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Um die Verteilung der Kosten der Energiewende wird eine intensive politische Debatte geführt. Diese beruht darauf, dass eine zunehmende Divergenz der Netztarife zwischen den Bundesländern zu beobachten ist. In der Tarifspreizung wird eine ungerechte Lastenverteilung der Kosten der Energiewende gesehen. Dieser Artikel analysiert die Argumente im Kontext einer beschlossenen Tarifangleichung auf der Übertragungsnetzebene und zeigt Zusammenhänge einer Sozialisierung der Netzkosten auf.

In einzelnen, vor allem ostdeutschen, Bundesländern sind die Netzentgelte vergleichsweise hoch.1 Zum Teil sind die Unterschiede in den Netzentgelten auf den stets wachsenden Anteil erneuerbarer Energien bei der Elektrizitätserzeugung zurückzuführen. Die Kosten für den Anschluss von Erneuerbare-Energien-Anlagen werden nur regional verteilt, während der regional erzeugte erneuerbare Strom auch überregional verbraucht wird. Die derzeitige Allokation der Netzkosten erscheint somit unsachgerecht. Aus diesem Grund werden die zu beobachtenden Tarifunterschiede als eine ungerechte Verteilung der Lasten der Energiewende empfunden. Als Konsequenz hat der Bundestag in der letzten Sitzungswoche der Legislaturperiode mit dem Netzmodernisierungsgesetz (NEMoG) einen bundesweiten Ausgleich der Kosten auf der Übertragungsnetzebene beschlossen.2 Er geht hiermit auf eine vom Bundesrat gestützte Initiative der nord- und ostdeutschen Länder ein. Die Angleichung der Übertragungsnetzentgelte soll von 2019 bis 2023 in fünf Stufen erfolgen, sodass ab 2023 die Übertragungsnetzentgelte bundesweit einheitlich sein werden.

Im aktuellen Netzentgeltsystem werden die vom Netzbetreiber (auf Basis der Anreizregulierungsverordnung) ermittelten Kosten Top-Down auf die einzelnen Netz- bzw. Umspannungsebenen verteilt und über eine sogenannte Gleichzeitigkeitsfunktion in Arbeits- und Leistungspreise zerlegt.3 Dabei werden Einspeiser an den Netzkosten nicht beteiligt (Ausspeiseprinzip). Unterschiedlich hohe Netzausbaukosten führen im Status quo zu einer regional differenzierten Entwicklung der Netzentgelte.

Verteilungspolitische Einschätzungen

Die verteilungspolitischen Folgen einer Angleichung der Netzentgelte auf der Übertragungsnetzebene werden in zwei Studien näher untersucht.4 Die Studie der Technischen Universität Dresden5 vergleicht die Auswirkungen eines Ausgleichs der Übertragungsnetzentgelte für zwei ausgewählte Jahre (2014, 2024). Bei einer gemeinsamen Betrachtung aller Endkunden würden im perspektivisch relevanten Jahr 2024 Bremen, Schleswig-Holstein und Bayern am umfänglichsten profitierten. Weitere Gewinner wären Hamburg und Niedersachsen sowie Berlin und die neuen Bundesländer. In Hessen würden sich die Be- und Entlastungen weiter aufwiegen. Verlierer blieben Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Die Verteilungseffekte betragen -0,22 ct/kWh bis +0,20 ct/kWh (vgl. Abbildung 1).

In der Studie vom EWI6 werden die Verteilungswirkungen netzgebietsbezogen ausgewiesen. Sie zeigt, dass bei Anwendung die Angleichung zu einer höheren Belastung der Verbraucher in den Regelzonen der Netzbetreiber TransnetBW und Amprion führt. In den Regelzonen der Betreiber TenneT und 50Hertz werden die Verbraucher entlastet.

Abbildung 1
Regionale Auswirkungen einer Übertragungsnetz­umlage, 20241
Regionale Auswirkungen einer Übertragungsnetz­umlage, 2024

BB = Brandenburg, BE = Berlin, BW = Baden-Württemberg, BY = Bayern, HB = Bremen, HE = Hessen, HH = Hamburg, MV = Mecklenburg-Vorpommern, NI = Niedersachsen, NW = Nordrhein-Westfalen, RP = Rheinland-Pfalz, SH = Schleswig-Holstein, SL = Saarland, SN = Sachsen, ST = Sachsen-Anhalt, TH = Thüringen. 1 Mehr- und Minderbelastung verglichen mit dem Status quo.

