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Das Förderinstrument Klimaschutzverträge (KSV) soll die Dekarbonisierung der Industrie vorantreiben, indem es die Mehrkosten ausgleicht, die Unternehmen emissionsintensiver Branchen bei Umstellung auf klimafreundlichere Technologien und Anlagen entstehen. Ergebnisse eines transdisziplinären Forschungsprojekts zeigen allerdings wesentliche Hemmnisse und verdeutlichen neuralgische Punkte, wie z. B. komplexe Antragsverfahren, unklare Begriffsdefinitionen und Risikoteilung. Es werden Optionen aufgezeigt, die Attraktivität von KSV zu steigern, darunter die Zentralisierung von Informationsquellen sowie die Bereitstellung anwenderfreundlicher Plattformen und Kommunikationsformate.

Die letzte Bundesregierung formulierte im Rahmen des Klimaschutzprogramms Zielvorgaben für die Dekarbonisierung der Industrie (Bundesregierung, 2023, S. 9-12). Insbesondere Unternehmen emissionsintensiver Branchen stehen damit vor der Herausforderung, die Emissionen in ihren Fertigungsanlagen zu reduzieren. Die aktuellen Markt- und Standortbedingungen Deutschlands, inklusive signifikanter Energiekostennachteile (BCG et al., 2024, S. 7), setzen keine ausreichenden Anreize, fossil-basierte Produktionsverfahren unter hohem finanziellem Aufwand auf emissionsärmere Alternativen umzustellen. Auch regulatorische Rahmenbedingungen wie das EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) und das CO₂-Grenzausgleichssystem (CBAM) sowie die Pläne zum Ausbau von erneuerbaren Energien und Versorgungsinfrastruktur versprechen der Industrie derzeit nicht genügend Sicherheit, dass sich Investitionen in klimafreundliche Produktionsanlagen rentieren werden. Dem soll mit dem neuartigen Förderinstrument Klimaschutzverträge (KSV) entgegengewirkt werden.

Als neuartiges Förderinstrument sind Klimaschutzverträge noch wenig erprobt. Sie heben sich hinsichtlich Struktur und Ausgestaltung zudem von anderen Förderprogrammen deutlich ab, weshalb weder Zuwendungsgeber noch potenzielle industrielle Zuwendungsempfänger auf Erfahrungswerte zurückgreifen können. Angesichts des großen Potenzials und der derzeitigen Entwicklungsphase von KSV widmet sich das Forschungsprojekt „Regulatorische Optionen für eine Wasserstofftransformation in der Chemieindustrie“ (ROWaCh) dem Förderinstrument mit der Frage, wie dieses zukünftig effektiver und praktikabler auszugestalten wäre. Dieser Beitrag fasst die Ergebnisse des Forschungsvorhabens zusammen, während das demnächst erscheinende Policy-Paper „Klimaschutzverträge: Hoffnungsträger für die Dekarbonisierung der Industrie?” eine vertiefende Darstellung bietet.

Das Förderinstrument „Klimaschutzverträge“

Klimaschutzverträge verfolgen das Ziel, möglichst rasch und in signifikantem Umfang Investitionen anzustoßen, die dazu beitragen, die Klimaneutralität 2045 kosteneffizient zu erreichen (BMWK, 2024a, 3.2). KSV sollen die Mehrkosten von Unternehmen emissionsintensiver Branchen ausgleichen, die diesen aus Investitionen in klimafreundlichere Anlagen (CAPEX) sowie dem Betrieb dieser Anlagen (OPEX) entstehen. Die Förderung wird mittels eines Gebotsverfahrens an die Unternehmen vergeben, welche am kostengünstigsten Treibhausgasemissionen in ihren Anlagen einsparen können. Unternehmen geben ein Gebot ab: Darin veranschlagt ein Antragsteller die Mehrkosten, die diesem durch die Produktion eines Referenzprodukts mit der neuartigen Anlage gegenüber der Herstellung des gleichen Produkts mit der konventionellen Anlage für jede Tonne vermiedener Treibhausgasemissionen entstehen (BMWK, 2024a, 7.1 (a) (i)). Daraus ergibt sich der Gebotspreis; im Falle des Zuschlags ist dies der Basis-Vertragspreis.1

