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Der zunehmende Arbeitskräftemangel in Deutschland rückt die Beschäftigung älterer Arbeitskräfte in den Fokus. Zwar ist deren Erwerbstätigkeit gestiegen, doch Ältere finden schwerer einen Arbeitsplatz und erfahren Diskriminierung bei der Arbeitsuche. In manchen Unternehmen scheint noch immer das überholte Stereotyp vorzuherrschen, Ältere seien weniger leistungsfähig. Andererseits berichten Betriebe überwiegend von positiven Erfahrungen mit neu eingestellten älteren Arbeitskräften. Um die Arbeitsmarktchancen Älterer zu erhöhen, ist der Staat im Rahmen seiner Arbeitsmarkt- und Antidiskriminierungspolitik gefordert, und Betriebe wie Arbeitsuchende müssen ihr Verhalten anpassen.

Unternehmen und ihre Verbände in Deutschland klagen zunehmend über einen Mangel an Arbeits- und insbesondere Fachkräften. Zur Behebung dieses Problems wird eine lange Reihe von Maßnahmen diskutiert, die von einer Intensivierung der Aus- und Weiterbildung über eine Verbesserung der Arbeitsanreize bis zu einer verstärkten Zuwanderung von Fachkräften reichen (Raddatz, 2024). Gefordert wird auch eine weitere Erhöhung der Erwerbstätigkeit von Frauen und von älteren Personen sowie eine Anhebung des Renteneintrittsalters über das 67. Lebensjahr hinaus. Weitgehend vernachlässigt wird jedoch in dieser Diskussion, dass Ältere schwerer einen Arbeitsplatz finden und nicht selten über Diskriminierung bei der Arbeitsuche klagen. Letzteres ist bei Personalverantwortlichen ein Tabuthema, das oft mit Verweis auf bestehende Antidiskriminierungsgesetze abgebogen wird. Ein wichtiges Potenzial zur Verringerung der Arbeitskräftelücke liegt damit brach.

Beschäftigungssituation älterer Arbeitskräfte

Eine Gesellschaft mit einer alternden und schrumpfenden Bevölkerung wie Deutschland muss ein besonderes Interesse haben, ihr gesamtes Beschäftigungspotenzial auszunutzen. Dazu gehören eine hohe Erwerbstätigenquote der gesamten Bevölkerung sowie eine möglichst lange und umfangreiche Erwerbstätigkeit älterer Arbeitskräfte, mit der neben einem Fachkräftemangel auch Finanzierungsproblemen der Rentenversicherung entgegengewirkt werden kann. Daher ist es erfreulich, dass die Erwerbsbeteiligung Älterer in den letzten Jahrzehnten in fast allen OECD-Staaten deutlich zugenommen hat (Walwei, 2024).1

Auch in Deutschland stieg nicht nur die Erwerbstätigkeit der Gesamtbevölkerung (insbesondere der Frauen), sondern auch die der Älteren (Tabelle 1). Im Jahr 2023 betrug die Erwerbstätigenquote von 55- bis 65-Jährigen hierzulande fast 75 % und lag damit nur knapp unter der durchschnittlichen Quote für 15- bis 65-Jährige von 77 %. Dagegen waren 1991 nur rund 38 % der 55- bis 65-Jährigen erwerbstätig – ein deutlicher Rückstand von 30 Prozentpunkten zum Schnitt aller Altersgruppen. Zudem sind inzwischen auch immer mehr über 65-Jährige erwerbstätig; bei den 65- bis 70-Jährigen lag die Erwerbstätigenquote 2023 über 20 % (Bundesagentur für Arbeit, 2024). In Deutschland – wie auch im Durchschnitt der EU – gingen 2023 rund 13 % der Rentner:innen nach dem Renteneintritt weiterhin einer Arbeit nach (Statistisches Bundesamt, 2025).

Tabelle 1
Erwerbstätigenquoten in Deutschland
in % der jeweiligen Bevölkerungsgruppe
Gruppe 1991 2001 2011 2023
insgesamt 67,8 65,8 72,5 77,2
Männer 78,4 72,7 77,3 80,8
Frauen 57,0 58,8 67,7 73,6
55- bis 65-Jährige 38,2 37,8 59,8 74,7

Quelle: Statistisches Bundesamt (Mikrozensus).

