Die guten ökonomischen Rahmenbedingungen eröffnen aktuell die Möglichkeit, aufgelaufene Schuldenprobleme der öffentlichen Haushalte anzugehen. Zur Debatte steht dabei insbesondere, kommunale Kassenkredite in einen Altschuldenfonds zu überführen. Ziel der Ausgestaltung sollte es sein, die effektive Schuldenlast zu verringern, um die besonders betroffenen Kommunen zu erreichen. Hohe Kassenkreditbestände sind Zeichen grundsätzlicher Probleme des Gemeindefinanzsystems. Dabei ist ein Altschuldenfonds für aufgelaufene (Kassen-)Kredite ein erster Schritt, dem aber weitere Konsolidierungsbeiträge folgen sollten. Dazu ist ein ganzes Bündel in sich greifender Maßnahmen auf allen föderalen Ebenen notwendig. Dies wäre ein echter Beitrag zum Abbau regionaler Disparitäten und zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Land.
Die Vermeidung bzw. Verringerung regionaler Ungleichheiten ist in Deutschland ein verfassungsrechtlich verankertes, politisches Ziel. Die Ausprägung und Entwicklung regionaler Ungleichheiten werden deshalb in der Öffentlichkeit immer wieder kontrovers diskutiert.1 Aus regionalökonomischer Sicht stellt sich vor allem die Frage, inwiefern Regionen bzw. einzelne Kommunen abgehängt zu werden drohen, wodurch die lokale Leistungserstellung und damit auch die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse gefährdet werden könnten. Ein Indikator für die strukturelle Schwäche einer Region ist eine überdurchschnittliche Verschuldung. Sie ist häufig Ausdruck eines Ungleichgewichts zwischen Einnahmekraft und Ausgaben, was im Endeffekt zu weiteren Belastungen des Haushalts in Form höherer Zins- und Tilgungslasten führt. Damit fehlt das Geld an anderer Stelle, was sich beispielsweise in niedrigen Investitionen bzw. einem hohen Investitionsrückstand widerspiegelt.2 Insbesondere die kommunalen Kassenkredite gelten dabei als Indikator für eine problematische Finanzlage und sind Ausdruck erheblicher regionaler Disparitäten.3 So zeigt sich im langfristigen Vergleich, dass die Ungleichheit bei der Verschuldung insbesondere seit der Zunahme der Kassenkreditverschuldung in den 2000er Jahren spürbar gestiegen ist (vgl. Abbildung 1).
Gute ökonomische Ausgangslage nutzen
Die Persistenz der regionalen Unterschiede bei der Verschuldung legt nahe, dass diese Unterschiede nicht von allein verschwinden werden, sondern gezielte Anstrengungen der Politik erfordern. Die günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erleichtern dabei gegenwärtig eine Lösung: Steigende Steuern, sinkende Schulden und Zinsen sowie deutliche Haushaltsüberschüsse schaffen Handlungsspielräume bei Bund, Ländern und vielen Kommunen. Aus diesem Grund werden immer mehr Stimmen laut, die die guten Rahmenbedingungen nutzen wollen, um den kommunalen Altschuldenbestand abzubauen.4
Abbildung 1
Entwicklung regionaler Ungleichheit
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an S. Brand, J. Steinbrecher: Leere Häuser, leere Kassen? – Demografischer Wandel und regionale Ungleichheit, in: KfW Research Fokus Volkswirtschaft, Nr. 193, 13.12.2017.
Im Vordergrund der Vorschläge steht insbesondere ein Altschuldenfonds für Kassenkredite. Ziel des Fonds ist es, die aktuelle Niedrigzinsphase zu nutzen und die kurzlaufenden Kassenkredite zu günstigen Konditionen für einen langfristigen Zeitraum umzuschulden (vgl. Kasten 1). Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die sogenannte „Hessenkasse“5. Die Konzeption sieht vor, dass die Kommunen auf freiwilliger Basis ihre Kassenkredite auf einen Fonds übertragen. Die Kommunen müssen pro Einwohner 25 Euro als jährlichen Eigenbeitrag entrichten. Das Land Hessen unterstützt die Zins- und Tilgungslasten des Fonds mit einem Beitrag in gleicher Höhe. Für die Hessenkasse wird bei 6 Mrd. Euro Kassenkrediten von einem jährlichen Finanzierungsbedarf in Höhe von 300 Mio. Euro ausgegangen, wobei zwei Drittel aus Landesmitteln und ein Drittel aus den kommunalen Eigenbeiträgen finanziert werden.6 Die Dauer ergibt sich aus der Höhe der umgeschuldeten Kassenkredite, wobei das Programm auf 30 Jahre ausgelegt ist. Kommunen, die nach Ablauf dieser Zeit ihre Kredite noch nicht getilgt haben, werden durch das Land entschuldet. Flankiert wird das Programm durch rigide Vorgaben zum Haushaltsausgleich für die teilnehmenden Kommunen, um eine erneute Kassenkreditverschuldung zu verhindern.