Quelle: Darstellung auf Basis der Studie der Technischen Universität Dresden, vgl. D. Möst, F. Hinz, M. Schmidt, C. Zöphel: Kurzgutachten zur regionalen Ungleichverteilung der Netznutzungsentgelte – Bestandsaufnahme und pragmatische Lösungsansätze, Dresden 2015.

Vor allem Endverbraucher auf hohen Spannungsebenen, d.h. Industrieunternehmen, würden be- bzw. entlastet. Der Verteilungseffekt ist deutlich höher als für Haushalte und zunehmend mit der Spannungsebene verknüpft. Industrieunternehmen auf Höchstspannungsebene erfahren die größten, Haushalte und kleine Gewerbe auf Niederspannungsebene die kleinsten Veränderungen. Die absoluten Veränderungen für die auf der Übertragungsnetz- bzw. Hochspannungsebene (Netzebenen 1 und 3) angeschlossenen Industrieunternehmen bewegen sich 2017 in einer Bandbreite von -4,8 Mio. Euro bis +5,1 Mio. Euro. Für Haushalte ergeben sich Bandbreiten von -9 Euro bis +11 Euro. Insofern hat eine Angleichung eine industriepolitische Komponente, da es vor allem in Nordrhein-Westfalen eine Häufung energieintensiver Branchen gibt. Von den Befürwortern einer Anpassung wird im Kontext der Verschiebungen argumentiert, dass es zu einer Angleichung unterschiedlicher Rahmenbedingungen kommt.7


Determinanten der Netzkosten

Grundsätzlich ist zu konstatieren, dass die wesentlichen Einflussfaktoren auf die Netzkosten strukturelle Parameter sind, z.B. die Netzstruktur, die Besiedlungsdichte oder die Investitionszyklen (Netzalter). Die durch die Energiewende bedingten Netzkosten werden vor allem durch den Zubau von Erneuerbare-Energien-Anlagen notwendigen Erweiterungsmaßnahmen determiniert. Die Abbildung 2 zeigt die Kostendeterminanten der Übertragungsnetzbetreiber. Die Kosten für das Engpassmanagement, die in den letzten Jahren drastisch zugenommen haben, sowie für Offshore-Anbindungen sind eindeutig der Energiewende zuzurechnen. Während die Kosten für die Offshore-Anbindungen bereits heute bundesweit gewälzt werden, tragen die einzelnen Übertragungsnetzbetreiber die Kosten für das Engpassmanagement. Diese Kosten fallen somit netzgebietsbezogen an, wobei zu beachten ist, dass sie lediglich die „Ersatzkosten“ für das fehlende Onshore-Netz darstellen. Wird das Netz vollständig ausgebaut, werden sich die Kostenpositionen verschieben, vom Engpassmanagement hin zum Onshore-Netz.

Bei einem alle Netzebenen umfassenden Vergleich der Netzentgelte aus einem Zeitraum vor Beginn des starken Zubaus erneuerbarer Energien mit dem aktuellen Niveau zeigt sich ferner, dass die heutigen Entgeltunterschiede bereits zu einem großen Teil zu dieser Zeit bestanden.8 Allerdings ist festzustellen, dass der Ausbau erneuerbarer Energien bereits zu einer gewissen Zunahme der Entgeltunterschiede geführt hat, die sich relevant verstärken werden, vor allem aufgrund von Ausbauten auf den Netzebenen 1 bis 3. Die zukünftige Kostenzunahme betrifft verstärkt auch die weiteren Verteilnetzebenen (Netzebenen 5 bis 7). So sollen 90% der Erneuerbarer-Energien-Anlagen auf der Verteilnetzebene angeschlossen werden.

Abbildung 2
Kostenstruktur der deutschen Übertragungsnetz­betreiber in Summe

Quelle: 50Hertz: Netzentgelte im Strombereich, 2017.