Geförderte Unternehmen gehen mit KSV eine langfristige vertragliche Bindung von 15 Jahren ein (BMWK, 2024a, 4.2). Die jährliche Fördersumme ist abhängig von der absoluten Treibhausgasemissionsminderung des Vorhabens (BMWK, 2024a, 7.1 (a) (iv)) und somit von der tatsächlich realisierten Produktionsmenge. KSV berücksichtigen dabei, dass die Mehrkosten der Zuwendungsempfänger signifikant von variablen Bedingungen im Förderzeitraum abhängen. So berücksichtigt die tatsächlich ausgezahlte jährliche Fördersumme die realen Energieträgerpreise sowie den CO2-Preis aus dem EU-ETS (BMWK, 2024b, S. 25–26). Ist die Produktion durch die klimafreundliche Anlage unter den vorherrschenden Rahmenbedingungen während der Vertragslaufzeit kostengünstiger, als es das betriebene konventionelle Verfahren zu diesem Zeitpunkt wäre, kehrt sich die Zahllast um. Die Unternehmen zahlen in diesem Fall die Differenz an den Staat.2

Die Förderung ist gestaffelt und über mehrere Gebotsrunden verteilt, die jeweils nach dem in Abbildung 1 veranschaulichten Prozess ablaufen. Die erste Förderrunde ist mit der Übergabe der Klimaschutzverträge an die erfolgreichen Unternehmen am 15. Oktober 2024 abgeschlossen worden. In der ersten Gebotsrunde gingen „lediglich“ 17 Gebote ein (BMWK, 2024d). Von dem beihilferechtlich genehmigten Budget von 4 Mrd. Euro (Europäische Kommission, 2024) wurden damit lediglich 2,8 Mrd. Euro vergeben (BMWK, 2024d).

Abbildung 1
Prozessualer Ablauf von Förderrunden zum Abschluss und zur Umsetzung von Klimaschutzverträgen
Prozessualer Ablauf von Förderrunden zum Abschluss und zur Umsetzung von Klimaschutzverträgen

Quelle: eigene Abbildung. Erstellt unter Verwendung von BMWK (2024a) und BMWK (2024b).

Für die zweite Förderrunde hat das BMWK bereits ein vorbereitendes Verfahren veranstaltet und eine novellierte Fassung der Förderrichtlinie erarbeitet. Die Europäische Kommission hat jene novellierten Fördergrundlagen für ein zweites Gebotsverfahren der Klimaschutzverträge mit einem Volumen von bis zu fünf Mrd. Euro beihilferechtlich geprüft und genehmigt (Europäische Kommission, 2025). Nun entscheidet die neue Bundesregierung über den Beginn eines zweiten Förderaufrufs (BMWK, 2025b).

Transdisziplinäre Forschung im Rahmen des ROWaCh-Projekts

Die geringe Bewerberzahl in der ersten Gebotsrunde deutet darauf hin, dass das Instrument bislang weniger attraktiv ist als erwartet. Diese Entwicklung hatte sich angesichts der Befunde im ROWaCh-Projekt abgezeichnet, im Rahmen dessen unter anderem Interviews mit Vertretern von Industrie-Unternehmen geführt wurden. Demnach nehmen Ansprechpersonen industrieller Unternehmen KSV zwar als geeignetes Instrument zur Dekarbonisierung der Industrie wahr. Gleichzeitig sehen die Befragten jedoch signifikante Hemmnisse und äußern Zurückhaltung, das Förderinstrument zu nutzen.

