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Dieser Beitrag ist Teil von Die ökonomischen Bedingungen einer neuen Sicherheitsarchitektur für Deutschland und Europa

Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat sich die Sicherheitslage in Europa dramatisch verändert. Seither finden Debatten um Verteidigungsfragen deutlich öffentlicher statt. Der Bundeskanzler konstatierte am 27. Februar 2022 in seiner Regierungserklärung eine „Zeitenwende“ und kündigte darin ein Sondervermögen für die Bundeswehr im Ausmaß von 100 Mrd. Euro zur Steigerung der Einsatzfähigkeit an (Bundesregierung, 2022). Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, spricht seit Februar 2024 öffentlich von „Kriegstüchtigkeit“, wenn es um das Leistungsspektrum der Bundeswehr geht (Deutschlandfunk, 2024). Die neue Situation lässt sich wie folgt zusammenfassen: In der Bundesrepublik steht seit dem russischen Angriff auf die Ukraine mehr oder weniger fest, dass die Verteidigungspolitik unseres Landes in der Vergangenheit alles andere als nachhaltig erfolgte. Was eine nachhaltige Verteidigungsfähigkeit genau ist und wie sie erreicht werden könnte, wird mit den hier folgenden Überlegungen dargelegt.

Grundsätze der Nachhaltigkeit

Der Nachhaltigkeitsbegriff kann ursprünglich im Bereich der Forstwirtschaft (von Carlowitz, 2009 [1732]) verortet werden; „Nachhaltigkeit“ bezeichnet demnach die Bedingungen, die gegeben sein müssen, damit sich ein Ökosystem im Laufe der Zeit selbst erhält (Holden et al., 2014). Konkret fordert von Carlowitz Folgendes: Die nachhaltige Bewirtschaftung eines Waldes gelingt, wenn man „von den Zinsen lebt“, wenn also in einer Periode nur die Menge an Holz daraus entnommen wird, die auch nachwächst. Diese „einfache“ Regel kann für erneuerbare Ressourcen angewendet werden, bei erschöpfbaren ergeben sich jedoch nur eingeschränkt sinnvolle politische Handlungsmaximen: Erschöpfbare Ressourcen nicht zu nutzen, impliziert regelmäßig extrem hohe Opportunitätskosten, deren Verbrauch jedoch ebenfalls. Bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit in der Bundeswehr steht regelmäßig die Bewirtschaftung erneuerbarer und erschöpfbarer Ressourcen an; dies verlangt ein stetes Abwägen der jeweiligen Verbräuche, um nachhaltig verteidigungsfähig zu sein oder zu werden.

In Abhängigkeit der Perspektive und der Schwerpunkte wurden in der jüngeren Vergangenheit verschiedene Nachhaltigkeitskonzepte verwendet (Kropp, 2019). Das Drei-Säulen-Modell beinhaltet die ökologische, ökonomische sowie soziale Dimension entsprechend dem Nachhaltigkeitsverständnis der UN. Ein System entwickelt sich nachhaltig, wenn es zugleich soziale, ökonomische und ökologische Aspekte berücksichtigt. Neben dem Prüf- und Abwägungskriterium, das darauf abstellt, ob einzelne Maßnahmen im Sinne des Drei-Säulen-Modells nachhaltig sind, verlangt Nachhaltigkeit zusätzlich, eine Interessenabwägung zwischen heute und zukünftig lebenden Menschen vorzunehmen. Dies betont die Definition von nachhaltiger Entwicklung aus dem Brundtland-Bericht: „development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs“ (World Commission on Environment and Development, 1987, S. 54). Und schließlich stellt die neuere Debatte um Nachhaltigkeit auch auf die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) der UN ab – eine Variante des Drei-Säulen-Modells, die die Abwägungsnotwendigkeiten einer nachhaltigen Entwicklung nochmals besonders betont, dabei aber zugleich erhebliche politische Umsetzungsprobleme generiert.

Wir rücken im Folgenden das Drei-Säulen-Modell in den Mittelpunkt unserer verteidigungspolitischen Diskussion. Im Hinblick auf die operative Einsatzfähigkeit beschreibt Nachhaltigkeit eine möglichst lange nutzenmaximale Nutzung eines Systems. Dabei wird von einem breiten Systemverständnis ausgegangen, d. h. von einem Waffensystem (z. B. Kampfpanzer Leopard) bis hin zu einem Beschaffungs- oder Personalmanagementsystem. Auch die gesamte Bundeswehr kann mit Hilfe dieses Konzeptes zum Gegenstand des Interesses werden.