Ein lastflussbasiertes Wälzungssystem

Grundsätzlich stellt sich die Frage, weshalb die Verteilung der Netzkosten heute nicht mehr als ausreichend verursachungsgerecht anzusehen ist und gegebenenfalls zur Verzerrung der Nachfrage nach Elektrizität führen kann. Zurückzuführen ist der Umstand auf den gegenwärtigen Kostenwälzungsmechanismus. Die heutige vertikale Kostenwälzung ist zunehmend weniger kompatibel mit einer umfassenderen Dezentralisierung der Erzeugung und geografisch zunehmender Divergenz von Erzeugung und Verbrauch. Historisch hat diese Wälzungsform aber gute Dienste geleistet, indem sie die Kosten verursachergerecht gewälzt hat. Vor dem verstärkten Ausbau erneuerbarer Energien waren Erzeugung und Verbrauch mehrheitlich innerhalb einer Regelzone zu beobachten. Dabei war die Erzeugung in den höheren Spannungsebenen angeschlossen, während die Mehrzahl der Endkunden in der Niederspannung versorgt wurde. Damit fand der Lastfluss tatsächlich von „oben nach unten“ statt. Die Tatsache, dass sich der Zustand von Erzeugung und Verbrauch geändert hat und sich in Zukunft noch weiter ändern wird, führt zu neuen Herausforderungen an das System der Kostenallokation.

Um eine ausreichend verursachergerechte Allokation der Netzkosten auch in Zukunft zu gewährleisten, ist das gegenwärtige Lastflussprinzip anzupassen. Es muss ermöglicht werden, dass die Netzkosten dem tatsächlichen Lastfluss folgen und nicht nur in einer vorgegebenen Richtung gewälzt werden. Dies bedeutet, dass die Richtung des Lastflusses entscheidend für die Wälzung der Netzkosten wird – unabhängig davon, ob die Netzbetreiber horizontal oder vertikal verbunden sind.

Dies sei an einem Beispiel erklärt: Entnimmt 50Hertz Leistung aus der Regelzone von TenneT, so fallen dafür Netzentgelte an. Kommt es dagegen zur Rückspeisung aus dem unterliegenden Netz ins Übertragungsnetz von 50Hertz, sind ebenfalls Entgelte fällig. Würde man dabei die heutige Entgeltsystematik in Deutschland ansetzen, müsste sich 50Hertz in beiden Beispielen an den Kosten der benachbarten Netze beteiligen, da 50Hertz in beiden Fällen einen Lastfluss aus dem benachbarten Netzen übernimmt. Die Kostenwälzung folgt damit dem veränderten Lastfluss und die Kosten auf der Verteilnetzebene werden bei Rückspeisung weitergereicht und bei Weitertransport kostenmäßig in eine andere Regelzone übergeben.

Die Idee einer lastflussbasierten Kostenwälzung muss weiter vertieft und in Fallstudien konkretisiert werden. Zu untersuchen sind dabei auch unterschiedliche Ausgestaltungsoptionen, z.B. in Bezug auf die Lastfluss- und Kostenwälzungsrichtung oder die konkrete Tarifgestaltungsform. Beim Letzteren stellt sich auch die Frage nach einer geeigneten Kombination aus Leistungs- und Arbeitsentgelten bei der Kostenwälzung, da ein erheblicher Anteil der Netzkosten in der mittleren Frist fix und durch die Leistung bestimmt ist. Zudem wäre in einem solchen Kontext auch die grundsätzliche Verursachergerechtigkeit des derzeitigen Ausspeiseprinzips zu reflektieren.

Wie auch schon das heutige Netzentgeltsystem wäre eine Wälzung nach einem geeignet dimensionierten Lastflussprinzip ein nationales Instrument. Transit- und Ringflüsse durch das deutsche Übertragungsnetz müssen also bei der Kostenallokation vernachlässigt werden. Zudem hätte ein neues Wälzungsprinzip auch das Potenzial, europaweit eingeführt zu werden, da im Winterpaket der Europäischen Kommission ein kostenorientiertes und verursachergerechtes Netzentgeltsystem verlangt wird.9

