In nahezu allen Bereichen der Energiewende besteht politischer Handlungsbedarf. Dies war das Ergebnis des letzten Berichts der unabhängigen Expertenkommission zum Energiewende-Monitoring der Bundesregierung: Zwar schreitet der Ausbau erneuerbarer Energien voran, doch bleiben Marktintegration, Netzausbau und eine konsistente Kraftwerkstrategie unzureichend. Zudem stagniert der Wasserstoffhochlauf und bedarf dringend eines neuen Momentums. Das richtige Strommarktdesign als passender Rahmen für die Energiewende fehlt weiterhin.
Die Notwendigkeit zum Nachjustieren ist nicht überraschend. Da technologische, ökonomische und gesellschaftliche Entwicklungen nur begrenzt prognostizierbar sind, braucht es flexible Anpassungsmechanismen statt eines festen Masterplans – ohne die Energiewende als solche in Frage zu stellen. Deshalb ist es zu begrüßen, dass der Koalitionsvertrag eine Bestandsaufnahme zentraler Bereiche der Energiewende als Grundlage der weiteren Arbeit vorsieht. Insbesondere der zu erwartende Strombedarf sowie der Stand der Versorgungssicherheit, des Netzausbaus, des Ausbaus der erneuerbaren Energien, der Digitalisierung und des Wasserstoffhochlaufs sollen mit einer konsequenten Ausrichtung auf Kosteneffizienz und Versorgungssicherheit überprüft werden.
Mitte September wurde das Monitoring-Gutachten zur Energiewende, mit dem das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) und die BET Consulting GmbH vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) beauftragt wurden, gemeinsam mit „zehn wirtschafts- und wettbewerbsfreundlichen Schlüsselmaßnahmen“ des Ministeriums veröffentlicht. Der lesenswerte Projektbericht basiert als Metaanalyse auf vorhandenen Studien und verzichtet auf eigene Berechnungen. Dabei werden normativ klimazielerreichende Szenarien und explorative Trendszenarien unterschieden. Zwischen den normativen Szenarien zur Zielerreichung und den explorativen Trendszenarien, die wahrscheinliche Entwicklungen abbilden, bestehen große Diskrepanzen. Anders gesagt: Es besteht großer Anpassungsbedarf, andernfalls drohen Zielverfehlungen.
Alle Szenarien zeigen einen steigenden Strombedarf. Die Elektrifizierung ist eben ein wesentlicher Stellhebel für die Erreichung der Klimaziele, allerdings kommt sie langsamer voran als erwartet. In normativen Szenarien liegt der Strombedarf mit 600 bis 700 TWh im Jahr 2030 deutlich über den explorativen Annahmen. Das Ministerium erwartet einen Strombedarf eher am unteren Ende. Während der Ausbau von Wärmepumpen und Elektromobilität sicher erscheint, bleiben Industriebedarf und inländische Wasserstoffproduktion unsicher. Politische Rahmenbedingungen, die Veränderung der Industriestruktur, aber auch geopolitische Entwicklungen sind hier entscheidend.
Die Strombedarfsentwicklung ist zentrale Grundlage für den erforderlichen Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netze bis 2030 und darüber hinaus. Während die hohe Zubaudynamik von Photovoltaik (PV) zur Erreichung des EEG-Ziels führen könnte, droht bei der Windenergie eine Zielverfehlung. Dabei sehen die Gutachter Kostensenkungspotenziale bei der Technologiewahl: mehr Freiflächen-PV und weniger Aufdach-PV, mehr Wind an Land und weniger Wind auf See. Erforderlich bleibt eine stabile Zubaurate insbesondere bei Wind an Land und Freiflächen-PV, um mindestens 80 % erneuerbaren Strom zu erreichen. Vor allem die Optimierung des Offshore-Ausbaus reduziert auch den Ausbaubedarf bei den Stromnetzen. Dabei sind beim erwarteten Ausbau des Übertragungsnetzes deutliche Fortschritte zu verzeichnen. Eine Verstetigung des Netzausbaus dürfte zu weiteren Kostensenkungen führen. Kritisch bleibt der Wasserstoffhochlauf: Den erwarteten hohen Wasserstoffbedarfen in Industrie und im Energiesektor steht derzeit kaum Marktnachfrage entgegen. Das Ziel von 10 GW heimischer Erzeugung ist wohl nicht erreichbar.
Interessant sind die Diskrepanzen zwischen den Berichten. Folgende Beispiele seien genannt: Die Gutachter möchten sich bei der Versorgungssicherheit nicht abschließend zur Technologiewahl und zum Bedarf an Kapazitäten äußern. Bei den Schlüsselmaßnahmen des Ministeriums wird ein (wohl zentraler) Kapazitätsmarkt mit Ausschreibungen für flexible Grundlastkraftwerke priorisiert. Bei der Digitalisierung und dem Rollout von intelligenten Messsystemen sehen die Gutachter eine Beschleunigung durch mehr Wettbewerb, während das Ministerium die Verteilnetzbetreiber in der Verantwortung sieht. Im Gutachten wird viel von räumlicher Koordination von Erzeugern und Verbrauchern gesprochen, bemerkenswerterweise ohne der Koordination durch Preise viel Beachtung zu schenken. Das Ministerium legt sich sogar fest: Die einheitliche Stromgebotszone bleibt erhalten. Insofern wird auch deutlich, dass die Erwartungen an das Monitoring überzogen waren. Aus den Studien fallen eben nicht so einfach Zahlen für die politische Umsetzung. Nein, es braucht nun das Ringen um gute Lösungen für das Nachjustieren der Energiewende. Der Grundstein für einen informierten Diskurs ist jedenfalls gelegt.