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Die Energie- und CO2-Einsparungen im Gebäudesektor in Deutschland bleiben weit hinter den Zielen zurück: der Wohngebäudebestand ist nur unzureichend energetisch saniert, die Wärmeerzeugung von fossilen Energieträgern abhängig und die Sanierungsaktivität ist seit Jahren auf einem zu geringen Niveau. Aufgrund der verschleppten Wärmewende bedeutet die Energiekrise eine enorme Vulnerabilität und finanzielle Belastung, gerade für einkommensschwache Haushalte und Mieterhaushalte. Denn insbesondere diese sind in der Ausstattung mit gebäudebezogenen Energieeffizienztechnologien erheblich benachteiligt.

Die Vermeidung der fossilen Energieträger Erdgas und Heizöl und die Reduzierung des Energiebedarfs von Gebäuden sind klimapolitisch schon lange erforderlich. Durch die Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine werden sie nun auch energie-, sozial- und außenpolitisch notwendig. Denn gerade einkommensschwache Haushalte und Mieter:innen bewohnen seltener Gebäude mit einem hohen energetischen Standard oder nutzen Heizungssysteme auf Basis erneuerbarer Energien. Kurzfristig können Verhaltensanpassungen, verbesserte Betriebseinstellungen und kleinere Investitionen den Energiebedarf in Wohngebäuden und die Energieausgaben senken. Jedoch sind die energetische Gebäudesanierung, der Einsatz erneuerbarer Energien und der Ausbau grüner Nah- und Fernwärmenetze die effektivsten Mittel zur Reduzierung des fossilen Energiebedarfs und zur Entlastung von Haushalten bei steigenden Energiekosten. Im deutschen Wohngebäudebestand gibt es einen erheblichen Nachholbedarf.

Beim Klimaschutz im Wohngebäudebestand besteht eine Umsetzungslücke

Der Gebäudebereich spielt eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, die Klimaziele zu erreichen. Nach dem Verursacherprinzip entfallen rund 40 % der deutschen Treib-hausgasemissionen auf die Errichtung, die Modernisierung und den Betrieb von Gebäuden (BBSR, 2020). In der CO2-Berichterstattung werden nur die Emissionen, die durch die Nutzung von Gebäuden entstehen, auch dem Gebäudesektor zugeordnet. Seit 2020 wurden die CO2-Minderungsziele des Sektors kontinuierlich verfehlt. Bis zum Ende des aktuellen Jahrzehnts müssen die Emissionen aus der Gebäudenutzung um mehr als 40 % relativ zum Niveau von 2021 sinken. Angesichts der Tatsache, dass die Emissionen des Gebäudesektors seit 2011 jedoch um nur 9 % gefallen sind, erscheint das als eine Mammutaufgabe (UBA, 2022).

Der Wohngebäudebestand verursacht den größten Teil des gebäudebezogenen Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen des Gebäudesektors. 70 % des Energieverbrauchs in Wohngebäuden entfallen auf die Erzeugung von Raumwärme (dena, 2021). Noch etwa jede zweite Heizung im deutschen Wohnungsbestand wird aktuell mit Gas betrieben, jede vierte mit Heizöl. Auch für Fernwärme wird mehrheitlich Erdgas zur Wärmeerzeugung genutzt. Die überwiegende Mehrheit der deutschen Haushalte ist damit auf fossile Energieträger zur Deckung ihres Bedarfs an Raumwärme angewiesen (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1
Beheizungsstruktur des deutschen Wohnungsbestands 2021

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Beheizungsstruktur des deutschen Wohnungsbestands 2021

Quelle: bdew (2022).

