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Die Europäische Union steht ausländischen Direktinvestitionen bislang sehr offen gegenüber, entsprechend sind in hohem Maße Direktinvestitionen ausländischer Investoren zugeflossen. Doch das könnte sich ändern. Im September 2017 legte die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der EU vor, der derzeit das reguläre Gesetzgebungsverfahren durchläuft. Noch für 2018 wird ein Abschluss des Verfahrens angestrebt. Ziel des Verordnungsentwurfs ist es, die Eingriffsbefugnisse der Mitgliedstaaten bei Direktinvestitionen aus Drittstaaten zu stärken. Dies spiegelt auch die Sorge vor einem Ausverkauf europäischer Unternehmen und deren technologischen Know-hows an vornehmlich chinesische Investoren. Sind diese Sorgen berechtigt und braucht die EU einen stärkeren Schutz vor ausländischen Investoren? Oder handelt es sich hierbei um Protektionismus, der Grundprinzipien der Marktwirtschaft unterminiert und den europäischen Volkswirtschaften letztlich zum Schaden gereicht?

Als Auslandsdirektinvestitionen (ADI) bezeichnet man Kapitalexporte durch Unternehmen eines Landes in ein anderes Land, um dort Betriebsstätten oder Tochterunternehmen zu errichten (sogenannte Greenfield Investments) oder Beteiligungen an ausländischen Unternehmen zu erwerben, die es erlauben, die Unternehmenspolitik des Zielunternehmens maßgeblich und langfristig zu beeinflussen (sogenannte Mergers & Acquisitions-Transaktionen, M&A-Transaktionen). Nach internationaler Konvention wird ab einer Beteiligungshöhe von 10 % an den Gesellschaftsanteilen der Zielgesellschaft von einem maßgeblichen Einfluss des Investors ausgegangen.1 In den entwickelten Volkswirtschaften finden etwa 80 % aller ausländischen Direktinvestitionen in Form von M&A-Transaktionen statt.2

Die Europäische Union steht solchen Direktinvestitionen ausländischer Unternehmen bislang sehr offen gegenüber. Nach dem von der OECD veröffentlichten FDI Regulatory Restrictiveness Index3 verfügt sie derzeit über eine der weltweit offensten Regulierungsregime für ausländische Direktinvestitionen.4 In den Jahren 2015 und 2016 flossen weltweit die meisten Direktinvestitionen in die EU, mehr als z. B. nach Nordamerika (vgl. Abbildung 1).5

Ende des Jahres 2015 betrug der Bestand an ausländischen Direktinvestitionen, die der EU aus Drittstaaten zugeflossen sind, über 5,7 Billionen Euro. Zur gleichen Zeit haben europäische Investoren einen Bestand von 6,9 Billionen Euro an Direktinvestitionen in Drittstaaten akkumuliert.6 Haben die Volkswirtschaften der EU vom Zufluss an Auslandsdirektinvestitionen profitiert?

Die ökonomische Forschung geht davon aus, dass der Zustrom von ausländischen Direktinvestitionen positive Wachstumseffekte im Zielland auslöst. Die dahinter liegenden Wirkungskanäle sind vielfältig und komplex. So führen Investoren aus Drittstaaten ihren Beteiligungsunternehmen frisches Kapital zu, die es diesen ermöglicht, in neue Anlagen zu investieren. Ausländische Direktinvestitionen tragen somit im Zielland zur Kapitalakkumulation bei. Häufig wird bei einer Direktinvestition auch technologisches und unternehmerisches Know-how des investierenden Unternehmens auf das Tochterunternehmen übertragen, was dieses wettbewerbsfähiger macht. Der Technologietransfer bleibt dabei oft nicht auf das Tochterunternehmen begrenzt, sondern es treten Spillover-Effekte auf, z. B. wenn auch Zulieferfirmen von den neuen Technologien profitieren. Durch die Auslandsinvestoren wird zudem Druck auf die anderen Unternehmen des Marktes im Zielland ausgeübt, ihre Technologie und Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Letztlich kann hierdurch das Produktivitätswachstum einer Volkswirtschaft befördert werden.

Abbildung 1
Zuflüsse von Direktinvestitionen in die EU nach Weltregionen, 2014 bis 2017
Zuflüsse von Direktinvestitionen in die EU nach Weltregionen, 2014 bis 2017

Quelle: UNCTAD: UNCTAD World Investmentreport 2018, Annex Tables.

