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Dieser Beitrag ist Teil von Bildung nach Corona

Es ist eine Binsenweisheit, die in vielen Sonntagsreden zu finden und in der Ökonomie unumstritten ist: Bildung ist für jedes Individuum, die Gesellschaft und die Volkswirtschaft von zentraler Bedeutung. Das belegen zahlreiche empirische Studien, welche die monetären und nicht-monetären Erträge von Bildung berechnen (z. B. Kugler und Wößmann, 2019). Die Erträge sind erheblich, insbesondere die langfristigen – das ist zwar auch hinreichend bekannt, aber doch ein Teil des Problems im kurzfristigen „Politikgeschäft“. Nach wie vor tut sich die 2008 ausgerufene „Bildungsrepublik Deutschland“1 schwer, diesem Befund gerecht zu werden: Dies hat die Zeit der Coronapandemie sehr deutlich gemacht. In keinem anderen Land Europas – mit der Ausnahme Polens – schlossen die Schulen während der Pandemie so lange wie in Deutschland. Dies traf besonders auf Grundschulen zu (Freundl et al., 2021), einem Ort, an dem früh Bildung vermittelt wird, auf der später aufgebaut werden soll. Bekannt ist auch, dass die Digitalisierung deutscher Schulen im Vergleich mit anderen europäischen Staaten nicht besonders fortgeschritten ist: Deutschland ist eher Schlusslicht, wenn es um Online-Lernplattformen und/oder andere digitale Formate im Unterricht geht (z. B. Freundl et al., 2021).

Kompetenzrückgänge bereits in frühen Jahren

Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass sich die Lernleistungen der Schüler:innen in Deutschland während der Coronapandemie verschlechtert haben. Der im Herbst vergangenen Jahres veröffentlichte IQB-Bildungstrend (Stanat et al., 2022) hat dies sehr deutlich für 2021 gezeigt: In allen untersuchten Fächern und Kompetenzbereichen zeigt sich, dass Schüler:innen der vierten Klasse nach mehr als einem Jahr pandemiebedingter Einschränkungen im Schulbetrieb im Vergleich zu 2016 Kompetenzrückgänge aufweisen. Beim Lesen, beim Zuhören und in Mathematik erreicht im Vergleich zu den vorherigen Jahren jeweils ein signifikant geringerer Anteil der Schüler:innen den Regelstandard und es verfehlten etliche den Mindeststandard. Der Anteil liegt insgesamt zwischen gut 18 % im Bereich „Zuhören“ und etwa 30 % im Bereich „Orthografie“. Hinzu kommt – was auch nicht überraschend ist –, dass die stärksten Rückgänge im Mittel bei denen festzustellen sind, die der ersten Generation von Familien mit Zuwanderungshintergrund angehören oder deren Familien einen niedrigeren sozioökonomischen Status haben. Auch wenn immer wieder betont wird, dass bereits zwischen den Jahren 2011 und 2016 ungünstige Trends zu beobachten waren, haben die Lernbedingungen und die außerschulischen Bedingungen des Aufwachsens während der Coronapandemie das Ihrige dazu getan (Stanat et al., 2022). Fakt ist auch, dass neben diesen Trends in den Kompetenzrückschritten von Kindern im Grundschulalter weitere Studien Lernrückstände für andere Altersgruppen belegen – ein Phänomen, das im Kontext der Coronapandemie auch in anderen Ländern zu beobachten ist (z. B. Blasko et al., 2021; Schady et al., 2023).

Die Bundesregierung will auf all dies mit dem im Koalitionsvertrag der derzeitigen Regierungskoalition verankerten „Startchancenprogramm“ reagieren (SPD et al., 2021). Im Zuge dieses Programms sollen 4.000 Schulen in Deutschland speziell gefördert werden – insbesondere Brennpunktschulen. Aus einer bildungsökonomischen Perspektive ist ein zielgenauer Ansatz richtig. Mit dem Programm selbst soll allerdings frühestens 2024 begonnen werden. Zu fragen bleibt, warum nicht früher? Aus einer bildungsökonomischen Perspektive bleibt außerdem zu fragen, ob Grundschulen nicht besonders in den Fokus rücken sollten? Denn nicht erst die Analysen des Ökonomie-Nobelpreisträgers James Heckman mit seinen Co-Autoren belegen, wie wichtig es ist, frühzeitig in Bildung zu investieren, wenn bedacht wird, dass es kumulative Effekte von Bildung gibt: „Skills beget Skills“ (Cunha et al., 2006).

