Erbschaftsteuer: Gesamtwirtschaftliche Ineffizienz
In Deutschland fallen derzeit für Erben von Familienbetrieben keine Erbschaft- oder Schenkungsteuern an, wenn die Begünstigten den Betrieb mindestens sieben Jahre weiterführen und die Lohnsumme weitestgehend stabil bleibt. Gerne wird auch Privatvermögen beispielsweise in Form von Gemälden und Antiquitäten mitunter ebenfalls als Firmenkapital deklariert. Das Bundesverfassungsgericht hat nun kürzlich die seit 2009 geltende, weitgehende Entlastung der Erben von Familienbetrieben als einen Verstoß gegen die Gleichbehandlung aller Erben infrage gestellt.
Das Bundesfinanzministerium hat daraufhin vorgeschlagen, die bisherige Regelung für eine individuell geerbte Firmenbeteiligung unter 20 Mio. Euro beizubehalten. Darüber hinaus soll jedoch eine sogenannte Bedürfnisprüfung stattfinden, ob nicht die Heranziehung von bis zu 50% des Privatvermögens ausreicht, um die Firmensubstanz zu erhalten und dennoch die Steuer vergleichbar mit anderen Erbschaften zu entrichten. Unternehmensverbände und Politiker, vor allem aus Baden-Württemberg und Bayern, wo größere Familienbetriebe gehäuft vorkommen, laufen nun Sturm gegen die Pläne. Angeblich drohe der Verlust von Arbeitsplätzen, wenn Familienbetriebe als Folge der Steuererhebung (teil-)liquidiert würden. Bundesfinanzminister Schäuble hat daraufhin bereits signalisiert, Firmenerben nun doch in größerem Ausmaß zu bevorzugen.
Wenn sich ein Firmenerbe trotz der Möglichkeit, die Steuer aus Privatvermögen entrichten zu können, entschließt, den geerbten Firmenanteil zu verkaufen, anstatt an der Weiterführung des Betriebs beteiligt zu sein, dann signalisiert er, dass die erwartete Rendite aus der Firmenbeteiligung geringer eingeschätzt wird, als das Vermögen in einer Alternativanlage zu investieren. Dann aber wäre es gesamtwirtschaftlich in der Tat besser, die Firma würde (teil-)liquidiert. Es ist nämlich in erster Linie das unternehmerische Talent der Firmenerben, das die erwartete Rendite aus der Firmenbeteiligung bestimmt. Führt ein untalentierter Erbe den Betrieb weiter, würden in Zukunft weniger Arbeitsplätze erhalten oder geschaffen und weniger neues Kapital eingesetzt, als dies bei Neugründung oder Kauf des vererbten Betriebes durch einen talentierten Unternehmer mittelfristig der Fall sein würde. Grossmann und Strulik haben dies 2010 im Journal of Public Economics mittels eines für Deutschland kalibrierten Modells gezeigt. Dort argumentieren wir, dass in dem Fall, in dem eine steuerliche Besserstellung von Firmenerbschaften für die Weiterführung eines Betriebs ausschlaggebend ist, eine wohlfahrtsmindernde und wachstumshemmende Firmenstruktur resultiert. Dies ist selbst dann der Fall, wenn eine hohe intergenerationelle Korrelation unternehmerischen Talents besteht (was zweifelhaft ist) und ein beträchtlicher Teil des Firmenkapitals durch die (Teil-)Liquidierung verloren ginge.
Auf gesamtwirtschaftlich notwendigen und innovationsfördernden Strukturwandel abstellende Argumente haben leider seit jeher keine Lobby. Der Zeithorizont von Politikern geht bekanntermaßen selten über die nächste Wahl hinaus und Unternehmensverbände sind seit jeher Anwälte bestehender Unternehmer, nämlich ihrer aktuellen Mitglieder, und nicht Vertreter gesamtwirtschaftlicher Effizienz. Angesichts der Tatsache, dass eine Besserstellung gerade der allerreichsten Erben potenziell sowohl den Gleichheitsgrundsatz verletzt als auch die volkswirtschaftliche Effizienz mindert, ist Empörung am derzeitig beobachtbaren Lobbyismus und dessen Widerhall in der Politik angebracht.