Vor diesem Hintergrund veranstaltete das ROWaCh-Projektteam am 17. Juni 2024 einen Workshop mit Akteuren aus Unternehmen und Industrieverbänden. Zudem nahmen KSV-Fachleute teil, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bei der Ausgestaltung des Förderinstruments unterstützen. Der Zeitpunkt der Erhebung lag somit in Phase 4 (Abbildung 1) der ersten Gebotsrunde der KSV. Ziel war es, Stolpersteine aufzudecken und gemeinsam praktikable Gestaltungsoptionen für eine höhere Wirksamkeit und Attraktivität von KSV zu erarbeiten. Die einzige Grundregel des ansonsten freien und flexiblen Workshop-Formats war die „Chatham House Rule“. Demzufolge dürfen Teilnehmende Informationen aus dem Workshop nutzen, solange sichergestellt ist, dass Identität und Zugehörigkeit des Redners oder der Rednerin sowie der anderen Teilnehmenden nicht veröffentlicht werden. Dies ermöglichte es aus Sicht der Beteiligten „neuralgische Punkte“ zu thematisieren sowie konstruktiv zu diskutieren.

Die Untersuchungen des ROWaCh-Projekts, basierend auf neun qualitativen halbstandardisierten Interviews mit Unternehmensvertretern und einem interaktiven Workshop-Format, legen folgende Hemmnis-Faktoren sowie potenzielle Stolpersteine offen3 und liefern Handlungsempfehlungen für die zukünftige Ausgestaltung des Förderinstruments. Die vertretenen KSV-Fachleute haben die Ergebnisse bereits an die Verantwortlichen im Ministerium herangetragen. Die Novellierungen an der Förderrichtlinie für das zweite Gebotsverfahrens durch das BMWK greifen bereits einen Teil der erarbeiteten Handlungsempfehlungen auf.

Unklare Definitionen verunsichern potenzielle Zuwendungsempfänger

Die Akteure in den Unternehmen interpretieren die in der Förderrichtlinie, dem Förderaufruf und den Frequently Asked Questions (FAQ) verwendeten Begriffe teilweise anders als von den Verfassern beabsichtigt. Diskussionen im Workshop zu Gründen der Abweichung von Vertragsinhalten sowie den Konsequenzen und möglichen Vertragsstrafen unterstreichen exemplarisch, dass Unternehmen einigen Klauseln in der aktuellen Form Bedeutungsinhalte beimessen, die von der Sichtweise der KSV-Fachleute abweichen. Die Unklarheiten erschweren es interessierten Unternehmen zu erkennen, welche Verpflichtungen und Risiken diese mit einem Gebot und einem anschließenden Klimaschutzvertrag eingehen. Im unternehmensinternen Entscheidungsprozess kann dies ein Hemmnis sein, sich auf das neue Instrument einzulassen und ein Gebot abzugeben.

Erschwerter Zugang zu Informationen für Zuwendungsempfänger

Das Förderinstrument KSV ist neuartig und komplex. Dies unterstreichen allein 466 beantwortete Bieterfragen aus den vorbereitenden Verfahren und Gebotsverfahren, zu finden in FAQ-Dokumenten und auf der für das Förderinstrument eingerichteten Website. Die relevanten Informationen für interessierte Unternehmen verteilen sich über eine Vielzahl von Dokumenten. So veröffentlichte das BMWK unter anderem eine Förderrichtlinie, diverse Handbücher, Antworten auf Bieterfragen und weitere Informationsquellen. Antworten auf konkrete Fragen zu finden, erfordert von den Unternehmen umfassende Ressourcen, Aufmerksamkeit und proaktives Vorgehen. Im Workshop zeigte sich, dass den Akteuren auf Seiten der Unternehmen – trotz intensiver Auseinandersetzung mit KSV-Förderung – die Vorgaben in Teilen nicht bekannt zu sein schienen.

Vorabplanung und Gebotserstellung sehr aufwändig und fehleranfällig

Aus Sicht bietender Unternehmen ist die geforderte Vorabplanung zu granular. Es sei sehr herausfordernd, die Emissionsminderungspfade für die neuartigen Produktionsverfahren auf jährlicher Basis zu prognostizieren. Dabei sind die errechneten Pfade entscheidend für die spätere Auszahlungen der Fördersumme. Grundsätzlich sei der Prozess der Antragstellung komplex, zeitaufwendig und womöglich fehleranfällig. Dabei führen die komplexen Berechnungsformeln für die jährlichen Nachteilsausgleichszahlungen zu Unsicherheiten hinsichtlich der zu erwartenden Fördersumme. Dies erschwert die Kalkulation der Rentabilität eines Vorhabens und hemmt die Entscheidung, ein KSV-Gebot abzugeben.

