Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

Seit seinem Amtsantritt hält Trump die Welt mit einer Rekordzahl von Dekreten und Ankündigungen in Atem. Trumps Aussagen und Entscheidungen in zentralen außenpolitischen Fragen bestätigen schon nach kurzer Zeit die größten Befürchtungen der US-Verbündeten. Bedurfte es für Europa zur Unzuverlässigkeit der Trump-Regierung noch eines Belegs, so hat ihn sein Vizepräsident Vance mit der Rede bei der Münchener Sicherheitskonferenz geliefert, in der er die Wertepartnerschaft mit Europa aufkündigte. Einen weiteren Beweis lieferten Trump und Vance als sie den ukrainischen Präsidenten Selenski vor laufenden Kameras abfertigten. Unklar ist bei Trumps bisherigem Vorgehen vor allem, inwiefern einzelne Maßnahmen einer strategischen Planung entspringen oder doch nur als punktuelle Machtdemons­tration zu verstehen sind.

Sicher scheint hingegen: Die zweite Trump-Administration wird sich allein deshalb deutlich von der ersten unterscheiden, weil sich seitdem die politische Lage in den USA entscheidend verändert hat. Erstens sind die Checks and Balances deutlich geschwächt. Trump verfügt – zumindest bis zu den Zwischenwahlen in zwei Jahren – über Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses, fühlt sich durch das Gewinnen des Popular Vote gestärkt, weiß um den republikanisch dominierten Supreme Court und verfügt mit seinem Einfluss auf soziale und rechtspopulistische Medien über die Möglichkeit, kritische Berichterstattung zu entkräften. Zweitens wurden in den Spitzenpositionen seiner Administration die sogenannten Erwachsenen, die in der ersten Administration radikale Politikansätze erfolgreich eindämmen konnten, durch Loyalisten ersetzt, die sich drittens auf Gefolgsleute mit Regierungserfahrung stützen können. Schließlich kann er diesmal mit der Gefolgschaft und sogar Unterstützung der US-Tech-Milliardäre rechnen, die ihn vormals mehrheitlich geschnitten haben. Schon nach wenigen Wochen zeichnen sich politische Weichenstellungen ab, die sich mit Empfehlungen des „Mandate for Leadership“ decken, dem Strategiedokument des „Project 2025“ der rechtskonservativen Heritage Foundation.

Unmittelbar sind die Belastungen des transatlantischen Verhältnisses bereits in zwei wichtigen Politikbereichen absehbar: Sicherheit und Wirtschaft. Im Hinblick auf die aktuell zentrale Herausforderung für die europäische Sicherheit, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, wächst unter den Europäern inzwischen der Zweifel daran, dass sich in der Trump-Administration die Falken durchsetzen und Trump doch noch von (zu) weit gehenden Zugeständnissen an Putin abbringen könnten. Die Sorgen der Europäer in Bezug auf ihre eigene Sicherheit gehen jedoch noch viel weiter: Trump könne sich aus Europa militärisch weitgehend zurückziehen, die Bindungswirkung von Artikel 5 des Nato-Vertrags in Frage stellen und damit die Glaubwürdigkeit der nuklearen Abschreckung grundlegend erschüttern. Angesichts von Trumps anhaltenden Drohungen wächst die Sorge, dass ein amerikanischer Rückzug aus Europa binnen weniger Jahre einer politischen Hegemonie des Putinschen Russlands über Europa den Weg bereiten könnte.

Weitere Sorgen bereitet den Europäern die Wirtschaft. Erneut zeichnet sich ab, dass Zölle für Trump ein zentrales Instrument nicht nur zur Gestaltung wirtschaftlicher Beziehungen, sondern auch zur Durchsetzung von Agendapunkten in mindestens drei weiteren Bereichen sind: zur Erschließung von Einnahmequellen, die das amerikanische Haushaltsdefizit reduzieren, zur Korrektur der von ihm als ungerecht empfundenen, weil defizitären Handelsbilanzen und zum Einsatz als Verhandlungshebel, um andere wirtschaftliche oder außenpolitische Ziele zu erreichen. Während die EU durchaus Mittel hat, um sich gegen wirtschaftlichen Druck der USA zu wehren und auch attraktive wirtschaftliche Angebote machen kann, um diesen zu mindern (u. a. vermehrte LNG-Importe aus den USA und Rüstungskäufe), ist die transaktionale Verbindung der beiden Politikfelder Sicherheit und Wirtschaft eine sehr große Gefahr – vor allem weil es Trump so gelingen könnte, Europa zu spalten und eine einheitliche Antwort gegen seine Zwangsmaßnahmen zu verhindern.

Die Studie der SWP „Trumps Rückkehr und Europas außenpolitische Herausforderungen“ nimmt diese und weitere zentrale Risiken in den Blick: Klima und Migration, China und indopazifischer Raum, Kooperation der EU mit Großbritannien und Entwicklungen im Mittleren Osten. Das Fazit aus all diesen Analysen kann sicherlich nicht überraschen: Für Europa übersteigen die Risiken der zweiten Trump-Administration die Chancen bei weitem. Die vielleicht größte Chance, die aus einer Trump-II-Administration für Europa resultiert, ist allerdings die Einsicht in die Notwendigkeit, unabhängiger und damit außenpolitisch eigenständig zu werden. Und massiv in die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Verteidigungsfähigkeit zu investieren.

Beitrag als PDF

© Der/die Autor:in 2025

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2025-0038