Mentale Gesundheit bei Schüler:innen betroffen

Einschlägige Studien zeigen darüber hinaus, dass die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen während der Coronapandemie negativ beeinträchtigt wurde. In der Bildungsökonomie ist schon lange bekannt, dass gerade bei Kindern und Jugendlichen die Gesundheit ein zentraler Faktor ist, wenn es darum geht, gute Voraussetzungen für erfolgreiche Bildungsverläufe zu schaffen (z. B. Currie und Goodman, 2020). Von gesundheitlichen Einschränkungen während der Coronapandemie berichten verschiedene Meta-Analysen auf der Basis europäischer Studien (z. B. Ludwig-Walz et al., 2022): Sie zeigen z. B., dass Kinder und Jugendliche während der Schulschließungen zu 75 % häufiger generelle Depressionssymptome aufwiesen als vor der Pandemie. Im Vergleich dazu erhöhte sich die Häufigkeit für solche Depressionssymptome im Zeitraum ohne Schulschließungen „nur“ um 27 %. Vor allem bei männlichen Jugendlichen im Alter von 16 bis 19 Jahren ist ein deutlicher Anstieg von generellen Depressionssymptomen zu finden.

Auch dazu gibt es Reaktionen der Politik: In einer interministeriellen Arbeitsgruppe zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im Kontext der Coronapandemie wurden Vorschläge erarbeitet. So sollen beispielsweise ab dem Schuljahr 2023/2024 „Mental Health Coaches“ an Schulen im Rahmen eines Modellprogramms des Bundes bei Fragen zur mentalen Gesundheit und bei akuten psychischen Krisen unterstützen. Auch beim Ganztagsausbau soll die Gesundheitsförderung eine wichtige Rolle spielen (Bundesregierung, 2023). All dies sind wichtige Vorhaben für Kinder und Jugendliche, die während der Coronapandemie besonders belastet waren. Allerdings darf dabei nicht vergessen werden, dass nicht alle Kinder und Jugendliche in gleichem Umfang betroffen waren. Vielmehr waren insbesondere Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Familien betroffen. Deshalb ist auch hier zielgruppenspezifische Politik gefragt.

Kita-Bereich in der Coronapandemie

Ein Befund wird bei der Frage, wie es derzeit um die Bildung in Deutschland bestellt ist, allerdings deutlich weniger diskutiert: Nicht nur Schulen waren in der Pandemie vollkommen oder teilweise geschlossen, sondern auch frühe Bildungseinrichtungen, d. h. Kindertageseinrichtungen (Kitas).2 Eine der wenigen größeren Studien, die Corona-Kita-Studie des DJIs und RKIs (Kuger et al., 2022) hat bemerkenswerte Befunde hervorgebracht, wenn es um die Kompetenzen von noch nicht schulpflichtigen Kindern in Deutschland in der Coronapandemie geht. Im Rahmen dieser Studie wurden die Fachkräfte in Kitas und Eltern befragt. Von den befragten Kitas gaben sehr viele an, dass der Anteil der Kinder mit deutlich höherem Förderbedarf gestiegen ist und zwar in vielen Bereichen, die für die kindliche Entwicklung wichtig sind. Auch Rückstellungen von Kindern, was deren Schulbeginn angeht, haben in der Pandemie zugenommen. Ein kleiner, aber substanzieller Anteil der Eltern berichtet auch von auffälligen Verhaltensweisen, psychosozialen Problemen oder psychosomatischen Symptomen bei ihren Kindern. Eltern geben für ihre Kinder, die zum Befragungszeitpunkt ihren Kitaplatz aufgrund von Pandemiefolgen nicht nutzen konnten, die niedrigsten Wohlbefindens- und die höchsten Auffälligkeitswerte an und zwar im Vergleich zu Kindern, die ihren Kitaplatz nutzen konnten bzw. die überhaupt nicht in der Kita waren. Auch hier zeigen die empirischen Befunde, dass besonders Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien betroffen waren. Aus einer bildungsökonomischen Perspektive ist dies besonders bemerkenswert, da empirische Studien belegen, dass diese Kinder von einer qualitativ guten Bildung und Betreuung in Kitas am meisten profitieren würden: Bei ihnen ist die Rendite frühkindlicher Bildungsinvestitionen besonders hoch (z. B. Heckman, 2006).