Geforderte Reduktion der Produktion in konventionellen Referenzanlagen trifft auf Widerstand

Unternehmen, die eine Anlage mit demselben Referenzsystem wie die geförderte neuartige Anlage betreiben, sind verpflichtet, die Produktionskapazität dieser konventionellen Anlage um mindestens 90 % der Produktionskapazität der geförderten Anlage zu reduzieren (BMWK, 2024a, 7.8). KSV-interessierten Unternehmen zufolge ist es (nahezu) unmöglich mit den unternehmerischen Zielen und Risiken vereinbar, die Produktionsmengen in funktionsfähigen und rentablen Referenzanlagen zurückzufahren, um Förderung für eine neuartige, technisch wenig erprobte Anlage in Anspruch zu nehmen. Die Klausel ist damit ein Hemmnis für einige Unternehmen mit vielversprechenden transformativen Projekten. Auch jenseits der Kapazität der neuen Anlagen möchten sie eine steigende Nachfrage bedienen können, auch wenn dadurch der absolute Rückgang an Treibhausgasemissionen weniger stark ausfällt als zunächst angenommen – zumal konkurrierende Anbieter weiterhin und womöglich mit noch höheren Emissionen am Markt aktiv sind.

Zuwendungsgeber kennt die neuralgischen Punkte der Unternehmen nicht

Der Workshop zeigte, dass dem Zuwendungsgeber bei der detaillierten Ausgestaltung des Instruments Kenntnisse zu den neuralgischen Punkten der industriellen Adressaten fehlten; etwa zur Risikoeinschätzung und zu den unternehmensinternen Entscheidungsabläufen. Die oben beschriebene Kritik an der geforderten Reduzierung der Produktion in konventionellen Referenzanlagen ist hier ein geeignetes Beispiel.

Weitere Erkenntnisse aus dem Workshop

Aus den Workshop-Beiträgen sind die folgenden Punkte hervorzuheben:

  • Aus Sicht der Adressaten aus der Industrie sind die Risiken, die während der Laufzeit eines Klimaschutzvertrags auftreten könnten, nicht fair zwischen Zuwendungsgeber und -empfänger verteilt. Dahingehend scheint die novellierte Fassung der Förderrichtlinie, insbesondere die deutlich entschärften Ausschlusskriterien nach Nummer 9.5, die Risikoteilung zugunsten der Unternehmen zu verschieben.
  • KSV definieren Wasserstoff nicht als Zwischenprodukt (BMWK, 2024a, 2.28). Dies gilt ebenso in der novellierten Fassung (BMWK, 2025, Nr. 2.42). Einige Potenziale, die Herstellung von grünem Wasserstoff voranzutreiben, bleiben damit ungenutzt. Zudem sei der angesetzte Faktor für Treibhausgasemissionen von 6,84 pro Tonne Wasserstoff4 für das Referenzsystem zu niedrig und entspreche nicht den realen Bedingungen, unter denen die Industrie Wasserstoff gegenwärtig herstellt.
  • Die durch KSV-Förderung vorgesehene Dynamisierung von Energieträgerpreisen birgt Preisrisiken für Unternehmen. Diese wünschen, dass es KSV erlauben, auch reale Energieträgerkosten bei der Kalkulation der jährlichen Fördersumme zu berücksichtigen.
  • Unbefriedigend sei, im Anschluss an das vorbereitende Verfahren keine klare Aussage zu erhalten, ob das eingereichte Projekt grundsätzlich förderfähig ist. Im Falle einer negativen Einschätzung der Förderfähigkeit ließe sich weiterer Arbeitsaufwand auf Seiten der Unternehmen vermeiden.