Ausländisches Beteiligungskapital kann also über Kapitalakkumulation und Produktivitätsfortschritt zum Wirtschaftswachstum im Zielland beitragen. In einer Vielzahl von Studien wurde versucht, die Wachstumseffekte von ausländischen Direktinvestitionen empirisch zu bestimmen. Zwar variieren die Ergebnisse der Studien, jedoch weist die Mehrzahl der empirischen Studien auf einen signifikant positiven Zusammenhang zwischen Direktinvestitionen und Wirtschaftswachstum hin.7 Legt man diese Überlegungen zugrunde, so dürften Europas Volkswirtschaften von den zufließenden Direktinvestitionen bislang profitiert haben.8 Es ist also ökonomisch rational, dass die EU ausländischen Direktinvestitionen bislang offen gegenübersteht.

Gründe für politische Initiativen zur verschärften Kontrolle von Direktinvestitionen in Europa

Es gibt derzeit sowohl auf Unionsebene als auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten Bestrebungen, Direktinvestitionen aus Drittstaaten stärker als bisher zu kontrollieren. Was sind die Gründe für diese politischen Initiativen zur intensiveren Analyse und Überprüfung von Direktinvestitionen in der EU?

Die Kernmotivation dafür kann recht anschaulich einem Brief entnommen werden, den die Wirtschaftsminister Deutschlands, Frankreichs und Italiens im Februar 2017 an EU-Handelskommissarin Malmström geschrieben haben.9 In dem Schreiben stellen die drei Wirtschaftsminister fest, dass in den letzten Jahren mehr und mehr europäische Unternehmen mit Schlüsseltechnologien von Nicht-EU-Unternehmen aus strategischen Gründen übernommen worden seien. Gleichzeitig bekämen europäische Investoren in den Herkunftsländern nicht die gleichen Investitionsfreiheiten eingeräumt, wie sie ausländische Unternehmen auf dem europäischen Markt genössen. Folglich beklagen die Minister die fehlende Reziprozität beim Marktzugang und befürchten einen Ausverkauf europäischen Know-hows an Investoren aus Drittstaaten. Die Wirtschaftsminister fordern, die Europäische Kommission solle politische Maßnahmen ergreifen, um diesen Herausforderungen angemessen zu begegnen.

Auch wenn die Wirtschaftsminister in ihrem Schreiben kein Land explizit ansprechen, so ist recht offensichtlich, dass sie vornehmlich China im Auge haben. Denn während die europäischen Volkswirtschaften chinesischen Investoren freien Marktzugang für Direktinvestitionen gewähren, wird der Marktzugang für europäische Investoren in China von vielfältigen regulativen Hürden erschwert. Noch heute müssen in manchen Industriezweigen europäische Investoren Joint-Ventures mit einem chinesischen Partner gründen, um überhaupt eine Investitionserlaubnis zu erhalten. Bei diesen Joint-Ventures wurde in der Vergangenheit von den chinesischen Partnern nicht selten der Schutz geistigen Eigentums missachtet und technologisches Know-how abgezogen. Auf den chinesischen Märkten werden ausländische Unternehmen im Vergleich zu einheimischen Unternehmen zudem oft diskriminiert. Der FDI Regulatory Restrictiveness Index zeigt, dass China noch immer über eines der weltweit restriktivsten Regime bei ausländischen Direktinvestitionen verfügt.10 Europäische Unternehmen, die in China investiert sind, beklagen eine Verschlechterung der Rahmenbedingungen in jüngster Zeit. In einer Umfrage der Europäischen Handelskammer gaben 54 % ihrer Mitglieder an, sie fühlten sich in China im Vergleich zu ihren heimischen Wettbewerbern benachteiligt.11 Die Wirtschaftsminister haben daher Recht, wenn sie fehlende Reziprozität beim Marktzugang für Direktinvestitionen und ungleiche Wettbewerbsbedingungen europäischer Unternehmen auf den chinesischen Märkten beklagen.

Wie steht es um den Aspekt eines möglichen Ausverkaufs europäischen Know-hows an Investoren aus Drittstaaten, speziell aus China? Seit Anfang des neuen Jahrtausends ist die Zahl von Übernahmen europäischer Unternehmen durch Investoren aus China, aber auch aus anderen Schwellenländern, deutlich angestiegen. China war 2016 nach den USA der zweitgrößte Auslandsinvestor weltweit: chinesische Unternehmen haben über 196 Mrd. US-$ im Ausland investiert (vgl. Abbildung 2). Seit 2006 haben sich die jährlichen Direktinvestitionen aus China etwa verzehnfacht.12 2017 haben chinesische Investoren insgesamt 57,6 Mrd. US-$ in europäische Unternehmen investiert. Auf deutsche Unternehmen entfielen dabei 13,7 Mrd.