Atomfonds: Bad Bank ist Bad Deal
Es klingt verlockend: Die Kosten der Rückabwicklung der Atomindustrie und die Vorbereitung der Endlagerung von Atommüll sollen durch eine Stiftung, eine Art „Bad Bank“, übernommen werden. Sie hat Gemeinwohlinteresse und soll die Abwicklung der Atomkraftwerke begleiten und steuern. Ähnlich wie die RAG-Stiftung für die Ewigkeitskosten des Steinkohlebergbaus in Deutschland aufkommt, soll dann eine solche Stiftung in Ruhe die Ruinen der Atomindustrie samt aller anfallenden Kosten verwalten.
Die Kosten der Atomwirtschaft scheinen die Konzerne zu überfordern, sie drohen mit Zahlungsunfähigkeit. Insbesondere seit Bekanntgabe der schlechten Bilanzwerte der Konzerne sowie der jüngsten Entscheidungen manch eines Konzerns, Unternehmensteile auszulagern, haben sich die Diskussionen um die Einführung eines öffentlich-rechtlichen Atomfonds neu belebt. Die Konzerne selbst hatten diese Idee jedoch bereits 2014 in die öffentliche Diskussion eingebracht. Der Staat würde demzufolge sofort einen Teil der Rückstellungen einfordern und könnte darauf direkt zugreifen. Die Konzerne werden dieser Lösung allerdings nur zustimmen, wenn die Kosten gedeckelt werden. Jahrzehntelang haben sie Subventionen für den Bau und Betrieb der Atomkraftwerke erhalten und über sehr lange Zeiträume enorme Gewinne durch den Betrieb der Kernreaktionen erwirtschaftet. Selbst ohne Atomausstieg hätten die Kraftwerke in nicht allzu langer Zeit zurückgebaut werden müssen.
Nach dem Verursacherprinzip sind die Betreiber in der Pflicht, den Rückbau der Anlagen zu bezahlen. Deswegen sind sie seit Langem gesetzlich verpflichtet, dafür Rückstellungen zu bilden. Rückstellungen verschlechtern zwar die Kapitalbilanz, stellen aber keine realen finanziellen Mittel dar, die wirklich zur Verfügung stehen. Insofern besteht die Gefahr, dass die Konzerne bei schlechtem Management aus finanziellen Gründen nicht mehr in der Lage sein werden, die Kosten zu tragen. Aus Konzernsicht ist die Stiftungsidee deswegen attraktiv, weil ihre Kosten mit einer einmaligen Zahlung gedeckelt würden. Niemand weiß, wie teuer der Rückbau und die Entsorgung des Atommülls wirklich werden. Zahlreiche Studien belegen, dass die Kosten des Rückbaus weit über den bisher ausgewiesenen Rückstellungen von 36 Mrd. Euro liegen können. Sollte es teurer werden, müsste die Stiftung also zusätzliche Einnahmen erwirtschaften. Derzeit ist die Gefahr eher groß, dass finanzielle Mittel in der gegenwärtigen Finanzmarktkrise nicht erwirtschaftet, sondern vernichtet werden.
Statt Sicherheit für den Steuerzahler gäbe die Stiftung in erster Linie Sicherheit für die Konzerne. Durch sie wären die Kosten für den Rückbau und die Müllentsorgung genau und maximal in Höhe heutiger Schätzungen gedeckelt, egal wie hoch sie eines Tages tatsächlich ausfallen. Alles, was über das Budget der Stiftung hinausgeht, zahlt dann der deutsche Steuerzahler. Ein schlechtes Geschäft für die Gesellschaft, es ist eher ein „bad deal“. Man sollte die Konzerne nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Der Pleite-Sorge ließe sich mit einem geänderten Haftungsrecht begegnen, das den Gesamt-Konzern verpflichtet, die Kosten flächendeckend zu übernehmen. Oder man lässt die Konzerne statt buchhalterischer Rückstellungen lieber reale Rücklagen bilden. All dies wäre kompatibel mit einer heute wie auch zukünftig sicher florierenden Energiewirtschaft.
