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Trotz stabiler Konjunktur und entlastender Maßnahmen von Bund und Ländern sind die kommunalen Investitionen weiterhin von großen Disparitäten geprägt. In Reaktion darauf verabschiedete der Bundestag 2015 das Kommunalinvestitionsförderungsgesetz und stockte die gewährten Finanzmittel 2017 noch einmal auf. Mit den Mitteln wurden erstmalig explizit finanzschwache Kommunen adressiert. Dieses Ziel kreierte jedoch neue föderale Koordinationsbedarfe und Konflikte, denn die Länder waren jeweils für die Definition der Finanzschwäche zuständig. Deren Definitionen variieren erheblich.

Spätestens im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise rückte die finanzielle Situation der Kommunen stärker in den Fokus der Bundesregierung. Die 17. und 18. Legislaturperiode erlebte eine Reihe bundespolitischer Maßnahmen mit dem Ziel, die Haushaltslagen der Kommunen zu verbessern; sei es über die Umschichtung von Anteilen der Gemeinschaftssteuern oder die Erstattung von Sozialausgaben, befristet oder unbefristet.1 Anfang 2015 wählte die Bundesregierung einen dritten Weg: die Förderung kommunaler Investitionen. Der Bund setzte damit gewissermaßen an den Folgen von Haushaltskrisen bzw. an ihrer Fortschreibung in die Zukunft an. Die Kofinanzierung von Investitionen per se hat eine durchaus längere Geschichte. Zu denken sei hier beispielsweise an die Gemeinschaftsaufgaben des Grundgesetzes, die Hilfen im Zuge der Hochwasser 2013 oder das Konjunkturpaket II.

Das Kommunalinvestitionsförderungsgesetz (KInvFG) wies jedoch einige Besonderheiten auf: Ausgehend von zunehmenden Disparitäten in den Haushaltslagen der Kommunen richtete es sich erstmals gezielt an finanzschwache Kommunen, denn hier vermutete der Bund den größten Investitionsbedarf und die größten Effekte. Der Kreis der begünstigten Kommunen bemaß sich im Gegensatz zu früheren Programmen nicht nach Region oder Fördergegenstand. Ausdrücklich war es Intention des Bundes, nicht etwa die kommunalen Investitionen in der Breite zu fördern, sondern explizit jene in den finanzschwachen Kommunen. Da die Mittel verfassungsrechtlich nicht direkt an die Kommunen fließen konnten, wurden in einem ersten Schritt Budgets für die Länder gebildet. Der historisch übliche Königsteiner Schlüssel war jedoch vor dem Hintergrund des Förderziels nicht sinnvoll. Der Bund gab daher einen neuen Verteilungsschlüssel vor, der über die Arbeitslosenzahl und die Kassenkredite zumindest teilweise die sozioökonomische Situation und Haushaltslage der Kommunen berücksichtigte.

In einem zweiten Schritt müssen die Ländermittel landesintern auf die finanzschwachen Kommunen verteilt werden. Wiederum aus verfassungsrechtlichen (nachgelagert aber auch aus sachlichen) Gründen konnte der Bund diese Kriterien nicht vorgeben. Sie stehen im Ermessen der Länder, die das Attribut „finanzschwach“ variabel interpretierten. Diese landesrechtlichen Ausgestaltungen stehen im Fokus des vorliegenden Beitrags.

Die Definition von „Finanzschwäche“ ist aus verschiedenen Aspekten von hohem Interesse: Zum einen ist wissenschaftlich keineswegs klar beantwortet, was dieser Begriff bedeutet und wie er zu definieren ist. In diesem Sinne versprechen die dem Föderalismus eigenen unterschiedlichen Definitionen einigen Mehrwert. Darüber hinaus bietet das KInvFG selbst im Zuge seiner späteren Ergänzung um Kapitel 2 einen nicht nur horizontalen, sondern auch zeitlichen Vergleich der landesrechtlichen Pfade in der Abgrenzung von „Finanzschwäche“. Die Relevanz dieser landesspezifischen Lösungen resultiert auch aus dem experimentellen Charakter des KInvFG. Denn die Bereitschaft des Bundes, zukünftige Finanzhilfen für die Kommunen zu leisten, wird wesentlich von den Erfahrungen aus diesem Gesetz beeinflusst werden.

Entstehung, Ziele und Inhalte des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes

Im Bundesdurchschnitt erholten sich die Kommunen relativ schnell vom tiefen Einbruch der Finanzkrise. Bereits 2012 war der bundesweite Finanzierungssaldo wieder positiv und sollte es auch in den Folgejahren bleiben. Ursache dieser Stabilisierung ist in erster Linie das starke Steuerwachstum, das die ebenso steigenden Ausgaben bis dato kompensiert. Gleichwohl gibt der bundesweite Finanzierungssaldo die Situation vieler Kommunen nur noch unzureichend wieder. Hinter den bundesweit guten Zahlen verbirgt sich ein wachsendes regionales bzw. interkommunales Gefälle. Die insgesamt positive Entwicklung wird vor allem durch die hohen Überschüsse in Bayern und Baden-Württemberg getragen. Andernorts existieren Haushaltskrisen jedoch trotz herausragender Konjunktur weiter fort. Indikatoren hierfür sind unter anderem das Niveau der Kassenkredite und der kommunalen Investitionen. Für beide Indikatoren ist dauerhaft eine erhebliche regionale Disparität zu beobachten.

Die Kassenkredite spiegeln, vereinfacht ausgedrückt, die Fehlbeträge der Vorjahre wider. Sie gelten (trotz möglicher Beeinflussungen durch das Zinsniveau) weiterhin als üblicher Krisenindikator.2 Nachdem sie im Zuge der Finanzkrise um die Hälfte gestiegen sind, stagnieren sie seit 2012 nahe der Grenze von 50 Mrd. Euro. Dass die Zahlen bundesweit nur stagnierten, muss vor dem Hintergrund landespolitischer Sondereffekte in Hessen und Niedersachsen kritisch gesehen werden.3 Gemessen an den Trends und dem Niveau der Kassenkredite auf der Ebene der 398 kreisfreien Städte und Gesamtkreise kann jeder fünften Kommune eine anhaltende Haushaltskrise attestiert werden.4 Die daraus resultierenden Einschränkungen der lokalen Haushaltspolitik haben zwangsläufig negative Effekte auf das Investitionsverhalten der Kommunen.5

