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Dieser Beitrag ist Teil von Update für die Medienökonomik in Zeiten von Algorithmen, Desinformation und Hassrede

Joe Biden hat mit seiner Rede zum Ausscheiden aus dem Weißen Haus ein besonderes Abschiedsgeschenk hinterlassen: eine Deutungsvokabel der kommenden politischen Ordnung der USA. Biden warnte vor der Entstehung einer „Oligarchie der Superreichen“ (Biden, 2025). Er traf damit einen Ton, der unmittelbar in der deutschen Debatte widerhallte. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier stimmte der Sache nach ein: Es „bildet sich in den USA derzeit eine historisch beispiellose Konzentration von technologischer, finanzieller und politischer Macht heraus“ (Steinmeier, 2025). Als Demokrat mache es ihm größte Sorge, wenn eine kleine unternehmerische Elite die Macht, die Mittel und den Willen habe, einen wesentlichen Teil der Spielregeln liberaler Demokratien neu zu bestimmen. Wer damit gemeint ist, wurde spätestens bei der Amtseinführung Trumps deutlich sichtbar: In erster Reihe standen Elon Musk, Mark Zuckerberg, Sundar Pichai und Jeff Bezos – die Köpfe des „Big Tech“ aus dem Silicon Valley und einige der reichsten Männer der Welt. Die Mitglieder von Trumps Kabinett, die ernannten und demokratisch legitimierten Vertreter politischer Macht, stellten sich in zweiter Reihe dahinter auf. „Wenn ein Bild mehr sagt als tausend Worte, dann ist das […] ein Manifest“ (Pistor, 2025).

Was aber ist der Inhalt dieses Manifestes? Und handelt es sich dabei tatsächlich um eine „große Unterwerfung“ der Tech-Bosse unter die Politik Trumps (Nezik, 2025)? Oder verhält es sich nicht (auch) andersherum? Denn welche Interessen artikuliert etwa US-Vizepräsident JD Vance, vormals selbst Investor im Silicon Valley und beeinflusst von PayPal-Mitgründer und Valley-Ideologe Peter Thiel, wenn er den europäischen Digital Services Act (DSA) als Eingriff in die Meinungsfreiheit und als Angriff auf die amerikanischen Plattformen kritisiert? Die europäische Regulierung der „sehr großen Plattformen“ (Art. 34 DSA) läuft dem Geschäft der Größen des Silicon Valley jedenfalls diametral entgegen.

Für die demokratische Medienregulierung bedeutet ein solches Machtgefüge eine besondere Herausforderung. Mit X und Facebook nebst Instagram und Threads liegen zentrale Medienplattformen in den Händen der Unternehmer aus Kalifornien. Dies verleiht ihnen angesichts des veränderten Medienkonsums zulasten analoger Medienprodukte starke Einflussmöglichkeiten (Küsters & Störring, 2024). Die Gleichzeitigkeit von ökonomischer Potenz, politischem Zugang zur Regierung und dem Zugriff auf die öffentliche Meinung hat eine besondere Qualität – und könnte Interdependenzen schaffen, wenn nunmehr etwa (Medien-)Regulierungen für die Tech-Konzerne in Washington gelockert werden. Oder wenn der Eigentümer einer dieser Plattformen zum obersten Entbürokratisierer der Regierung ernannt wird, der diejenigen Behörden verschlanken oder gar eliminieren soll, die die Macht gerade solcher Unternehmungen überwachen. Die Suche der Tech-Konzerne nach politischer Nähe und Wirksamkeit verdichtet sich in der Person von Elon Musk. Mit seinen über 200 Mio. Followern, unzähligen täglichen Posts und Eingriffen bei X betreibt er Agenda Setting und steuert so die Diskurse auf seiner Plattform. Als reichster Mensch der Welt und mit seinen so uninformiert wie willkürlich wirkenden politischen Äußerungen, etwa zugunsten der AfD, füllt er perfekt die Form des Oligarchen aus. Entsprechend zieht dieser „Elonismus“ (Maak, 2025) die Kritik auf sich.