Kasten 1
Idee und Vorteile eines kommunalen Altschuldenfonds
In einem Altschuldenfonds werden die Kredite der teilnehmenden Kommunen gebündelt. Der Fonds selbst muss die aufgenommenen Kredite zurückzahlen und finanziert dies über die Beiträge, die von den Kommunen und von übergeordneten föderalen Ebenen wie den Ländern oder dem Bund gezahlt werden.
Die Vorteile eines kommunalen Altschuldenfonds sind ein professionelles Schuldenmanagement sowie eine Größen- und Fristentransformation, die von den Kommunen zur Konsolidierung oder Tilgung der Altschulden genutzt werden können. Dadurch kann der Fonds eine Verstetigung der Zins- und Tilgungsraten auch bei steigendem Zinsniveau ermöglichen. Den Kommunen wird einerseits das Zinsänderungsrisiko abgenommen. Andererseits sind die Beiträge im Idealfall geringer als ihr gegenwärtiger Kapitaldienst, sodass neue Finanzspielräume entstehen. Die Höhe der Entlastungswirkung für die Kommunen wird im Wesentlichen über die Höhe der Beiträge der übergeordneten Ebene bestimmt.
Rechenbeispiel (analog zur Hessenkasse): Eine stark verschuldete Großstadt mit 580 000 Einwohnern und einer Kassenkreditverschuldung von 3,3 Mrd. Euro müsste bei einem durchschnittlichen Zinssatz von 0,5 % jährlich alleine 16,5 Mio. Euro für den Zinsdienst der Kassenkredite aufwenden (ohne Tilgung). Bei einem Eigenbeitrag von 25 Euro je Einwohner für einen Altschuldenfonds läge der Finanzierungsaufwand aber nur bei 14,6 Mio. Euro, die Teilnahme wäre also vorteilhaft. Dies gilt insbesondere bei steigenden Zinsen: Klettern die Kassenkreditzinsen auf durchschnittlich 1 %, bliebe der Eigenbeitrag bei 14,6 Mio. Euro, während andernfalls die Belastung auf 33 Mio. Euro stiege. In vielen Kommunen wird im Moment von günstigeren Zinsen (zum Teil sogar Negativzinsen) berichtet. Aber auch in diesen Fällen spräche bei Berücksichtigung von Zinsänderungsrisiken und Tilgungsaufwand vieles für eine Teilnahme am Altschuldenfonds.
Eine Lösung für die hohen Kassenkreditbestände erscheint sinnvoll. Obwohl die gemeindliche Verschuldung 2017 erneut zurückgegangen ist, liegen die Kassenkredite immer noch auf einem hohen Niveau von 42,4 Mrd. Euro.7 Besonders betroffen sind die Kommunen in den Ländern Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland, die rund 85 % der bundesweiten Kassenkredite auf sich vereinen. Im Gegensatz zu den langlaufenden Investitionskrediten haben Kassenkredite in der Regel eine kurze Laufzeit und müssen deshalb häufig refinanziert werden. Das macht sie einerseits in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase besonders zinsgünstig, andererseits nimmt aber auch das Risiko zu, dass bei steigenden Zinsen die Kreditfinanzierungskosten wieder größere Haushaltsspielräume in Beschlag nehmen.8 Eine langfristige Lösung sollte also gefunden werden, solange das Zinsniveau günstig ist.
Kassenkredite als erster Schritt, im Vordergrund sollte die tatsächliche Schuldenlast stehen
Trotz des beachtlichen Zinsänderungsrisikos sollte berücksichtigt werden, dass die absolute Zinsbelastung durch die Kassenkredite aufgrund der Niedrigzinsphase im Moment gering ist. Die reale finanzielle Entlastung in den laufenden Haushalten durch einen Altschuldenfonds für Kassenkredite wäre deshalb zunächst ebenfalls nur relativ klein. Zu bedenken ist weiterhin, dass die effektive Schuldenlast der Kommunen durch die Höhe der Gesamtverschuldung und damit maßgeblich durch die Investitionskredite bestimmt wird. Ein Altschuldenfonds, der sich nur auf Kassenkredite fokussiert, würde einen relevanten Teil des Problems ausblenden.