Die innerministerielle Arbeitsgruppe zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen hat in ihrem Bericht zwar auch dieses Handlungsfeld adressiert, in dem sie auf das „Kita-Qualitätsgesetz, Investitionsprogramme des Bundes zum Kitaausbau und eine Fachkräftestrategie zu mehr Qualität verweist (Bundesregierung, 2023). Außerdem wird darauf verwiesen, dass der Bund die Länder 2023 und 2024 mit rund 4 Mrd. Euro, auch für Maßnahmen in den Bereichen Gesundheit, Ernährung und Bewegung, unterstützen wird. Wie so oft im Kita-Bereich wird es sich dabei aber um finanzielle Unterstützung handeln, die nicht unbedingt in diesem Bereich ankommt. Dies hat auch damit zu tun, dass der Bund den Ländern nicht vorschreiben kann, wie sie die Gelder verwenden.

Das ist nicht neu, aber es sollte bedacht werden. In anderen Kontexten hat es im Nachhinein noch zu Korrekturen geführt. So z. B. jüngst bei der Weiterentwicklung des sogenannten „Gute-Kita-Gesetzes“ zum „Kita-Qualitätsgesetz“. Im „Gute-Kita-Gesetz“ war es den Ländern freigestellt, ob sie Bundesmittel in die Verbesserung der pädagogischen Qualität oder die Befreiung der Eltern von Kita-Gebühren investieren. Das Ergebnis war, dass sich ein erheblicher Anteil der Länder entschlossen hatte, damit tatsächlich zusätzliche Gebührenbefreiungen zu finanzieren (Spiess und Koebe, 2020). Und dies obwohl hinreichend empirische Evidenz dafür vorliegt, dass entsprechende Gebührenbefreiungen im Bereich der über dreijährigen Kinder nicht zu einer größeren Kita-Nutzung beitragen, da ohnehin schon fast alle Kinder eine Kita besuchen – allenfalls erhöht sich die wöchentliche Betreuungszeit geringfügig (z. B. Huebener et al., 2020). Aber auch im U3-Bereich sind massive Mitnahmeeffekte mit einer solchen Gebührenbefreiung zu erwarten. Zielgruppenspezifische Gebührenbefreiung für Familien im unteren Einkommensbereich sind vor dem Hintergrund knapper Haushalte deutlich effizienter (Spieß, 2017). Entsprechend hat die jetzige Bundesregierung im neuen „Kita-Qualitätsgesetz“ nachgelegt: Es müssen nun die Bundesgelder ausschließlich für die Verbesserung der pädagogischen Qualität verwendet werden.3 Hier wäre es vor dem Hintergrund der empirischen Befunde allerdings noch effizienter gewesen, wenn insbesondere Kitas in Brennpunkten gefördert werden, denn hier haben Kinder und Familien besonders unter den Kita-Schließungen gelitten.

Weitere Baustelle im Kita-Bereich: Nach wie vor große „Kita-Nutzungs-Gaps“

Hinzu kommt ein weiterer Befund, der bei der Frage einer besseren Kita-Politik und der sogar zunehmenden Abhängigkeit der Schulleistungen vom sozioökonomischen Hintergrund der Familien und deren Zuwanderungsgeschichte bedacht werden muss. Nach wie vor sind Kinder, die am meisten von einem frühen Kita-Besuch profitieren in Kitas unterrepräsentiert: Dies trifft auf den „U3-Bereich“ zu, also den Bereich der Kinder unter drei Jahren. Nach zehn Jahren Kita-Rechtsanspruch ab dem zweiten Lebensjahr hat sich hier sehr wenig getan (Schmitz et al., 2023). Im Gegenteil: Teilweise haben sich „Kita-Nutzungs-Gaps“ sogar noch vergrößert; trotz vielfältiger Ausbaubemühungen im Kita-Bereich sind bei Kindern unter drei Jahren also nach wie vor große Bildungsungleichheiten festzumachen. Die Teilhabechancen sind bereits in dieser frühen Bildungsphase nicht gleich verteilt, vielmehr haben Kinder aus bildungsferneren Elternhäusern, aus Haushalten, die armutsgefährdet sind, und aus Familien, die zu Hause hauptsächlich nicht Deutsch sprechen, schlechtere Chancen, um bereits im Alter unter drei Jahren an einer guten Bildung und Betreuung in Kitas teilzunehmen. Aktuelle Analysen (Schmitz et al., 2023) von 2016 bis 2020 zeigen, dass Kinder, deren Mütter einen höheren Schulabschluss haben, eine deutlich höhere Kita-Nutzungsquote aufweisen als Kinder, deren Mütter einen niedrigeren Abschluss haben. Kinder aus armutsgefährdeten Familien und Kinder aus Familien, die zu Hause kein Deutsch sprechen, sind ebenfalls in Kitas unterrepräsentiert: Der Kita-Nutzungs-Gap, definiert als Differenz zwischen den Nutzungsquoten der jeweiligen Gruppen, betrug 2020 28 Prozentpunkte, wenn nach der mütterlichen Bildung unterschieden wird, 20 Prozentpunkte, wenn nach der Armutsgefährdung des Haushalts differenziert wird und bei dem Merkmal „zu Hause gesprochene Sprache“ 10 Prozentpunkte – all dies sind erhebliche Unterschiede.