Diese kritischen Reaktionen und Deutungen kratzen jedoch meist an der Oberfläche und verfehlen sowohl das Ganze der Person Musks als auch den Geist seiner unbestreitbar erfolgreichen Unternehmungen. Ohne differenzierte Analyse wird damit das Ausmaß der Herausforderung, der sich Europa als Teil eines womöglich „schwankenden Westens“ (Di Fabio, 2015) nun ausgesetzt sieht, nicht hinreichend deutlich. Deshalb möchte der Beitrag eine Versachlichung und Verbreiterung der Debatte befördern, indem er eine induktive Perspektive auf das Phänomen Musk als pars pro toto anbietet. Ein solcher Analyseansatz erscheint umso gerechtfertigter, als wirtschaftliche und politische Entscheidungen, die erhebliche Auswirkungen auf das Gesamtsystem haben, zunehmend von einzelnen Personen ausgehen. Dabei erscheinen sie oftmals erratisch, aus der Laune heraus und völlig überraschend, ja autokratisch gefällt oder werden jedenfalls dementsprechend inszeniert. Eine Analyse der Medienökonomik muss daher den Blick auf Elon Musk und sein offensichtliches Credo richten: Die digitalen Medien, das bin ich.

Medienmacht made in California

Der medialen Macht der Tech-Unternehmer widmete Joe Biden in seiner Abschiedsrede besondere Aufmerksamkeit: „Social media is giving up on fact-checking. The truth is smothered by lies told for power and for profit. We must hold the social platforms accountable to protect our children, our families, and our very democracy from the abuse of power“ (Biden, 2025). Die Abkehr von Inhaltskontrolle und externen Faktenchecks ist dabei nicht allein und nicht einmal primär der Ausdruck einer instrumentell-autokratischen Mediensteuerung, sondern einer tieferen Überzeugung, ja eines Glaubens. Hinter dem Verhalten von Musk und auch von Mark Zuckerberg steht eine libertäre Tradition des Freiheitsverständnisses, das in europäischen Ohren unverständlich klingt – in den USA, einem Land, in dem Hakenkreuze offen getragen werden dürfen, aber manchen als Inbegriff von Selbstverwirklichung gilt.

In einer Rede an der Georgetown University im Jahr 2019 sprach Zuckerberg von der Bedeutung der Meinungsfreiheit, die zunehmend in Gefahr sei. Als positive Beispiele erwähnte er Bewegungen wie die schwarze Bürgerrechts­initiative Black Lives Matter oder die Geschichten von Missbrauch unter dem #MeToo, die auf Facebook viral gingen. Vor hundert Jahren noch, so Zuckerberg, hätte es gegen Gesetze verstoßen, diese Geschichten überhaupt aufzuschreiben. Er betonte den Vorteil digitaler gegenüber traditionellen Medien, ohne Intermediäre auszukommen, die als Zensurinstanzen wirken könnten. Gerade Plattformen wie Facebook dezentralisierten demnach die Macht (Meta, 2019). Umso weniger verwunderlich ist seine Einschätzung, in Europa gebe es „immer mehr Gesetze, die die Zensur institutionalisieren und es schwierig machen, etwas Innovatives zu entwickeln“ (Budras et al., 2025). Diese Aussagen Zuckerbergs machen seine Vorstellung einer maximal ungebundenen Meinungsfreiheit deutlich, ein radikal individualistisches und entsprechend staatsfernes Freiheitsideal.

Dieses Ideal ist Teil einer größeren Ideologie, die ihre Vorläufer in der amerikanischen Geistesgeschichte findet (Dörr & Kowalski, 2022; Kowalski & Dörr, 2022). Das Silicon Valley und die Selbstdarstellung seiner Protagonisten basieren auf einem „bizarren Misch-Masch aus Hippie-Anarchismus und ökonomischem Liberalismus, dazu jede Menge technologischen Determinismus“ (Barbrook & Cameron, 1996; O’Mara, 2019). Während die Technikgläubigkeit in der Begeisterung der Hacker-Subkultur über die vermeintlich emanzipatorischen Möglichkeiten eines neuen Zeitalters gründet, mit dem Cyberspace als virtuellem Ort der Freiheit ohne staatliche Überwachung sowie uneingeschränktem Zugang zu Informationen für alle Menschen, verweist das libertäre Element auf die Traditionslinie der kalifornischen Hippie-Bewegung mit ihrem Impetus, verschiedene Lebensstile zu erproben und jeden bedingungslos sein individuelles Lebensglück suchen zu lassen: Alles ist erlaubt, was anderen nicht schadet. Der libertäre Glaube an den Nachtwächterstaat deckt sich mit dieser Hippie-Gegenkultur und deren programmatischem Ausleben von Regellosigkeit. Ein Kulminationspunkt dieser emanzipatorischen Utopien ist die berühmt-berüchtigte „Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace“, die schon im Titel den geistesgeschichtlichen und normativen Anspruch markiert, das revolutionäre Projekt der US-amerikanischen Gründerväter fortzusetzen und dieses zugleich zu überwinden (Barlow, 1996). Diese uramerikanische Traditionslinie zog schließlich Donald Trump in seiner Siegesrede vom 6. November 2024 weiter und folgte damit rhetorisch den Spuren seiner Vorgänger, die stets auf Elemente des „American Dream“, der Verschiebung der „Frontier“ und des amerikanischen Exzeptionalismus Bezug nahmen: „Wir werden unser ‚Manifest Destiny‘ zu den Sternen verfolgen und amerikanische Astronauten starten, um die ‚Stars and Stripes‘ auf dem Planeten Mars aufzustellen“ (Trump, 2024; vgl. van Engen, 2020).

