erfordert eine weitere Qualifikation der momentan Beschäftigten. Qualifizierungen und Umschulungen sind essenziell, insbesondere für vom Strukturwandel betroffene Geringqualifizierte. Dabei unterscheidet sich die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung sowohl regional als auch zwischen Bevölkerungsgruppen erheblich (Martin et al., 2021). Geringqualifizierte nehmen Weiterbildungsangebote deutlich seltener wahr als höher qualifizierte Beschäftigte, zudem steigt die Weiterbildungsteilnahme mit der Betriebsgröße (Kruppe & Trepesch, 2017; Statistisches Bundesamt et al., 2024). Als Hemmnisse zur Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen wurde von Geringqualifizierten am häufigsten genannt, dass sie das Lernen nicht mehr gewohnt sind, und am zweithäufigsten, dass sie unsicher über den finanziellen Ertrag der Weiterbildung sind (Osiander & Stephan, 2018). Bei Hochqualifizierten hingegen dominieren demnach als genannte Hemmnisse Zeitmangel und die Einschätzung, dass die eigenen Qualifikationen ausreichen. Folglich sollten Hemmnisse wie mangelnde Lerngewohnheit und Unsicherheit über den finanziellen Ertrag adressiert werden. Weiterhin können Weiterbildungsanreize durch individuelle Weiterbildungskonten gesteigert werden, um auch für Hochqualifizierte Anreize zur Weiterbildung z. B. in der Anwendung neuer Technologien zu schaffen.

Kurzfristig kann durch Kurzarbeitsprogramme staatlich subventioniertes Labour Hoarding sinnvoll sein, um über konjunkturelle Schwächephasen Beschäftigungssicherheit sowohl für Beschäftigte als auch für Unternehmen sicherzustellen. Längerfristig besteht jedoch die Gefahr, dass Beschäftigte zu hohen Kosten in Unternehmen gehalten werden, die wirtschaftlich keine langfristige Perspektive haben. Vor diesem Hintergrund ist es problematisch, dass Beschäftigte in Kurzarbeit trotz freier zeitlicher Kapazitäten nur selten an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen. Während der Coronakrise betrug die Weiterbildungsquote unter Kurzarbeitenden beispielsweise lediglich 5 % (Kruppe & Osiander, 2020). Die Länge der möglichen Dauer der Kurzarbeit sollte daher von der Durchführung betrieblicher Weiterbildung abhängen (Weber, 2025). Zudem könnte eine Weiterbildungsprämie die Anreize zur Teilnahme für die Beschäftigten zusätzlich erhöhen (Weber, 2021). Eine pauschale Verlängerung der Bezugsdauer von Kurzarbeit, wie die für das Jahr 2025 beschlossene temporäre Verdopplung der maximalen Bezugsdauer, erscheint im Licht der strukturellen Herausforderungen hingegen nicht sinnvoll.

Während zu erwarten ist, dass KI als neue Querschnittstechnologie in nahezu allen Unternehmen zum Einsatz kommen wird, ist ihr Einsatz im Dienstleistungsbereich und kleineren Unternehmen momentan noch regional unterschiedlich stark verbreitet. Unternehmen in Ballungsräumen nutzen überdurchschnittlich häufig KI (Rammer, 2024), begünstigt durch besser entwickelte digitale Infrastrukturen. In vielen ländlichen Regionen fehlen hingegen noch digitale Infrastrukturen, Kompetenzen und unternehmerische Netzwerke, um von der Automatisierung durch KI zu profitieren. Um dem demografischen Wandel und den zunehmenden Fachkräfteengpässen bereits jetzt zu begegnen, sollten in diesen Regionen die Anwendungsmöglichkeiten von KI durch Infrastrukturausbau sowie Wissenstransfer eröffnet werden (SVR, 2025).

Mobilität von Arbeitskräften erhöhen

Die zu erwartende unterschiedliche Entwicklung auf den regionalen Arbeitsmärkten zeigt die Bedeutsamkeit einer ausreichenden Mobilität von Arbeitskräften (SVR, 2025). Räumlich mobil sind jedoch vor allem junge und gut ausgebildete Personen (BIB, 2012). Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, die junge Menschen gezielt ansprechen, sind daher besonders vielversprechend. So könnte der Ausbau bereits existierender Förderprogramme für ausbildungsbedingte Umzüge die berufliche Mobilität steigern. Zudem wäre eine allgemeine Erleichterung von beruflicher Mobilität durch die Schaffung von Wohnraum in angespannten Wohnungsmärkten und durch eine bessere Verkehrsanbindung peripherer Regionen förderlich.

Ungenutzte Erwerbspotenziale heben

Darüber hinaus sollte die stille Reserve am Arbeitsmarkt – also das ungenutzte Erwerbspotenzial, das sich insbesondere bei Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund sowie älteren Personen zeigt – gezielt und effektiv aktiviert werden: Die Erwerbspotenziale von Frauen könnten durch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, etwa durch den Ausbau von Kinderbetreuung und flexiblere Arbeitszeiten gehoben werden. Auch Fehlanreize im Steuer- und Transfersystem, wie sie beim Ehegattensplitting, der Witwenrente oder der beitragsfreien Mitversicherung in der GKV bestehen, sollten abgebaut werden. Bei Migrant:innen könnten eine gezielte Anwerbung von Fachkräften in Engpassberufen sowie vereinfachte und digitalisierte Anerkennungsverfahren helfen, das Erwerbspotenzial stärker auszuschöpfen. Auch der Abbau von Sprachbarrieren ist in diesem Kontext entscheidend, wozu neben dem grundsätzlichen Erwerb von Sprachkenntnissen auch die realistische Einschätzung tatsächlich notwendiger Sprachanforderungen zählt. Eine Heraufsetzung des gesetzlichen Renteneintrittsalters und die Reduktion von Anreizen zum vorzeitigen Renteneintritt sind geeignete Mittel, um die Erwerbstätigkeit Älterer aufrechtzuerhalten.

Literatur

Acemoglu, D. & Restrepo, P. (2019). Automation and new tasks: How technology displaces and reinstates labor. Journal of Economic Perspectives, 33(2), 3–30.

Arntz, M., Gregory, T., Zierahn, U., Lehmer, F. & Matthes, B. (2018). Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit: Makroökonomische Auswirkungen auf Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Löhne von morgen. ZEW-Gutachten für das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung.

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Title:Changing labour market: polarisation, skills shortages and labour hoarding

Abstract:The German economy is currently not only in a tense cyclical situation but is also undergoing a profound structural transformation – driven by technological innovations, decarbonisation, (de-)globalisation, and demographic change. These developments have far-reaching effects on the labour market. The labour market is characterised by increasing polarisation, where skill shortages and rising unemployment can occur simultaneously. The deliberate retention of workers by companies despite declining capacity utilisation (labour hoarding) further delays the necessary reallocation. This article analyses these structural trends in the context of the accelerating structural transformation. Finally, economic and labour market policy measures to address these challenges are discussed.

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DOI: 10.2478/wd-2025-0181