Der Übergang in eine klimaneutrale Wärmeerzeugung bedeutet einen enormen Kraftakt beim Austausch fossiler Heizungssysteme durch moderne Wärmeerzeuger auf Basis erneuerbarer Energien. Weiterhin gilt es, Fernwärmenetze zu dekarbonisieren und auszubauen. Daneben ist die Verbesserung des Wärmeschutzes zentraler Bestandteil von Energieeffizienzsteigerungen im Gebäudebestand. Doch Sanierungsrate und -tiefe im deutschen Wohngebäudebestand verbleiben seit Jahren auf einem sehr geringen Niveau und hinter den notwendigen Ambitionen zurück. Diese massiven Investitions- und Umsetzungslücken führen dazu, dass die Klimaziele im Gebäudesektor auch zukünftig drohen, verfehlt zu werden. So liegt der Endenergieverbrauch privater Haushalte – ein wichtiger Indikator für die Wirksamkeit von Effizienzsteigerungen im Wohngebäudebestand – seit 1990 auf hohem Niveau und ist im Gesamtzeitraum sogar leicht gestiegen (BMWK, 2022). Obwohl Neubauten in den vergangenen Jahren eine immer bessere Energieeffizienz aufweisen und Bestandsgebäude auf höhere energetische Standards saniert werden, zeichnet sich kein Trend zu einem geringeren Endenergieverbrauch im Wohngebäudebereich ab.

Begründen lässt sich diese Tendenz durch sogenannte Rebound-Effekte. Verbraucherseitige Verhaltensanpassungen führen dazu, dass die durch Effizienzsteigerungen eingesparten Ressourcen an anderer Stelle eingesetzt werden, sodass es nicht zu den erwarteten Energieeinsparungen kommt. So nivellieren die seit Jahren anhaltenden gesellschaftlichen Trends hin zu einer größeren Wohnfläche pro Person, weniger Mitgliedern pro Haushalt und mehr Einfamilienhäusern die Energie- und CO2-Einsparungen durch Effizienzgewinne. Insgesamt ist die Sanierungsaktivität im Wohngebäudebestand zu gering, um diese entgegenwirkenden Entwicklungen zu kompensieren.

Verschleppte Wärmewende verstärkt Energiekrise

Im Zuge der Energiekrise werden die Folgen der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und der verzögerten Energie- und Wärmewende nun überdeutlich. Im Allgemeinen war Haushaltsenergie im November 2022 um mehr als 50 % teurer als im gleichen Monat des Vorjahres. Die Preise für Erdgas haben sich relativ zum Vorjahresmonat sogar verdoppelt, Heizöl war zwischen Juni und September 2022 mehr als doppelt so teuer wie im Vorjahreszeitraum, im November lag der Preis 55 % höher als ein Jahr zuvor (vgl. Abbildung 2). Durch den starken Preisanstieg für importierte fossile Energie entstehen im unzureichend sanierten und von einer fossilen Beheizungsstruktur geprägten deutschen Wohngebäudebestand enorme Mehrkosten. Die Energiekostensteigerungen drohen für einige Haushalte zu einer existenziellen Bedrohung zu werden. Es ist hinlänglich bekannt, dass gerade einkommensschwache Haushalte, die einen überproportional großen Anteil ihres Einkommens für Energie aufwenden, durch diese Inflation besonders belastet sind. Zusätzlich zum verteuerten Grundkonsum und fehlenden Ersparnissen erfahren einkommensschwache Haushalte und Mieter:innen somit auch eine überdurchschnittlich starke Belastung durch steigende Energiepreise, weil sie häufiger in schlecht saniertem Wohnraum leben oder veraltete Heizungsanlagen nutzen.

Abbildung 2
Monatliche Inflationsraten gemessen an der Veränderungsrate gegenüber dem Vorjahresmonat
Monatliche Inflationsraten gemessen an der Veränderungsrate gegenüber dem Vorjahresmonat

Quelle: Destatis (2022a).

Die Analyse auf Basis von Daten des sozio-ökonomischen Panels für Deutschland zeigt auf, dass unter den sozioökonomischen Variablen das Nettohaushaltseinkommen und das Eigentumsverhältnis für die Vorhersage des energetischen Gebäudezustands am wichtigsten sind. Tendenziell sind sowohl Haushalte mit niedrigen Einkommen unabhängig vom Eigentumsverhältnis als auch Mieterhaushalte unabhängig vom Haushaltseinkommen hinsichtlich der Energieeffizienz der bewohnten Gebäude benachteiligt. Zugleich erfüllen größere und modernere Wohnungen höhere energetische Standards, werden aber auch mit höherer Wahrscheinlichkeit von besserverdienenden Haushalten und Eigentümer:innen bewohnt (Holzmann, 2022).