Allerdings steigt die Erwerbstätigenquote von über 50-Jährigen in Deutschland hauptsächlich dadurch, dass mehr Ältere länger in Beschäftigung bleiben. Dagegen haben sich die Chancen, eine neue Stelle zu finden, für diese Altersgruppe kaum verbessert. Sie liegen deutlich unter denen jüngerer Arbeitskräfte, vor allem wenn aus Arbeitslosigkeit eine Stelle gesucht wird (Czepek & Moczall, 2017).2 Vergleicht man die Einstellungsraten von älteren und jüngeren Arbeitskräften, so kommen auf einen neu eingestellten Älteren drei Neueinstellungen von jüngeren Arbeitskräften, wenn eine gleiche Anzahl bestehender Beschäftigungsverhältnisse in beiden Altersgruppen unterstellt wird. Immerhin hat sich im letzten Jahrzehnt der alterstypische Rückgang von Neueinstellungen auf ein höheres Alter (von ca. 50 auf 55 Jahre) verschoben (Drescher & Brussig, 2021).

Die geringeren Einstellungschancen gehen einher mit einem erhöhten Risiko Älterer, in einer einmal eingetretenen Arbeitslosigkeit zu verbleiben. Ältere weisen zwar ein relativ geringes Risiko auf, aus Beschäftigung heraus arbeitslos zu werden, was nicht zuletzt am ausgeprägten Kündigungsschutz dieser Gruppe liegt. Allerdings haben Ältere eine wesentlich geringere Chance, ihre eingetretene Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zu verlassen. Die monatliche Abgangsrate aus Arbeitslosigkeit beträgt in der Gruppe der 55- bis unter 65-Jährigen nur 3,06 % und liegt damit deutlich unter der Rate von 5,79 % im Durchschnitt aller Altersklassen (Bundesagentur für Arbeit, 2024).

So überrascht es auch nicht, dass 2023 die durchschnittliche bisherige Arbeitslosigkeitsdauer von 55- bis unter 65-Jährigen bei 51 Wochen lag und damit deutlich höher als die Durchschnittsdauer von 36 Wochen über alle Altersklassen hinweg (Bundesagentur für Arbeit, 2024). Fast 90 % der Arbeitslosen, die bei Verlust ihres Arbeitsplatzes über 60 Jahre alt waren, kehren in den folgenden zwei Jahren nicht in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zurück (Homrighausen & Wolf, 2018). Der längeren Dauer der Arbeitslosigkeit entsprechend fällt der Anteil der Langzeitarbeitslosen bei älteren Arbeitskräften ebenfalls höher aus. Im Durchschnitt der 55- bis unter 65-Jährigen waren 2023 rund 44 % der Arbeitslosen bereits seit mindestens einem Jahr ohne Beschäftigung, während diese Quote über alle Altersklassen hinweg nur bei 35 % lag (Bundesagentur für Arbeit, 2024).

Diskriminierung älterer Arbeitskräfte?

Zwar sollte aus diesen statistischen Belegen für Wiederbeschäftigungsprobleme von Älteren nicht vorschnell auf Altersdiskriminierung geschlossen werden (so auch Drescher & Brussig, 2021). Von Altersdiskriminierung kann aus ökonomischer Sicht nur gesprochen werden, wenn Individuen verschiedener Altersgruppen ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedlich behandelt oder entlohnt werden, obwohl sie identische produktive Merkmale aufweisen.3 Allerdings gibt es eine Reihe von Anzeichen für Altersdiskriminierung im Arbeitskontext, die von der Personalauswahl über die Personalentwicklung bis zur Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses reichen (Überblick bei Voss & Rothermund, 2019).

