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Länder setzen immer wieder Wirtschaftssanktionen gegen andere Nationen ein, um diese zu einem bestimmten Handeln zu bewegen. Ein verändertes Verhalten soll dadurch erwirkt werden, dass dem von der Sanktion betroffenen Land ein wirtschaftlicher Schaden zugefügt wird. Er erhöht den Preis für Handlungen, die als unerwünscht angesehen werden. Dieser Beitrag untersucht die ökonomischen Auswirkungen von Handelssanktionen auf die beteiligten Volkswirtschaften und diskutiert diese in der aktuellen Situation mit Russland.

Eine Sanktion kann definiert werden als „ein Zwangsakt …, der als Reaktion auf eine bestimmte Handlung oder Unterlassung gesetzt wird“ (Hafner, 2016, 392). Denkbare Maßnahmen sind unter anderem Einreiseverbote, das Verbot technisches Wissen weiterzugeben oder technische Unterstützung bei erforderlichen Reparaturen zu leisten, das Verbot von Finanztransaktionen und das Einfrieren von Vermögenswerten bis hin zum Verbot von Exporten und Importen (Hafner, 2016, 369). Dieser Beitrag untersucht zwei Sanktionen aus dem Bereich des internationalen Handels: Das Verbot, Waren und Dienstleistungen in ein zu sanktionierendes Land zu exportieren, und den Boykott von Waren aus diesem Land. Ziel dieser Maßnahmen ist es, das sanktionierte Land von den ökonomischen Vorteilen der internationalen Arbeitsteilung abzuschneiden (Smeets, 2018, 3). Damit werden die Kosten eines unerwünschten Handels für diesen Staat erhöht. Die Erwartung ist, dass dessen Regierung ihr Verhalten ändert.

Auswirkungen eines Exportverbots auf das sanktionierte Land

Um die Analyse zu vereinfachen, wird folgende Annahme getroffen: Das Land, gegen das sich das Exportverbot richtet, stellt das betroffene Produkt nicht selbst her. Es ist daher vollkommen auf die Exporte anderer Länder angewiesen. Die Angebotsgerade setzt sich aus den angebotenen Mengen verschiedener ausländischer Anbieter:innen zusammen. Ohne Sanktionen ergibt sich das Marktgleichgewicht Qalt (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1
Auswirkungen eines Exportverbots auf das sanktionierte Land
Auswirkungen eines Exportverbots auf das sanktionierte Land

Quelle: eigene Darstellung.

Wenn nun eines der Exportländer seine Lieferungen reduziert oder einstellt, bedeutet das für das Empfängerland eine Verringerung des Güterangebots. Die Angebotsgerade wird nach links verschoben. Die Verbraucher:innen im Empfängerland können nun nur noch eine geringere Gütermenge konsumieren, für die sie einen höheren Preis zahlen müssen. Wird als Maß für die gesellschaftliche Wohlfahrt das Konzept der Konsumentenrente gewählt, lässt sich der Wohlfahrtsverlust durch die blaue Fläche darstellen.

Auswirkungen eines Exportverbots auf das sanktionsverhängende Land

Wenn den Unternehmen eines Landes verboten wird, ein bestimmtes Produkt in einem von einer Wirtschaftssanktion betroffenen Land zu verkaufen, bedeutet dies eine Verschiebung der Nachfragegeraden nach links. Das Exportverbot reduziert die Produzentenrente um die blaue Fläche in Abbildung 2.

Abbildung 2
Auswirkungen eines Exportverbots auf das sanktionsverhängende Land
Auswirkungen eines Exportverbots auf das sanktionsverhängende Land

Quelle: eigene Darstellung.

Auch das Land, das eine Sanktion beschließt, zahlt somit einen ökonomischen Preis. Getragen wird er vor allem von den Produzent:innen – also von den Eigentümer:innen der Unternehmen, die von den geringeren Exporten betroffenen sind, und von den dort beschäftigten Arbeitskräften. Während sich für die Beschäftigten Lohneinbußen oder sogar Arbeitsplatzverluste ergeben, erzielen die Eigentümer:innen der Unternehmen geringere Kapitaleinkommen. Auch die Steuerzahler:innen können an den volkswirtschaftlichen Kosten dieser Handelssanktion beteiligt werden. Das ist der Fall, wenn die Ausgaben zur sozialen Abfederung der Folgen der Arbeitslosigkeit steigen und diese von den Steuerzahler:innen finanziert werden.