Allgemein gilt das Niveau öffentlicher Investitionen seit über einer Dekade als zu gering, um den öffentlichen Kapitalstock zu erhalten.6 Zwar sind die Investitionen im Zuge der allgemeinen Entspannung gestiegen. Allerdings wird die Investitionshöhe ebenfalls maßgeblich durch die süddeutschen Kommunen geprägt. In der Summe der Jahre 2015 und 2016 investierten die Kommunen Bayerns pro Einwohner fast dreimal so viel wie jene in Sachsen-Anhalt oder dem Saarland.7 Da Investitionen elementar für die Infrastruktur und Standortqualität sind, fallen einige Kommunen in ihren Zukunftschancen immer weiter zurück. Für finanzschwache Kommunen ist es nahezu unmöglich, aus eigener Kraft den Sanierungsstau aufzulösen oder neue Infrastruktur aufzubauen. Es entstehen sich selbst verstärkende Zyklen des Auf- und Abstiegs.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen brachte die Bundesregierung im Frühjahr 2015 einen Gesetzentwurf zur Errichtung eines Sondervermögens über 3,5 Mrd. Euro ein.8 Dessen Aufgabe war es, Investitionen in finanzschwachen Gemeinden und Gemeindeverbänden zu fördern. Über diese erhöhte Investitionstätigkeit sollte ein Beitrag zum wirtschaftlichen Aufholprozess geleistet werden. Finanzschwäche wird im Zuge des Gesetzesvorhabens primär als Folge von Strukturschwäche interpretiert. Die allgemeine verfassungsrechtliche Grundlage dieses Förderprogramms berief sich auf Artikel 104b des Grundgesetzes (Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände). Die Politikfelder, in denen die Fördermittel durch die Kommunen verausgabt werden können, resultieren aus den legislativen Zuständigkeiten des Bundes nach dem Grundgesetz.

Die bundesweit zur Verfügung stehenden Mittel wurden über einen Schlüssel verteilt, der sich gleichberechtigt aus den Indikatoren Einwohnerzahl, Arbeitslose und Kassenkredite, jeweils als Durchschnittswerte der Jahre 2011 bis 2013, zusammensetzte. Die beiden letztgenannten Indikatoren nehmen Bezug auf das Förderziel „Finanzschwäche“. Die Heranziehung der Einwohnerzahl wurde damit begründet, dass es auch in insgesamt starken Ländern einzelne finanzschwache Kommunen gibt. Tatsächlich handelte es sich eher um einen politischen Kompromiss, denn bereits die Indikatoren Kassenkredite und Arbeitslosenzahl bewirken, dass kein Land leer ausgeht.

Tabelle 1 zeigt die Quoten, nach denen der Gesamtbetrag des Kapitels 1 des KInvFG auf die Flächenländer verteilt wurde. Aussagekräftiger sind die Werte je Einwohner, denn aus diesen wird sowohl die Spreizung zwischen den Ländern insgesamt als auch die Fokussierung deutlich. Bemerkenswert ist, dass die Kommunen Sachsens und Thüringens im bundesweiten Vergleich nach dem KInvFG nicht als finanzschwach gelten. Sie sind zweifellos steuerschwach. Steuerschwäche ist allerdings nicht gleichbedeutend mit Finanzschwäche, denn die kommunalen Einnahmen bauen auch auf weiteren Einnahmen, insbesondere Zuweisungen. In diesen beiden Ländern wirkt sich auch die strenge Politik bei den Kassenkrediten aus, was durchaus zu kritischen Diskussionen in Bezug auf diesen Indikator führte. Denn letztlich werden Länder (und Kommunen), die das Haushaltsrecht eingehalten haben und Kassenkredite – mitunter auch mit Hilfe von strengen Konsolidierungsvorschriften – begrenzen, mit geringeren Zuweisungen „bestraft“.

Tabelle 1
Verteilung der Mittel aus dem Kommunalinvestitions­förderungsgesetz auf die Länder
  2015 2017
Land Quote in % der Mittel Euro je Einwohner Quote in % der Mittel
Baden-Württemberg 7,077 23 7,178
Bayern 8,264 23 8,373
Brandenburg 3,084 43 2,925
Hessen 9,061 51 9,428
Mecklenburg-Vorpommern 2,265 49 2,149
Niedersachsen 9,358 41 8,251
Nordrhein-Westfalen 32,161 63 32,017
Rheinland-Pfalz 7,234 62 7,331
Saarland 2,152 76 2,057
Sachsen 4,450 38 5,083
Sachsen-Anhalt 3,168 49 3,327
Schleswig-Holstein 2,844 35 2,850
Thüringen 2,166 35 2,052
Summe 93,285 43 93,021

Anmerkung: Als dieser Artikel verfasst wurde, lagen die Einwohnerzahlen für 2017 noch nicht vor.

Quelle: KInvFG in der Fassung vom 14.8.2017 (BGBl. I, S. 3122).

Das Bundesgesetz und ebenso die daran anschließende Verwaltungsvereinbarung treffen keine Aussagen zur landesinternen Verteilung der Mittel. Begründet wird dies mit der zwischen den Ländern sehr unterschiedlichen kommunalen Finanzsituation. Aus diesen ergäben sich unterschiedliche Abgrenzungen von Finanzschwäche. Ein bundesweit einheitliches Kriterium sei daher nicht möglich. Es widerspräche auch der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes. Somit waren die Länder beauftragt, eigene Definitionen zu finden und diese dem Bund mitzuteilen.

Im Sommer 2017 und im Kontext eines Verhandlungspaktes zur Neuregelung des Bund-Länder-Finanzausgleichs ergänzte der Bund das Sondervermögen des KInvFG um weitere 3,5 Mrd. Euro (Kapitel 2). Wiederum folgten die Mittel dem Ziel, den infrastrukturellen Nachholbedarf finanzschwacher Kommunen abzubauen. Die Verwendung der Gelder war nun jedoch ausdrücklich auf schulische Infrastruktur begrenzt. Um diesen Förderbereich und die Fokussierung auf finanzschwache Kommunen zu ermöglichen, wurde die verfassungsrechtliche Grundlage in Artikel 104c GG neu geschaffen. Der Verteilungsschlüssel auf die Länder blieb unberührt. Da jedoch die Jahreszahlen der drei Indikatoren aktualisiert wurden, kam es zu Verschiebungen der quotalen Anteile der Länder auf die Jahre 2013 bis 2015. Die größte Veränderung war in Niedersachsen zu verzeichnen. Das Land verlor gut einen Prozentpunkt, was sich wesentlich aus dem zwischenzeitlich starken Abbau der Kassenkredite erklären lässt. Zu einem sichtbaren Anstieg der Quoten kam es in Hessen und Sachsen.