Abbildung 2
Direktinvestitionen chinesischer Unternehmen im Ausland
Direktinvestitionen chinesischer Unternehmen im Ausland

Quelle: UNCTAD: UNCTAD World Investmentreport 2018, Annex Tables.


US-$ (vgl. Abbildung 3).13 Der Anstieg der Direktinvestitionen chinesischer Unternehmen spiegelt zum einen wider, dass diese – wie viele Unternehmen in aller Welt – eine Internationalisierungsstrategie verfolgen. Sie suchen über M&A-Transaktionen im Ausland den Zugang zu attraktiven Absatzmärkten, zukunftsträchtigen Technologien und qualifizierten Arbeitskräften. In Europa konzentrierten sich chinesische Investoren auf den Zukauf von Unternehmen in den Bereichen Maschinenbau, Informations- und Kommunikationstechnologie und öffentliche Infrastruktur (z. B. Energie, Stromnetze, Häfen).14 Bemerkenswert ist auch der deutliche Anstieg von Unternehmenskäufen im Bereich der Spitzentechnologie.15 In einer Studie der Bertelsmann-Stiftung wird festgestellt, dass seit dem chinesischen Regierungswechsel 2013 eine deutliche Zunahme von M&A-Transaktionen, insbesondere in technologieintensiven Branchen sowie ein zunehmendes Engagement von Staatsunternehmen, die direkt der Zentralregierung unterstehen, zu beobachten seien.16 Die Investments chinesischer Unternehmen folgen dabei zu einem beträchtlichen Teil den industriepolitischen Strategien „Going-Global“ bzw. „Made in China 2025“ der chinesischen Zentralregierung.17 Danach möchte China im 21. Jahrhundert nicht mehr nur die „Werkbank der Welt“ sein. Die chinesischen Unternehmen sollen vielmehr in den globalen Wertschöpfungsketten aufsteigen. Das bedeutet, sie sollen nicht mehr nur als Zulieferer von westlichen Firmen fungieren, sondern zur technologischen Weltspitze aufschließen und Innovationsführerschaft anstreben. Im Jahr 2015 hat die chinesische Regierung Schlüsselindustrien definiert, in denen China künftig weltweit führend sein möchte. Dazu zählen unter anderem die Bereiche computergesteuerte Maschinen und Industrieroboter, Autos mit alternativer Antriebstechnik sowie Biomedizin und Medizingeräte. Die chinesische Regierung sieht den Zukauf von Unternehmen mit Zukunfts- und Schlüsseltechnologien aus Industrieländern als geeigneten Weg an, um ihre industriepolitischen Ziele zu erreichen.18 Es ist also davon auszugehen, dass strategische Unternehmenskäufe in Europa durch chinesische Investoren künftig eher noch zunehmen werden.

Abbildung 3
Unternehmenszukäufe oder -beteiligungen chinesischer Unternehmen in Deutschland
Unternehmenszukäufe oder -beteiligungen chinesischer Unternehmen in Deutschland

Quelle: Ernst & Young: Chinesische Unternehmenskäufe in Europa. Eine Analyse von M&A-Deals 2006-2017, Januar 2018.

Der strategische Blick ausländischer – vor allem chinesischer – Investoren auf europäische Unternehmen in den Bereichen Schlüsseltechnologien und kritische Infrastrukturen wirft nicht nur Fragen hinsichtlich der Gefährdung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung auf, sondern hat bei vielen europäischen Politikern auch einen Verlust der Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit der europäischen Wirtschaft befürchten lassen. Zunehmend ist deshalb die Frage in den Mittelpunkt gerückt, ob der gegenwärtige Rechtsrahmen für die Überprüfung von ausländischen Direktinvestitionen ausreicht.

Der EU-Rechtsrahmen zur Überprüfung von ausländischen Direktinvestitionen

Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Kommission am 13. September 2017 einen Vorschlag für eine Verordnung über die Schaffung eines Rechtsrahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Europäischen Union vorgelegt.19 Damit soll die Überprüfung von Unternehmenskäufen durch ausländische Investoren in bestimmten Bereichen erstmals auf EU-Ebene geregelt werden. Viele Länder außerhalb der EU haben ebenfalls solche Investitionskontrollverfahren etabliert, unter anderem die USA, Kanada, China, Indien, Japan und Australien.20