So berichten viele Arbeitskräfte von subjektiven Diskriminierungserfahrungen. Laut der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2024) betrifft fast ein Drittel der Anfragen Diskriminierung in Beruf und Beschäftigung, und bei 14 % der Beratungsanfragen ging es 2023 um Diskriminierung aufgrund des (vermeintlich zu hohen oder zu niedrigen) Lebensalters. Bei einer Online-Befragung im Auftrag des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung (2019) gab jede/r sechste Befragte an, innerhalb der letzten drei Jahre diskriminiert worden zu sein. 35 % der Betroffenen beklagten eine Diskriminierung aufgrund ihres Alters, wobei hiervon zwei Drittel aufgrund eines vermeintlich zu hohen und ein Drittel aufgrund eines zu niedrigen Alters benachteiligt wurden. In einer umfangreichen Online-Befragung der Recruiting-Plattform Stepstone (2024) berichteten 40 % der Bewerber:innen über 60 Jahren, bei ihrer letzten Jobsuche explizit wegen ihres Alters abgelehnt worden zu sein.

Auch nach repräsentativen Bevölkerungsumfragen verzeichnen ältere Arbeitskräfte besonders häufig Benachteiligungen bei der Arbeitsuche und Bewerbung (Beigang et al., 2017; GESIS, 2017; Richter et al., 2021). Laut Innovationsstichprobe 2020 des Sozio-oekonomischen Panels gaben knapp 13 % der Befragten an, in den vergangenen zwölf Monaten Diskriminierung erfahren zu haben, wobei Diskriminierungserfahrungen am Arbeitsplatz dominierten. Fast ein Viertel der von Diskriminierung Betroffenen verwiesen auf ihr Lebensalter (zu jung oder zu alt) (Richter et al., 2021, S. 14, 18). Im Deutschen Alterssurvey (DEAS) berichteten 2014 über 12 % der 55- bis 69-Jährigen von wahrgenommener Altersdiskriminierung, wobei der Bereich der Arbeit und Arbeitsuche mit 7,5 % am häufigsten genannt wurde (Beyer et al., 2017, S. 338). Spezifischere Aussagen zu Beruf und Beschäftigung finden sich in der Bevölkerungsumfrage ALLBUS. Hier gaben 2016 rund 22 % aller Befragten an, in den letzten fünf Jahren beruflich benachteiligt worden zu sein, und von diesen Personen mit Diskriminierungserfahrung führten fast ein Fünftel ihr Alter als wichtigsten Grund für die Benachteiligung an (GESIS, 2017).

Neben subjektiven Erfahrungen von Arbeitskräften gibt es auch Indizien für bewusste Altersdiskriminierung von Seiten der Arbeitgeber:innen. Beides zeigt sich in einer (nicht repräsentativen) Online-Befragung von 1.000 Erwerbstätigen im Alter von 45 bis 67 Jahren und von 400 Personaler:innen, die die Jobplattform Indeed mit dem Marktforschungsinstitut Appinio im Juli 2022 durchgeführt hat (o. V., 2022). Laut dieser hatten über 27 % der befragten Arbeitnehmer:innen das Gefühl, bei Bewerbungen wegen ihres Alters sehr häufig oder gelegentlich benachteiligt zu werden. Zudem hatten 42 % der befragten Arbeitskräfte über 45 Jahren den Eindruck, deutlich oder etwas mehr Absagen im Bewerbungsprozess für Jobs verglichen mit jüngeren Menschen zu bekommen (Tabelle 2). Dazu passt, dass 20 % der 400 Befragten aus dem Personalbereich angaben, Bewerber:innen im Alter ab 55 Jahren seien zu alt für ihr Team oder Unternehmen, und für Bewerber:innen in der Altersklasse ab 60 Jahren trafen sogar 28 % der Personaler:innen eine solche ablehnende Einschätzung. Darüber hinaus gab über ein Drittel der Befragten aus dem Personalbereich an, Bewerbungen ohne Altersangabe auszusortieren (o. V., 2022).