Ein besonderes Beispiel nicht-nachhaltiger Entwicklungen stellt der internationale Klimawandel dar. Im Global Risk Report 2024 wird der Klimawandel als eine der größten Herausforderungen bezeichnet, vor denen die Menschheit heute steht (World Economic Forum, 2024). Seit dem Rahmenübereinkommen der UN über Klimaänderungen (UNFCCC, 1992) ist dieses Thema als globale Priorität anerkannt und wurde durch wichtige Vereinbarungen wie das Pariser Klimaabkommen (UN, 2015a) und die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung angegangen. Letztere wurde in New York verabschiedet und umfasst die 17 SDGs (UN, 2015b).

Das ökologische Subsystem wird zunehmend zum Engpassfaktor, der von den beiden anderen Subsystemen Ökonomie und Soziales kompensiert werden muss. Die aus dem Klimawandel resultierenden sowie sich verstärkenden (Ressourcen-)Konflikte und damit verbundenen Sicherheitsrisiken wurden bereits in diversen Studien untersucht (Scheffran, 2015; Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung, 2007). Dabei zeigt sich die zunehmende Fragilität nationaler und regionaler Sicherheitsstrukturen in der wachsenden Zahl an wissenschaftlichen Studien, die einen Zusammenhang zwischen globalem Klimawandel und Sicherheitsbedrohungen herstellen (Burnett & Mach, 2021). Neben diesem Zusammenhang konnten mehrere Studien aufzeigen, dass der Klimawandel erhebliche Auswirkungen auf militärische Strategien und Operationen hat (Briggs, 2012; O‘Lear et al., 2013; Smith, 2011; Bayer & Struck, 2021). Dazu identifizierte Melton (2018) zwei wesentliche Herausforderungen: 1) eine direkte Bedrohung für die militärische Bereitschaft, Kapazität und Infrastruktur und 2) eine indirekte Auswirkung geopolitischer und weltwirtschaftlicher Risiken, die sich auf Operationen, das Einsatzumfeld und die Rolle des Militärs auswirken können. Daher befassen sich die Streitkräfte verschiedener Länder in ihren nationalen Strategien mit dem Klimawandel und seinen Sicherheits- und verteidigungspolitischen Auswirkungen, insbesondere die USA (US Department of the Navy, 2020; US DoD, 2021; US DoD, 2024; US Army, 2022; US Air Force, 2022) und Großbritannien (UK MoD, 2015).

Dieser Beitrag betrachtet im Schwerpunkt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (GB BMVg). Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der aktuellen relevanten Literatur zum Themenbereich „Nachhaltigkeit und Streitkräfte“ wird analysiert, welche Hindernisse bezüglich der Umsetzung von Nachhaltigkeit in Streitkräften existieren und welche potenziellen Lösungsvorschläge dafür vorliegen. Zudem wird auf die zukünftig relevanten Nachhaltigkeitsthemen für Streitkräfte eingegangen.

Nachhaltigkeitskonzepte im GB BMVg

Das BMVg richtet seine Aktivitäten, inklusive seiner Verwaltungspraxis, auf der Grundlage der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (Bundesregierung, 2021) an einer nachhaltigen Entwicklung aus. Für die Bearbeitung des Themenkomplexes Nachhaltigkeit wurde ein Governance-Modell entwickelt (BMVg, 2023a). Die relevanten Rollen bzw. Stellen im GB BMVg sind in der folgenden Abbildung 1 enthalten: Zu den relevanten konzeptionellen Dokumenten auf nationaler Ebene gehören folgende:

  • Nachhaltigkeits- und Klimaschutzstrategie BMVg (BMVg, 2023a),
  • Strategie zur Verteidigung und Klimawandel (BMVg, 2024a) und
  • Nachhaltigkeitsbericht BMVg und Bundeswehr (BMVg, 2024b).
Abbildung 1
Governance-Modell BMVg
Governance-Modell BMVg

Quelle: BMVg (2023a, S. 100).

