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Am 19. Februar 2020 hat die EU-Kommission ihre Datenstrategie veröffentlicht. Deren Ziel ist es, einen einheitlichen europäischen Datenraum zu schaffen, um auf Basis von Daten bessere Entscheidungen treffen zu können. Die Strategie trägt der Tatsache Rechnung, dass Daten zu einem Schlüsselfaktor für die Entwicklung von Innovationen und neuen Geschäftsmodellen geworden sind. Europa will die sich daraus ergebenden Potenziale nicht mehr allein den USA und China überlassen. Die Datenstrategie besteht aus vier Säulen:

Sektorübergreifender Governance-Rahmen: Er soll dazu dienen, gemeinsame europäische Datenräume zu schaffen. Diese Säule enthält einige wichtige Elemente, die die Nutzung von Daten für Forschungszwecke sowie die wirtschaftliche Nutzung von Daten betreffen. Insbesondere sollen die Entscheidungen darüber erleichtert werden, welche Daten, wie und von wem zu wissenschaftlichen Forschungszwecken und im Einklang mit der Datenschutz-Grundverordnung verwendet werden dürfen. Entscheidend für die Glaubwürdigkeit der Datenstrategie wird es dabei sein, dass die EU-Kommission mit gutem Beispiel vorangeht, eigene Datensätze verfügbar macht und ihre Entscheidungen stärker datenbasiert trifft. Daran sollte sich auch die Bundesregierung orientieren. So bestehen in der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Forschung immer noch bürokratische Hürden beim Zugang zu Individualdaten von Unternehmen oder Personen. Zudem sollten bestehende internationale Standards für wissenschaftliches Arbeiten stärker berücksichtigt werden.

Infrastruktur und Interoperabilität: Die geplanten Anstrengungen, um europäische Cloud-Infrastrukturen zu schaffen, sind absolut richtig und wichtig, zumal sie neben neuen Innovationspotenzialen (z. B. für die Datennutzung im Bereich der künstlichen Intelligenz) auch die Unabhängigkeit von außereuropäischen Cloud-Anbietern unterstützen. Ebenso richtig ist es, diese Anstrengungen mit nationalen Initiativen wie dem deutschen Cloud-Projekt GAIA-X zu koordinieren. Um eine hohe Akzeptanz als europäisches Modell zu erzielen, ist es jedoch essenziell, dass GAIA-X rasch realisiert wird, ein kritisches Mindestmaß an Kapazität aufweist und eine hohe Nutzerfreundlichkeit gewährleistet.

Kompetenzen: Hier geht es zum einen um mehr Kontrolle darüber, wer auf maschinengenerierte Daten zugreifen kann und diese nutzt. Zum anderen geht es um Investitionen in Kompetenzen, sowohl im Bereich der IT-Fachausbildung als auch für die breite Bevölkerung sowie für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Für die Investitionen in Kompetenzen verweist die Datenstrategie auf andere bereits bestehende oder geplante Initiativen. Die Mitgliedstaaten sind daher gefordert, in die Ausbildung von Fachkräften und Toptalenten zu investieren, die sicher mit Daten umgehen und diese versiert analysieren und interpretieren können. Bereits bestehende Programme für die Förderung von KMU sollten auf Ergänzungen hinsichtlich der Datenkompetenzen überprüft und gewonnene Erfahrungen in die geplante KMU-Strategie eingespeist werden.

Sektorspezifische Unterschiede: Mit dieser Säule berücksichtigt die Kommission, dass Daten sehr heterogen sind und je nach Anwendungssektor und -bereich einen differenzierten Handlungsrahmen erfordern. Personenbezogene Daten in einem sensiblen Bereich wie der Gesundheit bedürfen anderer Schutzmaßnahmen als maschinengenerierte Daten aus Produktionsanlagen oder Bio- und Geodaten, die für die Messung und Entwicklung im Rahmen des Green Deal benötigt werden. Gleichwohl sollte darauf geachtet werden, dass mit sektorspezifischen regulatorischen Maßnahmen keine Datensilos entstehen. Denn oftmals ist gerade die Verknüpfung von Daten über Sektoren und Bereiche hinweg Voraussetzung, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Allzu häufig bestehen auf nationaler Ebene Hindernisse, die Daten (z. B. aus unterschiedlichen politischen Ressorts) miteinander zu verknüpfen und für Forschungszwecke zu nutzen.

Die Datenstrategie ist komplex. Die EU-Kommission hat für ihre Umsetzung bislang nur wenige konkrete Meilensteine mit Zeitplan definiert. Umso wichtiger ist es, dass die Mitgliedstaaten selbst Maßnahmen ergreifen, um einen europäischen Datenraum zu realisieren. Die Bundesregierung hat Eckpunkte einer Datenstrategie definiert und eine Online-Konsultation gestartet, die bis zum 3. April 2020 läuft. Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und alle Bürger sind aufgerufen, sich einzubringen. Wenn Deutschland ab Juli 2020 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, sollte ausreichend Input vorhanden sein, um die Weiterentwicklung und Umsetzung der Datenstrategie mit Nachdruck voranzutreiben.

© Der/die Autor(en) 2020

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht.

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.1007/s10273-020-2590-x

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