Deutschland gehört zu den Ländern in der EU, die bereits ein Prüfverfahren etabliert haben. Aktuell wird eine Verschärfung der Investitionskontrolle im Außenwirtschaftsrecht vorbereitet, wonach ausländische Investitionen künftig bereits bei einer Beteiligung von 15 % an den Stimmrechten in einem Unternehmen überprüft werden können; bislang lag die Schwelle bei 25 %. Erst 2017 hatte Deutschland sein Investitionsprüfverfahren verschärft. Gegenwärtig führen neben Deutschland weitere elf der 28 EU-Staaten ein Überprüfungsverfahren für ausländische Firmenbeteiligungen durch: Österreich, Dänemark, Finnland, Frankreich, Lettland, Litauen, Italien, Polen, Portugal, Spanien und Großbritannien.21 Die Investitionskontrollverfahren der EU-Mitgliedstaaten unterscheiden sich teils deutlich hinsichtlich Regulierungsumfang und -design.22 Der Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission strebt daher eine Harmonisierung der Investitionskontrollverfahren in den Mitgliedsländern an. Durch den einheitlichen Rechtsrahmen werden grundlegende Anforderungen, die den Überprüfungsmechanismen der Mitgliedstaaten gemeinsam sein sollen, definiert. Der Verordnungsentwurf sieht aber keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einführung einer Investitionskontrolle vor.

Anknüpfungspunkt für die Überprüfung von Direktinvestitionen in EU-Staaten ist laut Verordnungsentwurf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung. Der Verordnungsentwurf benennt Kriterien, bei deren Vorliegen eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung drohen kann; in diesen Fällen sollen Mitgliedsländer Direktinvestition eines ausländischen Investors überprüfen:23

  • Gibt es durch die ausländische Direktinvestition Auswirkungen auf kritische Infrastrukturen in dem Mitgliedstaat (z. B. in den Bereichen Energie, Verkehr, Kommunikation, Datenspeicherung)?
  • Betrifft die ausländische Direktinvestition Unternehmen, die kritische Technologien (z. B. in den Bereichen künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter) betreiben und bereitstellen?
  • Bezieht sich die Direktinvestition auf kritische Ressourcen des Mitgliedslandes, die die Versorgungssicherheit in der EU gefährden könnten?
  • Richtet sich die Direktinvestition auf europäische Unternehmen, die Zugang zu sensiblen Informationen haben?

Bei der Feststellung, ob durch eine Investition die öffentliche Sicherheit oder Ordnung beeinträchtigt wird, kann auch berücksichtigt werden, ob der ausländische Investor von der Regierung kontrolliert wird.24

Der Verordnungsentwurf legt wesentliche verfahrensrechtliche Regelungen fest, die die Mitgliedstaaten bei der Schaffung bzw. Änderung nationaler Regelungen zur Investitionskontrolle zu beachten haben. Kontrollverfahren müssen danach transparent ausgestaltet werden. Investoren müssen z. B. in der Lage sein, sich ex ante über die Verfahren der Investitionsprüfungen zu informieren. Sollte ein Mitgliedsland eine Unternehmensbeteiligung untersagen, müssen Investoren eine gerichtliche Überprüfung beantragen können. Schließlich soll eine Diskriminierung zwischen Investoren aus unterschiedlichen Ländern verhindert werden.25

Bei der Überprüfung von ausländischen Direktinvestitionen soll ein EU-Kooperationsmechanismus angewendet werden. Ein Mitgliedstaat, der ein ADI-Überprüfungsverfahren aufnimmt, hat die Europäische Kommission sowie die übrigen Mitgliedstaaten über das betreffende Investitionsvorhaben zu informieren. Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben, sofern sie ihre öffentliche Sicherheit oder Ordnung betroffen sehen. Eine Stellungnahmebefugnis steht auch der Kommission zu. Die Entscheidungskompetenz darüber, ob eine Übernahme untersagt werden soll, verbleibt zwar bei den einzelnen Mitgliedstaaten. Diese haben aber bei ihrer Entscheidung die Stellungnahmen von Kommission und Mitgliedstaaten angemessen zu berücksichtigen.26

Ökonomische Bewertung

Wie fällt aus ökonomischer Perspektive die Bewertung des Verordnungsentwurfs aus? Zunächst ist zu konstatieren, dass Kontrollverfahren für Direktinvestitionen einen erheblichen Eingriff des Staates in das Privateigentum und die Vertragsfreiheit darstellen. Im Rahmen eines solchen Verfahrens kann eine Regierung die Beteiligung oder die Übernahme eines europäischen Unternehmens durch einen ausländischen Investor verhindern. Dies ist ein deutlicher Eingriff in die Verfügungsgewalt der Unternehmenseigner, denn diese können nicht mehr frei über ihr Unternehmen – ihr Eigentum – disponieren. Sie stehen vielmehr unter dem Zustimmungsvorbehalt der Regierung.27 Ferner stellen Investitionsüberprüfungen eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar. Solche Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern sind gemäß europäischem Recht eigentlich verboten. Investitionskontrollen durch den Staat bedürfen daher einer sorgfältigen Begründung.