Neben diesen existieren weitere zu berücksichtigende aktuelle sicherheits- und verteidigungspolitische Grundlagendokumente, darunter Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr (Bundesregierung, 2016), Konzeption der Bundeswehr (BMVg, 2018), Eckpunkte für die Bundeswehr der Zukunft (BMVg, 2021), Nationale Sicherheitsstrategie (Bundesregierung, 2023) und Verteidigungspolitische Richtlinien (BMVg, 2023b). Demnach kann davon ausgegangen werden, dass Nachhaltigkeit grundsätzlich als strategisch relevantes Thema angesehen wird, aber in der Umsetzung und Adressierung des Problems im GB BMVg eher zögerlich behandelt wird.

Die Förderung des Nachhaltigkeitsbewusstseins in den Streitkräften scheint von einem starken regulatorischen Umfeld, einem hohen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und mittleren bis niedrigen Militärausgaben abhängig zu sein (Atlason & Gerstlberger, 2017). Zwar erfüllt Deutschland die genannten Faktoren, ist aber keine führende militärische CSR-Nation (Atlason & Gerstlberger, 2017). Wie bereits angedeutet, ist eher eine Zurückhaltung politischer oder militärischer Entscheidungsträger wahrzunehmen. Dies könnte auf unterschiedliche Ursachen zurückgeführt werden, unter anderem negative Berichterstattung zur teils eingeschränkten Einsatzfähigkeit der Bundeswehr (Szymanski, 2022; Seliger, 2023), eine sich verschlechternde globale Sicherheitslage (Borger, 2024) und die Fokussierung auf die Kernaufgaben der Bundeswehr, die aus dem verfassungsrechtlichen Auftrag und den strategischen Prioritäten der Integrierten Verteidigungspolitik abgeleitet werden können (BMVg, 2023b).

Bemerkenswert an den drei genannten Grundsatzpapieren des BMVg ist der offensichtliche Widerspruch in den jeweiligen Zielsetzungen der einzelnen Strategien bzw. Berichte, inklusive der jeweiligen Vorwörter des Bundesministers der Verteidigung, verlangen sie doch die Konzentration auf die Einsatzfähigkeit, die durch eine Berücksichtigung von Nachhaltigkeit nicht in Frage gestellt werden dürfe. Zugespitzt formuliert heißt das, dass das strategische Ziel einer „einsatzfähigen Bundeswehr“ durch die zu starke Betonung insbesondere des ökologischen Subsystems im Drei-Säulen-Modell nicht in Frage gestellt werden solle. Leider rücken alle drei Papiere, besonders aber die im zweijährigen Rhythmus erscheinenden Nachhaltigkeitsberichte, gerade den ökologischen Faktor in den Mittelpunkt – so bleibt z. B. der Beitrag von Dienstfahrrädern für die Einsatzfähigkeit einer zukünftigen Bundeswehr unbeantwortet (BMVg, 2022). Inwieweit die dafür vom BMVg verausgabten Ressourcen nachhaltig die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr steigern, wird der Interpretation des Lesers überlassen.

Nachhaltigkeit als zentrale Bedingung für die operative Einsatzfähigkeit der Bundeswehr

Streitkräfte gehören unabhängig der Involvierung in Konflikte (Jorgenson et al., 2010) zu den größten CO2-Emittenten (Rajaeifar et al., 2022; Tavares da Costa et al., 2023; McFarlane & Volcovici, 2023; Parkinson, 2023), insbesondere die Streitkräfte der USA (McCarthy, 2019). Dennoch können sie aufgrund ihres Potenzials in den Bereichen Forschung und Entwicklung (z. B. zu erneuerbaren Energiequellen) von Bedeutung sein (Sravan & Mishra, 2023), wie das Beispiel der US-Navy zeigt (Bigger & Neimark, 2017). Aus historischer Sicht haben die Streitkräfte eine große Rolle bei der Entwicklung technologischer Innovationen gespielt, besonders im Energiesektor (Ahmad, 2024, S. 883). Daher kommt den Streitkräften, unter Berücksichtigung der international vereinbarten Nachhaltigkeitsziele (z. B. Agenda 2030 zur nachhaltigen Entwicklung), die Verantwortung zu, adäquate Maßnahmen zur Reduktion der Umweltverschmutzung und damit einen Beitrag zur Zielerreichung zu leisten, jedoch ohne Auswirkung auf die Sicherstellung der äußeren Sicherheit, die zu ihren Kernaufgaben gehört (Ramos & Joanaz De Melo, 2005).