Kalifornien vs. Freiburg: Zwei Konzepte der Freiheit

Die kalifornische Ideologie weist mit ihrer historischen Fundierung im amerikanischen Unabhängigkeitsstreben eine tiefsitzende Ablehnung gegenüber jeglichen Einschränkungen persönlicher Freiheit auf und unterscheidet sich damit kategorial von der kontinentaleuropäischen Tradition des Liberalismus, der die freie Entfaltung des Menschen erst durch einen rechtlichen Ordnungsrahmen ermöglicht sieht – und entsprechend dem Staat als Regelsetzer eine ganz entscheidende Funktion beimisst. Dieser Konflikt der Freiheitsverständnisse wird im Umgang mit neuen Technologien und Geschäftsmodellen spürbar: Die Verbote und Beschränkungen, denen ihre Geschäftsmodelle gerade in Europa unterliegen, müssen den Unternehmern des Silicon Valley unverständlich, ja feindselig erscheinen (Kowalski & Dörr, 2022). Plastisch wird dies etwa an den Regulierungsansätzen des Gesetzes über digitale Dienste (DSA), beim Datenschutz und beim Umgang mit Künstlicher Intelligenz (Legner, 2025; Glocker, 2022; Klar & Kühling, 2016; BMUV & Rostalski, 2022). Während sich die EU bei alledem um die Rechte des Einzelnen gegenüber Unternehmensinteressen sorgt, hat sie mit dem Verbraucher­schutz­paradigma vielleicht eine allzu fokussierte Brille aufgesetzt (Drexl, 1998). Das amerikanische Verständnis erscheint dagegen als eindeutig freiheitsfreundlicher. Dazu passt auch die Ideologie des „Solutionismus“ des Silicon Valley (Dörr & Kowalski, 2022), jener Idee, dass gesellschaftliche Probleme allein durch Technologie gelöst werden können und demnach keiner Institutionen oder Politiken bedürfen. Eine Technologie-Regulierung ist dann allein ein zu überwindendes Hindernis, das bestenfalls aus dem Weg geräumt wird – es ist diese Mentalität, die gegenwärtig Eingang in die amerikanische Politik findet.

Freilich weist die kalifornische Argumentation von Musk und Zuckerberg eine offene normative Flanke auf, da auch auf den Plattformen nur eine vermeintliche Abwesenheit von Macht herrscht: Denn Algorithmen entscheiden wesentlich mit, welche Beiträge in welche Newsfeeds gespielt werden und welche Verbreitung sie finden. Der Kommunikationsraum ist also keinesfalls so herrschaftsfrei wie postuliert, letztlich wird auch so in die freie Meinungsäußerung eingegriffen (Pirang, 2024; Habermas, 2022). Das kalifornische Freiheitsverständnis bleibt in seiner Umsetzung wie in seinem Ansatz defizitär, da es die Freiheitsgefährdung durch fremde grenzenlose Freiheit nicht berücksichtigt. Es fällt damit hinter die Erkenntnis Kants zurück, der gerade in der Einsicht in die Notwendigkeit der Beschränkung der Freiheit aus Freiheit – ihrer Rahmung durch allgemeine Gesetze – die Bedingung ihrer Möglichkeit erkannte (Kant, 1797/2014). Somit ist die dialektische Pointe des europäischen Ansatzes im Ergebnis freiheitsgerechter und erscheinen die kalifornischen, libertären Einwürfe als – zumindest zum Teil – bloßes rhetorisches Mittel zur ideologischen Verschleierung einer interessengetriebenen Deregulierungsagenda (Dörr & Kowalski, 2022; Runciman, 2021).