Im Hinblick auf die Kontextbedingungen kommen weitere Unsicherheitsfaktoren hinzu: Schwer absehbar sind zukünftige regulatorische Entwicklungen, die Versorgung mit erneuerbaren Energien sowie der Aufbau kritischer Infrastruktur, z. B. des Wasserstoffkernnetzes. Ungewissheit über die regulatorischen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen erschweren es den Verantwortlichen in den Unternehmen, ein verbindliches Gebot abzugeben.

Empfehlungen an Politik und Verwaltung

Folgende Empfehlungen lassen sich auf Basis der Befunde an den Fördermittelgeber formulieren.

Klare Definitionen und verständliche Erläuterungen zentralisiert bereitstellen

Um die Unsicherheiten bei potenziellen Zuwendungsempfängern zu reduzieren, ist eine präzise und verständliche Kommunikation der Förderbedingungen essenziell. Das BMWK muss Schlüsselbegriffe, Regelungen und Verpflichtungen eindeutig definieren. Ein amtliches Dokument, welches die aktuelle Förderrichtlinie mit einem juristischen Kommentar unterlegt, kann dazu beitragen, Einzelheiten verständlich zu erläutern. Ein solches zentralisiertes amtliches Dokument kann als verbindliche Informationsquelle dienen, die häufige Fragen beantwortet und die aktuell verstreuten Informationen bündelt. Diese Maßnahme würde sicherstellen, dass Unternehmen die Anforderungen und Risiken des Förderinstruments besser verstehen und dadurch eher bereit sind, ein Gebot abzugeben.

Kommunikationsprozesse und -formate verbessern

Kommunikationsformate, wie erklärende Videos, können die kommentierte Förderrichtlinie ergänzen, um Sachverhalte anschaulich zu erklären und Informationsasymmetrien abzubauen. Neben diesen einseitigen Kommunikationskanälen sind auch interaktive Ansätze wie Webinare und Workshops von großer Bedeutung. Solche Formate fördern den bilateralen Austausch und helfen, offene Fragen direkt zu klären, was die Akzeptanz und das Verständnis des Förderinstruments weiter stärken würde.

Anforderungen an die Vorabplanung evaluieren und optimieren

Das BMWK sollte die derzeitigen granularen Anforderungen an die Vorabplanung überprüfen, um Unternehmen realistischere Vorgaben zu machen. Ein Mittelweg wäre sinnvoll: Während das BMWK weiterhin die besten Verfahren auswählen kann, sollten die Anforderungen an die Emissionsminderungspfade so gestaltet sein, dass sie für Unternehmen praktikabler sind. Im Rahmen der Novellierung der Förderrichtlinie für das zweite Gebotsverfahren hat das BMWK zumindest bereits das Risiko der Planabweichung für Unternehmen reduziert, indem es die ursprünglichen Ausschlusskriterien für Förderung maßgeblich entschärft hat (BMWK, 2025a, 9.5). Entfallen sind die bisherigen Ausschlussgründe (i) und (ii), die eine Nichtgewährung der Zuwendung bei Unterschreitung der geplanten absoluten Treibhausgasemissionsminderung oder des geplanten Wasserstoffbedarfs um mehr als 10 % in einem Kalenderjahr vorsahen. Dies reduziert das operative Risiko im Falle von unvorhergesehenen Produktionsschwankungen oder Verzögerungen im Hochlauf der Wasserstoffinfrastruktur. Die verbleibenden Ausschlussgründe legen den Fokus auf die Integrität des Transformationsprozesses, was den Unternehmen ein geringeres Planungsrisiko und zugleich unternehmerischen Spielraum während der Vertragslaufzeit bietet.