Die Höhe der Gesamtverschuldung ist für sich genommen allerdings noch kein geeigneter Belastungsindikator.9 Ein sinnvolleres Maß ist die tatsächliche Schulden- bzw. Zinslast. Im Folgenden wird dafür die Zins-Einnahme-Quote betrachtet, da vor allem die durch den Markt vorgegebenen Zinsen in Relation zu den zur Verfügung stehenden Einnahmen die Belastung in den laufenden Haushalten definieren.10 Die durchschnittliche Zins-Einnahme-Quote (Median) aller Kommunen lag 2016 bei rund 0,5 %, ein deutlicher Rückgang im Vergleich zu den Vorjahren (vgl. Abbildung 2). Damit gibt es keinen Grund, an der finanziellen Tragfähigkeit der Kommunen zu zweifeln.
Abbildung 2
Entwicklung der kommunalen Zins-Einnahme-Quote
Quelle: eigene Berechnungen auf Grundlage einzelgemeindlicher Haushaltsdaten der Finanzstatistik.
Der Rückgang in der Zinslast lässt sich dabei für nahezu alle Kommunen beobachten: So wiesen 2010 noch 5 % der Kommunen eine Zins-Einnahme-Quote von über 6,1 % auf. 2016 betrug dieser Wert nur noch 3,5 %. Dieser Wert liegt aber immer noch um rund das Siebenfache über dem Median. Auch gibt es immer noch Kommunen, bei denen mehr als 10 % der Einnahmen durch die Zinszahlungen „aufgefressen“ werden, selbst in Zeiten hervorragender konjunktureller Rahmenbedingungen und hoher Steuereinnahmen. Für diese Kommunen erscheint eine Altschuldenlösung sinnvoll bzw. notwendig.
Vergleicht man die Höhe der Kassenkredite und die Höhe der Zinslast wird ersichtlich, dass ein großer Teil der hochverschuldeten Kommunen auch unter einer hohen Zins-Einnahme-Quote leidet: So fällt die Zinslast im Mehrjahresdurchschnitt von 2011 bis 2015 in Kommunen mit sehr hoher Kassenkreditverschuldung von über 5000 Euro je Einwohner mehr als viermal so hoch aus wie in Kommunen mit keinen bzw. Kassenkrediten von weniger als 500 Euro je Einwohner.11
Allerdings gibt es auch zahlreiche Kommunen, die eine beachtliche finanzielle Belastung in Form einer hohen Zins-Einnahme-Quote haben, jedoch nur verhältnismäßig wenige Kassenkredite. Legt man eine Schwelle der Zins-Einnahme-Quote bei 5 % an, lagen 2016 noch über 220 Kommunen mit rund 1,7 Mio. Einwohnern über diesem Wert.12 Davon haben aber nur 93 Kommunen auch eine hohe Kassenkreditverschuldung von über 1000 Euro je Einwohner. Die 127 Kommunen mit einer hohen Zinslast, aber relativ niedrigen Kassenkrediten kämen bei den bisher diskutierten Altschuldenhilfen jedoch nicht zum Zug. Dies betrifft insbesondere den kreisangehörigen Raum.
Abbildung 3
Verteilung hoher kommunaler Zinslasten1
1 Kommunen mit einer Zins-Einnahmequote von über 5 %.
Quelle: eigene Berechnungen auf Grundlage einzelgemeindlicher Haushaltsdaten der Finanzstatistik.
Soll also das kommunale Altschuldenproblem adressiert werden, muss die Verengung der Schuldenhilfe auf den Kassenkreditbestand hinterfragt werden. Dies gilt umso mehr, da die Summen überschaubar sind, die bei einer Ausweitung des Kreises der Hilfe erhaltenden Kommunen anfallen würden: Addiert man die gesamten Schulden der Kommunen mit einer Zins-Einnahme-Quote von über 5 %, ergibt sich ein Gesamtbestand von rund 9,5 Mrd. Euro, für die gegenwärtig rund 330 Mio. Euro Zinszahlungen pro Jahr anfallen. Ohne die Kassenkredite beträgt der relevante Schuldenstock sogar nur noch rund 4 Mrd. Euro. Auffällig ist, dass sich die Kommunen mit sehr hohen Schuldenlasten erneut in den Ländern verorten lassen, in denen auch die hohen Kassenkreditbestände zu beobachten sind. Rund 93 % der hohen Schuldenlasten entfallen auf Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und das Saarland (vgl. Abbildung 3).13 Aufgrund der starken regionalen Konzentration stellt sich die Frage, wie weit eine Altschuldenhilfe eine bundesweite Angelegenheit ist und ob hierfür politische Mehrheiten gefunden werden können. Damit bewegt sich das Altschuldenproblem im Spannungsfeld zwischen bundesstaatlicher Solidarität und Eigenverantwortung der betroffenen Länder bzw. Kommunen.