Tabelle 2
Empfundene Altersdiskriminierung bei Bewerbungen
in % der befragten Arbeitskräfte ab 45 Jahren
Haben Sie das Gefühl, bei der Bewerbung für einen Job wegen Ihres Alters benachteiligt zu werden? Haben Sie den Eindruck, dass Sie mehr, weniger, oder gleich viele Absagen im Bewerbungsprozess für Jobs bekommen im Vergleich zu jüngeren Menschen?
Nie 22,1 Deutlich mehr 18,3
Eher selten 20,2 Etwas mehr 24,0
Manchmal 17,8 Gleich viele 20,1
Ja, gelegentlich 12,1 Weniger 7,5
Ja, sehr häufig 15,4 Deutlich weniger 3,5
Weiß nicht / keine Angabe 12,4 Weiß nicht / keine Angabe 26,6

Quelle: Online-Befragung von Indeed und Appinio im Juli 2022 bei 1.000 Erwerbstätigen (Appinio, o. J.).

Auf altersspezifische Benachteiligungen, besonders beim Zugang zu Beschäftigung, deuten auch Feldexperimente hin (Antidiskriminierungsstelle, 2021). Bei solchen Studien bekommen Unternehmen mit offenen Stellen z. B. Lebensläufe von zwei fiktiven Arbeitskräften zugesandt, die gleiche Qualifikationen aufweisen, aber sich in einem diskriminierungsrelevanten Merkmal wie Lebensalter unterscheiden. Ergeben sich dabei statistisch signifikante Unterschiede in Erfolgsquoten wie der Zahl der Einladungen zu Vorstellungsgesprächen, kann bei ansonsten gleichen Bedingungen auf Diskriminierung geschlossen werden. Derartige Feldexperimente haben für eine Reihe von Ländern deutliche Anzeichen für Altersdiskriminierung gefunden (vgl. Riach, 2015 und den Überblick von Neumark, 2018). So waren z. B. in einer vergleichenden Studie für vier Länder die Bewerbungen von jüngeren Kellnern erfolgreicher als die von ansonsten vergleichbaren älteren Kollegen, wobei die Altersdiskriminierung in Frankreich und Spanien stärker ausfiel als in England und Deutschland (Riach, 2015).

Hinweise auf Altersdiskriminierung finden sich auch in Vignetten-Studien, in denen die Befragten (z. B. Personalverantwortliche) angeben müssen, wie sie auf verschiedene hypothetische Szenarien zur Rekrutierung oder Beförderung von Arbeitskräften reagieren, wobei sich die ansonsten identischen Bewerber:innen im Alter unterscheiden (vgl. den Überblick von Neumark, 2018). So deutet eine vergleichende Studie von Lössbroek et al. (2021) auf Altersdiskriminierung bei Einstellungen in acht von neun betrachteten europäischen Ländern hin (wobei diese in Bulgarien und Ungarn deutlich stärker ausfiel als in Deutschland). Die geringere Rekrutierungswahrscheinlichkeit Älterer blieb auch bestehen, wenn die befragten Manager Informationen über produktivitätsrelevante Eigenschaften der Arbeitskräfte erhielten – es handelt sich also tatsächlich um eine Abneigung gegenüber Älteren und damit Diskriminierung. Diese Erkenntnis deckt sich mit einer anderen Vignetten-Studie (Büsch et al., 2009), nach der in Deutschland Altersdiskriminierung bei Einstellungen festzustellen ist (und deutlich stärker ausfällt als in Norwegen).

Noch größer wäre das Problem, wenn Ältere zwar zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden, um gesetzliche Antidiskriminierungsverbote zu erfüllen, ihre Einstellung aber von vornherein ausgeschlossen ist. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2024, S. 84) berichtet über einen derartigen Umgang mit älteren Bewerber:innen, wobei explizit diskriminierende Absagen selten sind. Eine solche versteckte Diskriminierung lässt sich auch kaum nachweisen, zumal das Thema gerade bei Personalverantwortlichen oftmals ein Tabu ist (Brauer, 2009).