Die Bedeutung von Angebots- und Nachfrageelastizitäten

Ob die Endverbraucher:innen im sanktionierten Land oder die Anbieter:innen in dem sanktionsverhängenden Land stärker unter der Sanktion leiden, hängt vom Verlauf der Angebots- und der Nachfragegeraden ab. In Abbildung 3 wird eine Angebotsgerade mit zwei unterschiedlichen Nachfragegeraden kombiniert. Bei einer steil verlaufenden Nachfragegeraden ist der Rückgang der Konsumentenrente im sanktionierten Land größer. Er entspricht der Fläche [P2 Q2 P0 Q0]. Bei einer flacher verlaufenden Nachfragegeraden entspricht er lediglich der blauen Fläche [P1 Q1 P0 Q0].

Abbildung 3
Bedeutung einer geringen Preiselastizität der Nachfrage für das sanktionierte Land
Bedeutung einer geringen Preiselastizität der Nachfrage für das sanktionierte Land

Quelle: eigene Darstellung.

Eine steil verlaufende Nachfragegerade bedeutet, dass die Konsument:innen ihre Nachfrage selbst bei einer relativ starken Preiserhöhung nur geringfügig einschränken. Ökonomisch gesehen bedeutet dies, dass die Verbraucher:innen schwer auf dieses Konsumgut verzichten können oder wollen. Es liegt eine preisunelastische Nachfrage vor. Analoge Überlegungen lassen sich mit Blick auf die exportierenden Unternehmen des sanktionsverhängenden Landes anstellen. Auch hier gilt, dass der Wohlfahrtsverlust bei einer steil verlaufenden unelastischeren Angebotsgeraden größer ist als bei einem flachen Verlauf.

Die Bedeutung von Vorleistungen

Die ökonomischen Kosten, die der sanktionierten Volkswirtschaft wegen fehlender Importe entstehen, hängen auch davon ab, ob es sich dabei um Konsumgüter oder um Vorleistungen bzw. Rohstoffe handelt. Gibt es für Vorleistungen keine Substitute, kann es zu einer Produktionsunterbrechung kommen, die wiederum weitreichende ökonomische Auswirkungen hat:

  • Wenn die Produktion im Inland in einigen Unternehmen nicht fortgeführt werden kann, kommt es dort zu Entlassungen. Für die betroffenen Beschäftigten ergeben sich Einkommensreduzierungen.
  • Eine Einkommensreduzierung stellt einen Kaufkraftverlust dar. Daher müssen die Haushalte ihre Konsumausgaben einschränken. Für die einheimischen Unternehmen der Konsumgüterindustrie bedeutet das Umsatzeinbußen. Die Unternehmen passen sich daran an und reduzieren Produktion und Beschäftigung. Es kommt zu weiteren Entlassungen, die wiederum Rückgänge bei der gesamtwirtschaftlichen Konsumnachfrage nach sich ziehen.
  • Für die Verbraucher:innen im Inland kann es zu Versorgungsengpässen kommen, wenn bestimmte Konsumgüter wegen fehlender Vorleistungen nicht mehr von den einheimischen Unternehmen angeboten werden können und wenn ein Import wegen der verhängten Sanktionen ebenfalls nicht mehr möglich ist.
  • Sofern die von inländischen Unternehmen hergestellten Produkte von Unternehmen in Drittländern als Vorleistung eingesetzt werden, kann es auch in diesen Ländern zu Produktionsunterbrechungen kommen, obwohl die verhängten Sanktionen gar nicht auf sie gerichtet sind.

Die Bedeutung von Drittländern

Wenn es viele Drittländer gibt die ihre Produkte weiterhin an das sanktionierte Land verkaufen, und wenn die Angebote dieser Länder ein Substitut für die Exporte des sanktionsverhängenden Landes sind, ergeben sich gegebenenfalls gar keine Wohlfahrtsverluste für das sanktionierte Land: Es ersetzt den Exportausfall durch höhere Importe aus anderen Ländern, sodass sich die Versorgungssituation für die Verbraucher:innen nicht verändert. Gleiches gilt für die Lieferung von Vorleistungen und Rohstoffen. Eine Wohlfahrtseinbuße ergibt sich, falls die Drittländer ihre Produkte nur zu einem höheren Preis anbieten können als das Land, das nun keine Exporte mehr liefert.