Digitale Antragsplattform

Eine anwenderfreundliche digitale Antragsplattform kann signifikant dazu beitragen, die vorgelagerten Handlungsempfehlungen umzusetzen:

  • Diese kann den Zugang zu Informationen rund um das Förderinstrument vereinfachen und konsistenter gestalten, indem sie die Informationen aller relevanten Medien strukturiert an einem zentralen Ort vereint.
  • Diese enthält automatisierte Berechnungsmechanismen, die es Unternehmen ermöglichen, die Rentabilität ihrer Vorhaben präzise zu kalkulieren und den Prozess der Gebotserstellung erleichtern.
  • Diese reduziert damit das Risiko fehlerhafter Anträge durch Unternehmen, indem sie die Akteure in Unternehmen unmittelbar auf mögliche Fehler in der Antragstellung hinweist.

Darüber hinaus kann die Plattform die Zusammenarbeit zwischen Fördermittelgeber und -empfängern im weiteren Prozess erleichtern. So kann sie während der Vertragslaufzeit des KSV als Austauschmedium der „Berechnungsangaben“ gemäß BMWK, (2024a, 9.2 (b)) zwischen Zuwendungsempfänger und BMWK dienen.

Klausel zur Produktionsreduktion in Referenzanlagen überprüfen

Das BMWK sollte die Klausel, die eine Reduktion der Produktionskapazität konventioneller Referenzanlagen vorschreibt (BMWK, 2024a, 7.8), hinsichtlich ihrer Notwendigkeit und praktischen Umsetzung evaluieren. Angesichts der geringen Anzahl eingegangener Gebote in der ersten Förderphase könnte eine Anpassung dieser Regelung die Attraktivität des Instruments erheblich steigern. Anstelle einer pauschalen Vorgabe sollte das BMWK einen Ansatz verfolgen, der sowohl das Ziel der Emissionsreduktion als auch die unternehmerische Autonomie berücksichtigt. Dies könnte Unternehmen mit innovativen Projekten motivieren, sich stärker am Gebotsverfahren zu beteiligen.

Die novellierte Förderrichtlinie zur zweiten Gebotsrunde enthält eine wichtige Neuerung zu Nummer 7.8: Bei Vorhaben, die eine Umstellung bestehender konventioneller Anlagen auf ein transformatives Verfahren vorsehen, wird der damit verbundene Kapazitätsabbau auf die geforderte Reduktion von 90 % angerechnet (BMWK, 2025a, 7.8). Diese Ergänzung entschärft die ursprüngliche Regelung und entlastet Unternehmen, die im Zuge der Transformation ohnehin alte Kapazitäten stilllegen. Für vollständig neue Anlagen bleibt die Anreizproblematik jedoch bestehen.

Frühzeitigen Austausch zu neuralgischen Punkten organisieren

Ein intensiverer Dialog zwischen Fördermittelgeber und Unternehmen ist entscheidend, um das Förderinstrument zielgerichtet und praxisnah weiterzuentwickeln. Der Zuwendungsgeber sollte in allen Förderphasen, insbesondere in der initialen Ausgestaltung, auf interaktive Formate wie offene Workshops und Webinare setzen. Diese Formate bieten die Möglichkeit, aus erster Hand zu erfahren, welche Aspekte für Unternehmen von zentraler Bedeutung sind und welche potenziellen Hemmnisse das Förderinstrument weniger attraktiv machen.

Durch einen frühzeitigen und kontinuierlichen Austausch können Förderbedingungen so angepasst werden, dass sie sowohl die Bedürfnisse der Unternehmen als auch die übergeordneten Ziele des Förderinstruments erfüllen. Auf diese Weise ließe sich das Förderinstrument weiter optimieren und für eine größere Zahl potenzieller Vorhabenträger attraktiv gestalten.

Ausblick auf weitere Förderperioden

Trotz bereits erhaltener beihilferechtlicher Genehmigung ist Anfang Mai 2025 noch unklar, ob die neue Bundesregierung das Förderinstrument fortführen möchte. Das Förderinstrument KSV stößt jedenfalls auf Seiten industrieller Unternehmen weiterhin auf reges Interesse und erscheint grundsätzlich attraktiv, wenn es darum geht, Schritte zu einer klimaneutralen Wirtschaft in Angriff zu nehmen. So gingen im Verlauf des zweiten vorbereitenden Verfahrens zwischen Juli und September 2024 zu jener zweiten Runde 130 Anträge ein (Stratmann, 2024).