Die Nachhaltige Entwicklung von Streitkräften bietet mittel- bis langfristig eine Vielzahl an Chancen in unterschiedlichen Bereichen, wie die Beispiele in den folgenden Ausführungen zeigen werden.

Energieautonomie

Die Verteidigungsindustrie gehört zu den größten Verbrauchern natürlicher Ressourcen, darunter Erdöl (Isiksal, 2020). Dies ergibt sich z. B. aus Kraftstoff für Waffensysteme, Elektrizität und Wasser für Infrastruktur im jeweiligen Land sowie im Ausland (z. B. im Rahmen von Einsätzen) (Efayena & Olele, 2024). Zudem hat sich der Energieverbrauch für militärische Operationen aufgrund der rasanten technischen Entwicklungen im Zeitverlauf erheblich erhöht (Saritas & Burmaoglu, 2016). Daraus ergibt sich eine Abhängigkeit, die mit erheblichen Risiken verbunden sein kann, wie die NATO-Mission in Afghanistan hinsichtlich der Versorgungswege zeigte (Samaras et al., 2019). Daher wären aus strategischer Sicht die Identifizierung sowie Evaluierung potenzieller nachhaltiger Energiequellen erforderlich, um eine Selbstversorgung mit Energie zu ermöglichen und damit einsatzfähig zu bleiben.

Folgende Fallbeispiele zeigen potenzielle Einsatzmöglichkeiten nachhaltiger Energiequellen:

  • Batterieelektrische oder wasserstoffbetriebene Brennstoffzellenäquivalente für Fahrzeuge zu Land, Luft und zur See (Katelenich & Jacobson, 2022),
  • Wasserstoffverbrennungsbasierte Antriebstechnologien für militärische Systeme (Struck, 2023),
  • Additive Fertigungstechnologie in militärischen oder humanitären Einsätzen zur Reduzierung des Energieverbrauchs (den Boer et al., 2020),
  • Windturbinen und Photovoltaikanlagen für militärische Infrastruktur zur Deckung des Energiebedarfs und Reduktion bzw. Vermeidung des Kohlenstoff-Fußabdrucks (Mori et al., 2023),
  • Photovoltaikanlagen für militärische Einrichtungen zur Kostenreduktion und Selbstversorgung (Suárez-García et al., 2017) und
  • Mikronetze mit nachhaltigen Energiequellen (Kashem et al., 2018).

Zur Energieautonomie gehört das vom National Renewable Energy Laboratory (NREL) entwickelte „Net zero energy concept“ für militärische Einrichtungen, das definiert wird als „[a] military installation that produces as much energy on-site from renewable energy generation or through the on-site use of renewable fuels, as it consumes in its buildings, facilities, and fleet vehicles“ (Booth et al., 2010, S. 1725). Zwar bietet das Konzept einen guten Analyserahmen, da es sich auf mehrere Aspekte bezieht. Dennoch ist es nicht sinnvoll, diesen als Standard für sämtliche militärische Einrichtungen einzusetzen, sondern eher fallbezogen zu nutzen (Anderson et al., 2011).

Energiemix

Nach einer Patentanalyse von Saritas und Burmaoglu (2016) ist ein Trend zu einem größeren Mix an Quellen für die Energieerzeugung identifizierbar. Dabei hat vor dem Hintergrund der Sicherstellung militärischer Operationen (z. B. aufgrund unsicherer Versorgungsketten) die Relevanz von erneuerbaren Energien zugenommen. Solar-, Wärme- und Windenergie sind die am häufigsten in Patenten erwähnten Technologien (Saritas & Burmaoglu, 2016). Zur Steigerung der Energieautonomie ist eine breite Diversifizierung in möglichst viele energetische Quellen (siehe obige Fallbeispiele) anzustreben, um Abhängigkeiten von einzelnen zu vermeiden.