Dagegen fordert die Ordnungspolitik der Freiburger Schule – auch in der Tradition der Freiheitsphilosophie Kants – einen durch den Staat geschaffenen Ordnungsrahmen sowohl für den ökonomischen Wettbewerb als auch für die Freiheit der Bürger auf dem Markt (Eucken, 1952/2004). Für die digitale Medienwelt heißt das: erstens die Schaffung einer Rahmengesetzgebung, die für Wettbewerb sorgt und dadurch – zweitens – Meinungspluralismus gewährleistet, indem der Wettbewerb als „Entmachtungsinstrument“ Interessenverquickungen und Machtkonzentrationen bekämpft. Auch der Staat selbst soll, drittens, keine übergroße unkontrollierte Medienmacht ausüben, was für die Medienregulierung das Gebot der Staatsferne formuliert (Gersdorf, 2024). „Mehr Freiheit wagen“ ist also durchaus ein Slogan, der einem ordoliberalen, das heißt rechtsstaatlich orientierten, Ansatz in der Wirtschafts- wie der Medienpolitik gut zu Gesicht steht (Basedow, 2002; Dutta & Heinze, 2018).

Exzentrische Unternehmer als Preis der Innovation?

Zwar mag aus dieser normativen Sicht die kontinentaleuropäische Herangehensweise überlegen sein, sie könnte allerdings auch ihren faktischen Preis haben – nämlich dann, wenn der Ordnungsrahmen „zu eng“ wird und Innovationen durch Überregulierung erstickt. In diesem Zusammenhang lässt sich fragen, inwiefern beispielsweise die deutsche Gesellschaft einen Unternehmertyp wie Musk überhaupt hervorbringen oder ihm zur vollen Entfaltung Raum bieten würde: Können unsere Bildungssysteme und unsere politische Ordnung eine solche Persönlichkeit, ein solches Denken befördern und tolerieren? Gibt es einen Kapitalmarkt, der jemandem wie ihm ausreichend Geld geben würde? Gibt es schließlich auch die nötige gesellschaftliche Akzeptanz des entsprechenden Erfolges?

Elon Musk, der einst die Demokraten Barack Obama, Hillary Clinton und noch 2020 Joe Biden unterstützte, ist schwer zu fassen. Nachdem er zum Fürsprecher Trumps wurde, wurden Boykottaufrufe gegen Tesla laut, Unternehmen zogen sich von der Plattform X als Werbekunden, aber auch als Nutzer ebenso zurück wie zahlreiche Wissenschaftsorganisationen. Timothy Snyder sprach angesichts des von Musk in der zweiten Trump-Regierung geleiteten neuen Department of Government Effi­ciency („DOGE“) schlicht und plastisch von einem Coup (Synder, 2025), andere von einem „Krieg gegen den Verwaltungsstaat“ (Coen, 2025). Dies erinnert zweifelsohne an die Medienstrategie, die der rechtsintellektuelle Vordenker der ersten Trump-Regierung Steve Bannon empfahl: „Flood the zone with shit“ als Strategie der Überwältigung, die nun auch als Missachtung der Rechtsordnung beim Schleifen der verfassungsrechtlichen Institutionen und der Ausweitung der Kompetenzen der Regierung deutlich zur Anwendung kommt. Letztlich geht es dabei um einen Kampf gegen Vernunft und Expertise, gerade in der öffentlichen Verwaltung (Nichols, 2025). Musk erscheint hier als willfähriger Vollstrecker der Unvernunft.