Politik darf sich nicht erpressbar machen, hat der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt einst gefordert. Man sollte die Konzerne nicht aus der finanziellen Verantwortung entlassen. Die Allgemeinheit hat in Form von Subventionen schon genug gezahlt, und wird für die verbleibenden Risiken und Endlagerkosten des Atommülls ohnehin weiter zahlen, und zwar über mehrere tausend Jahre. Das ist „bad deal“ genug, einen weiteren benötigen wir nicht.
Betriebliche Altersversorgung: Pay and Forget
Mit dem „Neuen Sozialpartnermodell Betriebsrente“ soll der weitere Auf- und Ausbau der betrieblichen Altersversorgung (bAV) erreicht werden, indem die Alterssicherung der Beschäftigten noch stärker zum Gegenstand von Tarifverhandlungen wird. Um eine möglichst hohe Flächendeckung der bAV zur erreichen, sollen für die Arbeitgeber Haftungsrisiken entfallen – im Entwurf mit „pay and forget“ charakterisiert – und den Tarifparteien die Gründung von Pensionskassen und -fonds erleichtert werden.
Allerdings bleibt die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme fragwürdig. So haben derzeit schon alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten einen Anspruch auf eine bAV, Pensionskassen und -fonds existieren als Durchführungswege und eine Beitragszusage mit Mindestleistung ist im Rahmen einer Direktversicherung, Pensionskasse und eines -fonds möglich. Das Vorhaben erhöht die Komplexität bzw. Intransparenz der bAV und verstärkt die Unsicherheit der Altersvorsorge. So gibt es aufgrund der unterschiedlichen Durchführungswege, Zusageformen und Finanzierungsmöglichkeiten über 30 Gestaltungsmöglichkeiten, die zudem noch kombiniert werden können.
Dass die bAV bisher nicht in politisch erwünschtem Umfang in Anspruch genommen wurde, ist weniger eine Frage der Bereitschaft – das Vertrauen in die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) ist bewusst und nachhaltig unterminiert worden – als vielmehr eine Frage der Sparfähigkeit der privaten Haushalte. Und diese wird nicht verbessert. Die Beitragszusage bedeutet lediglich, dass der Arbeitgeber Beiträge an den Pensionsfonds oder die -kasse überweist, nicht aber, dass er einen Teil der Traglast übernimmt.
Zudem wird mit dieser Maßnahme nicht das Ziel, im Alter einen angemessenen Lebensstandard zu sichern, erreicht. Eine Erhöhung des Verbreitungsgrades ist nicht gleichbedeutend mit einer Verbesserung der Absicherung. Mit der Zusage einer Mindestleistung wird lediglich ein im Zeitablauf nominal konstanter Betrag versprochen und einmal mehr die notwendige Anpassung der Leistungen während der Bezugsphase ignoriert. Wie empirische Analysen gezeigt haben, ist es ein Irrglaube, dass ein derartiges System die Leistungsreduzierung der GRV kompensieren könnte. Als Zusatzsystem hat sich die bAV über Jahrzehnte bewährt, d.h. aber nicht, dass dieses System in der Lage wäre, die GRV auch nur teilweise zu ersetzen.
Ferner ist zu befürchten, dass diese Regelung nicht nur für Arbeitgeber, sondern auch für viele Versicherte zum „pay and forget“ führt. Der erwerbsstrukturelle Wandel, der unter anderem durch einen erheblichen Anstieg an Destandardisierung und Prekarität geprägt ist, führt zu mehr Personen mit geringen Anwartschaften auf Leistungen aus Alterssicherungssystemen. Verbunden mit der Leistungsreduzierung der GRV werden daher immer mehr Menschen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beanspruchen müssen. Da alle Einkünfte auf diese Leistungen angerechnet werden, gilt auch hier: „pay and forget“.
Unterliegt seit der „Entdeckung“ des Begriffs der Nachhaltigkeit die Sozialpolitik dem Primat der Fiskalpolitik, droht mit diesem Vorhaben die Altersvorsorge noch stärker zum Spielball der Tarifpolitik zu werden. Es wäre ein weiterer Beitrag zu dem Flickwerk, zu dem das Alterssicherungssystem in Deutschland geworden ist und ein weiterer Schritt hin zu einem in hohem Maße intransparenten Alterssicherungssystem, in dem Altersarmut zur Normalität wird. Verhindern ließe sich dies mit einer Stabilisierung der Regelsysteme.