Anreizwirkungen müssen beachtet werden
Bei der Lösung der kommunalen Verschuldung sollte außerdem stets bedacht werden, dass das kommunale Schuldenproblem zwei zentrale Dimensionen hat: die Höhe des aufgelaufenen Schuldenstandes – also die Altschulden – sowie die laufenden Defizite und damit die Höhe der Neuverschuldung. Die Tilgung der Altschulden erscheint dabei im Vergleich zur Verhinderung einer übermäßigen Neuverschuldung als kleinere Herausforderung. Bei allen diskutierten Vorschlägen bleibt bislang weitestgehend unklar, wie das effektiv verhindert wird. Für eine nachhaltige Entschuldung ist es aber notwendig, nicht nur die Altschulden zu tilgen, sondern vor allem die Defizite im laufenden Haushalt zu schließen und damit einer überbordenden Neuverschuldung vorzubeugen.14 Darum muss an den eigentlichen Ursachen angesetzt werden. Die Gründe sind vielfältig und auf allen föderalen Ebenen zu finden. Damit stehen alle Beteiligten, die etwas zur Lösung beisteuern müssten, vor einem Dilemma: Einerseits würde eine (bedingungslose) Entschuldung der Kommunen gegen das sogenannte Selbsthaftungsprinzip verstoßen, wonach derjenige für seine Schulden haftet, der sie aufgenommen hat. Ein Altschuldenfonds darf darum nur eine einmalige Hilfe sein und sollte auch mit spürbaren kommunalen Eigenbeiträgen einhergehen, um einen Anreiz für eine leichtfertige Verschuldung zu vermeiden. Andererseits sind die Kommunen nur für einen Teil ihrer Verschuldung selbst verantwortlich. Darum würde das Selbsthaftungsprinzip ins Leere laufen, wenn man die Kommunen mit dem Altschuldenproblem allein ließe und ihnen alle Kosten der Altschuldenlösung aufbürdete.15
Föderale Herausforderung: Jeder muss sich bewegen
Trotz dieser komplexen Gemengelage lassen sich auf jeder föderalen Ebene Stellschrauben identifizieren, die einen Teil zur Lösung des Problems beitragen. Hierzu gehören in erster Linie grundsätzliche Anpassungen in den Finanzbeziehungen zwischen den föderalen Ebenen, einerseits, um die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten stärker herauszustellen und andererseits, um gerade auch in finanz- und strukturschwachen Kommunen einen dauerhaften Haushaltsausgleich zu ermöglichen. Eine derartige Finanzreform müsste einen dauerhaften Beitrag des Bundes zur Entlastung der Kommunen vorsehen, vor allem indem der Bund bei von ihm bestimmten Aufgaben stärker die Finanzierung gewährleistet, z. B. durch eine höhere Kostenerstattung bei den Sozialaufgaben oder einen größeren Anteil der Kommunen am Steueraufkommen. Nicht umsonst zeigt sich über fast 15 Jahre ein starker Zusammenhang zwischen dem Anstieg der kommunalen Sozial- und Sachausgaben und dem Anstieg der Kassenkredite. Eine Entwicklung, die erst seit der konjunkturellen Wiederbelebung und der Niedrigzinsphase ab 2010 ihr vorläufiges Ende fand (vgl. Abbildung 4).
Abbildung 4
Entwicklung kommunaler Sozial- und Sachausgaben sowie der Kassenkredite
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an S. Brand, J. Steinbrecher: Rückgang des Investitionsrückstands – Trendwende oder nur Schönwetterlage?, in: KfW Research Fokus Volkswirtschaft, Nr. 195, 28.12.2017.
Eine strikte Konnexität bei der Aufgabenübertragung würde vor allem den wirtschaftlich schwächeren Regionen helfen, trotz steigender Soziallasten einer Neuverschuldung vorzubeugen.
