Das Trump-Regime greift die unabhängige Wissenschaft in den USA auf mindestens vier Ebenen an: 1) Willkürliche Kürzungen von Drittmitteln, die bereits vom Kongress genehmigt und von unabhängigen Gremien der Wissenschaft zugeteilt waren; 2) unkontrollierte Regulierung gegen (real existierenden) Antisemitismus auf US-Campi – übrigens eine Maßnahme, die zuvor von den Demokraten genutzt wurde, um ihre Diversity, Equity & Inclusion (DEI) Agenda durchzusetzen; 3) Besteuerung der Erträge aus den Stiftungsvermögen privater Universitäten sowie die Androhung der Aberkennung des steuerrechtlichen Status als gemeinnützige Institutionen; und 4), das am Ende schärfste Schwert, die Einwanderungspolitik, die im US-System nahezu ausschließlich in der Zuständigkeit der Exekutive liegt und die es den US-Universitäten nahezu unmöglich machen wird, ihre Talente global zu rekrutieren. Dieser vierfache Angriff auf die Wissenschaft passt zu anderen Politikmaßnahmen des Trump-Regimes wie die Attacken gegen die Kunst, die Presse und die Justiz, welche auf die Zerstörung wichtiger Säulen der liberalen republikanisch-demokratischen Grundordnung abzielen. Diese Politiken sind nicht nur antithetisch zur propagierten „America First“-Agenda, vor allem mit dem Angriff auf die Wissenschaft wird ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor der USA eventuell für immer zerstört, sondern sie werden auch die Geschwindigkeit des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts weltweit verlangsamen, denn es ist unwahrscheinlich, dass andere Länder diesen Ausfall zumindest kurz- und mittelfristig kompensieren. Selbst bei einem Erdrutschsieg der Demokraten bei den Wahlen in den Jahren 2026 und 2028 wird eine junge Wissenschaftlerin, die ihre Karriere in den USA beginnen könnte, abwägen, ob nicht in vier Jahren wieder ein trumpeskes Regime an die Macht kommt.
Was kann Deutschland tun? Zunächst einmal muss vor übertriebenen Erwartungen gewarnt werden. Die Vorstellung, Deutschland könne den Brain Drain von 1933 ff., unter dem sein Wissenschaftssystem heute immer noch leidet, jetzt schnell korrigieren, ist unrealistisch. Auch in Deutschland geht es politisch prekär zu, wenn ein gutes Fünftel der Wählerstimmen auf eine rechtsextremistische Partei entfallen, macht das den Wissenschaftsstandort Deutschland nicht attraktiver.
Erstens sollten sich Brain-Gain-Maßnahmen zunächst an diejenigen jungen Forscher:innen richten, die weltweit ohnehin vor einem Übergang stehen: fertige Bachelor- und Masterstudenten, Pre-Docs, PhD-Studenten, Post-Docs und Assistenzprofessoren. Diese Flüsse finden sowieso statt und sollten recht einfach nach Deutschland umleitbar sein. Meist ist auf diesen Karrierestufen die Mobilität höher. Hinzu kommt auch die schnöde Kalkulation, dass Nachwuchswissenschaftler:innen weniger pro Kopf kosten als etablierte Professor:innen.
Das bedeutet, zweitens, nicht, dass man nicht auch gezielt versuchen sollte, etablierte und renommierte Starprofessor:innen anzuwerben. Deutschlands strategischer Bedarf sollte die Richtung diktieren: Bereiche wie Militärtechnik, KI, Quantencomputing, Robotik, Steuerungs- und Regelungstechnik, Medizin- und Pharmaforschung. Die experimentelle und laborintensive Forschung in den USA sind besonders durch die Drittmittelkürzungen betroffen. Diese Maßnahme muss in Form eines gezielten Headhuntings organisiert werden. Hierfür ist eine agile Task Force aus dem Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt, der Hochschulrektorenkonferenz, dem Wissenschaftsrat und den Wissenschaftsgesellschaften erforderlich.
Drittens werden deutlich mehr finanzielle Mittel benötigt. Allein das Jahresbudget meiner relativ kleinen, privaten Universität betrug 2024 1,6 Mrd. US-Dollar, wogegen die Mittel etwa der Exzellenzinitiative vergleichsweise gering aussehen. Ist Deutschland wirklich bereit, statt Mütterrente und Gastronomiemehrwertsteuer mehr in die Wissenschaft zu investieren? Noch wichtiger wird es sein, die Verwaltungsverrechtlichung und Bürokratie der deutschen Universitäten zumindest partiell und lokal aufzuheben. Hier wird man Öffnungsklauseln und Reallabore brauchen, damit das deutsche Universitätssystem mittelfristig lernen kann, welche Regulierungen wirklich nötig sind.
Viertens braucht es genau das Out-of-the-Box-Denken, das, durchaus überraschend, Kulturstaatsminister Wolfram Weimer an den Tag legte, als er Harvard anbot, eine Dependance in Deutschland einzurichten. Dies ist eine niedrigschwellige Idee, für die Deutschland erst einmal nur großzügige Visaregeln bereitstellen müsste. Denn viele US-Eliteuniversitäten haben – aus den Hochtagen der Globalisierung – solche Dependancen bereits. Eine Kofinanzierung könnte das Angebot noch attraktiver machen. Das löst ein konkretes Problem, indem sie den vierten Schlag des Trump-Regimes gegen die Wissenschaft über die Einwanderungspolitik wenigstens partiell parieren.