Personen aus produzierenden Unternehmen betonen in Interviews mit dem Projektteam nach der ersten Gebotsrunde, dass sie erneut am vorbereitenden Verfahren teilnehmen, um sich die Möglichkeit der KSV-Förderung offenzuhalten. Gleichzeitig wiesen sie auf aus ihrer Sicht bestehende Schwachstellen und Hemmnisse in der damaligen Ausgestaltung des Förderinstruments hin. Einige Vorgaben von KSV seien schwer mit den unternehmerischen Entscheidungsprozessen vereinbar, wie der Workshop unterstrichen hat. Bleiben bestimmte Förderbedingungen unverändert, könnten die Verantwortlichen trotz grundsätzlichem Interesse und geeigneten Vorhaben erneut von der Teilnahme am Gebotsverfahren absehen. Dann könnten die eingereichten Gebote erneut nicht den Erwartungen des BMWK genügen. Darunter leiden nicht nur die Ausschöpfung der Fördermittel, sondern auch die Dekarbonisierungsziele.

Für die Entscheidung, ob ein Gebot aus betriebswirtschaftlicher Sicht tragfähig und sinnvoll ist, spielt laut den Vertretungen der Unternehmen die Risikoteilung und Risikoabschätzung eine zentrale Rolle. Derzeit stellen einige klein erscheinende Definitionen und Vorgaben von Vertragsinhalten große Unsicherheitsfaktoren dar und erschweren es Verantwortlichen in Unternehmen, die mit einem Gebot und einem Klimaschutzvertrag verbundenen Verpflichtungen und Risiken vorausschauend zu bewerten. Für das BMWK empfiehlt es sich daher, diese neuralgischen Punkte erneut zu evaluieren: So können granulare Anpassungen in der Förderrichtlinie eine große Hebelwirkung entfalten. Ob und inwiefern die novellierte Förderrichtlinie die beschriebenen Hürden abgebaut hat, bleibt mit Blick auf die kommende Gebotsrunde zu beobachten. Weiter empfiehlt es sich, die derzeit über einige Dokumente verstreuten Informationen in einer verbindlichen kommentierten Förderrichtlinie zu vereinen, um Unsicherheiten zu vermindern. Eine anwenderfreundliche Antragsplattform könnte darüber hinaus den Prozess der Gebotskalkulation verlässlicher gestalten, beidseitig Arbeitsaufwand reduzieren und das Monitoring in der Vertragslaufzeit unterstützen.

Das BMWK ergreift zumindest erste Schritte, um die Stolpersteine in Verbindung mit der Förderrichtlinie zu identifizieren und aus dem Weg zu räumen. Einerseits hat das BMWK für das vorbereitende Verfahren der zweiten Gebotsrunde eine Webinar-Reihe mit dem Namen „Sprechstunde Klimaschutzverträge“ organisiert. In den Webinaren tritt das BMWK in den direkten Austausch mit interessierten Unternehmen und antwortet auf konkrete Fragen zum zweiten vorbereitenden Verfahren. Darüber hinaus arrangierte der Zuwendungsgeber zwischen November 2024 und Januar 2025 ein öffentliches Konsultationsverfahren für „Interessenten des Förderprogramms Klimaschutzverträge“ (BMWK, 2025c), um deren neuralgischen Punkte, Perspektiven und Bedenken zu erfassen. Die novellierte Fassung der Förderrichtlinie für das zweite Gebotsverfahren adressiert jedenfalls eine Reihe der neuralgischen Punkte von Industrieunternehmen, die auch im Workshop zentral waren. Diese Entwicklung gibt Hoffnung, dass das BMWK die Anliegen der potenziellen Zuwendungsempfänger auch zukünftig angemessen berücksichtigt und das Instrument in Hinsicht auf die normativen Zielvorgaben attraktiver für die Adressaten gestaltet.