Wesentlich ist aber auch ein stärkeres Engagement der Länder. Diese sind letztlich für die Finanzausstattung ihrer Kommunen verantwortlich. Neben einer besseren Dotierung der Finanzausgleichssysteme abhängig von der Aufgabenteilung zwischen Land und Kommunen wäre auch ein gezielterer Verteilungsmechanismus zugunsten finanzschwacher Kommunen denkbar. Nicht zuletzt obliegen den Ländern die Formulierung der haushaltsrechtlichen Vorgaben und die Kontrolle der Umsetzung im Zuge der Kommunalaufsicht. Gerade dieser Aspekt ist wichtig, denn die (nicht neuen) Regeln für eine solide Haushaltsführung müssen auch eingehalten werden.16 Erst durch die konsequente Durchsetzung der Regeln kann eine überbordende (Neu-)Verschuldung verhindert und sichergestellt werden, dass der Kassenkredit zukünftig wieder auf seine ursprüngliche Rolle als Liquiditätspuffer zurückgeführt wird.
Natürlich müssen auch die Kommunen selbst ihren Beitrag in Form einer konsequenten Haushaltskonsolidierung leisten. Hierzu gehören alle Maßnahmen zur Steigerung der wirtschaftlichen Aufgabenerfüllung ebenso wie die kritische Prüfung von freiwilligen Ausgaben. Hierbei sollten kurzsichtige Konsolidierungsmaßnahmen vermieden werden, die langfristig hohe Folgekosten nach sich ziehen. Vielmehr muss es darum gehen, wieder verstärkt die langfristigen Auswirkungen von Verschuldung für Politik und Bürger sicht- und spürbar zu machen. Auch wenn jede dieser Maßnahmen auf allen Ebenen auf Widerstände treffen dürfte, sollte gerade deshalb der günstige Zeitpunkt genutzt werden. Denn die Reduktion der finanzpolitischen Risiken bewahrt gleichzeitig die Handlungsoptionen für die Zukunft, wenn sich die Rahmenbedingungen wieder verschlechtern.
* Dieser Beitrag gibt nur die Position der Autoren wieder und nicht notwendigerweise die der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
- 1 Vgl. beispielsweise: F. Boettcher et al.: Kommunaler Finanzreport 2017, Bertelsmann Stiftung, Gütersloh 2017.
- 2 Vgl. H. Scheller et al.: KfW-Kommunalpanel 2017, KfW Bankengruppe, Frankfurt a. M. 2017.
- 3 Vgl. S. Brand: Kommunale Kassenkredite – trotz niedriger Zinsen keine Entwarnung, in: KfW Research Fokus Volkswirtschaft, Nr. 114, 25.1.2016.
- 4 Vgl. beispielsweise Deutscher Städtetag: Städten mehr Investitionen ermöglichen – Altschulden von Kommunen anpacken – Sozialen Wohnungsbau durch den Bund unterstützen, Pressemitteilung vom 27.10.2017. Zuletzt hat auch das kommunale Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ die Einrichtung eines Altschuldenfonds gefordert, vgl. A. Meves: Cuxhavener Appell: Kämmerer fordern Altschuldenfonds, in: Der Neue Kämmerer, 8.5.2018.
- 5 Vgl. Hessisches Ministerium der Finanzen: Finanzminister Dr. Schäfer und Innenminister Beuth stellen Programm zur Entschuldung hessischer Kommunen von Kassenkrediten und zur Förderung kommunaler Investitionen vor, Pressemitteilung vom 4.7.2017. Kritisiert wird, dass nur Symptome behandelt würden, die durch eine unzureichende Finanzausstattung der Kommunen durch das Land bedingt seien. Zudem wird die Hessenkasse neben dem Landesanteil durch Mittel finanziert, die eigentlich an die Kommunen fließen sollten. Somit leisten auch Kommunen einen indirekten Beitrag, die sich nicht an der Hessenkasse beteiligen. Es bleibt abzuwarten, wie die angekündigte Durchsetzung der strikteren Haushaltsführung tatsächlich gewährleistet werden kann.