Investitionshemmnisse betreffen Mietwohnungen

Für die geringe Investitionstätigkeit in Energieeffizienzsteigerungen bestehen verschiedene Erklärungsansätze, die sich auch mit der strukturellen Benachteiligung bestimmter Gruppen von Haushalten beim Zugang zu energetisch saniertem Wohnraum verknüpfen lassen. Ein Grund sind Marktbarrieren, insbesondere Unvollkommenheiten auf Energie-, Wohnungs- und Kapitalmärkten. Speziell auf dem Mietwohnungsmarkt stellt das sogenannte Mieter-Vermieter-Dilemma eine erhebliche strukturelle Investitionsbarriere dar. Ineffiziente Anreizstrukturen führen zu einem Zielkonflikt zwischen Mieter:innen und Vermieter:innen, da Kosten und Nutzen einer Energieeffizienzsteigerung bei unterschiedlichen Akteuren anfallen. Während Vermieter:innen für die energetische Sanierung einer Mietwohnung finanziell aufkommen, profitieren zumindest kurzfristig lediglich die Mieter:innen von den realisierbaren Energiekosteneinsparungen. Zusätzlich dazu erschweren Informationsasymmetrien die Durchführung von energieeffizienzsteigernden Maßnahmen. Diese entstehen, da Mieter:innen den energetischen Zustand einer Wohneinheit ex ante in der Regel nicht exakt erfassen können und sich stattdessen auf Aussagen der Vermieter:innen verlassen müssen. Den Wahrheitsgehalt dieser Aussagen können sie allerdings nicht final überprüfen. Daher werden die potenziellen Energiekosteneinsparungen nicht vollständig in die Zahlungsbereitschaft der Mieter:innen für energetisch sanierten Wohnraum eingepreist. Infolgedessen können Vermieter:innen die Investitionskosten nicht in vollem Umfang durch einen Mietaufschlag refinanzieren, wodurch ihre Investitionsanreize sinken (Kholodilin et al., 2017).

Das Mieter-Vermieter-Dilemma ist eine zentrale Erklärung für die Unterschiede bei der Energieeffizienz zwischen selbstgenutzten und vermieteten Wohnimmobilien. Aufgrund des großen deutschen Mietwohnsektors mit einer Mieterquote von über 53 % ist es hierzulande besonders relevant (Destatis, 2022b). Verschiedene empirische Arbeiten vergleichen die Kapitalisierung von Energieeffizienzsteigerungen im Immobilienwert und in der Mietpreishöhe und kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass Kaufpreise im Vergleich zu Mieten nach vergleichbaren Energieeffizienzsteigerungen stärker ansteigen (für Deutschland z. B.: Kholodilin et al., 2017 sowie Cajias und Piazolo, 2013). Weiterhin zeigt Dieckhöner (2012) anhand zweier Förderlinien der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), dass die Förderung lediglich die Sanierungsanreize in selbstgenutzten Immobilien steigert, während sie in Mietwohnungen keinen Einfluss auf die Sanierungsaktivität hat. Die Evaluierung des Programms „Energieeffizient Sanieren“ kommt zu dem Ergebnis, dass die Fördergelder zwischen 2014 und 2017 jedes Jahr zu mehr als 80 % an selbstnutzende Eigentümer:innen ausgezahlt und kaum zur Sanierung von Mietwohngebäuden genutzt werden (IWU und IFAM, 2015-2018).

Auf dem Kapitalmarkt können Liquiditätsengpässe und Barrieren bei der Kreditvergabe dafür sorgen, dass privaten Haushalten die finanziellen Mittel für die Durchführung von Sanierungsvorhaben fehlen. Die Finanzierung wird dadurch erschwert, dass Energieeffizienzmaßnahmen mit hohen Anfangskosten und finanziellen sowie technologischen Risiken verbunden sein können. Eine Benachteiligung bei der Kreditvergabe kann dabei vermehrt einkommensschwachen Haushalten oder Personen in höherem Alter widerfahren. In Deutschland gehören rund 1,5 Mio. Hausbesitzer:innen zum unteren Einkommensdrittel. Häufig bewohnen sie ältere Gebäude, in denen ein erheblicher Sanierungsbedarf besteht und in denen im Zuge der Energiekrise enorme Mehrkosten entstehen (Schumacher et al., 2022).