Wiederum waren die Länder beauftragt, für die landesinterne Verteilung der Mittel eigene Variablen zur Definition von Finanzschwäche zu finden. Dem Bund gelang es jedoch, das Spektrum dieser Variablen über die Verwaltungsvereinbarung, zumindest formal, einzugrenzen.

Definition der „Finanzschwäche“ in Kapitel 1 KInvFG

Kasten 1
Rechtsnatur der landesrechtlichen Umsetzung des Kommunalinvestitions­förderungsgesetz

Nicht nur die inhaltliche Umsetzung des KInvFG, sondern auch dessen Rechtsnatur standen im Ermessen der Länder. In fünf der 13 Länder wurden Gesetze verabschiedet. Die übrigen acht Länder wählten exekutive Rechtsnormen. Anzumerken ist jedoch, dass der Beschluss eines Gesetzes im Regelfall weitere Aktivitäten der obersten Landesbehörden auf dem Gebiet von Verwaltungsvorschriften oder Richtlinien nach sich zieht, um die Gesetzesziele umzusetzen. Diese Vorgehensweisen haben Konsequenzen, denn der Beschluss eines Gesetzes bedingt die entsprechenden legislativen Schritte in den Landtagen. Die Einbringung eines Gesetzentwurfs nebst ausführlicher Begründung, Diskussionen in den betroffenen Ausschüssen, Beteiligung der kommunalen Verbände sowie zumindest einer Debatte im Plenum. Der Prozess ist somit formell, langwieriger, aber transparent; nicht zuletzt über die offizielle Gesetzesbegründung. Im Gegensatz dazu existieren wenige zwingende Verfahrensvorgaben an den Erlass einer Verwaltungsvorschrift oder Richtlinie. Die Geschäftsordnungen sehen die Beteiligung der kommunalen Verbände vor. Ebenso muss ein solcher Rechtsakt formell veröffentlicht werden.

Fünf Länder wählten den Weg über ein formelles Gesetz zur Umsetzung von Kapitel 1: Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Thüringen. Damit war auch die Rechtsnatur zur Umsetzung des Kapitels 2 vorgegeben, denn das ursprüngliche Gesetz musste geändert werden, was wiederum eines legislativen Aktes bedurfte.

Die übrigen acht Länder trafen die Regelungen allein über Verwaltungsvorschriften, Richtlinien – teils nur über ministerielle Schreiben. Eine exakte formalrechtliche Abgrenzung zwischen Verwaltungsvorschrift und Richtlinie ist kaum möglich. Es handelt sich um Rechtsnormen mit Innenwirkung auf die Verwaltung im Zuge der Verwaltungshierarchie. Zuständig für die Veröffentlichung der Norm ist eine oberste Landesbehörde; überwiegend war das Finanzministerium aktiv (vier der acht Länder). Im Saarland und in Bayern ist es das Innenministerium infolge seiner Zuständigkeit für Kommunen. Interessant ist das Vorgehen in Schleswig-Holstein, das die Mittel für Kapitel 1 auf die energetische Sanierung von Schulen begrenzte. Somit war das Ministerium für Schule und Berufsbildung für den Erlass der Richtlinie zuständig. In Mecklenburg-Vorpommern war es das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung. In Bezug auf die Umsetzung des Kapitels 2 änderte sich die Rechtsnatur nicht – teils aber die erlassende oberste Landesbehörde. So wurde die Richtlinie z. B. in Baden-Württemberg gemeinsam von den Ministerien für Finanzen und Kultus erlassen.

Die Verwaltungsvereinbarung weist den Ländern über § 4 Absatz 1 der Verwaltungsvereinbarung zum KInvFG die Auswahl der finanzschwachen Kommunen zu, ohne weitere Vorgaben zu treffen. Der Vergleich der landesrechtlichen Umsetzung des KInvFG fokussiert, nicht zuletzt aus Gründen des Umfangs, auf das Kriterium „Finanzschwäche“. Gleichwohl bietet bereits ein Blick auf die Rechtsnatur der Umsetzung (vgl. Kasten 1) und die Art der Förderung (vgl. Kasten 2) interessante Differenzen.

Die Umsetzung des KInvFG in den Ländern bedingt zwei Schritte: Zum einen muss abgegrenzt werden, welche Kommunen finanzschwach sind. Daraufhin stellt sich die Frage, nach welchen Schlüsseln die Mittel unter diesen Kommunen verteilt werden. Davor muss allerdings noch entschieden werden, welche Kommunaltypen überhaupt antragsberechtigt sind. In den meisten Ländern sind dies Gemeinden und Kreise. In Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern sind nur Gemeinden antragsberechtigt; in Bayern auch die höheren Kommunalverbände (Bezirke).

Kasten 2
Vergabe der Fördermittel

Zur Vergabe der Mittel an die begünstigten Kommunen haben die Länder verschiedene Wege gewählt:

Die meisten Länder nutzten formelle Indikatoren (z. B. Einwohner, Schlüsselzuweisungen, Arbeitslose, Kassenkredite) zur Verteilung der Mittel und berechneten daraus einen Betrag, den die jeweilige Kommune im Sinne des Förderzwecks abrufen kann. Der Vorteil liegt in der Planbarkeit der Mittel und damit der Maßnahmen durch die Kommune und in der Transparenz der Verteilung. Der Verteilungskonflikt zwischen den Kommunen tritt hier vor Bekanntgabe der Rechtsnorm auf. Nachteilig kann sich auswirken, dass einigen Kommunen Beträge zur Verfügung gestellt werden, die sachlich im landesinternen Vergleich keinen prioritären Bedarf hätten. Auf der anderen Seite sind die Mittel für einzelne Kommunen auch in der Höhe begrenzt. Es findet keine inhaltliche Prüfung der Maßnahmen durch das Land statt.

Andere Länder behielten sich eine inhaltliche Prüfung und Auswahl der beantragten Maßnahmen vor. Dies kann landesweit zentral durch eine oberste Landesbehörde erfolgen, oder dezentral durch die Bezirke oder Kreise. In der dezentralen Option werden den entsprechenden Bezirken oder Kreisen Budgets zugewiesen, die sie auf ihre antragsberechtigten Kommunen bzw. bei den Kreisen auch auf sich selbst, verteilen können. Die Auswahl aus den vorliegenden Anträgen erfolgt jeweils unter Beteiligung eines Gremiums, in dem die kommunalen Verbände vertreten sind. Hier verlagert das Land potenzielle Konflikte auf untere Ebenen. Dezentrale Entscheidungen können für eine größere Ortskenntnis sprechen, bergen gleichzeitig jedoch auch Risiken der Intransparenz.