Für das sanktionsverhängende Land hängt die Höhe des Wohlfahrtsverlustes davon ab, ob die einheimischen Unternehmen ihre Produkte an andere Länder verkaufen können oder nicht. Falls es auf dem Weltmarkt eine hinreichend hohe Nachfrage nach den Produkten des sanktionsverhängenden Landes gibt, können die einheimischen Unternehmen die Umsatzausfälle durch vermehrte Exporte in andere Länder kompensieren. Die Produzentenrente bleibt unverändert, wenn die produzierte Gütermenge und der erzielbare Preis konstant bleiben.

Eine für das sanktionsverhängende Land besonders ungünstige Situation stellt sich hingegen ein, wenn es selbst keine Exportsteigerungen in Drittländer durchführen kann und wenn zudem viele Drittländer das sanktionierte Land mit ihren Produkten versorgen. In diesem Fall wäre die Handelssanktion wirkungslos, weil das Versorgungsniveau im sanktionierten Land unverändert bleibt. Die Unternehmen des sanktionsverhängenden Landes tragen hingegen die wirtschaftlichen Folgen des Exportverbots.

Mittel- und langfristige Effekte für das sanktionierte Land

Die mithilfe der grafischen Analyse skizzierten ökonomischen Konsequenzen eines Exportverbots beschreiben dessen kurzfristige Effekte. Mittel- und langfristig gibt es für ein sanktioniertes Land mehr Möglichkeiten, sich an ein Exportverbot anzupassen. Das betrifft vor allem die Möglichkeit, das nicht mehr gelieferte Produkt durch alternative Produkte zu ersetzen.

Eine Substitutionsmöglichkeit besteht darin, das betreffende Produkt im eigenen Land herzustellen. Diese Anpassung der einheimischen Produktionsmöglichkeiten kostet jedoch Zeit. Das gilt insbesondere, wenn es im Inland bisher keine Unternehmen gibt, die das Produkt herstellen. In diesem Fall müssten komplett neue Produktionsanlagen errichtet werden. Das setzt voraus, dass die inländischen Unternehmen Zugang zu den technologischen Grundlagen bzw. dem Know-how dieser Produktionsprozesse haben. Zudem braucht es entsprechend qualifizierte Fachkräfte. Alternativ kann das sanktionierte Land seine Handelsbeziehungen anpassen und auf Zulieferbetriebe aus anderen Ländern zurückgreifen. Diese Strategie funktioniert, wenn die Sanktionen von einer Großzahl weiterer Nationen nicht mitgetragen werden.

Wegen dieser Anpassungsmöglichkeiten nimmt die Effektivität von Sanktionen im Zeitablauf ab. So gibt es empirische Untersuchungen, die darauf schließen lassen, dass eine Wirtschaftssanktion vor allem in den beiden ersten Jahren nach ihrer Einführung wirksam ist (Smeets 2018, 7). Dennoch kann die Abtrennung von den internationalen Handelsbeziehungen auch längerfristige negative Konsequenzen für die sanktionierte Volkswirtschaft haben:

  • Problematisch wird es für ein sanktioniertes Land, wenn es auch mittel- und langfristig keine Substitutionsmöglichkeiten hat. Wenn es sich bei den nicht mehr gelieferten Produkten um Technologien und moderne Maschinen handelt, kommt es in dem sanktionierten Land zu einer dauerhaften Schwächung der Produktionskapazitäten. Das wirkt sich negativ auf die langfristigen Beschäftigungs- und Einkommenschancen der einheimischen Bevölkerung aus.
  • Die Unterbrechung der Handelsbeziehungen mit dem Ausland kann zur Folge haben, dass internationale Kapitalanleger:innen ihr Kapital aus diesem Land abziehen. Wenn das sanktionierte Land bestimmte Exporte nicht mehr durchführen kann, bedeutet das Umsatz- und Gewinneinbrüche für die davon betroffenen Unternehmen. Sofern ausländische Investor:innen an diesen Unternehmen beteiligt sind, kann der befürchtete Gewinnrückgang ein Motiv sein, ihr Kapital aus dem Land abzuziehen. Damit kommt es in dem sanktionierten Land zu einer Kapitalknappheit. Diese kann Investitionen verhindern und damit ebenfalls die langfristigen Beschäftigungs- und Einkommenschancen der einheimischen Bevölkerung beeinträchtigen.
  • Selbst wenn die Handelssanktionen nur temporärer Natur sind – also nach der erwünschten politischen Handlungsänderung wieder zurückgenommen werden –, können sich daraus langfristige wirtschaftliche Schäden für das sanktionierte Land ergeben. Das ist z. B. der Fall, wenn sich die Unternehmen aus den sanktionsverhängenden Ländern im Sanktionszeitraum neue Handelspartner:innen gesucht haben. Sofern langfristige Lieferverträge unterzeichnet wurden, werden die Unternehmen an diesen festhalten, selbst wenn sie ihre Produkte nach Beendigung der Sanktionen wieder in das sanktionierte Land liefern dürfen.