Die deutsche Politik hat sich gegenwärtig jedoch für eine andere Lösung entschieden, nämlich für die der bundeseinheitlichen Übertragungsnetzentgelte (unter sonstiger Beibehaltung des gegenwärtigen Wälzungssystems). Argumentiert wird bei dem neuen Sozialisierungselement mit einer fairen Verteilung der Energiewendekosten. Im Vergleich zu einem verursachungsgerecht ausgestalteten neuen Wälzungssystem gewährleisten nivellierte Netzentgelte auf der obersten Netzebene verbunden mit dem Status quo auf den unterliegenden Netzebenen nicht notwendigerweise eine verursachergerechte Kostenallokation. Der Fokus liegt eher auf einer geografisch gleichmäßigen Kostensozialisierung – soweit politisch tragfähig. Dabei wird vernachlässigt, dass die durch die Energiewende bedingten Netzkosten einen zwar zunehmenden Kostenanteil, aber nicht die Gesamtnetzkosten abbilden (vgl. auch Abbildung 2). Allerdings entspricht die getroffene Entscheidung weitestgehend einem gesellschaftlichen Konsens vorab der Festlegung grundlegend neuer Kostenwälzungsprinzipien.

Anreizwirkung der gefundenen politischen Lösung

Die Netzentgelte in Deutschland unterliegen der Anreizregulierung. Über einen Ausgleich auf der Übertragungsnetzebene wird das System auf Verteilnetzebene nicht berührt, da die Kostenpositionen des vorgelagerten Netzes durchgereicht werden.10 Von Bedeutung sind somit primär die Anreizeffekte auf der Übertragungsnetzebene. Innerhalb einer Anreizbetrachtung ist es zentral, dass eine Kostenverantwortung im Rahmen der Erlösobergrenzenregulierung erhalten bleibt. Eine Kostenkontrolle der Übertragungsnetzebene erfolgte in der letzten Regulierungsperiode durch die Anwendung eines internationalen Benchmarkings, in dem die Netzbetreiber gegenüber einem geeigneten Kostenvergleichswert bewertet wurden. Gegenwärtig wird eruiert, ob ein Referenznetzansatz zur Effizienzprüfung angewendet werden soll. Boni und Mali aus dem Anreizsystem würden damit prinzipiell erhalten bleiben. Sollte das Effizienzbenchmarking Schwächen aufweisen, erhöhen bundeseinheitliche Übertragungsnetzentgelte eventuell das Risiko von Ineffizienzen.

Baukostenzuschüsse als ergänzendes Instrument?

Durch die Energiewende bedingte Netzkosten werden vor allem durch den Anschluss von dezentralen Erzeugungsanlagen verursacht. Die Kosten dafür tragen gegenwärtig ausschließlich die Verbraucher in der Anschlussregion des jeweiligen Verteilnetzbetreibers. Komplementär zu den bundeseinheitlichen Übertragungsnetzentgelten empfehlen Büchner et al. im Rahmen der wirtschaftlichen Steuerung des Netzausbaus speziell die Einführung von Baukostenzuschüssen für Einspeiser, mit denen eine verursachergerechtere Allokation der durch erneuerbare Energien bedingten Netzausbaukosten erfolgen könne.11 Analog zu bereits bestehenden Baukostenzuschüssen für die Verbraucher ist die Idee von Baukostenzuschüssen für Einspeiser, dass die Investoren von Erneuerbare-Energien-Anlagen die mit dem Anschluss dieser Anlagen verursachten Netzerweiterungskosten in Form einer Einmalzahlung (partiell) tragen.

Die Einführung solcher Beiträge würde zwei grundsätzliche Vorteile mit sich bringen. Zum einen führen Baukostenzuschüsse dazu, dass die mit einer Investition einhergehenden standortspezifischen Netzausbaukosten bei der Standortwahl entscheidungsrelevant werden. Durch die Internalisierung der Netzkosten wird eine effektive und effiziente Koordinierung zwischen Einspeisung und Netz ermöglicht, die bislang vollkommen fehlt. Zum anderen werden die von Neuanlagen verursachten Netzerweiterungskosten nicht mehr regional gewälzt. Die bisherige Entwicklung von geografisch zunehmend divergenten Netzentgelten im Verteilnetz, die vor allem auf die Erneuerbare-Energien-Anlagen zurückzuführen ist, ließe sich hierdurch stoppen.

