Der private Konsum war in den vergangenen Jahren ungewöhnlich starken Einflüssen ausgesetzt. Nach dem pandemiebedingten Einbruch im Jahr 2020 setzte eine kräftige Erholung ein, die jedoch mit der Energiekrise nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine ausgebremst wurde. Seit Anfang 2022 hat der private Konsum – bei teils größeren Schwankungen im Quartalsverlauf – auf verhaltenem Niveau kaum mehr als stagniert. Konjunkturprognosen sahen vor, dass die real verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte und der private Konsum in diesem und im kommenden Jahr kräftig steigen würden und die damit verbundene Belebung der wirtschaftlichen Aktivität in den konsumnahen Dienstleistungsbranchen eine wichtige Triebfeder für eine wirtschaftliche Erholung sein würde (Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose, 2023). Mittlerweile zeichnet sich jedoch ab, dass der private Konsum wohl nur moderat expandieren wird (Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose, 2024). Allerdings stellt sich nach Datenrevisionen der Verlauf des privaten Konsums seit dem Beginn der Pandemie mittlerweile anders dar als noch im Jahr 2023.
Mit den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) für das zweite Quartal 2024 hat das Statistische Bundesamt die historischen Werte im Rahmen einer umfangreichen Generalrevision überarbeitet. Dabei wurden beispielsweise Klassifikationen angepasst oder bislang nicht verfügbare oder genutzte Datenquellen einbezogen (Destatis, 2024). Gleichzeitig wurden turnusmäßig erst mit Verzögerung verfügbare Informationen für die vergangenen drei Jahre in das Zahlenwerk eingearbeitet. Nach der Überarbeitung der VGR stellen sich die Verläufe des privaten Konsums, der verfügbaren Einkommen und der Sparquote der privaten Haushalte für die vergangenen Jahre etwas anders dar, als sie für vorherige Prognosen auf Basis der alten Rechenstände zugrunde gelegt wurden. So lag der private Konsum dem aktuellen Rechenstand zufolge bereits im Jahr 2022 über seinem Vorkrisenniveau des Jahres 2019, während er dieses Niveau laut Rechenstand, der für die Herbstprognose 2023 zur Verfügung stand, noch nicht erreicht hatte (Abbildung 1). Für das zweite Quartal 2023 liegt die entsprechende Diskrepanz zwischen altem und aktuellem Rechenstand bei etwa 2 %; das Bruttoinlandsprodukt ist demgegenüber kaum revidiert worden. Die Erholung des privaten Konsums, die im Herbst 2023 prognostiziert wurde, war somit bereits weiter vorangeschritten, als in den VGR ablesbar war. Entsprechend wird in der laufenden Prognose trotz der deutlichen Abwärtsrevisionen in den Zuwachsraten für die Jahre 2024 und 2025 mit einem ähnlichen Niveau des privaten Konsums – relativ zum Jahr 2019 – wie in der Herbstprognose 2023 gerechnet.
Abbildung 1
Revisionen beim privaten Konsum

Jahresdaten; preisbereinigt. Kurven: Niveaus (linke Achse). Balken: Zuwachsraten (rechte Achse). Herbst 2023 (2024): Datenstand und Prognose der Gemeinschaftsdiagnose im Herbst 2023 (2024).
Quelle: Destatis (2024); Projekt Gemeinschaftsdiagnose (2023; 2024).
Ein ähnliches Bild ergibt sich für das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte. Laut aktuellem Rechenstand lag das real verfügbare Einkommen – relativ zum Jahr 2019 – im Jahr 2022 höher als zuvor ausgewiesen und trotz deutlich geringerer prognostizierter Zuwachsraten wird in der laufenden Prognose mit einem ähnlichen Niveau für das Jahr 2025 gerechnet (Abbildung 2). Die Sparquote der privaten Haushalte wird nun niedriger ausgewiesen als zuvor. Während sie sich laut altem Rechenstand nach den großen pandemiebedingten Schwankungen durchgehend auf einem im Vergleich zum Jahr 2019 erhöhten Niveau befand, zeigt sich nun, dass sie im Zuge der Erholung ihr Vorkrisenniveau wieder erreicht und zweitweise unterschritten hatte. Unverändert bleibt dagegen der Befund, dass die privaten Haushalte in den Jahren 2020 und 2021 massiv zusätzliche Ersparnisse im Umfang von etwa 200 Mrd. Euro bzw. fast 10 % des damaligen verfügbaren Einkommens angehäuft hatten und diese nicht mehr in nennenswertem Umfang für Konsumausgaben aufgewendet haben.
Abbildung 2
Revisionen beim real verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte

Jahresdaten; preisbereinigt mit dem Deflator des privaten Konsums. Kurven: Niveaus (linke Achse). Balken: Zuwachsraten (rechte Achse). Herbst 2023 (2024): Datenstand und Prognose der Gemeinschaftsdiagnose im Herbst 2023 (2024).
Quelle: Destatis (2024); Projekt Gemeinschaftsdiagnose (2023; 2024).
Die Prognose einer recht kräftigen Erholung des privaten Konsums fußte nicht zuletzt auf der Erwartung, dass die Reallöhne kräftig anziehen würden. Die Löhne reagieren auf Preisänderungen in der Regel nur mit etwas Verzögerung, nicht zuletzt aufgrund mehrjähriger Laufzeiten von Tarifverträgen. Nach den hohen Preissteigerungen der Jahre 2022 und 2023 – die nicht nur auf höhere importierte Energiepreise, sondern auch auf einen kräftigen heimischen Preisauftrieb zurückzuführen und damit verbunden mit steigenden Unternehmensgewinnen einhergegangen waren – war demzufolge absehbar, dass die Löhne mit etwas Verzögerung ebenfalls kräftig steigen und sich die Reallöhne bei gleichzeitig wieder abflauendem Preisauftrieb erholen würden. An dieser Einschätzung hat sich im Laufe dieses Jahres wenig geändert. So war der Revisionsbedarf für die früheren Werte der Nettolöhne und -gehälter sowie für den Deflator des privaten Konsums – als Maß für den Preisauftrieb aus Sicht der privaten Haushalte – gering (Abbildung 3). Für die Jahre 2023 und 2025 zeichnet sich sogar ein etwas stärkerer Anstieg der Nettolöhne und -gehälter ab, bei in etwa unveränderten Preisanstiegen.
Abbildung 3
Revisionen der Beiträge zur Veränderung des verfügbaren Einkommens

Jahresdaten; Differenz zwischen den Beiträgen aus den Herbstprognosen 2024 und 2023; Abgaben: Abgaben auf soziale Leistungen, verbrauchsnahe Steuern und sonstige Transfers.
Quelle: Destatis (2024); Projekt Gemeinschaftsdiagnose (2023; 2024).
Größere Anpassungen gab es hingegen bei den Unternehmens- und Vermögenseinkommen der privaten Haushalte (übrige Primäreinkommen). Dies gilt sowohl für die Überarbeitung früherer Werte durch das Statistische Bundesamt, die zu deutlichen Aufwärtsrevisionen geführt hat, als auch für die Prognose, die für 2024 und 2025 nun von einem deutlich geringeren Beitrag der übrigen Primäreinkommen der privaten Haushalte ausgeht. Zu den großen Revisionen trägt vermutlich bei, dass dem Statistischen Bundesamt für wesentliche Teile der übrigen Primäreinkommen keine originären Daten vorliegen, sodass sie im Rahmen der VGR residual ermittelt werden, also den Charakter einer Restgröße haben. Dies dürfte nicht nur den Revisionsbedarf bei der Überarbeitung früherer Werte durch das Statistische Bundesamt erhöhen, sondern auch wesentlich zur Prognoseunsicherheit beitragen.
Auch wenn man berücksichtigt, dass sich der private Konsum bereits wieder über seinem Vorkrisenniveau befindet, war die Dynamik angesichts der Realeinkommenszuwächse zuletzt recht schwach. Die Konsumenten halten sich mit Käufen zurück, die Sparquote ist in der Tendenz bereits seit 2022 wieder aufwärtsgerichtet. Grundsätzlich können zahlreiche Faktoren, wie die wirtschaftlichen Aussichten, das Zinsniveau oder die Demografie auf die Sparquote wirken und ihr jeweiliger Einfluss ist recht schwer zu quantifizieren (Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose, 2024, Kapitel 5). Naheliegend ist, dass die verhaltenen wirtschaftlichen Aussichten verbunden mit einer hohen wirtschaftspolitischen Unsicherheit zum Anstieg der Sparquote beigetragen haben. Die Konsumzurückhaltung spiegelt sich auch in den GfK-Umfragen zufolge niedrigen Konsumklima und insbesondere in der niedrigen Anschaffungsneigung der privaten Haushalte wider. Immerhin haben sich Konsumklima und Anschaffungsneigung in den vergangenen Quartalen sukzessive gebessert.
Alles in allem dürften die weiter steigenden Realeinkommen perspektivisch zu Anstiegen des privaten Konsums führen. Allerdings werden die Zuwachsraten wohl deutlich geringer ausfallen als noch vor einem Jahr erwartet.
Literatur
Destatis. (2024). Hintergrundpapier zur Generalrevision 2024 der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen für Deutschland.
Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose. (2023). Kaufkraft kehrt zurück – Politische Unsicherheit hoch. Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2023.
Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose. (2024). Deutsche Wirtschaft im Umbruch – Konjunktur und Wachstum schwach. Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2024.