Energiekosten werden systematisch unterschätzt

Bedingt durch verschiedene Faktoren unterliegen Individuen systematischen Erwartungsfehlern. Im Kontext der geringen Sanierungsaktivität im Wohngebäudebestand schlagen sie sich häufig in Form einer Unterbewertung der anfallenden Energiekosten, der realisierbaren Energiekosteneinsparungen und der potenziellen Nutzengewinne durch Energieeffizienzinvestitionen nieder. Gründe dafür können die Unerfahrenheit von Eigentümer:innen bei der komplexen Entscheidung über die Durchführung einer energetischen Sanierungsmaßnahme oder die hohen Vorlaufkosten der Investition gepaart mit unsicheren, langfristigen Renditen sein.

Ein Beispiel ist eine erhöhte Gegenwartspräferenz von Konsument:innen, bedingt durch einen übermäßigen Fokus auf kurzfristigen relativ zu zukünftigem Nutzen. Bei Energieeffizienzinvestitionen stehen hohe Vorabkosten unsicheren zukünftigen Einsparungen durch einen gesunkenen Energiebedarf gegenüber. Konsument:innen neigen in diesem Fall dazu, den zukünftigen Nutzen einer energetischen Maßnahme systematisch zu unterschätzen, was eine geringere Investitionsbereitschaft zur Folge hat (Bradford et al., 2017). Ähnlich dazu können auch Verzerrungen in der Bewertung von Gewinnen und Verlusten sowie von Eintrittswahrscheinlichkeiten auftreten. Die verhaltensökonomische „Prospect Theory“ erklärt Phänomene wie den Status-quo-Bias oder den Endowment-Effekt durch Verlustaversion und Referenzorientierung (Kahneman und Tversky, 1979). Investitionskosten für energetische Sanierungsmaßnahmen können als ein solcher Verlust empfunden und entsprechend in der Entscheidungsfindung stärker gewichtet werden als der potenzielle Nutzen durch Energiekosteneinsparungen. Eine verzerrte Gewichtung von Eintrittswahrscheinlichkeiten kann dazu führen, dass die geringe Wahrscheinlichkeit für das Ausbleiben von Energiekosteneinsparungen überschätzt wird. In beiden Fällen werden die objektiven Vorteile von Energieeffizienzinvestitionen individuell falsch bewertet und Sanierungsmaßnahmen entsprechend möglicherweise nicht durchgeführt oder verzögert.

Daneben bietet auch die Risikoaversion von Individuen einen Erklärungsansatz für die geringe Sanierungstätigkeit. Eine geringe Risikofreudigkeit bei wahrscheinlichen Gewinnen und bei unwahrscheinlichen Verlusten kann dazu führen, dass bevorzugt kleinere Effizienzsteigerungen und seltener umfangreiche Maßnahmen mit hohen Vorabkosten, wie umfassende Gebäudesanierungen, vorgenommen werden. Allerdings kann Risikoaversion auch andersherum wirken, da effizienzsteigernde Maßnahmen den zukünftigen Energiebedarf senken und Haushalte so einem geringeren Risiko durch Energiepreisschwankungen ausgesetzt sind. Empirisch zeigt sich, dass mehr Risikoaversion mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit für Investitionen in Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz einhergeht (vgl. unter anderem Schleich et al., 2019; Fischbacher et al., 2015; Qiu et al., 2014).

Individuen gelten in der verhaltensökonomischen Theorie häufig als unvollkommen rational, das bedeutet, sie nutzen vereinfachende Entscheidungsregeln, die zwar nicht per se irrational sind, aber zu Fehlurteilen und Verzerrungen führen können. So können unvollkommen rationale Konsument:innen etwa jene Produkteigenschaften unterbewerten, die ihnen zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung weniger relevant erscheinen. Dies kann insbesondere auf die zukünftig anfallenden und kumulativ wachsenden Energiekosten relativ zum unmittelbar zu zahlenden Kaufpreis zutreffen. Dies kann dazu führen, dass Konsument:innen teilweise oder vollkommen unaufmerksam gegenüber Energiekosten und potenziellen Energiekosteneinsparungen sind. Auch ist es möglich, dass sie starke Präferenzen für bestimmte Produkteigenschaften haben, etwa für die Ästhetik der Gebäudefassade, und daher unaufmerksam gegenüber Energiekosteneinsparungen sind, die durch einen besseren Wärmeschutz erzielt werden könnten (Sallee, 2014).