Auswirkungen eines Importverbots

Die sich aus einem Importboykott ergebenden Wohlfahrtseffekte sind die spiegelbildlichen Effekte eines Exportverbots. Wenn gegen ein Land ein Importboykott verhängt wird, bedeutet das für das sanktionierte Land den erzwungenen Verzicht auf Exporterlöse, denn die Nachfrage nach den Produkten der exportierenden Unternehmen sinkt. Diese Situation wurde in Abbildung 2 analysiert.

Für das sanktionsverhängende Land ergibt sich der Ausfall ausländischer Produkte, also die in Abbildung 1 dargestellte Situation. Wichtig für die Höhe der wirtschaftlichen Kosten, die dem sanktionsverhängenden Land entstehen, ist, ob es sich bei den Importen um Konsumgüter handelt oder um Vorleistungen, auf die die einheimischen Unternehmen angewiesen sind. Letzteres kann zu Störungen der Produktion im Inland führen. Die volkswirtschaftlichen Kosten beschränken sich dann nicht nur auf den Wert der importierten Vorleistungen. Hinzu kommen die Produktions- und Einkommensausfälle, die in inländischen Unternehmen entstehen, wenn dort die Produktion wegen der fehlenden Vorleistungen, Einzelteile und Rohstoffe zum Erliegen kommt.

Außenhandel, Wechselkurs und Zinsniveau im sanktionierten Land

Die sanktionsbedingten Veränderungen der Handelsbeziehungen haben Auswirkungen auf den Wert der Währungen der involvierten Länder, also auf den Wechselkurs.

Wenn die Exporte des sanktionierten Landes wegen eines Boykotts zurückgehen, benötigt der Rest der Welt weniger Einheiten der Währung dieses Landes. Grund für diesen Zusammenhang ist, dass die Produkte eines Landes letztendlich in dessen Währung bezahlt werden müssen, weil die Unternehmen ihre Löhne, Mieten, Pachten, Steuern etc. in ihrer Landeswährung bezahlen. Es kommt daher zu einer geringeren Nachfrage nach der Währung des sanktionierten Landes und somit zu deren Abwertung. Diese hat wiederum weiterreichende ökonomische Konsequenzen:

  • Die Abwertung der eigenen Währung ist zugleich eine Aufwertung der Währungen des Auslands. Das sanktionierte Land muss nun für seine Importe, die in der Währung des Auslands bezahlt werden, mehr Einheiten der eigenen Währung hergeben. Das bedeutet auch, dass das sanktionierte Land mehr Einheiten seiner Exportgüter hergeben muss, um eine Einheit eines Importgutes zu erhalten. Das reale Austauschverhältnis (die sogenannten Terms of Trade) des sanktionierten Landes sinkt. Der einheimischen Bevölkerung stehen weniger Güter zur Verfügung, ihre Versorgungslage verschlechtert sich.
  • Die Abwertung der eigenen Währung erhöht die Preise der importierten Produkte. Dieser Preisanstieg bewirkt einen Anstieg des Preisniveaus im sanktionierten Land. Die Kaufkraft der einheimischen Bevölkerung sinkt.
  • Eine Kombination aus Abwertung und steigender Inflation ist ein Motiv, Kapital aus dem sanktionierten Land abzuziehen. Die einheimischen Bürger:innen können sich durch eine Anlage ihrer Ersparnisse im Ausland vor der inflationsbedingten Verringerung ihres Realvermögens schützen und zudem einen aufwertungsbedingten Vermögenszuwachs realisieren. Ausländische Anleger:innen vermeiden durch ihren Kapitalabzug einen abwertungsbedingten Vermögensverlust. Der Kapitalabzug verringert das Kapital- und Kreditangebot im sanktionierten Land und verschlechtert daher die Finanzierungskonditionen. Die Folge sind geringere Investitionen, die sich negativ auf die Beschäftigungs- und Einkommenschancen auswirken können.
  • Zur Verhinderung einer Kapitalflucht muss die Zentralbank des sanktionierten Landes ihren Leitzins erhöhen. Höhere Zinsen können den Abzug des Kapitals verhindern, wenn im Ausland so geringe Zinsen geboten werden, dass die Zinseinnahmen höher sind als die erwarteten inflations- und abwertungsbedingten Vermögensverluste. Allerdings schwächen höhere Zinsen die Investitionstätigkeiten.