Eine ordnungspolitisch vertretbare – zudem weltweit akzeptierte – Begründung für staatliche Eingriffe stellt der Schutz der öffentlichen Ordnung und der Sicherheit dar.28 Der Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission folgt dieser Idee.29 Damit bewegt sich der Verordnungsentwurf der Kommission in den konventionellen Grenzen von WTO- und OECD-Regularien für Investitionskontrollverfahren.30 Unstrittig dürfte sein, dass staatliche Investitionsüberprüfungen bei sicherheitsrelevanten Unternehmen notwendig sind. Dazu zählen Hersteller oder Entwickler von Kriegswaffen und anderen militärischen Schlüsseltechnologien. Auch das deutsche Außenwirtschaftsrecht sieht besondere Investitionsprüfungsregeln für den Erwerb von Unternehmen, die in solchen sicherheitssensiblen Bereichen tätig sind, vor.31 Ordnungspolitisch vertretbar erscheinen auch Überprüfungen von Beteiligungen und Übernahmen von Unternehmen im Bereich kritischer Infrastrukturen. In Deutschland werden dazu Unternehmen aus den Bereichen Energie (z. B. Kraftwerke, Energienetze), Informationstechnik und Telekommunikation (z. B. Telefonnetze, Rechenzentren), Transport und Verkehr (z. B. Flughäfen), Wasser und Ernährung gezählt. Aufgrund von sicherheitspolitischen Erwägungen, ihrer erheblichen Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen und mit Blick auf die Versorgungssicherheit im Krisenfall kann man rechtfertigen, dass Übernahmen von Unternehmen im Bereich kritischer Infrastrukturen geprüft werden und EU-Staaten gegebenenfalls zu der Auffassung gelangen, dass sie kritische Infrastrukturen nicht unter dem Einfluss von Investoren aus Drittstaaten sehen möchten, die noch dazu unter staatlichem Einfluss stehen.32

Ordnungspolitisch bedenklicher wäre es dagegen, wenn künftig ausländische Direktinvestitionen zur Wahrung rein wirtschaftlicher Belange überprüft und gegebenenfalls untersagt würden. Eine solche Gefahr besteht möglicherweise bei den sogenannten kritischen Technologien, zu denen der Verordnungsentwurf der Kommission beispielsweise die Bereiche künstliche Intelligenz, Robotik und Halbleiter zählt. Sicherlich können solche Technologien auch sicherheits- und verteidigungspolitisch relevant sein. Und insofern ist es sinnvoll, dass Unternehmensübernahmen bei kritischen Technologien auch unter dem Aspekt der Gefährdung von Sicherheit und öffentlicher Ordnung geprüft werden können. Aber besteht nicht die Gefahr, dass es künftig zu Untersagungen von Unternehmensübernahmen im Bereich der Schlüsseltechnologien kommt, die mit Gefahren für die Sicherheit und öffentlichen Ordnung begründet werden, tatsächlich aber industriepolitisch motiviert sind? Bei denen es in Wahrheit um den Schutz technologischen Know-hows europäischer Unternehmen geht respektive um die Wahrung des technologischen Vorsprungs in der EU? Die Wirtschaftsminister Deutschlands, Frankreichs und Italiens hatten in dem oben erwähnten Brief an die EU-Handelskommissarin ja genau vor einem Ausverkauf europäischen Know-hows an Investoren aus Drittstaaten gewarnt und die Europäische Kommission aufgefordert, dieser Gefahr zu begegnen. Und in einer Studie des Mercator Institute for China Studies, die den hier diskutierten Politikprozess maßgeblich beeinflusst hat, wird die Idee aufgeworfen, die Investitionskontrolle auf staatlich gelenkte Erwerbe von Hightech-Unternehmen in der EU auszudehnen, um einen Technologietransfer in Drittstaaten, z. B. nach China, blockieren und so eine Erosion der technologischen Wettbewerbsvorteile Europas verhindern zu können.33