Gerade einkommensschwache Haushalte betroffen

Die Unterbewertung von Energiekosten(einsparungen) kann nicht nur dazu beitragen, die geringe Sanierungstätigkeit im Wohngebäudebestand zu erklären. Vielmehr bieten sie auch einen Erklärungsansatz für die Benachteiligung einkommensschwacher Haushalte in der Ausstattung mit gebäudebezogenen Energieeffizienztechnologien. So zeigen verschiedene empirische Studien auf, dass einkommensschwache Haushalte eher systematischen Erwartungsfehlern bei Energiekosten unterliegen als wohlhabendere Haushalte. In den USA konnte etwa ermittelt werden, dass der Anteil der Konsument:innen, die Energiekosten in ihrer Kaufentscheidung für Haushaltsgeräte vollständig ignorieren, mit 30 % in der Gruppe der geringsten Einkommen am größten ist (Houde und Myers, 2019). Die finanziellen Restriktionen dieser Haushalte können dazu führen, dass der Kaufpreis bei der Neuanschaffung von Haushaltsgeräten das dominierende Kriterium ist und die Betriebskosten des Geräts (weitgehend) außer Acht gelassen werden.

Ähnliches bestätigt eine empirische Untersuchung des US-Marktes für Kühlschränke. Gerade Haushalte mit geringen Einkommen lassen sich durch niedrige Anschaffungspreise zum Kauf eines Produktes verleiten und schenken der potenziellen Gesamtkosteneinsparung durch den kostengünstigeren Betrieb eines energieeffizienteren Kühlschranks weniger Beachtung. Dies kann in den begrenzten finanziellen Möglichkeiten dieser Haushalte begründet sein. Die Autor:innen verweisen aber auch auf eine psychologische Dimension, nach der Individuen dazu tendieren, nach unmittelbarer Belohnung – in diesem Fall durch den Kauf eines in der Anschaffung kostengünstigen Produkts – zu streben (Tsvetanov und Segerson, 2014). Für den griechischen Wohnungsmarkt konnte nachgewiesen werden, dass Haushalte, die als energiearm gelten, oftmals geringe Einkommen beziehen, finanziellen Engpässen ausgesetzt sind und häufiger verzerrten Zeitpräferenzen unterliegen oder vereinfachende Entscheidungsregeln nutzen. Dies macht sie anfälliger für die systematische Fehlbewertung von Energiekosten, wodurch es unwahrscheinlicher wird, dass sie Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz vornehmen (Kaliampakou et al., 2021).

Investitionsbarrieren müssen adressiert werden

In der Ausgestaltung von Politikmaßnahmen zur Steigerung der Sanierungsaktivität gilt es, diese empirischen Befunde mitzudenken. Denn wenn neben den geringen finanziellen Möglichkeiten auch die Unterbewertung von Energiekosten und potenziellen Energiekostenersparnissen eine erhebliche Investitionsbarriere bei einkommensschwachen Haushalten darstellt, ändert das die Effizienz der eingesetzten Instrumente, allen voran von Subventionen. Da gerade einkommensschwache Haushalte größeren finanziellen Restriktionen unterliegen und gleichzeitig weniger reagibel gegenüber den zukünftigen Energiekosten zu sein scheinen, ergibt sich für die Ausgestaltung von Förderprogrammen ein Zielkonflikt: Einerseits sind einkommensschwache Haushalte auf staatliche Förderung bei der Durchführung von energetischen Sanierungsmaßnahmen angewiesen, andererseits kann die Unaufmerksamkeit gegenüber dem Energiepreisniveau jedoch auch mit der Unaufmerksamkeit oder Uninformiertheit gegenüber der Subvention korrelieren. Eine Förderung dieser Haushaltsgruppen wäre unter diesen Voraussetzungen ineffizient, weil die Haushalte mit den größten Investitionsbarrieren nicht zielgenau erreicht würden. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die geringe Investitionsbereitschaft auf Verlustaversion, verzerrte Wahrscheinlichkeitsgewichtung oder Referenzorientierung zurückzuführen ist und die finanzielle Förderung diese Ursachen der individuellen Fehlbewertung von Energiekosten nicht zu adressieren vermag (Allcott et al., 2014).