Tabelle 2 enthält die landesrechtlichen Antworten auf die oben genannten Fragen. Insgesamt finden sich in den 13 Ländern zwölf unterschiedliche Wege zur Feststellung der Finanzschwäche, wobei elf verschiedene Indikatoren genutzt werden. In den meisten Ländern werden mehrere Indikatoren herangezogen. Lediglich drei der 13 Länder fokussieren mit den Schlüsselzuweisungen allein auf einen Indikator (Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Thüringen), was gleichbedeutend mit der weitesten Definition von Finanzschwäche ist. Am anderen Ende der Skala der Komplexität liegt das Saarland, das drei Indikatoren gewichtet. Schlüsselzuweisungen sind allgemein das häufigste Merkmal (vier Länder), gefolgt von landesspezifischen Sanierungshilfen (drei Länder) und unterdurchschnittlichen Steuereinnahmen (drei Länder). Einige Länder schließen abundante Kommunen explizit aus. In anderen Ländern bringt dies die Orientierung an den Schlüsselzuweisungen mit sich.

Rheinland-Pfalz und das Saarland orientieren sich an den drei Indikatoren des Bundes. Die damit inbegriffene Arbeitslosenzahl spielt auch in Baden-Württemberg und Hessen eine Rolle. Einen eigenen Weg geht Mecklenburg-Vorpommern, wo im Zuge der Kommunalaufsicht seit einigen Jahren ein mehrdimensionales Bewertungssystem der Haushaltslagen praktiziert wird. Dessen Ergebnisse werden nun zur Bestimmung der Finanzschwäche herangezogen. Schleswig-Holstein wählte die engste Abgrenzung begünstigter Kommunen. Zum einen waren hier infolge des landespolitisch gesetzten Förderzwecks nur Schulträger zugelassen, zum anderen nur solche, deren Haushaltsnot über die Teilnahme an Hilfsprogrammen und Sondertransfers bereits attestiert war.

Tabelle 2
Bestimmung finanzschwacher Kommunen nach Kapitel 1 und 2 des Kommunalinvestitions­förderungsgesetzes
Finanzschwäche nach Kapitel 1 KInvFG Finanzschwäche nach Kapitel 2 KInvFG
Brandenburg  
Die verfügbaren Mittel werden aufgeteilt: 70 % Gemeinden und 30 % Kreise. Finanzschwache Gemeinden haben 2012 bis 2014 mindestens zwei pflichtige Haushaltssicherungskonzepte oder überdurchschnittliche Kassenkredite. Finanzschwache Kreise können darüber hinaus auch 2012 bis 2014 mindestens zweimal eine überdurchschnittliche Arbeitslosenquote ausweisen. Unter den finanzschwachen Gemeinden werden die Mittel nach Einwohnerzahl verteilt. Unter den Landkreisen werden die Mittel zu je einem Drittel anhand der Kriterien Dreijahresschnitt der Einwohner, Kassenkreditbestand und Arbeitslosenzahl verteilt. Als finanzschwach gilt eine Gemeinde oder ein Kreis, wenn sie im Durchschnitt der Jahre 2014 bis 2016 • je Einwohner überdurchschnittliche Schlüsselzuweisungen erhalten und • überdurchschnittlich viele Arbeitslose je Einwohner aufzuweisen hatte. Ein Amt oder ein Zweckverband gilt als finanzschwach, wenn innerhalb seiner Mitgliedsgemeinden mehr als die Hälfte seiner Einwohner (Stichtag 30.6.2016) in finanzschwachen Gemeinden wohnhaft ist. Die Höhe der Förderung richtet sich nach der jeweiligen Schülerzahl.



Baden-Württemberg  
Als finanzschwach betrachtet werden Gemeinden mit unterdurchschnittlicher Steuerkraft und/oder überdurchschnittlicher Arbeitslosenzahl. Die Höhe der gemeindeindividuellen Zuwendung wird je hälftig nach unterdurchschnittlicher Steuerkraft und überdurchschnittlicher Arbeitslosenzahl ermittelt. Von allen Land- und Stadtkreisen, die Schulträger sind, sind die 50 % förderfähig, die • 2013 bis 2015 im Vergleich die jeweils höchsten durchschnittlichen Sozialhilfenettoausgaben je Einwohner und • in einem der Jahre 2013 bis 2015 Schlüsselzuweisungen erhalten haben. Von allen Gemeinden, die Schulträger sind oder mit Schulen in freier Trägerschaft, sind die 50 % der jeweiligen Größenklasse förderfähig, • deren Deckungsquote aus dem Finanzbedarf im Verhältnis zur Steuerkraft im Durchschnitt der Jahre 2014 bis 2016 innerhalb ihrer jeweiligen Größenklasse am geringsten war und • die in einem der Jahre 2014 bis 2016 Schlüsselzuweisungen erhalten haben. Die verfügbaren Mittel werden im Verhältnis der Schülerzahlen verteilt.





Bayern  
Gemeinden, Landkreise und Bezirke müssen eines der Kriterien erfüllen: • Durchschnittliche Finanzkraft je Einwohner 2011 bis 2013 unter dem Landesdurchschnitt der Gemeindegrößenklasse oder der jeweiligen Gruppe der Landkreise oder Bezirke und Lage im Raum mit besonderem Handlungsbedarf; • durchschnittliche Finanzkraft je Einwohner 2011 bis 2013 unter dem Landesdurchschnitt der Gemeindegrößenklasse oder der jeweiligen Gruppe der Landkreise oder Bezirke und Schuldenstand je Einwohner am 31. Dezember 2013 über dem Landesdurchschnitt der Gemeindegrößenklasse oder der jeweiligen Gruppe der Landkreise oder Bezirke; • Empfänger von Stabilisierungshilfen 2014 oder 2015; • negativer Saldo der freien Finanzspannen in den drei Jahren vor Antragstellung. Das Landeskontingent wird nach einem Schlüssel auf die sieben Bezirksregierungen verteilt.




Antragsberechtigt sind Gemeinden, Landkreise und Bezirke, soweit sie mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllen: • Durchschnittliche Finanzkraft je Einwohner 2014 bis 2016 unter dem Landesdurchschnitt der Gemeindegrößenklasse oder der jeweiligen Gruppe der Landkreise oder Bezirke; • Empfänger von Stabilisierungshilfen 2016 oder 2017; • jeweils negativer Saldo der freien Finanzspannen in den drei Jahren vor Antragstellung. Bei Landkreisen und Bezirken tritt an die Stelle der durchschnittlichen Finanzkraft die durchschnittliche Umlagekraft. Das Landeskontingent wird nach einem Schlüssel aus drei Indikatoren (Zahl der Schulen, durchschnittliche Finanzkraft der Gemeinden, Zahl der Stabilisierungshilfenempfänger) auf die sieben Bezirksregierungen verteilt.