Dabei geht seine Wandelbarkeit womöglich über bloßen Opportunismus hinaus, sondern kann als wirtschaftliche – und entsprechend zunächst moralfrei betrachtete – Methode gesehen werden, die ihre eigene ökonomische Vernunft zum Ausdruck bringt und gerade als solche mit der demokratischen Vernunft kollidiert (Volkmann, 2024). Mit seinem individuellen Antrieb zu riskanten, oft im Alleingang getroffenen Entscheidungen findet der Exzentriker Musk in der Wirtschaftsgeschichte prominente Vorläufer: Henry Ford, der das Automobil durch die Revolutionierung der industriellen Fertigung für die breite Masse erschwinglich machte – aber auch durch seinen Antisemitismus auffiel (Eifert, 2009). Oder John D. Rockefeller, der die Ölindustrie entwickelte und als Philanthrop wirkte, aber wegen seiner Monopol-Praktiken als „Räuberbaron“ galt. Mit Blick auf die Medienmacht zeigen sich Parallelen zum Medien-Tycoon William Randolph Hearst, dem „Citizen Kane“ von Orson Welles (Procter, 1998; Procter, 2007). In der Kritik an Musk werden jedenfalls seine Leistungen oft ausgeklammert: ein Durchbruch bei der Serienfertigung von Elektro-Autos, massive Kostensenkungen der privaten Raumfahrt durch wiederverwertbare Transportraketen oder globale Kommunikationsmöglichkeiten durch Starlink (Isaacson, 2023). Angesichts der Erfolge verwundert dann auch die Erhöhung der eigenen Person kaum, selbst das Bedienen am herrschaftsästhetischen Repertoire des römischen Kaisertums nicht, wenn Elon Musk in Rom posiert oder Mark Zuckerberg seine Frisur an antiken Vorbildern ebenso ausrichtet wie sein T-Shirt: „Aut Zuck, aut nihil“ – entweder Zuckerberg oder nichts (Maak, 2025; Krüger, 2025). Hier schließt sich der Kreis des analytischen Vokabulars der Oligarchie, der Diktatur und des „Cäsarismus“ (Loxen, 2025).

Mehr Kalifornien wagen? Ein Plädoyer für mehr Selbstvertrauen

Unternehmer wie Musk und Zuckerberg generieren Innovationen, die eine Volkswirtschaft voranbringen und den gesellschaftlichen Fortschritt befördern können – verkürzt gesagt: ohne das Silicon Valley kein Internet (O’Mara, 2019). Ausgerechnet der Egomane Donald Trump formulierte ein solches Anerkenntnis der Person Musk: „Er ist ein besonderer Typ, ein Supergenie. Wir müssen unsere Genies schützen, wir haben nicht viele von ihnen“ (Trump, 2024). In Würdigung dieser Erfolge erscheint die europäische Aufregung selbst als eine teilweise ideologische Verblendung – ein Tesla ist kein schlechteres Auto, nur weil Musk Wahlkampf für Trump macht.

Aber ist dieser Erfolg ohne die damit verbundenen Probleme zu haben? Konkret formuliert: Wie findet Europa ein Gleichgewicht zwischen exzentrischer und disruptiver Innovationskultur einerseits, normativer Wertefundierung und deren regulatorischem Schutz andererseits? Europa, besonders Deutschland, sollte zunächst nicht in das übliche Panikmuster verfallen und weiter vorwiegend zum manchmal allzu groben und kleinmütigen regulatorischen Besteck greifen. Forderungen nach massiver Regulierung sozialer Medien illustrieren den üblichen Reflex der reinen Reaktion, lösen aber das grundlegende Problem nicht. Die EU setzt grundsätzlich zu stark auf eine präventive Regulierung, die Innovationen erst gar nicht entstehen lässt, weil man deren Gefahren als gravierender einschätzt als ihren Beitrag für die Gesellschaft. Vor allem sollte sich die erhitzte öffentliche Meinung vergegenwärtigen (über die inzwischen deutliche Erkenntnis hinaus, dass ihre Erhitzung gerade von den libertären Disruptoren gewünscht und programmiert ist): Während in den USA ein „Neo-Luddismus“ (eine Konzentration der Verfügungsgewalt über Technologien) durchaus real sein könnte, muss Europa keine Angst vor solchen Verhältnissen haben (Dörr & Küsters, 2024). Denn durch das System der Gewaltenteilung in Kombination mit einem starken Wettbewerbsrecht besteht wenig Grund zu der Annahme, dass eine Verquickung ökonomischer und gesellschaftlicher Macht zu amerikanischen Verhältnissen führt (Rennert, 2024).