Bei der Frage, welche Ursache sich hinter diesen Befunden verbirgt, können unterschiedliche Gründe angeführt werden. Vielfach wird vermutet, dass Eltern der Gruppen, die unterrepräsentiert sind, keinen Bedarf haben, also diese Dienstleistung weniger nachfragen. Entsprechende Analysen, inwiefern sich diese Eltern einen Kitaplatz für ihr Kind unter drei Jahren wünschen, zeigen aber, dass sie durchaus einen Bedarf haben. Bei Familien, deren Mutter eine geringere Schulbildung hat, ist die Nachfrage zwar geringfügig geringer als bei höher gebildeten Müttern, bei allen anderen unterrepräsentierten Gruppen ist die Nachfrage aber mindestens genauso groß. Die Gruppen, die am meisten von einer Kita profitieren würden, sind demnach am stärksten „rationiert“: Im Jahr 2020 betrug der ungedeckte Bedarf bei Familien mit höherer Bildung knapp 10 %, bei den niedriger Gebildeten waren es aber knapp 15 %; knapp 10 % der nicht armutsgefährdeten Familien waren rationiert, bei den anderen armutsgefährdeten waren es 17 %. Familien, die zu Hause hauptsächlich nicht Deutsch sprechen, hatten 2020 sogar einen geringfügig höheren Bedarf als die Vergleichsgruppe: 51 % zu 48 %. Sie sind in einem besonders starken Ausmaß rationiert: Nahezu 28 % der Haushalte, die zu Hause kein Deutsch sprechen, im Vergleich zu knapp 11 % bei den anderen. Dies ist bemerkenswert, da für diese Gruppe ein frühes Lernen der deutschen Sprache von besonderer Bedeutung ist.

Oft vergessen: Familie als Bildungsort

Was in der bildungspolitischen Betrachtung der Coronapandemie außerdem häufig vergessen wird, ist, dass auch der Bildungsort Familie von vielfachen Belastungen betroffen war. Empirische Studien belegen, dass in der Coronapandemie insbesondere Eltern mit jungen Kindern sehr belastet waren (z. B. Huebener et al., 2021a).4 Der Stresslevel war besonders für alleinerziehende Eltern und Eltern, die beide erwerbstätig waren, erhöht (Kuger et al., 2022). Das Wohlbefinden war insbesondere von Müttern und von Eltern mit niedriger Bildung deutlich verringert (z. B. Huebener et al., 2021a und b). Aber auch hier gilt, dass keinesfalls alle Familien in gleichem Umfang von der Pandemie betroffen waren. Vielmehr zeigt das im Mittel stabil hohe gute Familienklima in der Pandemie, dass zwar viele Familien belastet waren, aber andererseits auch viele Familien die Zeit der Pandemie als „Entschleunigung“ empfanden, da der Wegfall von Freizeitaktivitäten zu weniger Organisationsstress und mehr Familienzeit führte (Kuger et al., 2022).

Aus einer bildungsökonomischen Perspektive ist das Wohlbefinden der Eltern von hoher Relevanz: Empirische Studien im Bereich der Bildungsökonomie zeigen, dass insbesondere das mütterliche Wohlbefinden die kognitive und nicht-kognitive Entwicklung von Kindern beeinträchtigt (z. B. Berger und Spiess, 2011; Jessen et al., 2023). Insofern sollte die Bildungspolitik und nicht nur die Familienpolitik das Wohlbefinden von Eltern stärker in den Blick nehmen.