Insgesamt ist somit festzuhalten, dass Handelssanktionen dem sanktionierten Land – zusätzlich zu Verlusten an Konsumenten- und Produzentenrente – auch über eine Abwertung der heimischen Währung sowie höhere Preise und Zinsen wirtschaftliche Schäden zufügen.

Empirie zu den Wirkungen von Sanktionen

Empirische Untersuchungen belegen deutliche Produktionsrückgänge und damit Wohlfahrtsverluste als Folge von Sanktionen. Eine Auswertung von 68 sanktionierten Ländern im Zeitraum von 1976 bis 2012 von Neuenkirch und Neumeier (2015, 111) zeigt einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in diesen Ländern in Folge der Sanktionen von mehr als 2 Prozentpunkten. Bei besonders weitreichenden und umfangreichen Sanktionen beträgt der Rückgang des BIP mehr als 5 Prozentpunkte. Bei einem Rückgang in dieser Größenordnung spricht man von einer Rezession. Wie eine Auswertung von 158 Ländern im Zeitraum von 1960 bis 2016 unter Beteiligung der gleichen Autoren zeigt, entfalten sich die ökonomischen Auswirkungen der Sanktionen binnen zwei Jahren ab dem Erlass der Sanktionen. Dem Rückgang der Produktion folgt zeitgleich ein Rückgang im Konsum in ähnlicher Höhe. Der Rückgang in den Investitionen – mit Ausnahme von Auslandsinvestitionen, die ebenfalls beginnend mit dem Erlass der Sanktionen zurückgehen – setzt hingegen erst im zweiten Jahr nach Erlass der Sanktionen ein (Gutmann et al., 2021). Die ökonomischen Auswirkungen von Sanktionen sind anhaltend. Der Rückgang in der Produktion im sanktionierten Land ist für zumindest zehn Jahre beobachtbar (Neuenkirch und Neumeier, 2015, 111). Der ökonomische Schaden akkumuliert sich entsprechend über die Zeit und kann nicht wieder kompensiert werden.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die oben skizzierten ökonomischen Auswirkungen von Sanktionen durch empirische Evidenz belegbar sind und auch in der langen Frist zu ökonomischen Schäden führen. Die Höhe der ökonomischen Effekte unterscheidet sich dabei von Fall zu Fall stark für das jeweilige sanktionierte Land und ist von den ebenfalls oben diskutierten Faktoren abhängig.

Erfolg von Sanktionen

Bei den Wirkungen von Handelssanktionen ist zwischen den ökonomischen und den politischen Effekten zu unterscheiden. Das wirtschaftliche Ziel von Handelssanktionen ist, dem sanktionierten Land Produktions- und Einkommenseinbußen zuzufügen. Ob dieses Ziel erreicht wird, hängt von zahlreichen Rahmenbedingungen ab. Dazu gehören vor allem die folgenden (Zweynert, 2014, 606 f.):

  • Die Größe der sanktionierten Volkswirtschaft: Je größer eine Volkswirtschaft ist, desto größer ist deren Binnenmarkt und desto weniger ist das Land auf Importe angewiesen.
  • Die Geschlossenheit der sanktionsverhängenden Staatengemeinschaft: Je mehr Länder sich an den Sanktionen beteiligen, desto geringer sind die Ausweichmöglichkeiten für das sanktionierte Land und desto größer sind die wirtschaftlichen Schäden. Bezüglich des Zusammenhalts der Staatengemeinschaft besteht jedoch die Gefahr eines Trittbrettfahrerverhaltens: Die Vermeidung der volkswirtschaftlichen Kosten, die sich für sanktionsverhängende Volkswirtschaften ergeben, stellt einen Anreiz dar, sich nicht an den Sanktionen zu beteiligen. Stattdessen wird darauf vertraut, dass die Sanktionen der übrigen Länder ausreichen, um eine politische Verhaltensänderung zu erwirken. Das ermöglicht der sanktionierten Volkswirtschaft Ausweichreaktionen, die den wirtschaftlichen Schaden verringern.
  • Die Stärke und Schnelligkeit der Sanktionen: Je mehr Konsumgüter, Vorleistungen und Rohstoffe von den verhängten Handelssanktionen betroffen sind, desto größer sind die wirtschaftlichen Schäden. Vergrößert werden die Kosten, wenn es zusätzliche Sanktionen gibt, also z. B. das Verbot von Technologietransfers, der Ausschluss vom internationalen Zahlungsverkehr, das Einfrieren von staatlichen und privaten Auslandsvermögen des sanktionierten Staates etc. Mit Blick auf die Handelssanktionen müssen diese schnell umgesetzt werden, damit das sanktionierte Land keine Vorkehrungen treffen kann, also z. B. aus dem Ausland benötigte Hightech-Produkte und Rohstoffe auf Vorrat kauft und somit einen ausreichend großen Lagerbestand hat.
  • Abhängigkeit des sanktionierten Landes von den betroffenen Produkten: Je größer der Anteil der von einem Importboykott betroffenen Produkte an den Gesamtexporten des sanktionierten Landes ist, desto höher ist der wirtschaftliche Schaden für das sanktionierte Land. Bei einem Exportembargo ist der wirtschaftliche Schaden im sanktionierten Land hoch, wenn das Land für diese Produkte keine Substitute hat und die ausländischen Produkte eine wichtige Rolle für die Versorgung der einheimischen Bevölkerung haben (also z. B. Medikamente, Nahrungsmittel und Energie) bzw. Vorprodukte für die Produktion von existenziellen Produkten sind.