Hessen  
Ausgeschlossen sind Gemeinden/Kreise mit Abundanz 2012 bis 2014. Als finanzschwach gelten Gemeinden und Kreise mit den Merkmalen: 1. Steuereinnahmekraft 2011 bis 2013 durchschnittlich in der entsprechenden Größenklasse unter 90 % bzw. 95 % des Klassendurchschnitts oder 2. überdurchschnittliche Arbeitslosenquote nach SGB III (Dreijahresdurchschnitt, Überschreiten des Größenklassendurchschnitts um 20 %). Für die Landkreise gilt die durchschnittliche Steuerkraft der kreisangehörigen Gemeinden. Die Verteilung der Förderkontingente erfolgt nach gewichteten Einwohnern unter Berücksichtigung der jeweiligen Steuereinnahmekraft (doppelte Gewichtung der Einwohner kreisfreier Städte).



Als finanzschwach gelten Schulträgerkommunen, die eine unterdurchschnittliche Steuereinnahmekraft haben (weniger als 95 % der durchschnittlichen Steuereinnahmekraft der Vergleichsgruppe 2013 bis 2015) oder am Haushaltssanierungsprogramm „Kommunaler Schutzschirm“ teilnehmen. Die Mittel werden nach Schülerzahl auf die Kommunen verteilt. Dabei werden die Schülerzahlen mit zunehmender Finanzschwäche höher gewichtet.
Mecklenburg-Vorpommern  
Verwendung der Fördermittel nur für die Bereiche Städtebau und Breitband. Im Bereich Städtebau sind Gemeinden mit zentralörtlicher Funktion antragsberechtigt, deren dauernde Leistungsfähigkeit gefährdet oder weggefallen ist. Diese Beurteilung erfolgt anhand des Haushaltsbewertungs- und Informationssystem der Kommunen über die Daten der Haushaltsplanung 2015. Im Bereich Breitband wurde „Finanzschwäche“ mit unterdurchschnittlicher Steuerkraft gleichgesetzt. Das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung wählt aus den Anträgen aus. Antragsberechtigt sind alle Gemeinden und Kreise, die im Jahr 2016 Schlüsselzuweisungen erhalten haben und Schulträger sind. Eine Arbeitsgruppe aus Förderressorts und Finanzministerium unter Federführung des Ministeriums für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung wählt aus den Anträgen aus (Kriterien: Bestandsfähigkeit, Finanzschwäche, Investitionsbedarf insbesondere für Inklusion).
Tabelle 2 (Fortsetzung)
Bestimmung finanzschwacher Kommunen nach Kapitel 1 und 2 des Kommunalinvestitions­förderungsgesetzes
Finanzschwäche nach Kapitel 1 KInvFG Finanzschwäche nach Kapitel 2 KInvFG
Niedersachsen  
Gemeinden und Kreise, die von 2011 bis 2013 Schlüsselzuweisungen erhielten sowie 2011 bis 2013 mindestens einmal Bedarfszuweisungen nach § 13 NFAG bezogen haben. Die Verteilung erfolgt in Anlehnung an die Kriterien des Bundesgesetzes: Einwohner, Kassenkreditbestände, Arbeitslosenzahl. Für jedes Kriterium wurde der Durchschnitt 2011 bis 2013 gebildet und dieser im Verhältnis zum jeweiligen Gesamtwert der Kreis- oder Gemeindeebene für jede Kommune errechnet. Finanzschwach sind Kommunen, die 2013 bis 2015 mindestens einmal 1. Bedarfszuweisungen nach § 13 NFAG bezogen haben oder 2. Schlüsselzuweisungen erhielten, soweit deren durchschnittliche Höhe mindestens 75 Euro pro Einwohner betragen hat. Für die einzelnen Kommunen sind Förderhöchstgrenzen festgelegt.


Nordrhein-Westfalen  
Finanzschwach sind Kommunen, die in mindestens einem der Jahre 2011 bis 2015 Schlüsselzuweisungen erhalten haben. Die Verteilung erfolgt anhand der Verteilung dieser Schlüsselzuweisungen. Kommunen, die in mindestens einem der Jahre 2015 bis 2017 Schlüsselzuweisungen erhalten haben. Die Verteilung der Mittel in dieser Gruppe erfolgt zu 60 % anhand der Verteilung der Schlüsselzuweisungen 2013 bis 2017 und zu 40 % anhand der Verteilung der Schulpauschalen/Bildungspauschalen für 2017.
Rheinland-Pfalz  
Anwendung finden die drei Kriterien des Bundesgesetzes (Einwohner, Kassenkredite, Arbeitslosigkeit), aber mit anderer Gewichtung. Es werden separate Körbe für Kreise und kreisfreie Städte gebildet. Fünf der großen kreisangehörigen Städte bekommen einen separaten Anteil aus dem Korb der Kreise. Die Kreise bilden jeweils ein Gremium und entscheiden kreisintern sowohl über die Verteilung zwischen Kreis und Gemeinden als auch über die Finanzschwäche ihrer Gemeinden. Eine Kommune gilt als finanzschwach, wenn sie 2014 bis 2016 • mindestens ein Jahr Mitglied im Kommunalen Entschuldungsfonds Rheinland-Pfalz war oder • mindestens ein Jahr einen negativen Finanzierungssaldo auswies und der Hebesatz bei der Grundsteuer B nicht unter 100 % lag. Für die Verteilung auf die zwölf kreisfreien Städte und 24 Landkreise sind die Schülerzahlen maßgeblich.

Schleswig-Holstein  
Kommunen, die Konsolidierungshilfen nach § 11 FAG oder die Fehlbetragszuweisungen des Landes oder Konsolidierungshilfen erhielten. Nur Investitionen in energetische Infrastruktur an Schulen – die Verteilung auf die antragsberechtigten Kommunen erfolgt anhand der Schülerzahl im Schuljahr 2014/2015. Finanzschwach sind Kommunen, die 1. Fehlbetragszuweisungen oder Konsolidierungshilfen erhielten oder 2. in einer Reihung der Kommunen nach Finanzkraft je Einwohner zur unteren Hälfte gehören. Zur Verteilung der Mittel wird ein Gremium aus dem Bildungsministerium, kommunalen Verbänden und dem Gebäudemanagement gebildet.