In dem Gutachten der interministeriellen Arbeitsgruppe zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen wird die Familie als Bildungsort im Kontext der „Frühen Hilfen“ angesprochen. Es wird darauf aufmerksam gemacht, dass in diesem Handlungsfeld der Bund 2023 die Angebote ausbaut. Insgesamt stehen dafür 56 Mio. Euro zur Verfügung, unter anderem, um Familien mit Belastungen direkt nach der Geburt über Willkommensbesuche oder Lotsendienste zu erreichen und z. B. durch Familienhebammen zu unterstützen (Bundesregierung, 2023). Dies sind wichtige Ansätze – die Unterstützung des Bildungsorts Familie sollte jedoch nicht auf die frühen Hilfen reduziert bleiben. Die Bildungspolitik darf nicht ignorieren, dass bildungsökonomische Empirie belegt, dass der Bildungsort Familie immer noch sehr viel mehr an Varianz in Entwicklungs- und Lernunterschieden erklärt als formale Bildungsorte, wie Kita oder Schule (z. B. Caneiro und Heckman, 2003).

Fazit: Frühe Bildung muss endlich als zentrale Bildungsetappe anerkannt werden

Es gibt viel zu tun in der Bildungsrepublik Deutschland. Ein Fazit, dass keinen Neuigkeitswert hat. Vielmehr muss endlich von Anfang an gezielt in Bildung investiert werden. Die Bildungsorte Familie und Kita müssen stärker in den Fokus rücken, wenn wir den Trend zu abnehmenden Kompetenzen der Grundschulkinder ernsthaft stoppen wollen. In einer alternden Gesellschaft gilt das umso mehr, denn allein vor dem Hintergrund des abnehmenden Erwerbs­personenpotenzials müssen alle Bildungspotenziale von Anfang an gefördert werden, da Bildungsinvestitionen dann besonders effektiv und effizient sind. Der Anteil von Kindern mit Zuwanderungsgeschichte wird weiterhin zunehmen. Bereits heute hat fast jedes zweite Kind unter 10 Jahren einen Migrationshintergrund (Sulak et al., 2022). Wenn sie nicht frühzeitig in unser Bildungssystem integriert werden, verschenken wir wichtige Potenziale. Es darf nicht vergessen werden, dass das Bildungssystem nicht erst mit dem Primarbereich beginnt, sondern mit dem Elementarbereich. Dieser heißt vermutlich deshalb so, da es „elementar“ ist, sehr früh in die Entwicklung von Kindern zu investieren, wenn gute Grundlagen gelegt werden sollen. Diese Grundlagen werden allerdings schon vor dem Elementarbereich gelegt, Bildung beginnt von Anfang an. Der individuelle und volkswirtschaftliche Nutzen solcher frühen Investitionen lässt sich teilweise erst langfristig messen, dennoch lohnen sie sich.

Literatur

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Bundesregierung (2023), Interministerielle Arbeitsgruppe „Gesundheitliche Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche durch Corona“ Abschlussbericht, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/K/Kindergesundheit/Abschlussbericht_IMA_Kindergesundheit.pdf (3. April 2023).

Carneiro, P. und J. J. Heckman (2003), Human Capital Policy, in J. J. Heckman und A. Krueger (Hrsg.), Inequality in America: What Role for Human Capital Policy?, MIT Press.

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Stanat, P., S. Schipolowski, R. Schneider, K. A. Sachse, S. Weirich und S. Henschel (2022), IQB-Bildungstrend 2021 Kompetenzen in den Fächern Deutsch und Mathematik am Ende der 4. Jahrgangsstufe im dritten Ländervergleich, Waxmann.

Title:Groundhog Day: Early Education Must Finally Come into Sharper Focus!

Abstract:Given the high benefits of early education, it is particularly noteworthy that new studies of child development during and shortly after the coronavirus pandemic show negative effects on children. This is true for cognitive and non-cognitive skills as well as mental health. Children from low SES families are particularly affected. Although there are fewer studies for preschool children, the few studies that do exist show similar effects; in particular, the closure of daycare centers had a negative impact on children. Last but not least, parental well-being was affected during the pandemic, which will further impact children’s development. The article briefly discusses policy responses in light of these findings. Overall, it argues that education policy should place a much greater emphasis on early education and be more targeted.

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© Der/die Autor:in 2023

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DOI: 10.2478/wd-2023-0075