Sofern die Voraussetzungen für hohe wirtschaftliche Schäden im sanktionierten Land nicht gegeben sind, ist die ökonomische Wirksamkeit von Sanktionen gering.

Hinzu kommen gegebenenfalls weitere Einflussfaktoren, die die wirtschaftliche Entwicklung des sanktionierten Landes prägen. Dies war beispielsweise bei den Sanktionen im Kontext der Krimannexion durch Russland im März 2014 der Fall. Zwar kam es nach deren Verhängung in Russland 2014 und 2015 zu einer Rezession wie Abbildung 4 zeigt. Sie ist allerdings nur zum Teil auf diese Sanktionen zurückzuführen. Viel gravierender war der Ölpreisverfall 2014/2015, der für die rohstoffabhängige russische Volkswirtschaft wesentlich stärkere Auswirkungen hatte als die verhängten Wirtschaftssanktionen (Fischer, 2017, 4; Smeets, 2018, 8; Korhonen, 2019, 19).

Abbildung 4
Entwicklung des BIP von Russland und der EU sowie die Entwicklung des Rohölpreises (Brent)
Entwicklung des BIP von Russland und der EU sowie die Entwicklung des Rohölpreises (Brent)

Quelle: Daten BIP: World Bank, Daten Rohölpreis: FED St. Louis FRED.

Während die wirtschaftlichen Effekte von Handelssanktionen empirisch einigermaßen gut quantifizierbar sind, ist dies mit Blick auf die politischen Reaktionen des sanktionierten Landes weniger gut möglich. Ein Grund dafür ist, dass sich kein kontrafaktisches Szenario berechnen lässt (Christen und Felbermayr, 2022, 70). Bezüglich der ökonomischen Wirkungen einer Handelssanktion kann die beobachtete Wirtschaftsentwicklung mit einer hypothetischen Entwicklung verglichen werden, die sich in dem sanktionierten Land ergeben hätte, wenn keine Sanktionen verhängt worden wären. Dies lässt sich mithilfe von volkswirtschaftlichen Modellen berechnen. Für politische Entscheidungen gibt es derartige Modelle nicht, womit eine kausale Identifikation des politischen Erfolgs von Sanktionen kaum möglich ist. Ein zweiter Grund für die geringen Nachweismöglichkeiten der politischen Erfolge von Handelssanktionen besteht darin, dass diese Sanktionen in der Regel Teil eines umfassenden politischen Ansatzes zu Veränderung des Verhaltens eines anderen Staates sind. Falls der sanktionierte Staat also tatsächlich sein Verhalten ändert, kann das selten einer einzelnen politischen Maßnahme – also z. B. einem Exportverbot – zugschrieben werden (Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag, 2020, 13). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Handelssanktionen zwar die erwünschten ökonomischen Schäden in dem sanktionierten Land hervorrufen können, die Unterstützung der politischen Führung durch die einheimische Bevölkerung möglicherweise aber dennoch steigt. In diesem Fall ruft die wirtschaftliche Sanktion gegebenenfalls sogar das Gegenteil der anvisierten politischen Reaktion hervor (Hafner, 2016, 411).