Saarland  
Anlehnung an die Auswahlkriterien des Bundes: 1. Finanzkraft inklusive Schlüsselzuweisungen je Einwohner (2013); 2. Kassenkredite je Einwohner (2013); 3. Durchschnittliche Arbeitslosenquote 2012 bis 2014. Anhand dieser Indikatoren wird eine Rangtabelle gebildet; die letzten drei Kommunen gelten als nicht finanzschwach. Aus dem Landeskontingent werden 10 Mio. Euro vorweg für vier überschuldete Gemeinden entnommen. Die restlichen Mittel werden zu ca. 76 % auf Gemeinden und zu ca. 24 % auf Gemeindeverbände aufgeteilt. Die Verteilung auf die einzelnen finanzschwachen Kommunen erfolgt auf Basis gewichteter Einwohnerzahlen. Die Ermittlung der Finanzschwäche erfolgt analog zu Kapitel 1. Die neun am wenigsten finanzschwachen Gemeinden bleiben außen vor. Gemeindeverbände gelten durchgängig als finanzschwach. Die Mittel werden zu 60 % auf Gemeinden und zu 40 % auf Gemeindeverbände verteilt. Aus dem Kontingent der Gemeinden werden vorweg ein Fünftel primär zur Unterstützung überschuldeter Gemeinden und ergänzende Zuschüsse entnommen. Innerhalb der Gruppen begünstigter Kommunen erfolgt die Verteilung der Mittel nach Schülerzahlen.

Sachsen  
Ausgeschlossen sind die von 2009 bis 2015 durchgängig abundanten Kommunen. Die Mittel werden zu gleichen Teilen zwischen dem kreisangehörigen und dem kreisfreien Raum aufgeteilt. Die Verteilung der Mittel auf die Kommunen erfolgt nach deren jeweiligen Einwohneranteil am kreisangehörigen oder kreisfreien Raum. In den Landkreisen sind mindestens 65 % der Mittel für Projekte der kreisangehörigen Gemeinden einzusetzen. Gemeinden und Gemeindeverbände gelten als finanzschwach, wenn sie zwischen 2011 und 2017 Empfänger von Schlüsselzuweisungen waren. Die Mittel werden im Verhältnis zwei Drittel zu ein Drittel zwischen Kreisen und kreisfreien Städten aufgeteilt. Die Verteilung auf die berechtigten Kommunen erfolgt in den beiden Gruppen nach Schülerzahlen.
Sachsen-Anhalt  
Finanzschwäche bemisst sich zu 75 % nach der Steuerkraft und zu 25 % nach der Höhe der Arbeitslosenzahl gemäß § 16 SGB III, jeweils im Durchschnitt der Jahre 2011 bis 2013. Die Verteilung der Mittel an diese Kommunen richtet sich zu 75 % nach der Einwohnerzahl und zu 25 % nach der Fläche. Als finanzschwach gelten Schulträgerkommunen, die 2017 Schlüsselzuweisungen erhielten. Um die Höchstgrenze von 85 % begünstigter Kommunen nicht zu überschreiten, wurden weitere zwölf Kommunen ausgeschlossen. Die Mittel wurden nach gewichteten Schülerzahlen verteilt.
Thüringen  
Alle Gemeinden und Kreise, die 2015 Schlüsselzuweisungen erhalten. Die Verteilung der Landesmittel auf diese Kommunen entspricht deren Anteilen an der Schlüsselmasse. Zuwendungsempfänger sind finanzschwache Schulträger allgemein- und berufsbildender Schulen in staatlicher Trägerschaft. Finanzschwäche liegt vor, wenn der Schulträger 2017 verpflichtet war, ein Haushaltssicherungskonzept zu erstellen oder die Pro-Kopf-Verschuldung zum Stichtag 31.12.2016 einen Wert von 600 Euro je Einwohner überstiegen hat.

Auch die Verteilung der Mittel innerhalb der finanzschwachen Kommunen zeigt ganz unterschiedliche, insgesamt wiederum zwölf verschiedene, Pfade der Länder (vgl. Kasten 2). In Nordrhein-Westfalen und Thüringen folgt die Verteilung der Fördermittel der Verteilung der Schlüsselzuweisungen. Darüber hinaus finden sich nur mehr landesindividuelle Lösungen, wobei die Einwohnerzahl in sechs Ländern eine Rolle spielt. Schleswig-Holstein verteilt nach Schülerzahl, da hier nur Investitionen in Schulen förderfähig sind. Baden-Württemberg führt die Indikatoren fort, nach denen sich bereits die Finanzschwäche erklärte. Hessen berücksichtigt Einwohnerzahl und Steuerkraft, Sachsen-Anhalt Einwohnerzahl und Fläche, Brandenburg nur die Einwohnerzahl. Niedersachsen orientierte sich zwar bei der Definition von Finanzschwäche nicht an den Kriterien des Bundes, wohl aber bei der Verteilung des Landeskontingents auf die begünstigten Kommunen. Mecklenburg-Vorpommern zieht als einziges Land keine Indikatoren zur Verteilung der Mittel heran, sondern wählt nach nicht näher genannten Kriterien aus den eingehenden Anträgen aus.

Definition der „Finanzschwäche“ in Kapitel 2 KInvFG

Die Erfahrungen im Umgang mit der Bestimmung von „Finanzschwäche“ waren für das Bundesfinanzministerium nicht vollauf zufriedenstellend. Daher wirkte es auf einige Änderungen der Rechtslage hin: Erstens fand das Kriterium „finanzschwache Kommunen“ über den neuen Artikel 104c Eingang in das Grundgesetz. Zweitens setzte die wiederum notwendige Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern den Bestimmungskriterien der Länder einen Rahmen. Drittens mussten die Länder die Definition der Finanzschwäche nun im Einvernehmen mit dem Bund vornehmen, während sie diese bei Kapitel 1 nur bekannt gegeben hatten. Und letzten Endes gab das Bundesfinanzministerium auch eine Konzentrationsklausel der Mittelverteilung auf die Kommunen vor.

Die Länder praktizieren wiederum höchst unterschiedliche Varianten (elf) in der Definition „finanzschwacher Kommunen“. Diese stützen sich auf 13 verschiedene Indikatoren. In vier Ländern blieben diese konstant (Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen).