Bundesfernstraßengesellschaft: Neue Verkehrsinfrastrukturpolitik?
Spätestens seit die Berichte der beiden Verkehrsinfrastrukturfinanzierungskommissionen vor der letzten Bundestagswahl vorlagen, sollte der politischen Öffentlichkeit klar sein, dass bei der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem besteht. Mit einer geschätzten Unterfinanzierung von 7,2 Mrd. Euro p.a. über alle Verkehrsträger öffnet sich eine Lücke, deren Dramatik den politisch Verantwortlichen schlaflose Nächte bereiten dürfte. Geschehen ist außer politischen Lippenbekenntnissen bisher allerdings wenig. Die Verkehrsinfrastrukturinvestitionen im Bundeshaushalt wurden nicht entsprechend des in den Koalitionsverhandlungen 2013 versprochenen Fünfmilliardenprogramms aufgestockt. Ein vollmundig angekündigtes „Sonderprogramm Brücken“ in Höhe von 1 Mrd. Euro beinhaltet kein zusätzliches „frisches“ Geld für Infrastrukturinvestitionen. Erst in den letzten Wochen sind Details eines Zehnmilliardeninvestitionsprogramms geklärt worden, das zu einem Großteil ab 2016 in die Verkehrswege fließen soll. Die gerade verabschiedete Pkw-Maut wird auch keinen relevanten Finanzierungsbeitrag bringen und es bleibt die politische Ankündigung zusätzlicher Finanzmittel aus einer Bundesstraßenmaut für Lkw ab 2018.
Was beim Lärm der Diskussion um Maut und Finanzierungsbeiträge vergessen zu gehen droht, ist die Frage der institutionellen Reform der Bereitstellung von Verkehrsinfrastruktur. Das derzeit praktizierte System der Arbeitsteilung zwischen Bund und Ländern, die Auftragsverwaltung, generiert erhebliche Ineffizienzen. Aber auch die Versuche, das System über sogenannte Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP) effizienter zu gestalten, werden sehr kritisch beäugt. Nicht ganz neu ist auch der Vorschlag einer eigenständigen Infrastrukturgesellschaft für die Bundesfernstraßen – der aber angesichts der kolportierten Vorschläge der Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“, die laut Presseberichterstattung eine Beteiligung privater Investoren empfiehlt, ganz neue Brisanz gewinnt.
Was ist von alledem zu halten? Zunächst muss das Konstrukt einer (rein öffentlichen) Bundesfernstraßengesellschaft einer vergleichenden Kosten-Nutzen-Analyse standhalten. Diese bleibt zwangsläufig hypothetisch, da kein realer Vergleichsfall existiert, und auch der Verweis auf das österreichische ASFINAG-Modell nur bedingt greift. Mustervoraussagen aus institutionenökonomischer Analyseperspektive legen jedoch nahe, dass eine solche haushaltsferne Infrastrukturgesellschaft Nettovorteile bringt, wenn die Anreiz- und Risikomechanismen in geeigneter Weise ausgestaltet sind. Gerade hier steckt aber der Teufel im Detail. Umgekehrt wäre auch vorstellbar, das bestehende System der Auftragsverwaltung in geeigneter Weise zu reformieren. In beiden Fällen sollten allerdings die politischen Widerstände bei der Überwindung des Status quo insbesondere seitens der Länder nicht unterschätzt werden.
Noch heftigere Kontroversen dürfte der Vorschlag auslösen, privaten Investoren Beteiligungsmöglichkeiten an einer verselbständigten Bundesfernstraßengesellschaft einzuräumen. Dies wäre ein fundamentaler Paradigmenwechsel hin zu einer faktischen Teilprivatisierung der Straßeninfrastruktur, deren Risiken und Nebenwirkungen heute nicht einmal ansatzweise durchdacht sind. Geradezu pervers scheint jedoch die Dramaturgie dieses Geschehens: Zuerst schafft die Politik mit ihrer Eurorettungspolitik den Zins faktisch ab und bindet sich selbst mit der Schuldenbremse, um dann für Versicherungen und Kapitalsammelstellen auskömmliche Anlagemöglichkeiten zulasten des Steuerzahlers zu eröffnen. Sieht so verantwortliche und ökonomischer Vernunft verpflichtete Infrastrukturpolitik aus?