Angesichts der hohen Anforderungen an den wirtschaftlichen Erfolg von Sanktionen und der methodischen Probleme beim empirischen Nachweis ihres politischen Erfolgs ist die Literatur bezüglich des politischen Erfolgs von Wirtschaftssanktionen eher skeptisch. Die empirische Analyse der Wirkung von Sanktionen kommt zu dem Ergebnis, dass die Erfolgsrate der untersuchten Sanktionsfälle zwischen 5 % und 34 % liegt (Hafner, 2016, 412; Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag, 2020, 12 und die dort angegebene Literatur). Hafner kommt daher zu einer ernüchternden Einschätzung: „Die Literatur hegt große Zweifel an der Wirksamkeit von derartigen Sanktionen. Als erfolgreich gelten lediglich die Sanktionen gegen den Irak und Libyen, als diese Staaten einerseits auf den Einsatz von Giftwaffen und andererseits auf die Produktion von Nuklearwaffen verzichteten“ (Hafner, 2016, 411).

Ausblick auf die Erfolgsaussichten der aktuellen Sanktionen gegen Russland

Die bisher gegen Russland verhängten Wirtschaftssanktionen sind mit Blick auf die betroffenen Wirtschaftsbereiche und die beteiligten sanktionsverhängenden Staaten durchaus geeignet, der russischen Volkswirtschaft hohe wirtschaftliche Schäden zuzufügen. Vor allem die Geschlossenheit der internationalen Staatengemeinschaft lässt dies erwarten. Hinzu kommt, dass Russland trotz seiner Größe von hochwertigen Produkten aus dem Ausland abhängig ist. Zu nennen sind vor allem Maschinen, Fahrzeuge und elektronische Waren (DIHK Düsseldorf, 2020, 6).

Hohe ökonomische Schäden sind auch deshalb zu erwarten, weil neben Import- und Exportbeschränkungen weitere Wirtschaftssanktionen verhängt wurden:

  • Eine Maßnahme ist der Ausschluss einiger russischer Großbanken aus der Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (SWIFT). Dies erschwert die Abwicklung von Exporten und Importen maßgeblich.
  • Um die Einnahmeausfälle aus dem eigenen Exportgeschäft auszugleichen, könnte Russland Teile seiner Gold- und Devisenreserven verkaufen. Deren Wert liegt gegenwärtig bei rund 630 Mrd. US-$. Mit diesen Reserven könnte Russland prinzipiell seine Importe für zwei Jahre finanzieren. Allerdings ist nicht klar, in welchem Umfang Russland tatsächlich auf diese Reserven zugreifen kann. Große Teile der Devisenreserven und Wertpapiere sind in Ländern deponiert, die Sanktionen gegen die russische Zentralbank erhoben haben (Engerer, 2022, 1-3).
  • Neben den staatlichen Wirtschaftssanktionen haben viele private Unternehmen ihre Geschäftsbeziehungen zu Russland vorerst eingestellt. Dazu gehört auch, dass die Produktion von Filialen dieser Unternehmen in Russland ausgesetzt wird. Gleichzeitig unterbleiben weitere Investitionen bzw. kommt es sogar zu einem Kapitalabzug.

Einige Folgen dieser Sanktionen äußerten sich unmittelbar nach deren Verkündung. Das betrifft insbesondere den Wert der russischen Währung. In den Wochen und Monaten vor dem Angriff auf die Ukraine mussten für 1 Euro 85 bis 90 Rubel bezahlt werden. Mitte März 2022 lag der Preis für 1 Euro hingegen bei 145 Rubel. Das Spiegelbild dieser Euroaufwertung ist eine kräftige Abwertung des Rubels. Um die damit einhergehende drohende Kapitalflucht zu verhindern, hob die russische Zentralbank den Leitzins am 28. Februar von 9,5 % auf 20 % an.

Allerdings weisen die bisher verhängten Sanktionen auch Schwächen auf. Die für Russland wichtigen Exporte von fossiler Energie gehen weiter. Länder wie China, Indien oder Kasachstan können als unterstützende Drittstaaten einspringen – sowohl als Abnehmer russischer Produkte als auch als Lieferanten wichtiger Güter und Vorleistungen. Zudem sind nicht alle Banken und Überweisungen aus dem SWIFT-System ausgeschlossen (Grözinger, 2022, 156).

Jenseits der wirtschaftlichen Schäden für Russland spielen zwei weitere Erwägungen eine wichtige Rolle für den angestrebten politischen Erfolg, also die Beendigung des Angriffs auf die Ukraine. So ist denkbar, dass die russische Bevölkerung durch die Maßnahmen der sanktionsverhängenden Staaten zusammengeschweißt wird. Wenn die Zustimmung zum Regime steigt, wird eine Beendigung der Kampfhandlungen unwahrscheinlicher. Darüber hinaus ist fraglich, ob Putin und die russische Führung ihre Entscheidung von den ökonomischen Kosten abhängig machen. Falls nicht, bleiben Sanktionen politisch gesehen wirkungslos.

