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Die weitgehende (und möglicherweise vollständige) Reduktion der Gaseinfuhren aus Russland führt zu bisher unvorstellbaren Kostensteigerungen für Gas und Strom. Auch ohne Gasmangellage wird die Weitergabe der hohen Marktpreise für viele Verbrauchende ein kaum zu bewältigendes Problem. Mit der Gaspreisumlage werden die Preise unabhängig von den eigentlichen Tarifen der Versorger angehoben. Haushalte bekommen zugleich mit der Mehrwertsteuersenkung eine Preissenkung. Industrieverbrauchende profitieren davon nicht, hier bleibt die Mehrbelastung und die Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen. Die Kombination aus Umlage und Mehrwertsteuersenkung kann aus vielen Gründen kritisiert werden. Aber auch ohne die zweifelhafte Kompensation bringt die Umlage inhärente Probleme mit sich.

Die Gaspreisumlage verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele. Zum einen sollen die Importierenden stabilisiert werden, die das ausbleibende Gas aus Russland kurzfristig durch Nachkäufe am Spotmarkt ausgleichen müssen, aber aufgrund fest vereinbarter Absatzpreise die Mehrkosten nicht weiterleiten können. Bei einem Ausfall der Importierenden wäre die Gasversorgung bedroht. Zum anderen soll das neue Gaspreisniveau schneller in den Endverbraucherpreisen ankommen, sodass die Konsumierenden einen Anreiz haben, den Gasverbrauch zu reduzieren und einen Beitrag zur Minderung der drohenden Knappheiten zu leisten.

Beide Ziele scheinen zunächst gut kombinierbar, aus ihnen folgen jedoch unterschiedliche Ableitungen. Wenn die Umlage zur Stützung einzelner Unternehmen und Stabilisierung des Gas- und Energieversorgungssystems gedacht ist, müssten die Rettungskosten gesamtgesellschaftlich und damit aus dem Steueraufkommen getragen werden. Wenn es hingegen darum geht, die höheren Einkaufspreise schneller an die Kundschaft weiterzugeben, stellt sich die Frage, wie die Umlage sich zu den ohnehin anstehenden Erhöhungen der Endverbraucherpreise verhält. Kundschaft, die bereits die höheren Preise zahlt (als Neukundschaft mit bereits erfolgten Preiserhöhungen oder am Spotmarkt), erhält bereits das aktuelle Knappheitspreissignal und muss darüber hinaus die Umlage tragen. Andere zahlen dafür entsprechend weniger. Die Umlage nimmt darauf jedoch keine Rücksicht. Sie gibt weder systematisch die erhöhten Preise weiter, noch verteilt sie die Kosten der Stabilisierung der Energieversorgung auf die Gesamtheit der Steuerzahlenden.

Das eigentliche ökonomische Problem liegt darin, dass der extrem schnell und stark gestiegene Gaseinkaufspreis aufgrund langfristiger Festpreise nicht schnell an die Endverbrauchenden weitergegeben werden kann, sodass die notwendige Reaktion der Nachfrage ausbleibt. Dies wäre auch ohne eine drohende Insolvenz zentraler Importierender hoch problematisch, weil ein Marktausgleich dann nicht schnell genug stattfinden kann. Die Verbrauchenden hatten sich mit Festpreisverträgen gegen Preisanstiege abgesichert, das Risiko hatten Lieferanten und Versorger übernommen. Die beschleunigte Weitergabe der Preise über die Umlage an die Endverbrauchenden ist ein Eingriff in bestehende Verträge. Die Versicherung der Kundschaft gegen Preisanstiege wird für nichtig erklärt und damit wertlos. Eine Alternative zur Umlage wäre gewesen, die Preisweitergabe kurzfristig zuzulassen und gleichzeitig eine Entschädigung der Kundschaft durch den Versorger für den Wegfall der Preisgarantie vorzunehmen, die sich am Verbrauch der Vorjahre orientiert und damit nicht die nachfragemindernde Wirkung des neuen Preises unterminiert. Damit wäre das Preissignal bei der Kundschaft angekommen. Die Kosten des eingetretenen Preisrisikos wären aber wie vertraglich vereinbart – zumindest im Wesentlichen – bei den Anbietenden verblieben. Die Entschädigung wäre von dem jeweiligen Unternehmen zu tragen, weil dies ja auch das Preis- und Mengenrisiko beim Import aus Russland eingegangen war. Die Verbrauchenden hätten über die höheren Preise einen Sparanreiz, müssten aber nicht für die von den Lieferanten eingegangenen Risiken haften. Wenn aufgrund der stark steigenden Preise weitere Entlastungen für Verbrauchende (Haushalte und Unternehmen) notwendig werden, könnten staatliche Hilfen analog organisiert werden, ohne damit das Preissignal zu stören.

Das Problem der Sicherung der Unternehmen, die ohne Unterstützung durch die höheren Gaseinkaufspreise in Schieflage geraten würden, wäre mit der Preisweitergabe bei Entschädigung hingegen nicht gelöst. Hier müssten klassische Rettungsmaßnahmen wie Subventionen, Kredite oder staatliche Beteiligungen greifen. Damit könnte zielgerichtet dort eingegriffen werden, wo die Schieflage eines Unternehmens die Gas- und Energieversorgung gefährden würde.

Die beiden Ziele – schnelle Weitergabe der gestiegenen Gaspreise an die Endverbrauchenden und kurzfristige Sicherung der Gasimportierenden – scheinen zunächst ähnlicher zu sein als sie wirklich sind. Tatsächlich wäre eine Kombination aus zwei Maßnahmen (Kostenweitergabe mit Entschädigung für die wegfallende Preisgarantie durch die Versorger und staatliche Stützung notleidender Importierender) zielgerichteter gewesen als die beschlossene pauschale Umlage – mit oder ohne Mehrwertsteuersenkung.

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© Der/die Autor:in 2022

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DOI: 10.1007/s10273-022-3282-5