Die Indikatoren zur Definition der „Finanzschwäche“ selbst haben sich in der Summe nicht gravierend geändert. Das wichtigste Merkmal bleiben die Schlüsselzuweisungen. Sie spielen in der einen oder anderen Form eine Rolle in sechs Ländern (Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Niedersachsen). In engem Zusammenhang dazu stehen Steuereinnahmekraft und Finanzkraft, die Auswirkungen auf die Schlüsselzuweisungen haben. Aspekte sozialer Belastung finden sich in Baden-Württemberg, Brandenburg und dem Saarland. Ein prominenter Tatbestand ist weiterhin die Teilnahme an einem landesrechtlichen Sanierungsprogramm (Bayern, Hessen, Schleswig-Holstein). Fünf Länder änderten ihre Kriterien vollständig (Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Thüringen). Die anderen Länder nahmen in der Definition der Finanzschwäche Teil­änderungen vor. So fasste Bayern die Tatbestände nun enger. In Hessen blieb eines von zwei Kriterien erhalten, in Brandenburg eines zumindest für die Kreise. In Schleswig-Holstein trat die Finanzkraft hinzu.

Da der Schulbau das Förderziel des Kapitels 2 ist, überrascht nicht, dass der dominierende Maßstab der Mittelverteilung die Schülerzahlen ist. Acht Länder nutzen diesen Verteilungsmaßstab (Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt) – sei es bezogen auf einzelne Kommunen, Regierungsbezirke oder Kreise. Nordrhein-Westfalen zieht zwei Indikatoren heran, wobei die Bildungspauschale in Relation zu den Schülerzahlen steht.9 Bayern nutz drei Indikatoren. Gleichwohl praktizieren die 13 Länder wiederum elf verschiedene Verfahren der Mittelverteilung. Soweit die Verteilung auf Indikatoren basiert (zehn der 13 Länder), werden insgesamt neun Indikatoren genutzt. In drei Ländern erfolgt die Auswahl der Projekte zentral bei den Landesministerien. Vier Länder verteilen die Mittel über dezentrale Auswahlverfahren.

Entwicklungen

Das KInvFG konfrontiert die Länder mit zwei Fragen: Welche Kommune ist finanzschwach? Wie verteile ich die Mittel zwischen diesen Kommunen? Die Antworten auf diese Fragen weisen sowohl zwischen den Ländern als auch zwischen den Kapiteln des KInvFG deutliche Unterschiede auf. Die Ursachen dieser Varianz können aus dem Verwendungszweck der Mittel resultieren, dem Rechtsrahmen, den jeweiligen Ausprägungen der Problemlagen in den Kommunalfinanzen oder landespolitischen Erwägungen.

Der Wechsel bzw. die starke Eingrenzung der betroffenen Politikfelder selbst zieht aus theoretischer Betrachtung keine Neudefinition des Tatbestands „Finanzschwäche“ nach sich, denn es ist nicht ersichtlich, dass die Finanzschwäche der Kommunen nach Politikfeldern unterschiedlich streut. Demzufolge vermag es zu erstaunen, dass mit dem Saarland und Sachsen nur zwei Länder diese Definition konstant hielten. Manche fassten sie enger (Bayern, Niedersachsen). Andere erweiterten die Variablen (Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein). Dritte nahmen einen kompletten Pfadwechsel vor (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Thüringen). Zweifellos bedingt die heterogene Lage der Kommunalfinanzen zwischen den Ländern unterschiedliche Bestimmungswege der Finanzschwäche. Auszuschließen ist jedoch, dass sich die Gegebenheiten der Kommunalfinanzen binnen zwei Jahren in solcher Weise geändert haben, dass die alten Variablen ihre Aussagekraft verloren. Vorstellbar wäre dies in Hessen und Niedersachsen, wo umfangreiche Umschuldungen bei den Kassenkrediten vorgenommen wurden. Dieser Indikator spielte hier jedoch bei der Finanzschwäche in Kapitel 1 des KInvFG keine Rolle.

Praktisch hat die Fokussierung auf das Politikfeld Schule aber über den Aufgabenkatalog der Kommunen dennoch Auswirkungen auf die Überlegungen der Länder. So schieden automatisch jene Kommunen aus, gleich ob finanzstark oder nicht, die nicht Schulträger sind. Gleichzeitig wurden in Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern nun auch die Gemeindeverbände förderungswürdig.

In Bezug auf die Definition von „Finanzschwäche“ hat der in Kapitel 2 KInvFG geänderte Rechtsrahmen real kaum einen Anpassungsbedarf ausgelöst. Es war erklärte Intention des Bundesfinanzministeriums, die aus eigener Ansicht in Kapitel 1 in einigen Ländern zu weit gefasste Definition einzugrenzen. Bei genauer Betrachtung lassen sich alle Definitionen des Kapitels 1 auch unter die Eingrenzungen des Kapitels 2 fassen. Gleichwohl hatte die Verschärfung der Rechtslage nicht nur symbolischen Charakter. Sie verbesserte die Transparenz der Maßstäbe und stellte die Länder in einen Begründungszwang. Allein die Möglichkeit des Bundesfinanzministeriums, Vorschläge abzulehnen, konstruierte einen „Schatten der Hierarchie“ und führte zu einer gewissen Disziplinierung der Länder. In dem einen oder anderen Fall konnte das Bundesfinanzministerium die Vorschläge der Länder hinter den Kulissen auch tatsächlich verändern.

In Bezug auf die Verteilung der Mittel unter den finanzschwachen Kommunen macht der Bund in beiden Kapiteln keine inhaltlichen Vorgaben. Wohl aber stellte die Konzentrationsklausel in Kapitel 2 für einige Länder eine Herausforderung dar. Auf der einen Seite lag mit den Schülerzahlen ein plausibler Indikator vor, auf der anderen Seite musste das Verteilungsergebnis gegebenenfalls ex post korrigiert werden. Grundsätzlich treffen die Länder alle Entscheidungen im Zuge des KInvFG nicht allein nach sachlichen Kriterien, sondern denken die Verteilungsergebnisse sowie die daraus resultierenden politischen Effekte mit. Es gibt keinen „Schleier des Nichtwissens“.

Tabelle 3 zeigt die gewählten Verfahren der Länder nach Kapiteln des KInvFG. Nur Mecklenburg-Vorpommern wählte für beide Kapitel ein zentralisiertes Auswahlverfahren. Der Großteil der Länder setzte kommunalindividuelle Budgets fest. Vier Länder wählten die dezentrale Option; teils über die allgemeine staatliche Mittelbehörde, teils über die Kreise. Lediglich Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen änderten das Verfahren zwischen den Kapiteln.

Tabelle 3
Verfahren der Mittelverteilung auf die finanzschwachen Kommunen
  Rechtliche Festsetzung über Indikatoren Zentrale Auswahl durch Landesbehörde Dezentrale Auswahl bei Mittelbehörde oder Kreisen
Brandenburg X 0    
Baden-Württemberg X   0
Bayern     X 0
Hessen X 0    
Sachsen-Anhalt X 0    
Mecklenburg-Vorpommern   X 0  
Niedersachsen X 0    
Nordrhein-Westfalen X 0    
Rheinland-Pfalz 0   X
Saarland X 0    
Sachsen     X 0
Schleswig-Holstein X 0  
Thüringen X 0  

X = Kapitel 1; 0 = Kapitel 2.