  • 1 Das Handbuch zu KSV führt den Begriff „Gebotspreis“ für die Phase vor dem Zuschlag ein. Ist der Zuschlag erteilt, verwendet es den Begriff „Basis-Vertragspreis“ (BMWK, 2024b, S. 13).
  • 2 Eine genaue Darstellung bietet das Handbuch zum Förderprogramm (BMWK, 2024b, S. 25-28).
  • 3 Die Version der Förderrichtlinie vom 11. März 2024 für das erste Gebotsverfahren ist die aktuelle Fassung zum Zeitpunkt der Erhebungen und Analyse. Verweise auf die Nummern in der Förderrichtlinie beziehen sich auf diese Version, wenn nicht anders hervorgehoben.
  • 4 Für jedes Referenzsystem bestehen spezifische Treibhausgas-Emissionsfaktoren, welche an den Produkt-Benchmarks des EU-ETS für effiziente Anlagenkonstellationen ausgerichtet sind (BMWK, 2024c, S. 26).

Literatur

BCG – Boston Consulting Group, IW – Institut der deutschen Wirtschaft & BDI – Bundesverband der Deutschen Industrie. (2024). Transformationspfade für das Industrieland Deutschland. Eckpunkte für eine neue industriepolitische Agenda.

BMWK – Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. (2024a, 11. März). Richtlinie zur Förderung von klimaneutralen Produktionsverfahren in der Industrie durch Klimaschutzverträge (Förderrichtlinie Klimaschutzverträge – FRL KSV).

BMWK – Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. (2024b, 11. März). Handbuch zum Förderprogramm Klimaschutzverträge (Handbuch KSV). Version 1.0 (1. Gebotsverfahren).

BMWK – Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. (2024c, 12. März). 1. Förderaufruf zum Gebotsverfahren Klimaschutzverträge.

BMWK – Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. (2024d, 15. Oktober). Habeck überreicht Klimaschutzverträge. Erstes Gebotsverfahren abgeschlossen.

BMWK – Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2025a, 24. März). Richtlinie zur Förderung von klimaneutralen Produktionsverfahren in der Industrie durch Klimaschutzverträge (Förderrichtlinie Klimaschutzverträge – FRL KSV). Entwurf nach beihilferechtlicher Genehmigung durch EU KOM.

BMWK – Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. (2025b, 24. März). Zweites Gebotsverfahren: Zustimmung aus Brüssel.

BMWK – Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. (2025c, 27. Januar). Konsultation zur Förderrichtlinie Klimaschutzverträge.

Bundesregierung. (2023, 14. Oktober). Klimaschutzprogramm 2023 der Bundesregierung.

Europäische Kommission. (2024, 16. Februar). Kommission genehmigt mit 4 Mrd. EUR ausgestattete, teilweise aus der Aufbau- und Resilienzfazilität finanzierte deutsche Beihilferegelung zur Unterstützung des Emissionsabbau in den Wertschöpfungsprozessen [Pressemitteilung].

Europäische Kommission. (2025, 24. März). Kommission genehmigt mit 5 Mrd. EUR ausgestattete deutsche Beihilferegelung zur Unterstützung der Industrie bei der Dekarbonisierung von Produktionsprozessen [Pressemitteilung].

Stratmann, Klaus. (2024, 15. Oktober). 2,8 Milliarden Euro – Bund hilft Industrie mit Klimaschutzverträgen. Handelsblatt.

Title:Climate Protection Contracts as a Regulatory Lever for the Decarbonisation of Industry?

Abstract:The funding instrument of climate protection contracts is intended to promote the decarbonisation of industry by offsetting the additional costs incurred by companies in emission-intensive sectors when switching to more climate-friendly technologies and systems. However, a workshop organised by the ‘ROWaCh’ research project with companies and advisors from the Ministry of Economic Affairs and Climate Action uncovered significant obstacles and highlighted critical points such as complex application procedures, unclear definitions of terms and risk sharing. The workshop also creates options for increasing the attractiveness of climate protection contracts – including centralised sources of information, user-friendly platforms and communication formats.

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© Der/die Autor:in 2025

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2025-0094