Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

Mitte Mai 2024 haben die USA mit ihrer Ankündigung, die Einfuhrzölle für eine Reihe von Produkten aus China beträchtlich anzuheben, für neuerliche Verstimmung zwischen den beiden Großmächten gesorgt. Betroffen sind Produkte der kritischen Infrastruktur (Hafenkräne), des Gesundheitswesens (Spritzen, Nadeln, Schutzmasken, Handschuhe), aber auch Stahl und Aluminium, Solarzellen sowie Batterien und E-Autos. Besondere Beachtung fand die Anhebung des Einfuhrzolls für E-Autos aus China von 25 % auf 100 %. Da die USA im Jahr 2023 lediglich rund 12.300 E-Autos aus China importiert haben, ist der ökonomische Effekt dieser Maßnahme für sich genommen gering, sodass der prohibitiv hohe Importzoll von manchen Beobachtern als eine Maßnahme betrachtet wird, mit der sich US-Präsident Biden die Autoworker in den Swing States gewogen halten möchte. Angesichts der anstehenden Präsidentschaftswahl ist das innenpolitische Motiv nicht von der Hand zu weisen, gleichwohl greift diese Erklärung zu kurz. Die Anhebung der Einfuhrzölle ist vielmehr ein weiterer Schritt der USA, ihre Handelsverflechtungen mit China bei strategischen und systemrelevanten Gütern konsequent zu reduzieren – zugunsten des Auf- und Ausbaus der entsprechenden Produktion in den USA.

China verfügt bereits jetzt über erhebliche Produktionskapazitäten im Bereich von Batterien und E-Autos, die in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden sollen. Große Teile dieser Produktion werden in den Export gen Westen gehen und insbesondere dann, wenn die Inlandsnachfrage in China weiterhin schwächelt. Deswegen setzen die USA bereits jetzt, wo chinesische Autobauer gerade erst versuchen, auf dem US-Markt Fuß zu fassen, alles daran, ihnen den Zugang massiv zu erschweren. Dies hat beträchtliche Konsequenzen für die EU. Denn sollte der riesige US-Markt wesentliche Teile der chinesischen Batterie- und E-Autoproduktion nicht aufnehmen, dürften diese – gegebenenfalls mit deutlichen Preisabschlägen – auf den europäischen Markt drängen. Derzeit erhöhen die USA den Druck auf ihre europäischen Handelspartner, sich der US-Zollpolitik anzuschließen. Aber wäre das gut für Europa?

Die Situation ist komplex. Einerseits könnten günstige E-Autos aus China die Ausweitung der E-Mobilität in der EU beschleunigen und damit einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der EU-Klimaziele leisten. Andererseits erschweren sie die erfolgreiche Transformation der europäischen Autoindustrie. Problematisch ist, dass die gesamte Wertschöpfungskette der E-Autoproduktion in China massiv subventioniert wird und das bereits seit Jahren. Deshalb hat die EU-Kommission eine Antisubventionsuntersuchung gegen E-Autos aus China eingeleitet, um gegebenenfalls Ausgleichszölle verhängen zu können. Wäre der EU-Automobilindustrie damit geholfen?

Das Problem ist, dass die europäischen Autobauer – allen voran die deutschen – den Umstieg vom Verbrenner auf das E-Auto zu spät vollzogen haben. In der Zwischenzeit ist China den Europäern, insbesondere was das technische Know-how, die Produktionskapazitäten und die Qualität der Batteriefertigung angeht, um Jahre enteilt. Was die EU-Hersteller jetzt brauchen, ist ein vorübergehender Schutz, um eine wettbewerbsfähige Batterieproduktion in der EU aufzubauen. Zudem müssen sie attraktive E-Autos entwickeln. Hier haben chinesische Anbieter mit der raschen Abfolge von neuen Modellen, technischen Innovationen und Ausstattungsmerkmalen, die sich stark am Lifestyle ihrer Kunden orientieren, Maßstäbe gesetzt, an denen auch die europäischen Hersteller gemessen werden.

Ausgleichszölle sind ein regelkonformes Instrument, um Marktverzerrungen aufgrund unzulässiger Subventionen zu reduzieren. Allerdings stoßen sie in der EU nicht auf ungeteilte Zustimmung. Vor allem deutsche Autobauer sehen sie kritisch, weil sie auch für die von ihnen in China produzierten und in die EU importierten E-Autos gelten würden und weil sie Vergeltungsmaßnahmen von chinesischer Seite befürchten. Zudem stellen Zölle nicht sicher, dass die Angebotspreise europäischer Hersteller nicht weiterhin von chinesischen Konkurrenten unterboten werden. Um dies zu verhindern, könnte die EU Mindesteinfuhrpreise für E-Autos aus China festlegen. In diesem Fall würde der Ausgleichszoll immer dann greifen, wenn der Exportpreis in China produzierter E-Autos unter dem Mindesteinfuhrpreis der EU liegt. Dieses Verfahren ließe sich sowohl auf E-Autos als auch auf Batterien anwenden. Wichtig ist, dass die Schutzmaßnahmen zeitlich befristet sind, damit europäische Unternehmen den Anreiz haben, notwendige Anpassungsmaßnahmen schnell zu vollziehen. Gleichwohl beseitigen diese Akutmaßnahmen nicht das grundlegende Problem. Die EU muss sich endlich dazu durchringen, Forschung und Entwicklung von Zukunftstechnologien und den entscheidenden Schritt zu marktreifen Anwendungen langfristig und massiv mit EU-eigenen Finanzmitteln zu fördern. Dies ist notwendig, um eine Industriepolitik auf Augenhöhe mit China oder den USA betreiben zu können.

Beitrag als PDF

© Der/die Autor:in 2024

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2024-0096