Gründe für die Benachteiligung Älterer

Ein häufig verwendetes Stereotyp über ältere Arbeitskräfte geht davon aus, dass die körperlichen, geistigen und sozialen Fähigkeiten und Fertigkeiten des Menschen generell mit steigendem Alter nachlassen (Kessler & Warner, 2022, S. 30). Ältere Personen gelten als weniger kompetent, motiviert, kreativ und flexibel als jüngere (Homrighausen & Lang, 2024). Dieses „Defizitmodell“ scheint immer noch weit verbreitet zu sein und auch bei betrieblichen Personalentscheidungen eine Rolle zu spielen, obwohl es aus wissenschaftlicher Sicht schon längst überholt ist (Rosenstiel, 2009). Studien aus der Soziologie, Gerontologie, Ökonomie und Arbeitsmedizin zeigen, dass zwar manche Eigenschaften wie geistige Wendigkeit und Schnelligkeit mit dem Alter abnehmen, andere aber – wie z. B. Erfahrungswissen – zunehmen, sodass die Leistungsfähigkeit nicht generell über das Lebensalter bestimmt werden kann.4 Zudem schätzen in einer repräsentativen Umfrage des IAB-Betriebspanels die meisten Betriebe, dass ältere Arbeitskräfte genauso leistungsfähig sind wie jüngere, nur sind die verschiedenen Komponenten der Leistungsfähigkeit in beiden Gruppen unterschiedlich ausgeprägt (Bellmann et al., 2005). Allerdings findet nach dieser Untersuchung die positive Einschätzung der im Betrieb tätigen älteren Beschäftigten keinen Niederschlag in entsprechenden Einstellungsraten von externen älteren Arbeitskräften, insbesondere Arbeitslosen.

Befragt man die Betriebe mit Einstellungsvorbehalten gegenüber Älteren genauer, so werden als Hauptgründe vermeintliche Defizite wie eingeschränkte Belastbarkeit sowie geringere Flexibilität und Einsetzbarkeit von älteren Arbeitskräften genannt (Brussig & Bellmann, 2008). Zudem monieren Personaler:innen, dass ältere Beschäftigte Probleme mit jungen Vorgesetzten haben, häufiger krank sind als Jüngere und über veraltetes Wissen verfügen (o. V., 2022). Weitere in der öffentlichen Diskussion angeführte Einstellungsprobleme, wie hohe Lohnkosten, zu hohe Einarbeitungs- und Weiterbildungskosten sowie eine eingeschränkte Kündbarkeit von älteren Arbeitskräften, spielen dagegen eine untergeordnete Rolle (Bellmann et al. 2005; Brussig & Bellmann, 2008). Ihre tatsächliche Relevanz scheint auch nicht immer richtig eingeschätzt zu werden. So ist z. B. der Altersbezug bei der Entlohnung („Senioritätslöhne“) und beim Kündigungsschutz vor allem bei bestehenden Beschäftigungsverhältnissen von Bedeutung, aber weniger bei (befristeten) Neueinstellungen von älteren Arbeitskräften. Zudem melden sich ältere Beschäftigte tatsächlich seltener krank als vergleichbare jüngere, wenn auch ihre Erkrankungen oft gravierender und länger anhaltend sind (Prümer & Schnabel, 2019).

Ob der wachsende Arbeits- und Fachkräftemangel zu einem Umdenken bei den Betrieben führt, bleibt abzuwarten. Immerhin hatte in der Studie von Indeed und Appinio gut ein Drittel der befragten Erwerbstätigen im Alter von 45 bis 67 Jahren den Eindruck, dass sie bei ihren Bewerbungen vom Fachkräftemangel profitieren und häufiger zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden (o. V., 2022).

Maßnahmen und Konsequenzen

Einerseits finden betriebliche Fallstudien deutliche Hinweise, dass Altersstereotype und Ausgrenzungsmechanismen in der Personalpolitik und beim Einstellungsverhalten eine Rolle spielen (Brauer, 2009; Voss & Rothermund, 2019). Andererseits berichten Betriebe, die Ältere neu eingestellt haben, überwiegend von positiven Erfahrungen mit diesen (Czepek & Moczall, 2017). Um diese Diskrepanz abzubauen und die Chancen Älterer auf eine Re-Integration in den Arbeitsmarkt zu erhöhen, sind sowohl der Staat im Rahmen seiner Arbeitsmarkt- und Antidiskriminierungspolitik als auch Verhaltensänderungen bei Arbeitgeber:innen und Arbeitsuchenden gefragt.