Solche industriepolitisch motivierten Untersagungen von Direktinvestitionen dürften von anderen Ländern als Investitionsprotektionismus gewertet werden. Die EU könnte hierdurch nicht nur ihre Glaubwürdigkeit als Verfechter offener und freier Märkte gefährden. Es bestände darüber hinaus die Gefahr, dass andere Länder zu Gegenmaßnahmen greifen, also ihrerseits höhere regulative Barrieren für Direktinvestitionen errichten.34 Dies wäre ausgesprochen nachteilig für die europäische, insbesondere auch die deutsche Industrie, die sehr stark über Handel und Direkt­investitionen mit dem Ausland verwoben ist und davon sehr profitiert. Es verwundert daher nicht, dass sich die Industrieverbände bislang sehr deutlich gegen eine restriktivere Investitionskontrolle aussprechen.35 Darüber hinaus muss die Frage diskutiert werden, ob und inwieweit die Europäische Union bei einem Unternehmenserwerb im Bereich Spitzentechnologie durch einen ausländischen Investor Gefahr läuft, Technologie und damit Zukunftsfähigkeit einzubüßen. Die Gefahr ist dann eher als klein zu veranschlagen, wenn es auf dem europäischen Markt mehrere Unternehmen gibt, die über die relevante oder zumindest substituierbare Technologie verfügen. Es spricht viel dafür, dass die Investitionskontrolle in Europa keinen industriepolitischen Zielen folgen, sondern einen engen Fokus auf die Prüfung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung legen sollte.36

Folgt man der Auffassung, dass die Einführung von Investitionskontrollverfahren gerechtfertigt werden kann, um Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit abzuwehren, so stellt sich als nächstes die Frage nach der konkreten Ausgestaltung der Investitionskontrollverfahren. Oben wurde darauf verwiesen, dass von ausländischen Direktinvestitionen signifikant positive Effekte auf das Wirtschaftswachstum ausgehen. Das Investitionskontrollverfahren sollte daher so ausgestaltet werden, dass sich das Investitionsumfeld möglichst nicht verschlechtert, negative Wachstumswirkungen also möglichst vermieden werden.

Die Einführung neuer oder die Verschärfung bestehender Investitionsprüfmechanismen in den Mitgliedsländern der EU kann jedoch dazu führen, dass M&A-Deals mit größeren Unsicherheiten und höheren Kosten für Investoren verbunden sind. Unsicherheiten könnten bei den Investoren etwa hinsichtlich der Frage aufkommen, ob der geplante Beteiligungserwerb gegebenenfalls bei den Behörden meldepflichtig ist bzw. ex post noch untersagt werden kann. Steigende Kosten könnten auf die Investoren zukommen, weil der Prüfprozess der Behörden erhebliche Zeit in Anspruch nehmen kann.37 Dies gilt umso mehr, wenn künftig laut Verordnungsentwurf auch andere Mitgliedsländer und die Europäische Kommission in das Verfahren einbezogen werden sollen. Die Investitionskontrolle könnte sich so wegen lang dauernder und komplexer Verfahren zu einer erheblichen regulatorischen Hürde für ausländische Investoren entwickeln. Gegebenenfalls könnte dies auch Rückwirkungen auf die Finanzierung von M&A-Deals haben. Im Ergebnis könnte mancher M&A-Deal nicht zustande kommen und insgesamt weniger Direktinvestitionen nach Europa fließen. Dies wiederum hätte negative Folgen für Wachstum und Beschäftigung in Europa.

Um diese unerwünschten negativen Wirkungen zu mindern, ist bei der konkreten Ausgestaltung des EU-Rahmens für eine Investitionsüberprüfung darauf zu achten, die Investoren nicht über Gebühr zu verunsichern und die regulierungsbedingten Kosten nicht unnötig in die Höhe zu schrauben. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten die Verfahren der Investitionskontrolle möglichst regelbasiert, transparent und diskriminierungsfrei ausgestaltet sein. Es ist daher positiv zu werten, dass die Verfahrensvorschriften im Verordnungsentwurf darauf ausgelegt sind, in allen EU-Mitgliedstaaten transparente und diskriminierungsfreie Investitionskontrollverfahren sicherzustellen. Die Umsetzung dieser EU-Vorgabe läge sicher auch im Interesse ausländischer Investoren.

Problematischer erscheint das geplante Kooperationsverfahren im Verordnungsentwurf, das es erforderlich macht, die anderen Mitgliedstaaten und die EU-Kommission in ein Investitionskontrollverfahren zu involvieren. Natürlich kann es sein, dass eine Unternehmensübernahme in einem Land der EU auch sicherheitspolitische Fragen in anderen EU-Ländern berührt. Insofern ist eine stärkere Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission bei der Investitionskontrolle durchaus sinnvoll. Andererseits dürfte das Kooperationsverfahren aber die Dauer der Kontrollverfahren in die Länge ziehen. Zudem spielt bei M&A-Transaktionen das Thema Vertraulichkeit eine große Rolle. Je mehr Institutionen in einen Prüfprozess involviert werden müssen, desto schwieriger dürfte es werden, vertrauliche und sensible Informationen der Investoren zu schützen. Diese Aspekte gilt es sorgfältig abzuwägen.