Mit der Einführung von Baukostenzuschüssen wird die Rentabilität der Erzeugungsanlagen beeinflusst. Daher bestünde der Anreiz, einen Standort mit geringen Baukostenzuschüssen für den Anschluss der Erneuerbare-Energien-Anlagen zu suchen. Hierdurch könnte der Strom aus erneuerbaren Energien günstiger erzeugt und im Rahmen des Auktionierungsverfahrens entsprechend günstiger angesetzt werden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich durch die Berücksichtigung der Baukostenzuschüsse bei der Gebotsabgabe die Kosten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) erhöhen würden. Dies impliziert eine bundesweite Wälzung der durch den Zubau von erneuerbaren Energien bedingten Netzausbaukosten. Eine resultierende Erhöhung der EEG-Sätze mag ein politisches Problem darstellen, da die heutige Belastung schon eine psychologische Grenze erreicht hat. Allerdings werden diese Kosten meist über 20 Jahre abgeschrieben, sodass in der Praxis nur eine geringe Erhöhung der EEG-Sätze zu erwarten sein dürfte. Bei Baukostenzuschüssen ist grundlegend auf eine einheitliche und transparente Regelung zu achten. Eine Benachteiligung der Neuanlagen gegenüber den bestehenden Anlagen ist aufgrund der Wälzungsmöglichkeit nicht ersichtlich.

Eine Einführung von Baukostenzuschüssen kann parallel zu den beschlossenen bundeseinheitlichen Netzentgelten erfolgen. Sie führt dazu, dass die Energiewende bezogenen Netzkosten im Verteilnetz, die vor allem durch neue Erneuerbare-Energien-Anlagen verursacht sind, verursachergerecht allokiert werden. Die zunehmende geografische Divergenz der Netzentgelte wird dadurch gestoppt. Baukostenzuschüsse auf der Verteilernetzebene werden nach dem regionalen Netzausbaubedarf unterschiedliche Höhen aufweisen. Bei einer groben Schätzung der von Erneuerbare-Energien-Anlagen verursachten Netzkosten in Bezug auf die historischen Netz­erweiterungskosten ergeben sich Baukostenzuschüsse in einer Höhe von ca. 400 Euro/kW installierte Leistung. Die durchschnittlichen Baukostenzuschüsse dürften allerdings geringer ausfallen, da in der Schätzung die Kosten auch für die Ersatzinvestitionen enthalten sind.

Abschließende Bemerkungen

Die Lösung in letzter Minute vor den Bundestagswahlen ist vor den erwähnten strukturellen Einflussfaktoren als ein pragmatischer Ansatz zu sehen. Er gewährleistet allerdings weder eine umfassende verursachergerechte Kostenallokation noch verfolgt er ein ökonomisches Prinzip effizienter Bepreisung. Dafür erscheint er relativ einfach umsetzbar und kann als fair empfunden werden, zumal eine weitere Spreizung der Netzentgelte zu einer (verteilungs-)politischen Schieflage führen könnte.12 Aus den Verteilungseffekten der Maßnahme ist abzuleiten, dass vor allem industrielle Nutzer stärker betroffen sind, eingeschränkter hingegen die Haushalte, die im politischen Fokus zu sein scheinen. Wichtig bei dieser Kostensozialisierung ist, dass ein effektives Effizienzbenchmarking und auch eine wirksame Kostenprüfung auf der Übertragungsnetzebene stattfinden. Dies gewährleistet, dass eine Kostensozialisierung nicht zu einer schwindenden produktiven Effizienz führt, weil die Eigenverantwortung der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber für ihre Kosten erhalten bleibt.

Eine ökonomisch empfehlenswertere Alternative wäre eine Weiterentwicklung des Wälzungsmechanismus. Dabei könnten die Netzkosten beispielsweise dem Lastfluss folgen. Dadurch wäre die Beschränkung auf eine vertikale Wälzung aufgehoben. Allerdings muss ein solcher Ansatz noch weiter ausgearbeitet und auf Praxistauglichkeit geprüft werden. Insofern erscheint die gefundene pragmatische politische Lösung ein zum heutigen Zeitpunkt vertretbarer Konsens, auch da die Anpassung vorsichtig in mehreren Stufen bis zum Jahr 2023 erfolgt.