Um die Erfolgsaussichten zu erhöhen, sind daher weitere Sanktionen sinnvoll, die sich direkt gegen die Unterstützer:innen des Systems Putin richten. Grözinger schlägt in diesem Kontext z. B. Visa-Verweigerung für russische Staatsbürger:innen vor – mit Ausnahme von den Personengruppen, die den Kern einer kritischen russischen Zivilgesellschaft bilden könnten, also allen voran von Studierenden, Wissenschaftler:innen, Journalist:innen und Künstler:innen. Diese Maßnahme träfe vor allem die reichen Haushalte, die dann z. B. auf Urlaubsreisen verzichten müssten, was für sie einen spürbaren Verlust an Lebensqualität bedeuten würde. Hilfreich könnten zudem Sanktionen gegen die russische Oligarchie sein, die Putin unterstützt, also beispielsweise ein Einfrieren ihrer Auslandsvermögen und die Beschlagnahmung von physischen Vermögen wie Immobilien und Jachten (Grözinger, 2022, 156).

Doch selbst wenn der politische Erfolg der Sanktionen fraglich ist, senden sie dennoch ein starkes politisches Signal aus: Sie zeigen, dass die sanktionsverhängenden Staaten bereit sind, selbst Kosten zu tragen, um das sanktionierte Land zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Das ist ein wesentlich stärkeres Signal als bloße politische Erklärungen (Smeets, 2018, 9). Zudem haben Sanktionen damit auch einen abschreckenden Charakter für andere Staaten, die möglichweise ähnliche unerwünschte Handlungen planen.

Literatur

Christen, E. und G. Felbermayr (2022), Sanktionspolitik gegen Russland, Wirtschaftsdienst, 102(2), 70-71, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2022/heft/2/beitrag/sanktionspolitik-gegen-russland.html (13. April 2022).

DIHK Düsseldorf (2020), Die volkswirtschaftlichen Kosten der Sanktionen in Bezug auf Russland.

Engerer, H. (2022), Sanktionen gegen die russische Zentralbank sind ein starkes Instrument, DIW aktuell, 79.

Fischer, S. (2017), Sanktionen als Dauerzustand?, SWP-Aktuell, 24.

Grözinger, G. (2022), Effektive Sanktionen, Wirtschaftsdienst, 102(3), 156, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2022/heft/3/beitrag/krieg-in-der-ukraine-effektive-sanktionen.html (13. April 2022).

Gutmann, J., M. Neuenkirch und F. Neumeier (2021), The Economic Effects of International Sanctions: An Event Study, CESifo Working Paper, 9007.

Hafner, G. (2016), Völkerrechtliche Grenzen und Wirksamkeit von Sanktionen gegen Völkerrechtssubjekte, Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, (76), 391-413.

Korhonen, I. (2019), Economic Sanctions on Russia and Their Effects, CESifo Forum, 20(4), 19-22.

Neuenkirch, M. und F. Neumeier (2015), The impact of UN and US economic sanctions on GDP growth, European Journal of Political Economy, (40) Part A, 110-125.

Smeets, M. (2018), Can Economic Sanctions be Effective?, World Trade Organisation Staff Working Paper, ERSD-2018-03.

Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag (2020), Sanktionen der Bundesrepublik Deutschland gegen Drittstaaten, Sachstand WD 2 – 3000 – 025/20.

Zweynert, J. (2014), Was bringen Sanktionen? Polit-ökonomische Anmerkungen, Wirtschaftsdienst, 94(9), 606-607, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2014/heft/9/beitrag/was-bringen-sanktionen-polit-oekonomische-anmerkungen.html (13. April 2022).

Title:Trade Sanctions – Effects and Side Effects

Abstract:Trade sanctions have been repeatedly used as an instrument to force countries to change policies or actions that are considered condemnable. Trade sanctions put pressure on a country by purposefully harming its economy. The resulting economic costs are intended to translate into political costs for the government of the target country. In this article, we outline the economic mechanisms behind trade sanctions and resulting effects for both the implementer and the target country. We also discuss the implications of our findings in light of the current sanction regime against Russia.

© Der/die Autor:in 2022

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.1007/s10273-022-3188-2

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