Schlussbetrachtung

Da die Überprüfung von ausländischen Direktinvestitionen in den EU-Mitgliedstaaten bislang sehr unterschiedlich geregelt ist, ist das Anliegen der Europäischen Kommission, mit dem Verordnungsentwurf die Investitionskontrollverfahren in den Mitgliedsländern zu harmonisieren, durchaus verständlich. Inhaltlich sollte sich die Überprüfung von Direktinvestitionen auf die Fälle beschränken, bei denen Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit drohen. Darüber hinaus muss Europa für ausländische Direktinvestitionen offen bleiben, denn sie fördern Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Industriepolitisch motivierte Untersagungen von Direktinvestitionen etwa im Bereich der Spitzentechnologien, die keinen unmittelbaren Bezug zu nationaler Sicherheit und öffentlicher Ordnung aufweisen, sollten dagegen auch künftig unterbleiben. Sie dürften von anderen Ländern als Investitionsprotektionismus gewertet und mit Gegenmaßnahmen beantwortet werden. Dies wäre sehr nachteilig gerade für die deutsche Industrie.

Bei der konkreten Ausgestaltung des EU-Rahmens für eine Investitionsüberprüfung sollte darauf geachtet werden, dass mögliche negative Folgen der Regulierung durch transparente, vertrauenswürdige und diskriminierungsfreie Investitionskontrollverfahren minimiert werden. Ziel der EU-Institutionen ist es, bis Ende 2018 zu einer Einigung über die Verordnung zur Investitionskontrolle in der EU zu kommen. Es bleibt zu hoffen, dass es den europäischen Institutionen gelingt, eine angemessene Balance zwischen möglichst weitgehender Investitionsfreiheit und notwendigem Regulierungsumfang zu finden und am Ende einen wohl austarierten EU-Rahmen für die Investitionskontrolle auf den Weg zu bringen.