Bei einer Bewertung der diskutierten Anpassung erscheint es ebenfalls sinnvoll, die weitere Entwicklung der Netzentgeltsystematik mitzubeachten, da der Ausgleich einen Teil der Gesamtsystematik bildet. Eine grundlegende Reform der Netzentgeltsystematik ist mit dem NEMoG nicht erfolgt. Bei neuen Tarifelementen erscheint im Rahmen der Netzausbausteuerung und einer verursachergerechten Allokation der energiewendebedingten Kosten auf der Verteilnetzebene die Einführung von Baukostenzuschüssen überlegenswert. Baukostenzuschüsse ermöglichen die Koordinierung zwischen Netz und Einspeisung und damit letztlich einen effizienteren Netzausbau. Zudem führen Baukostenzuschüsse zu einer verursachergerechten Allokation der Netzkosten, wodurch die zunehmende Divergenz der Verteilnetzentgelte gemildert wird. Als komplementäres Instrument zu den bundeseinheitlichen Übertragungsnetzentgelten erscheint die Einführung nicht komplex zu sein, da Baukostenzuschüsse für Verbraucher bereits implementiert sind.

  • 1* Dieser Artikel stellt die persönliche Ansicht der Autoren dar und ist insbesondere nicht als eine fachliche Bewertung des Bundesamtes für Energie zu sehen. Zur Entwicklung der Stromnetzentgelte vgl. Bundesnetzagentur: Bericht Netzentgeltsystematik, Bonn 2015, S. 23 ff.
  • 2 Bundestagsdrucksache, Nr. 18/11528/1299.
  • 3 Die Verteilung erfolgt über den Gleichzeitigkeitsgrad. Dieser gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit welcher die individuelle Einzelhöchstlast eines Netznutzers an der zeitgleichen Jahreshöchstlast der Spannungsebene beteiligt ist.
  • 4 Dabei ist vorab anzumerken, dass schon heute die Kosten für die Offshore-Netzanbindung und die Onshore-Erdkabel sozialisiert werden.
  • 5 D. Möst, F. Hinz, M. Schmidt, C. Zöphel: Kurzgutachten zur regionalen Ungleichverteilung der Netznutzungsentgelte – Bestandsaufnahme und pragmatische Lösungsansätze, Dresden 2015.
  • 6 EWI Energy Research & Scenario: Kurzstudie: Bundesweite Vereinheitlichung von Netzentgelten auf Übertragungsnetzebene, Köln 2016.
  • 7 In der Stromwirtschaft gibt es sieben Netzebenen. Die ungeraden Netzebenen umfassen den Transport und die Verteilung, jeweils mit einer unterschiedlichen Spannung: Netzebene 1 – Höchstspannung (Übertragungsnetz), Netzebene 3 – Hochspannung, Netzebene 5 – Mittelspannung und Netzebene 7 – Niederspannung (lokale Verteilung). Auf den geraden Netzebenen (2, 4, 6) findet die Transformation der Spannung statt (Umspannungsebenen).
  • 8 Vgl. Consentec: Angleichung der Netzentgelte Strom infolge EE-bedingten Netzausbaus, Abschlussbericht zur Untersuchung im Auftrag der Thüringer Energie und Greentech-Agentur (TheGa), Aachen 2016, S. 16 ff.
  • 9 Europäische Kommission: Europäisches Semester 2017: das Winterpaket im Überblick, Brüssel, 22.2.2017, http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-17-309_de.htm (19.10.2017).
  • 10 Zu diesen Posten zählen die vorgelagerten Netzentgelte auf der Übertragungsnetzebene wie auch in der neuen Anreizregulierungsverordnung die Kosten eines Einspeisemanagements.
  • 11 Agora Energiewende: Neue Preismodelle für Energie. Grundlagen einer Reform der Entgelte, Steuern, Abgaben und Umlagen auf Strom und fossile Energieträger, Berlin 2017; bzw. J. Büchner, P. Hörnig, V. Nikogosian, M. Sundkötter, K. Thielmann, P. Wolffram: Energiewirtschaftliche Tagesfragen, 2016, H. 3, S. 2 ff.
  • 12 Dabei ist zu beachten, dass der regionale Netzausbau zu teils rein regional anfallendem Nutzen führt.

Title:The Distribution of Energy Transition Network Costs – Merely a Question of Fairness?

Abstract:In Germany there is an intensive debate regarding the allocation of the network costs caused by the German energy transition (“Energiewende”). The discussion is mainly driven by the growing divergence of network tariffs among the federal states. This article analyses the actual reform of the cost allocation for transmission system operators and suggests a possible general change in the system of cost allocation for the calculation of network fees. Furthermore, it shows additional possibilities to increase the cost orientation within the tariffs for electricity distribution.


DOI: 10.1007/s10273-017-2227-x

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