Die staatliche Arbeitsmarktpolitik hat mit der Entwicklung der Arbeitslosigkeit im Alter nicht ganz Schritt gehalten. Sie fördert Ältere weiterhin unterproportional und weniger erfolgreich als Jüngere (Kaboth & Brussig, 2020). So erhalten Arbeitslose ab 55 Jahren – bezogen auf die Zahl der Zugänge in Arbeitslosigkeit – seltener eine Förderung als jüngere Arbeitslose. Dies spiegelt nicht zuletzt wider, dass sie seltener an geförderter beruflicher Weiterbildung teilnehmen. Dabei zeigt bei ihnen die Förderung sogar eine höhere Wirkung (Stephan et al., 2024). Befragte Vermittlungsfachkräfte in den Arbeitsagenturen sehen in gesundheitlichen Einschränkungen älterer Arbeitsloser und in Vorbehalten von Unternehmen gegenüber älteren Arbeitskräften die stärksten altersspezifischen Vermittlungshemmnisse.

Als geeignete Maßnahmen zur Erhöhung der Beschäftigungschancen von Älteren empfehlen sie vor allem eine intensivere persönliche Beratung von Arbeitsuchenden und Beratungsangebote für Unternehmen, mit denen Vorbehalte gegenüber Älteren abgebaut und Fördermöglichkeiten dargelegt werden sollen (Homrighausen & Wolf, 2018). Aus Sicht dieser Experten und auch vieler Unternehmen könnten zudem Lohnzuschüsse für Arbeitskräfte (zur Überbrückung von Lohndifferenzen zwischen alter und möglicher neuer Beschäftigung) oder Lohnkostenzuschüsse für Arbeitgeber:innen die Anreize erhöhen, in Beschäftigung zurückzukehren bzw. ältere Arbeitslose einzustellen (Czepak & Moczall, 2017; Homrighausen & Wolf, 2018). Hilfreich und erfolgreich können auch Informationskampagnen der Arbeitsagentur sein, mit denen Arbeitgeber:innen aufgeklärt werden, dass viele stereotypische negative Behauptungen über ältere Arbeitskräfte nicht belegt oder gar falsch sind und dass erfahrene Ältere durchaus spezifische Stärken aufweisen, die eine Einstellung attraktiv machen (Homrighausen & Lang, 2024).5

Zwar bietet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in seiner aktuellen Form keinen umfassenden Schutz vor Altersdiskriminierung (Kessler & Warner, 2022), doch verzeichnet die Antidiskriminierungspolitik gewisse Erfolge.6 So verstoßen nach einer umfangreichen Auswertung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2018) fast 98 % der Stellenanzeigen nicht (mehr) gegen dieses Gesetz. Zweifel daran weckt jedoch die Online-Befragung von Indeed und Appinio (o.V., 2022). Danach geben 19 % der 400 befragten Personaler:innen an, dass sie in all ihren Stellenanzeigen den Begriff „jung“ für die Beschreibung ihres Teams oder als Teil der Stellenbeschreibung verwenden (und weitere 24 % tun dies teilweise).7

Diskutiert werden auch anonymisierte Bewerbungsverfahren, in denen – wie in anderen Ländern – keine Angaben zum Lebensalter gemacht werden müssen (Beigang et al., 2017). Zuviel sollte man sich davon aber nicht erwarten, denn Rückschlüsse auf das Alter lassen sich relativ einfach aus Angaben über den Bildungsweg der Arbeitsuchenden ziehen.