Quelle: eigene Darstellung.

Der Großteil der Änderungen, gleich ob es sich um die Bestimmung förderungswürdiger Kommunen oder um die Mittelverteilung handelt, lässt sich auf landespolitische Erwägungen zurückführen. Dass fast alle Länder hier aktiv wurden, vermag zu überraschen, denn jede Änderung hat eine umverteilende Wirkung und lässt neue Konflikte aufbrechen. Die Beibehaltung der Verfahren in beiden Kapiteln hat taktische Vorteile, da der unvermeidliche Konflikt mit den Kommunen bereits in Kapitel 1 ausgefochten worden ist. Motive für diese Änderungen der Verteilung in Kapitel 2 können vielfältig sein: Regierungswechsel, Streit mit den kommunalen Verbänden, deren unterschiedliche Durchsetzungskraft, Einsicht in die Schwächen des alten Verfahrens, andere Ressortzuständigkeit etc.

Fazit

Die Länder haben die sich aus dem KInvFG ergebenden Fragen in großer Vielfalt beantwortet. Dies ist weder überraschend, noch beklagenswert. Dezentrale Antworten sind dem Föderalismus immanent und können zu sachlich besseren Entscheidungen führen. Im Gegenteil ist das nun durch die Länder in beiden Kapiteln entwickelte Spektrum von insgesamt 15 Indikatoren der Finanzschwäche ein Mehrwert. Denn das oft genutzte Attribut „finanzschwach“ ist schwierig zu operationalisieren. Der Kreis der hier durch die Länder herangezogenen Variablen gibt nützliche Hinweise. Nahezu alle der genutzten Varianten und Variablen lassen sich sachlich begründen, auch wenn der Rekurs auf die Schlüsselzuweisungen allein sicher ein sehr grober Maßstab ist. Dementgegen steht die Erkenntnis, dass auch umfangreiche, auf mehreren Indikatoren beruhende Indizierungen Sachlichkeit oft nur vorspiegeln. Das Verteilungsergebnis lässt sich letztlich nur schwer in Hinblick auf seine Angemessenheit interpretieren.

Meinungsverschiedenheiten zwischen den drei Ebenen Bund, Länder und Kommunen sind zwangsläufig, denn die Interessen der Beteiligten sind nicht kongruent. Die vom Bund gewünschte starke Fokussierung der Mittel ist sowohl sachlich als auch politisch für die Länder kaum umsetzbar. Deren Ziel besteht darin, die Mittel möglichst breit zu verteilen, um möglichst wenige Verlierer und damit politische Konflikte zu schaffen.

Zweifellos ist das KInvFG eine Innovation des bundesdeutschen Finanzföderalismus. Sie wird die Akteure in der Umsetzung noch über Jahre beschäftigen und Anlass für weitere konzeptionelle Auswertungen bieten. Grundsätzlich wird der seit vielen Jahren eingeschlagene Weg einer zunehmenden Verflechtung weiter beschritten. Es ist schwer vorstellbar, dass dieser Weg der föderalen Finanzbeziehungen zukünftig wieder verlassen wird. In diesem Sinne bietet das KInvFG wertvolle Erfahrungen.

  • 1 F. Boettcher, R. Geißler: Die Nettobelastung der Kommunen aus Sozialausgaben. Regionale Entwicklungen im Zuge wachsender Transfers und Steuereinnahmen, Analysen und Konzepte, Nr. 2/2017, S. 7 f.
  • 2 Bertelsmann Stiftung: Kommunaler Finanzreport 2017, Abschnitt D, S. 21 ff.
  • 3 Hier kam es im Zuge des Kommunalen Schutzschirms Hessen und des Zukunftsprogramms Niedersachsen zu Umschuldungen der Kassenkredite in Höhe von über 5 Mrd. Euro.
  • 4 Jede fünfte Kommune erreichte 2015 einen Wert von über 1000 Euro je Einwohner sowie eine Stagnation bzw. einen Anstieg der Kassenkredite über fünf Jahre.
  • 5 F. Arnold, R. Freier, R. Geißler, P. Schrauth: Große regionale Disparitäten bei den kommunalen Investitionen, in: DIW Wochenbericht, Nr. 43/2015. Ein weiterer messbarer Effekt der Haushaltskrise sind die Hebesätze der Gemeindesteuern, die in Nordrhein-Westfalen seit Langem bundesweit das höchste Niveau aufweisen. Vgl. Bertelsmann Stiftung, a. a. O., Abschnitt C, S. 11. Auch in Bezug auf die Personalstruktur hat die Haushaltskrise negative Auswirkungen, vgl. R. Geißler, F.-S. Niemann: Begrenzt zukunftsfähig: Die Altersstruktur der Gemeindeverwaltungen in Nordrhein-Westfalen, in: der moderne staat, Nr. 1/2017.
  • 6 M. Gornig, C. Michelsen, K. van Deuverden: Kommunale Infrastruktur fährt auf Verschleiß, in: DIW Wochenbericht, Nr. 43/2015, S. 1028 f.
  • 7 Bertelsmann Stiftung, a. a. O., Abschnitt B, S. 29 ff.
  • 8 Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen und zur Entlastung von Ländern und Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern, Bundestagsdrucksache 18/4653 vom 20.4.2015.
  • 9 Im Gesetzgebungsverfahren standen weitere Varianten zur Disposition, z. B. die Verteilung nach Kinderarmut. Vgl. Landtag Nordrhein-Westfalen: Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Umsetzung des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes in Nordrhein-Westfalen, Drucksache 17/750 vom 28.9.2017.

Title:Federal State Law Paths Toward Community Investment Strengthening Measures and the Definition of „Financially Weak Communities”

Abstract:Capital spending of local governments has shown large disparities for many years. This holds despite economic growth and various forms of federal financial assistance. In 2015, the federal government set up special transfers substituting local investments targeting a group of financially weak communities. This programme might be described as a landmark of German fiscal federalism, strengthening the path of growing interdependencies. What stood out about this programme was that it would explicitly address financially weak communities for the first time. Despite using federal funds, each state was allowed to make the decision on its own. In the end, 13 states came up with a large variety of definitions of financially weak communities, motivated by both factual and political reasons. This article presents and analyses the range of definitions of in-between states.


DOI: 10.1007/s10273-018-2313-8

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