Die zentrale Baustelle liegt indes im Innovationsbereich. Europas Problem ist seine fehlende Wettbewerbsfähigkeit, wie jüngst die Letta- und Draghi-Berichte analysiert haben. Auch die Macht der amerikanischen Medienplattformen ist nicht zuletzt dadurch entstanden, dass Europa selbst keine eigenen Angebote zustande gebracht hat. Innovation entsteht am Markt durch Wettbewerb – und dieser erfordert eine Rahmenordnung, die ihn ermöglicht und befördert. Es braucht Freiheitsgrade, die einen unternehmerischen Geist des Optimismus wecken. Dies ist ein Kernelement des Gedankens der Sozialen Marktwirtschaft: Ein rechtlich gesicherter Wettbewerb setzt gerade diejenigen Freiheitspotenziale frei, die Menschen erlauben, ins Risiko zu gehen im Vertrauen auf eine faire, gleich­heits­ge­rechte Ordnung, die auch durchgesetzt wird, aber atmend und responsiv ist. Dieses demokratische und wirtschaftspolitische Betriebssystem gilt es zu updaten, zu sichern und zu stärken.

Was bedeutet das für die europäische Ebene? Die EU muss insbesondere den digitalen Binnenmarkt und die Kapitalmarktunion vollenden, die mit ihren 450 Mio. Einwohnern ein enormer Impuls für europäische Start-Ups wären. So könnte auch global einerseits Risikokapital eingeworben und andererseits Einfluss zur Etablierung von Standards ausgeübt werden. Der große, aber diffuse Begriff einer „digitalen Souveränität“ der EU, wie ihn vor allem Emmanuel Macron propagiert (Jung, 2024), läuft dagegen vorwiegend auf industriepolitische Maßnahmen zu und verfehlt Gedanken sowie Kraft des Wettbewerbs. Innovationsförderung besteht nicht in Dirigismus und staatlicher Industriepolitik. Freilich: Zur Schaffung eines Ordnungsrahmens gehört auch eine – behutsame – Regulierung sozialer Medien, vor allem aber die Vermittlung von Medienkompetenz nach dem Leitbild des mündigen Bürgers.

Europa sollte sich dabei mehr zutrauen. Die Kraft seiner moderierenden Institutionen lässt durchaus einen exzentrischen Unternehmergeist wie Elon Musk zu, wenn auch der Mut zur Formung der Institutionen selbst aufgebracht wird. Diese zu verteidigen und zu stärken bedeutet, sie reflektiert den gewandelten Bedingungen des 21. Jahrhunderts, der Digitalisierung und der Infragestellung der regelbasierten internationalen Ordnung anzupassen. Wo gilt es, adaptiv und flexibel mehr wirtschaftliche, auch politische Freiheit(en) etwa im Meinungsspektrum zuzulassen, wo hingegen rigide auf der Einhaltung von Grundwerten zu beharren und deren Schutz zu stärken? Dies kann in einer Demokratie nur das Produkt eines offenen Diskurses sein, womit der Medienlandschaft wegen ihrer Bedeutung für die Freiheit der Meinungsäußerung nach wie vor die ihr vom Bundesverfassungsgericht seit jeher zugeschriebene „schlechthin konstituierende“ Bedeutung für die freiheitliche Demokratie zukommt (BVerfG, 1958; Kowalski, 2018; Klausa, 2025). So droht auch keine Oligarchie, wenn wir europäische Verzagtheit vermeiden und uns auf das demokratische Menschenbild besinnen: „Der Citoyen ist optimistisch, weil er die Freiheit beansprucht, die Welt zu gestalten. Optimismus ist Bürgerpflicht!“ (Di Fabio, 2025).

Literatur

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Title:Freedom First? The Consequences of Different Understandings of Freedom on the Innovation Culture in the USA and Europe

Abstract:Since Donald Trump’s election at the latest, the (American) media landscape and, with it, democratic media regulation have been facing serious challenges: With the heads of “BigTech” from Silicon Valley, who not only control central media platforms but also increasingly seek political proximity, the danger of a new oligarchy is growing. The simultaneity of economic power, political access to government and access to public opinion has a special quality – and could create devastating interdependencies. While the (European) debates to date have been characterized by moral outrage and helplessness, this article attempts to objectify the analysis by uncovering the intellectual roots of the Californian understanding of freedom, tracing the thought logic of the main protagonists Elon Musk and Mark Zuckerberg and ultimately deriving recommendations for action for Europe.

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© Der/die Autor:in 2025

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DOI: 10.2478/wd-2025-0047