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Die Kernfrage der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und Sozialdemokraten ist das Austarieren von Sicherheit und öffentlichen Investitionen. Klar ist, dass die Verteidigungsausgaben Priorität genießen. Der steigende Finanzierungsbedarf betrifft dabei das gesamte NATO-Bündnis und erfordert neue Lösungsansätze. Ein marktwirtschaftliches Instrument könnte eine vielversprechende Option sein.

Nur 23 der 32 NATO-Mitgliedstaaten erreichten 2024 das 2 %-Ziel – ein Defizit von rund 45 Mrd. US-Dollar. Kaufkraftbereinigt liegt das kumulierte NATO-Globalbudget von 1,47 Billionen US-Dollar daher nur auf dem Niveau von 2002. Ausrüstungsupgrades, Schutz kritischer Infrastruktur, Ukraine-Hilfen, multinationale Operationen und grüne Technologien erhöhen den Bedarf auf mindestens 535 Mrd. US-Dollar. Während die Militärausgaben in Russland und China ansteigen, priorisieren viele NATO-Staaten Gesundheitswesen, Bildung und Infrastruktur über Verteidigungsausgaben. Eine Trendwende gilt laut einem Atlantic Council-Strategiepapier als unwahrscheinlich, denn fast 70 % der NATO-Staaten verfügen nicht über günstige Kreditbedingungen (AAA-Bonität), um den Finanzierungsbedarf an Kapitalmärkten zu decken. Potenzielle Frontländer wie Estland, Ungarn, Litauen, Polen und Rumänien zahlen über 5 % Zinsen für 10-jährige Anleihen. Dazu kommen Compliance-Risiken, die private Verteidigungs- und Dual-Use-Investments massiv einschränken. Die Ankündigungen um ReArm Europe lösen diese strukturellen Finanzierungs- und Lieferkettenprobleme nicht allein. Helfen kann der Plan von Rob Murray. Der ehemalige Head of Innovation der NATO und Entwickler des NATO Innovation Fund schlägt eine Defense, Security and Resilience Bank (DSR Bank) vor, die Nachfrage- und Angebotsprobleme lösen soll:

Verteidigungsfinanzierung: Durch Bündelung der Kreditwürdigkeit der Mitgliedstaaten könnte die Bank die für multilaterale Entwicklungsbanken typische AAA-Bonität erreichen, günstige Kredite aufnehmen und Einsparungen an Mitgliedstaaten weitergeben. Polen finanzierte 2002 den Kauf von 48 F-16-Jets (3,8 Mrd. US-Dollar) mit einem 13-jährigen US-Kredit zu 5 % Zinsen (3,47 Mrd. US-Dollar Zinskosten). Heute betragen US-Kreditzinsen gut 4,4 %, während die Internationale Bank für Wiederaufbau 3 % anbietet. Eine vergleichbare Finanzierung würde so rund 1 Mrd. US-Dollar einsparen. Auf NATO-Binnenexporte (30 Mrd. US-Dollar p. a.) angewandt, liegt die jährliche Zinsersparnis bei 500 Mio. US-Dollar. Schulden verbleiben auf der Bankbilanz und erscheinen in der Haushaltsführung als Vermögenswerte.

Lieferketten: 55% der primären Verteidigungsexportverkäufe im NATO-Bündnis kamen zuletzt aus den USA. Ohne Konsolidierung der europäischen Produktionskapazitäten droht bei höheren EU-Verteidigungsausgaben laut Draghi-Report eine Lieferkrise, die die Preisinflation treibt. Die Weltbank könnte mit Garantien und Underwriting von Compliance-Risiken Geschäftsbanken und Venture Capitalists incentivieren, Rüstungsunternehmen, KMU-Komponentenentwickler, Startups und Dual-Use-Innovationen zu fördern. Davon profitieren die technologische Überlegenheit der NATO sowie regionale Verteidigungsökosysteme im Rheinland, in Oberbayern oder Norddeutschland.

Wechselkursvolatilität: Die Weltbank könnte NATO-Binnenexporte vor Wechselkursrisiken schützen, indem sie Kredite in Käuferwährungen vergibt, sofort tauscht und absichert. Eine 20 %-Anzahlung in US-Dollar und der Rest in dollarbasierten Anlagen bieten Stabilität. Zinsswaps minimieren Risiken, während rivalisierende Staaten durch die Kapitalmarktaktivitäten der Bank ungewollt zur Bündnisverteidigung beitragen. Rückzahlungen in der Ursprungswährung schaffen Planungssicherheit für die Haushaltsführung.

Leasing: Die Weltbank könnte Leasingoptionen für Militärausrüstung anbieten, was gerade Deutschlands Produktionsvorteile bei Panzern, Flugzeugen und Schiffen stärkt. Produzenten gleichen Kosten aus, Empfänger erhöhen Fähigkeiten ohne hohe Anfangsausgaben schnell und unabhängig von begrenzten nationalen Bankbilanzen, während Dual-Use-Investments sogar grüne Technologien und die Sustainable Development Goals unterstützen.

Für die AAA-Bonität wäre eine Kapitalspritze von 10 bis 15 Mrd. US-Dollar, aufgeteilt unter den Mitgliedstaaten und über vier Jahre gestreckt, wahrscheinlich ausreichend. Kreditkriterien fördern Interoperabilität und EU-Standards, Drittinvestitionen stärken die Kapitalbasis. Unterzeichnet werden könnte die Charta zur Gründung der Rechtsperson vom Joint Expeditionary Force – zehn kreditwürdigen Ländern. Neben den USA und indo-pazifischen Staaten wie Japan und Australien wäre auch Deutschland ein zentraler Gründungspartner, auf den es in Europa ankäme. Mehr noch: Mit der Initiative für eine Verteidigungsweltbank des Westens könnte die neue deutsche Bundesregierung einen strategischen Impuls setzen, auf den viele Bündnispartner seit geraumer Zeit warten.

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© Der/die Autor:in 2025

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DOI: 10.2478/wd-2025-0039