- 6 Bezogen auf die Kassenkreditschulden in Nordrhein-Westfalen in Höhe von 27 Mrd. Euro entspräche dieses Verhältnis z. B. einem Finanzierungsbedarf von 1,35 Mrd. Euro (900 Mio. Euro aus Landeshaushalt und 450 Mio. Euro aus kommunalen Eigenbeiträgen) jährlich. Für Rheinland-Pfalz wären für die 6 Mrd. Euro Kassenkredite die gleichen Größenordnungen wie in Hessen anzusetzen. Für das Saarland wären für die 2 Mrd. Euro Kassenkredite von jährlich 100 Mio. Euro (65 Mio. Euro aus Landeshaushalt und 35 Mio. Euro aus kommunalen Eigenbeiträgen) auszugehen. Für einen bundesweiten Altschuldenfonds (Hessen und gegebenenfalls andere Länder mit geringerer Kassenkreditverschuldung eingeschlossen) würde sich damit die jährliche Finanzierungsbelastung auf mindestens 2,1 Mrd. Euro belaufen. Für die gesamten teilnehmenden Kommunen läge der Eigenbeitrag bei 700 Mio. Euro. Offen muss hier bleiben, woher diese Finanzmittel kommen sollen und ob eine Beteiligung des Bundes realistisch und angebracht wäre.
- 7 Vgl. Statistisches Bundesamt: Vorläufiger Schuldenstand der Gemeinden/Gemeindeverbände am 31.12.2017. Nicht berücksichtigt sind die nicht unerheblichen Schulden in den kommunalen Auslagerungen jenseits der Erfassung der Extrahaushalte.
- 8 Ein Zinsanstieg um 1 Prozentpunkt hätte Mehrkosten für die deutschen Kommunen in der Kreditbewirtschaftung von ca. 470 Mio. Euro zur Folge.
- 9 Unter den investiven Schulden sollten auch Verwendungszwecke zu finden sein, die einen rentablen Mehrwert (in Form zusätzlicher Einnahmen oder Vermögenswerte) versprechen und damit die finanzielle Tragfähigkeit auch bei einer höheren Verschuldung sicherstellen.
- 10 Die Schuldenlast wird auch durch die Tilgung bestimmt. Weil aber die Kommunen gerade bei Kassenkrediten in der Regel die Tilgung durch eine revolvierende Refinanzierung vermeiden können, bleibt als relevanter Belastungsfaktor vor allem der marktgegebene Zins.
- 11 Vgl. S. Brand, J. Steinbrecher: Kommunales Altschuldenproblem: Abbau der Kassenkredite ist nur ein Teil der Lösung, in: KfW Research Fokus Volkswirtschaft, Nr. 203, 11.4.2018.
- 12 Der Schwellenwert von 5 % findet sich als Faustgröße für die Mindesthöhe von Finanzmitteln, über welche die Kommunen für freiwillige Aufgaben frei verfügen sollten, wenngleich dies kontrovers diskutiert wird, vgl. etwa T. Döring: Zur Forderung nach einer kommunalen Mindestfinanzausstattung, in: Wirtschaftsdienst, 87. Jg. (2007), H. 1, S. 44, https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/downloads/getfile.php?id=1238 (1.8.2018).
- 13 Betrachtet man die übermäßigen Zinslasten über den Schwellenwert hinaus, sind es sogar 96 %, wobei alleine in Nordrhein-Westfalen 71 % der zu senkenden Zinsbelastungen anfallen.
- 14 So bereits mit Blick auf Nordrhein-Westfalen, vgl. M. Junkernheinrich et al.: Haushaltsausgleich und Schuldenabbau – Konzept zur Rückgewinnung kommunaler Finanzautonomie im Land Nordrhein-Westfalen, Endfassung, Kaiserslautern u. a. O. 2011.
- 15 Zudem können Schuldenprobleme über externe Effekte auch auf andere unbeteiligte Dritte ausstrahlen, z. B. wenn einzelne Kommunen ihrer zentralörtlichen Funktionen für das Umland nicht mehr nachkommen können. Vgl. etwa F. Boettcher: Finanzhilfen für Kommunen? Voraussetzungen und Ausgestaltungsoptionen einer finanziellen Hilfegewährung für teilautonome Gebietskörperschaften, Forschung für Kommunen, Arbeitspapier, Nr. 2, 2012.
- 16 Beispielsweise könnte die Summe der Kassenkredite pauschal auf eine Höhe als Liquiditätspuffer der laufenden Verwaltungstätigkeit begrenzt werden, also prozentual am Haushaltsvolumen (z. B. maximal 5 % der Gesamtausgaben) oder absolut an der Einwohnerzahl (z. B. maximal 500 Euro je Einwohner) orientiert. Auch könnte es einer Neuverschuldung entgegenwirken, wenn die Aufnahme von Kassenkrediten nur noch über das Land möglich wäre, vgl. Deutsche Bundesbank: Gemeindefinanzen: Entwicklung und ausgewählte Aspekte, Monatsbericht, Oktober 2016.