Wenn die breite Förderung nicht zielgenau wirkt, sind Förderprogramme umzustrukturieren oder flankierende Instrumente wie Regulierung, Informationsbereitstellung oder Nudges (sie beeinflussen das Verhalten von Individuen, ohne regulatorische Eingriffe oder ökonomische Anreize einzusetzen) zu nutzen. Etwa kann es wirksam sein, die gewährte Fördersumme von der realisierbaren Energieeinsparung abhängig zu machen. Dadurch könnte sich die Förderung für einkommensschwache Haushalte in schlecht saniertem Wohnraum und mit entsprechend hohem Einsparpotenzial erhöhen. Um zeitinkonsistenten Präferenzen zu begegnen, könnten Fördergelder vorab gewährt und ausgezahlt werden, sodass unmittelbare Anreize für eine Investition entstehen. Individuelle Sanierungsfahrpläne können ein strukturiertes und kosteneffizientes Vorgehen bei der Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen ermöglichen und so kognitiven Verzerrungen entgegenwirken. Verbote, feste Zielsetzungen für den Ausstieg aus fossilen Heizungssystemen und Mindesteffizienzstandards für Gebäude können Förderprogramme ergänzen und frühzeitig Planungssicherheit bei den Akteuren schaffen.

Im Mietwohnungsmarkt sind die ineffizienten Anreizstrukturen für die energetische Sanierung von Mietwohngebäuden abzubauen, ohne dass die Sanierungskosten eine finanzielle Mehrbelastung für die Mieter:innen bedeuten. Politische Lösungen sind aufgrund der sozialen Komponente und der anhaltenden Wohnraumknappheit komplex und werden kontrovers diskutiert. Für eine soziale und klimafreundliche Mietrechtsreform gilt das Prinzip der Warmmietenneutralität als sozialpolitische Zielvorgabe: Für Mieter:innen darf die Summe aus Kaltmiete und Nebenkosten infolge einer Sanierung nicht ansteigen. Mit dem aktuellen Instrument der Modernisierungsumlage gelingt es weder Investitionsanreize für Vermieter:innen zu setzen, noch Warmmietenneutralität bei Gebäudesanierungen herzustellen (Mellwig und Pehnt, 2019).

Für eine Mietrechtsreform werden verschiedene Vorschläge diskutiert. Beim Drittelmodell werden die Kosten einer Gebäudesanierung zwischen Mieter:in, Vermieter:in und Staat so aufgeteilt, dass die Maßnahme in der Regel warmmietenneutral durchgeführt werden kann. Die Fördereffizienz steigt, da nur noch Maßnahmen förderfähig sind, die mit dem Klimaziel in Einklang stehen. Soziale Härten werden vermieden, indem der Staat im Härtefall den Differenzbetrag zwischen alter und neuer Bruttowarmmiete übernimmt. Dadurch kann einkommensschwachen Mieter:innen Warmmietenneutralität garantiert werden. Zuletzt wird die Modernisierungsumlage auf 1,5 % der Investitionskosten abgesenkt, gleichzeitig müssen Fördergelder nicht mehr auf die Modernisierungsumlage angerechnet werden, sondern verbleiben bei den Vermieter:innen. Dies steigert Investitionsanreize, senkt die Zahl der Härtefälle und bildet einen Kompromiss zwischen Warmmietenneutralität für die Mieter:innen sowie den Gewinninteressen der Vermieter:innen (Mellwig und Pehnt, 2019).