Potenzielle Nachhaltigkeitsbremsen

Die Umsetzung adäquater Maßnahmen in den aufgeführten Themenbereichen fällt nicht leicht und wird durch nachfolgende Einflussfaktoren mindestens behindert:

Zusammenspiel zwischen Wirtschaft und Bundeswehr. Der umfassende Einsatz von nachhaltigen Energiequellen ist von der Bewältigung technologischer, wirtschaftlicher und infrastruktureller Herausforderungen abhängig (z. B. technische Evaluierung von nachhaltigen Kraftstoffen für Liegenschaften und Waffensysteme, Ausbau der Ladeinfrastruktur) (Soboń et al., 2021). Wirtschaftswachstum und eine Erhöhung von Verteidigungsausgaben kann nur unter einer Erhöhung der Mengen nachhaltiger Energien nicht zu Lasten der Umwelt erfolgen (Bildirici, 2018; Isiksal, 2020). Demnach besteht eine Zielkongruenz zwischen einer nachhaltigen Wirtschaft und einer nachhaltigen Streitkraft, sodass die Bundeswehr von einer nachhaltigen deutschen Wirtschaftsentwicklung abhängig ist.

Nachhaltiges Personalmanagement. Nachhaltigkeit wird im Personalmanagement als „the management of human resources to meet the optimal needs of the company and community of the present without compromising the ability to meet the needs of the future“ (Mariappanadar, 2003, S. 910) definiert und fokussiert sowohl soziale als auch ökonomische sowie ökologische Aspekte. Das BMVg bezieht sich für den Bereich Personal in seinen konzeptionellen Dokumenten auf Geschlechtergerechtigkeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf (Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen), Vielfalt (Diversity Management) und (nachhaltige) Arbeitszeitmodelle (BMVg, 2023a; BMVg, 2024b). Zur Sicherstellung der operativen Einsatzfähigkeit wären darüber hinaus die Gewinnung und Bindung von geeignetem Personal und der effektive sowie effiziente Einsatz von Personalressourcen in unterschiedlichen Szenarien, wie z. B. im Verteidigungsfall, zu berücksichtigen.

Bürokratie. Eine übermäßige Bürokratie wurde auch im GB BMVg als Hemmnis für die bereits eingeleiteten Wandlungsprozesse insbesondere im Rahmen der Neustrukturierung erkannt (von Bredow, 2015; Richter, 2012). Daher wurden unterschiedliche Programme und Projekte eingeleitet, darunter das Projekt „Modernes Management in der Bundesverwaltung und bei den Streitkräften“ oder das Programm „Entbürokratisierung nach innen“ (Schelleis, 2012). Die Bürokratie-Problematik kann sich auch auf für die Streitkräfte noch neuartige Themenbereiche wie die Konzeption und Umsetzung von Nachhaltigkeit auswirken. Daher hängen die zukünftigen Nachhaltigkeitsbemühungen von der weiteren Entbürokratisierung der Bundeswehr ab. Möglicherweise könnte man das Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz (BwBBG) (BMJ, 2022) als jüngsten Versuch einer Entbürokratisierung mindestens im Beschaffungsprozess der Bundeswehr interpretieren, dessen Wirksamkeit auf mehr Nachhaltigkeit in der Bundeswehr jedoch derzeit noch nicht abschließend bewertet werden kann. Eines muss stets mitbedacht werden: Das Anstreben bürokratischer Selbstverwirklichungsräume geht immer zu Lasten nachhaltiger Entwicklungen, und zwar regelmäßig zu Lasten ihrer sozialen, ökologischen und ökonomischen Dimension.

Fazit

Die Bundeswehr war nach der Wiedervereinigung Opfer politischer Verklärungen und, um die „Kriegstüchtigkeit“ der Bundeswehr aufzugreifen, nach Worten des Inspekteurs des Heeres, General Alfons Mais, zu Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine blank bzw. nicht einsatzfähig (Straub, 2022). Dieser Umstand soll sowohl mit der „Zeitenwende“ als auch brandaktuell durch weitgehende Ausnahmen von Verteidigungsausgaben aus der Schuldenbremse korrigiert werden – eine einsatzfähige Bundeswehr ist das Ziel vieler Einzelmaßnahmen. Damit dies auch nachhaltig gelingen kann, sollten die nachfolgenden vier Punkte dabei Berücksichtigung finden:

  1. Das dauerhafte Festhalten an einer fossilen Energieversorgung birgt erhebliche Gefahren für die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr und für Streitkräfte allgemein: Fossile Streitkräfte können in nicht-fossilen Gesellschaften kaum reibungslos funktionieren, weil sie von einer überwiegend zivilen Energieinfrastruktur abhängig sind. Das muss bei der Gestaltung einsatzfähiger zukünftiger Streitkräfte dringend Berücksichtigung finden.
  2. Das sofortige Umsteuern hin zu nicht-fossilen Streitkräften ist aus dem gleichen Punkt abzulehnen: Diese perpetuierte die derzeitige Nicht-Einsatzfähigkeit der Bundeswehr mangels hinreichend nutzbarer energetischer Ressourcen.
  3. Die zu bewirtschaftenden Produktionsfaktoren für die Produktion von Sicherheit sind entweder substituierbar oder komplementär. Nachhaltiges Ressourcenmanagement greift Engpässe auf und überwindet sie durch kluges Austauschen: Wenn in post-heroischen Gesellschaften etwa die Ressource Personal zunehmend knapper wird und der Klimawandel bestimmte energetische Ressourcen teurer oder unsicherer macht, bestünde eine nachhaltige Lösung darin, diejenigen Technologien stärker zu nutzen, die mit weniger Personal und fossilen Brennstoffen mindestens die gleiche Effektivität bei der Produktion von Sicherheit generieren. Batteriebetriebene Drohnen wären etwa eine solche Lösung.
  4. Bei der Forschung und Entwicklung dauerhaft einsatzfähiger Systeme kann die Bundeswehr sogar die Rolle eines Treibers für mehr nachhaltige Entwicklung einnehmen, um ihr Ziel der Steigerung der Einsatzfähigkeit zu erreichen. Mehr noch: Nachhaltige Streitkräfte könnten darüber hinaus auch die gesellschaftliche Transformation „en passant“ beschleunigen, wenn fossil-freie Technologien, die die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr steigern, von der Bundeswehr in größerem Umfang verlässlich nachgefragt würden. Damit entstünden in einer Art „dual-use“-Ansatz (oder gar multiple-use) auch Möglichkeiten einer vermehrten privaten Nachfrage nach solchen Produkten, weil auf Produktionsseite kritische Schwellen überwunden werden könnten. Nachhaltige Streitkräfte unterstützen damit eine gesellschaftliche Transformation in der Bundesrepublik und werden einsatzfähiger.

Den Autoren dieses Beitrags ist allerdings bewusst, dass trotz der zunehmenden Bedeutung erneuerbarer Energien diese derzeit weit davon entfernt sind, Waffensysteme mit hohem Energiebedarf zu betreiben (Saritas & Burmaoglu, 2017). Die entscheidenden Faktoren für die Betrachtung nachhaltiger Energiequellen sind dabei unter anderem Energiedichte, Herstellung und Lagerung. Es wird dennoch davon ausgegangen, dass durch Energieinnovationen in den folgenden Jahrzehnten Verbesserungen herbeigeführt werden könnten. Dafür wäre es hilfreich, wenn die Chancen, die sowohl für den zivilen als auch für den Verteidigungssektor bestehen, durch Technologie-Spillover genutzt werden würden und sich eine enge Zusammenarbeit in beide Richtungen etablieren könnte (Samaras et al., 2019). Darauf basierend kann eine Ausrichtung der militärischen Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen auf saubere Energietechnologien empfohlen werden, da diese den Übergang zu erneuerbaren Energiequellen beschleunigen und damit einen Beitrag zu den globalen Dekarboniserungsanstrengungen leisten könnte (Ahmad, 2024). Neben alternativen Energiequellen ist auch die Art und Weise der Kriegsführung neu zu bewerten (Closson, 2013). Dies kann sich z. B. auf die effiziente Nutzung von vorhandenen Ressourcen beziehen, um unter möglichst niedrigem Verbrauch die gesetzten Ziele zu erreichen.

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Title: Sustainability as a Prerequisite for the Bundeswehr’s Operational Capability

Abstract: The design of an operationally and militarily prepared Bundeswehr of the future requires the consideration of multiple facets. Its operation requires reliable access to economic resources (labour, capital, land) and their efficient management. This completely addresses the contradiction between sustainability and operational capability that is put forward by apparent opponents of a “sustainable defence” approach. An operationally capable Bundeswehr requires the consideration of central aspects of sustain¬able management in order to be able to act effectively now and in the future.

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DOI: 10.2478/wd-2025-0068

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