  • 1 Zum Begriff der ausländischen Direktinvestitionen siehe auch OECD: OECD Benchmark Definition of Foreign Direct Investment, Paris 2008.
  • 2 Vgl. T. H. Moran: CFIUS and National Security: Challenges for the United States, Opportunities for the European Union, Peterson Institute for International Economics, Washington 2017, S. 3.
  • 3 Vgl. OECD: FDI Regulatory Restrictiveness Index, http://www.oecd.org/investment/fdiindex.htm (18.10.2018).
  • 4 Vgl. European Commission: Foreign Direct Investment – An European Screening Framework, S. 1; vgl. F. Thomson, F. Mistura: Is investment protectionism on the rise? Evidence from the OECD FDI Regulatory Restrictiveness Index, Paris 2017.
  • 5 Vgl. M. Braml et al.: Ausländische Direktinvestitionen auf einen Blick – Der UNCTAD World Investment Report 2017, in: ifo-Schnelldienst, 70. Jg. (2017), H. 16, S. 16-24.
  • 6 Vgl. European Commission: Welcoming Foreign Direct Investment while Protecting Essential Interests, Brüssel 2017.
  • 7 Vgl. hierzu z. B. G. Baldi, J. Miethe: Ausländische Direktinvestitionen und Wirtschaftswachstum, DIW Roundup: Politik im Fokus, Nr. 71, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin 2015; vgl. M. Almfrajia, M. Almsafirc: Foreign Direct Investment and Economic Growth – Literature Review from 1994 to 2012, in: Procedia – Social and Behavioral Sciences, 129. Jg. (2014), S. 206-213; vgl. S. Contessi, A. Weinberger: Foreign direct investment, productivity, and country growth: an overview, in: Federal Reserve Bank of St. Louis Review, 91. Jg. (2009), H. 2, S. 61-78.
  • 8 Vgl. European Commission: Welcoming Foreign Direct Investment..., a. a. O., S. 2.
  • 9 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/S-T/schreiben-de-fr-it-an-malmstroem.html (27.8.2018).
  • 10 Vgl. hierzu die OECD-Website http://www.oecd.org/investment/fdiindex.htm (12.11.2018); vgl. F. Thomson, F. Mistura, a. a. O.
  • 11 Vgl. o.V.: Marktzugang in China – EU-Unternehmen warnen vor neuen Hürden, in: Handelsblatt vom 19.9.2017.
  • 12 Vgl. UNCTAD: UNCTAD World Investmentreport 2018, Annex Tables.
  • 13 Vgl. Ernst & Young: Chinesische Unternehmenskäufe in Europa. Eine Analyse von M&A-Deals 2006-2017, Januar 2018.
  • 14 Vgl. G. Felbermayr: EU-Handels- und Investitionspolitik, in: Wirtschaftsdienst, 98. Jg. (2018), Sonderheft 13, S. 38.
  • 15 Vgl. European Commission: Foreign Direct Investment..., a. a. O., S. 2.
  • 16 Vgl. C. Jungbluth: Chance und Herausforderung – Chinesische Direktinvestitionen in Deutschland, GED-Studie der Bertelsmann-Stiftung, Gütersloh 2016.
  • 17 Vgl. hierzu ausführlich ebenda; vgl. J. Wübbeke et al.: Made in China 2025. The making of a high-tech superpower and consequences for industrial countries, MERICS Papers on China, Nr. 2, Berlin 2016.
  • 18 Vgl. ebenda.
  • 19 Vgl. Europäische Kommission: Verordnung zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Europäischen Union, Brüssel 2017.
  • 20 Vgl. European Commission: Welcoming Foreign Direct Investment..., a. a. O., S. 5.
  • 21 Vgl. ebenda, S. 7.
  • 22 Vgl. E. R. Sunesen, M. M. Hansen: Screening of FDI towards the EU, Kopenhagen 2017, S. 38 ff.
  • 23 Vgl. Europäische Kommission: Verordnung zur Schaffung eines Rahmens..., a. a. O., Artikel 4.
  • 24 Vgl. Europäische Kommission: Verordnung zur Schaffung eines Rahmens..., a. a. O., Artikel 4.
  • 25 Vgl. ebenda, Artikel 6.
  • 26 Vgl. ebenda, Artikel 8.
  • 27 So auch F. Schaeffler: Wie Deutschland sich durch Staatskapitalismus vor China schützen will, 2018, https://www.frankschaeffler.de/wie-deutschland-sich-durch-staatskapitalismus-vor-china-schuetzen-will/ (18.10.2018).
  • 28 Wie die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in unterschiedlichen nationalen Regulierungen und im internationalen Recht gebraucht werden vgl. OECD: Security-related Terms in International Investment Law and in National Security Strategies, Paris 2009.
  • 29 Vgl. Europäische Kommission: Verordnung zur Schaffung eines Rahmens..., a. a. O., Artikel 1.
  • 30 Vgl. S. Adams: Screen Tests: The EU’s proposed new framework for foreign investment, Global Council, London 2017.
  • 31 Die sektorspezifische Investitionsprüfung ist in §§ 4 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 3 Außenwirtschaftsgesetz (AWG), §§ 60 bis 62 Außenwirtschaftsverordnung (AWV) geregelt.
  • 32 Deutschland sieht im Rahmen der sektorübergreifenden Investitionsprüfung eine Meldepflicht für Beteiligungserwerbe von Betreibern einer kritischen Infrastruktur vor. Die sektorübergreifende Investitionsprüfung ist in den §§ 4 Abs. 1 Nr. 4, 5 Abs. 2 AWG und §§ 55 bis 59 AWV geregelt.
  • 33 Vgl. J. Wübbeke et al., a. a. O.; vgl. T. H. Moran, a. a. O., S. 17.
  • 34 Vgl. T. H. Moran, a. a. O., S. 17.
  • 35 Vgl. Bundesverband der Deutschen Industrie: Investitionskontrollen in Deutschland und Europa, Berlin 2018; Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau: EU-Rahmen zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen, Positionspapier März 2018; und Deutscher Industrie- und Handelskammertag: Auslandsinvestitionen: Die deutsche Wirtschaft profitiert von Offenheit, Pressemitteilung vom 12.4.2018.
  • 36 In diesem Sinne auch T. H. Moran, a. a. O., S. 17.
  • 37 Vgl. E. R. Sunesen, M. M. Hansen, a. a. O., S. 43 f.

Title:More stringent Foreign Direct Investment Control in the EU?

Abstract:Currently, there is no comprehensive legal framework at EU level to screen foreign direct investments (FDI) into the EU. In September 2017, the European Commission proposed a framework for screening foreign direct investments into the European Union. The reform will likely come into force at the end of 2018. This paper describes the political background and key concepts of the FDI screening framework and analyses potential economic effects of the new regulation.


DOI: 10.1007/s10273-018-2371-y

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