Wichtiger und dringend erforderlich scheint ein Einstellungswandel (nicht nur) der Personalverantwortlichen zu sein. Es muss ins allgemeine Bewusstsein, dass Ältere nicht weniger leistungsfähig sind. Zudem sollten sie ständig weitergebildet werden, doch führt nur eine Minderheit der Betriebe spezielle Personalmaßnahmen für Ältere durch (Bellmann et al., 2018). Obwohl der demografische Wandel es nahelegt, in Bezug auf Beschäftigung und Weiterbildung sich stärker auf ältere Arbeitsklassen zu fokussieren, liegt laut einer Unternehmensbefragung des ifo-Instituts der Schwerpunkt klar auf den jüngeren Altersgruppen. Allerdings nehmen ältere Mitarbeiter:innen Weiterbildungsangebote auch deutlich seltener in Anspruch als jüngere (Freuding et al., 2023). Selbst unter mitbestimmten Betrieben mit mindestens 20 Beschäftigten führt nur eine Minderheit spezielle Weiterbildungen für ältere Mitarbeiter:innen sowie Führungskräfteschulungen in Bezug auf Ältere durch (Keck & Brussig, 2024), was sich dringend ändern sollte.

Fazit

Die aufgezeigte Vernachlässigung oder gar Diskriminierung älterer Arbeitskräfte ist in vielerlei Hinsicht kontraproduktiv. Sie kann nur überwunden werden, indem sich die Einstellung der gesamten Gesellschaft wandelt. Altern wird immer noch zu sehr aus der Defizitperspektive betrachtet, ohne die Stärken älterer Personen zu berücksichtigen, die sich schon in einem langen Arbeitsleben bewährt haben. Es ist höchste Zeit, überkommene Altersstereotype zu überwinden; sonst lassen sich weder der Arbeitskräftemangel bewältigen noch die Erwerbstätigkeit Älterer weiter steigern.

  • 1 Wie in der Literatur wird auch im Folgenden die Gruppe der Älteren nicht einheitlich abgegrenzt, sondern orientiert sich im Wesentlichen an den unterschiedlichen Abgrenzungen in den verfügbaren Befragungen und Statistiken, die zum Teil sogar schon 45-Jährige zu den Älteren zählen.
  • 2 In Deutschland liegt zwar die Verbleibsquote Älterer in Beschäftigung über dem Durchschnitt der OECD-Länder, aber ihre Einstellungsquote deutlich unter dem OECD-Durchschnitt (Walwei, 2024).
  • 3 Diskriminierungsdefinitionen anderer Disziplinen werden von Beigang et al. (2017) erörtert.
  • 4 So findet z. B. eine ökonometrische Studie der Fehlerquote in einem Lkw-Werk, dass die durchschnittliche Produktivität eines Fließbandarbeiters bis mindestens zum Alter von 60 Jahren nicht abnimmt. Dies ist vor allem auf die Erfahrung älterer Arbeitskräfte zurückzuführen, die zwar nicht weniger, aber weniger schwerwiegende Fehler machen als jüngere Arbeitskräfte (Börsch-Supan & Weiss, 2016).
  • 5 So erhöhte eine derartige Informations- und Marketingkampagne der Arbeitsagentur Potsdam mit dem Titel „Juwel Berufserfahrung“ 2011 die lokale Beschäftigungsquote von Arbeitskräften im Alter von 50 bis 59 Jahren um mehrere Prozentpunkte (Homrighausen & Lang, 2024).
  • 6 Erfolgreicher scheint hier z. B. Neuseeland zu sein, das sich einer konsequenten und öffentlich wahrnehmbaren Antidiskriminierungspolitik samt Öffentlichkeitsarbeit pro Arbeit von Älteren verschrieben hat und damit im OECD-Vergleich überdurchschnittlich hohe Einstellungsquoten von älteren Arbeitskräften verzeichnet (Walwei, 2024).
  • 7 Dementsprechend fühlen sich auch 63 % der befragten Erwerbstätigen über 45 Jahren von derartigen Jobangeboten nicht angesprochen (o. V., 2022).

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Title:Age Discrimination Despite Labour Shortage?

Abstract:The increasing labour shortage in Germany is bringing the employment of older workers into focus. Although their employment rate has increased, older people find it more difficult to get a job and experience discrimination when looking for work. In some companies, the outdated stereotype that older people are less productive still seems to prevail. On the other hand, companies predominantly report positive experiences with newly hired older workers. In order to increase the labour market opportunities of older people, the state needs to intensify its labour market and anti-discrimination policies, and employers and job seekers must adapt their behaviour.

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DOI: 10.2478/wd-2025-0113