Trotz eindeutiger Verbesserungen gegenüber dem aktuellen Mietrechtsmodell setzt das Drittelmodell keine direkten Sanierungsanreize für Vermieter:innen, da sie weiterhin nicht unmittelbar von Energiekosteneinsparungen profitieren. Das Mieter:innen-Vermieter:innen-Dilemma bleibt bestehen. Eine Alternative bietet das Warmmietenmodell nach schwedischem Vorbild. Dabei werden die Heizkosten durch Pauschalbeträge in den Mietpreis integriert und die Mieter:in zahlt die Warmmiete an die Vermieter:in. Führt eine energetische Gebäudesanierung nun zu sinkenden Energiekosten, kommen diese Einsparungen direkt der Vermieter:in zugute, während die Mieter:in bei konstanter Warmmiete keine Mehrbelastung erfährt. Die Modernisierungsumlage entfällt in diesem Fall. Die Wirksamkeit der Maßnahme verstärkt sich durch steigende CO2-Preise zusätzlich, denn mit einem höheren CO2-Preis steigen auch die Sanierungsanreize für Vermieter:innen (Thomaßen et al., 2020).

Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, den Umstieg auf ein Teilwarmmietenmodell zu prüfen. Weitere Schritte bleibt sie bisher jedoch schuldig. Der Ansatz der Teilwarmmiete vermag es, die zentrale Schwachstelle des Warmmietenmodells zu beheben: den mangelnden Klimaschutzanreiz für Mieter:innen. Denn während beim vollständigen Warmmietenmodell das Heizverhalten der Mieter:in keinen Einfluss auf den monatlichen Pauschalbetrag für Heizkosten hat, wird beim Teilwarmmietensystem lediglich ein Kostenbetrag für die Basiswärme (z. B. für eine Raumtemperatur von 19° C) fixiert. Entstehen aufgrund des Heizverhaltens der Mieter:in darüber hinaus zusätzliche Kosten, muss sie diese selbst tragen. Damit bleibt der Anreiz für sparsames Heizen bestehen.

Allerdings muss beachtet werden, dass beim Wegfall der Modernisierungsumlage im Zuge der Umstellung auf ein (Teil-)Warmmietensystem für Vermieter:innen auch die Möglichkeit entfällt, ihre Sanierungsinvestitionen durch Mieterhöhungen zu refinanzieren. Die Aufteilung der Energiekosten im Teilwarmmietenmodell kann diesen sicheren Refinanzierungskanal der Modernisierungsumlage wohl nicht in gleichem Umfang ersetzen, sodass Sanierungsanreize verloren gehen (Klinski et al., 2021). Der Umgang mit der Modernisierungsumlage im Zuge einer solchen Mietrechtsreform ist daher von der Bundesregierung genau zu prüfen.

Nicht zuletzt der Blick auf den Mietwohnungsmarkt zeigt eindrücklich, dass die Dekarbonisierung des Wohngebäudebestands herausfordernd ist und von einer Vielzahl verschiedener Investitionsbarrieren geprägt wird. Neben politischer Ambition braucht es einen klugen Instrumentenkasten, der es vermag, die Benachteiligung von Mieterhaushalten und unteren Einkommen zu beenden und den Gebäudebestand möglichst schnell klimaneutral zu machen. Gleichzeitig hat ambitionierter Klimaschutz im Gebäudesektor auch sozial-, energie- und außenpolitisch wichtige Vorteile: Maßnahmen zur Beschleunigung der Wärmewende leisten einen entscheidenden Beitrag zur Kostenentlastung der Haushalte, zur Versorgungssicherheit und zur Unabhängigkeit von fossilen Energieträgerimporten.

Literatur

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Title:Tenants and Low-Income Households are Disadvantaged in Energy Efficiency

Abstract:
The German residential building stock is only insufficiently retrofitted in terms of energy efficiency; heating is very dependent on fossil fuels and renovation activity has remained too low for years. Now, the energy crisis means enormous vulnerability and financial burden, especially for low-income households and tenants. Various investment barriers result in these households being significantly disadvantaged in the provision of energy efficiency technologies. In particular, market failures, structural investment barriers and the systematic misperception of energy cost savings affect tenants and low-income households more often

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© Der/die Autor:in 2023

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DOI: 10.2478/wd-2023-0052