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Ein erstes Sondierungspapier einer möglichen Ampelkoalition gibt einen Vorgeschmack auf bedeutsame Aufgaben in einem derzeit schwierigen Umfeld inmitten einer erneuten fossilen Energiekrise und einem massiv voranschreitenden Klimawandel. Grundsätzlich gehen einige Punkte des Papiers in die richtige Richtung, es fehlt aber noch das notwenige Ambitions- und Umsetzungsniveau. Zwar wird das Bekenntnis zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels bekräftigt, aber weder die konkrete Bestimmung des CO2-Budgets festgelegt noch ausreichende Maßnahmen zur Umsetzung benannt.

Die fossilen Energiepreise für Öl, Kohle und Gas explodieren aufgrund unterschiedlicher Faktoren. Seit Jahrzehnten wollen wir uns von fossilen Energien verabschieden, leider ist dies nicht in ausreichendem Maße passiert. Die erneuerbaren Energien sind eher ausgebremst worden und die Abhängigkeit von Russland wird durch den Bau einer neuen Erdgaspipeline erhöht. Wir zahlen derzeit die Kosten für eine verschleppte Energiewende. Dabei ist die beste Antwort auf fossile Energiekrisen eine konsequente Energiewende mit mehr erneuerbaren Energien und mit Energiesparen. Wir benötigen nicht mehr fossiles Erdgas, sondern weniger. Erneuerbare Energien wirken preissenkend auf den Strompreis an der Börse. Solarenergie kann preissparend die notwenige Energie herstellen. Nur durch einen massiven und deutlich schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien wird die Energiewende gelingen. Zusammen mit dem verstärkten Energiesparen, speziell durch die stärkere Förderung der energetischen Gebäudesanierung, des Bahnverkehrs und dem Ausbau der Ladeinfrastruktur kann eine effiziente Nutzung des Ökostroms ermöglicht werden.

Die fossile Energiepreiskrise bringt Rückenwind für die Koalitionsverhandlungen. Das Sondierungspapier sieht richtigerweise einen deutlich schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien und wohl auch einen schnelleren Kohleausstieg vor. Im Verkehrssektor muss nicht nur am meisten aufgeholt werden, leider hat ausgerechnet da das Sondierungspapier auffällige Lücken. Es muss nachgelegt werden in puncto Stärkung der Bahn, ÖPNV und Elektromobilität. Und die Frage der Finanzierung der notwendigen Investitionen ist komplett ungeklärt und wohl auch sehr strittig. Die Einhaltung der Schuldenbremse ohne Steuererhöhung engt den Spielraum ein. Es sind zwei Dinge zu tun: 1. Im Jahr 2022, in dem die Schuldenbremse noch ausgesetzt ist, sollte kreditfinanziert ein Klimaschutz-Zukunftsfonds gefüllt werden. Die Zinsen sind niedrig, der Bedarf ist groß: 50 Mrd. bis 80 Mrd. Euro sollten pro Jahr in Ausbau und Stärkung von Energie- und Verkehrsinfrastrukturen sowie Digitalisierung investiert werden. Ein derartiger Fonds sollte mindestens 300 Mrd. Euro umfassen, dies wäre ein wichtiger Puffer für Zukunftsinvestitionen. Aufgrund niedriger Zinsen und des Anschubs der Volkswirtschaft ist mit einem Abbau der Schulden in zwei Jahrzehnten zu rechnen. 2. Die Abschaffung umweltschädlicher Subventionen ist überfällig. Insbesondere im Verkehrssektor sind sie so hoch wie schädlich, wie Dieselsteuererleichterung, fehlende Kerosinsteuer und Mehrwertsteuer auf internationale Flüge, Dienstwagenprivileg und Pendlerpauschale. Sie alle schaffen Fehlanreize und sollten abgeschafft werden. Dienstwagenprivileg und Pendlerpauschale sind nicht nur klimaschädlich, sondern auch sozial ungerecht, bevorteilen sie doch speziell reichere Autofahrende. Ein einkommensunabhängiges Mobilitätsgeld wäre sinnvoller.

Die pauschale Ablehnung einer Steuererhöhung ist sehr hinderlich. Bisherige Steuererleichterungen gehören abgeschafft und ein höherer CO2-Preis wird notwendig sein, um die Klimaziele zu erreichen. Man sollte aber die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung durch eine Pro-Kopf-Klimaprämie erstatten. Sie würde insbesondere Niedrig­einkommensbeziehende entlasten. Die derzeit vorgeschlagenen Energiepreisdeckelungen durch sinkende Steuern gehen in die völlig falsche Richtung. Nicht nur, weil dem Staat so Steuereinnahmen fehlen, sondern weil keinesfalls ausgemacht ist, dass die Energiepreise wirklich mit niedrigen Steuern sinken, da die Margen der Energiekonzerne maximal ausgeschöpft werden. Sprich: Die Preise steigen trotzdem und die Konzerne profitieren durch höhere Einnahmen und nicht der Staat, der das Geld auch durch die Finanzierung des Bahnverkehrs, des ÖPNV und den Ausbau der Ladeinfrastruktur zurückgeben soll.

Die jetzigen Verhandelnden haben also harte Nüsse zu knacken. Auf den schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien wird man sich wohl einigen. Offen bleibt, bis wann der Kohleausstieg abgeschlossen sein wird. Zwar will man umweltschädliche Subventionen abschaffen, in der konkreten Umsetzung werden durch die Ablehnung der FDP von Steuererhöhungen dann am Ende wohl nur Subventionen von Hybrid-Fahrzeugen herauskommen können. Das wäre ein mageres Ergebnis und wird der drängenden historischen Aufgabe nicht gerecht. Die Erwartungen sind hoch, die Befürchtungen der massiven Enttäuschung und des Scheiterns auch.

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© Der/die Autor:in 2021

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DOI: 10.1007/s10273-021-3037-8