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Nach dem Aus der Ampelkoalition Anfang November 2024 befindet sich Deutschland früher als geplant im Wahlkampf. Dabei spielt die wirtschaftliche Situation und insbesondere auch die Krise in der Automobilindustrie eine herausragende Rolle. Insbesondere bei Elektroautos sind die Absatzzahlen im Jahr 2024 eingebrochen, in der Politik wird daher jetzt wieder über eine Abwrackprämie für Verbrennerfahrzeuge diskutiert. Das Verschrotten eines Diesel- oder Benzinautos soll beim Kauf eines E-Autos mit ansehnlichen Prämien honoriert werden. Passend dazu veröffentlichte das International Council on Clean Transportation (ICCT) im Oktober 2024 eine Studie, die einer solchen Abwrackprämie eine positive Wirkung bescheinigt: Dadurch würde mehr CO2 eingespart als bei sogenannten E-Fuels und dies außerdem zu erheblich geringeren Kosten. Das Institut beziffert die Vermeidungskosten pro Tonne Kohlendioxid-Äquivalent (CO2e) auf 313 Euro bei Dieselfahrzeugen und 255 Euro bei Benzinern (bei Kaufprämien von bis zu 6.000 Euro bei Dieselfahrzeugen und bis zu 3.000 Euro bei Benzinern). Die Vermeidungskosten bei E-Fuels werden dagegen mit 910 Euro/t (in Deutschland produziert) bzw. 619 Euro/t (aus Brasilien importiert) angegeben. Über die Studie wurde in der Presse vielfach berichtet, zumeist unkritisch mit dem Tenor „Abwrackprämie besser als E-Fuels“. Ein genauerer Blick in die Publikation zeigt jedoch relativ schnell, dass bei der Berechnung der Vermeidungskosten der Abwrackprämie von sehr optimistischen Annahmen ausgegangen wurde, bei den E-Fuels dagegen von sehr pessimistischen.

Laut ICCT wird bis 2030 von 8 Mio. stillgelegten Fahrzeugen durch die Abwrackprämie ausgegangen, davon 7 Mio. Dieselfahrzeuge und 1 Mio. Benziner. Die Abwrackprämie pro Dieselfahrzeug beträgt zwischen 2.000 und 6.000 Euro, diejenige für Benziner 2.000 bis 3.000 Euro, die Gesamtkosten werden auf 35 Mrd. Euro geschätzt. Die CO2e-Einsparung wird nur für 2030 angegeben und soll dann 11 Mio. t betragen. Es ist aus der Studie nicht ersichtlich, unter welchen genauen Annahmen (z. B. zum Strommix oder zur Lebensdauer der Batterien) die CO2e-Einsparung berechnet wurde. Rechnet man die Gesamtkosten von 35 Mrd. Euro auf 8 Mio. Fahrzeuge um, so ergibt sich aus den angegebenen Vermeidungskosten jedenfalls eine angenommene CO2e-Einsparung von ca. 14,3 t pro Fahrzeug. Dies erscheint angesichts der Ergebnisse vergleichbarer Untersuchungen sehr viel.

Eine Studie des Vereins Deutscher Ingenieure e.V. aus dem Jahr 2023, in der auch die CO2-Emissionen der Produktion berücksichtigt wurden, kommt auf eine CO2e-Einsparung eines rein batteriebetriebenen Elektroautos von 12,8 t gegenüber einem Benziner und knapp 9 t gegenüber einem Diesel (jeweils bei einer angenommenen Laufleistung von 200.000 km). Dies ergäbe bei den prognostizierten 7 Mio. durch die Abwrackprämie ersetzten Dieselfahrzeugen eine Gesamtersparnis von 63 Mio. t CO2e und bei 1 Mio. ersetzten Benzinern noch einmal knapp 13 Mio. t, insgesamt also 76 Mio. t eingespartes CO2e. Die für die Prämie veranschlagten Gesamtkosten von 35 Mrd. Euro würden demnach durchschnittlichen Vermeidungskosten von mehr als 460 Euro/t entsprechen – also ca. 50 % mehr, als vom ICCT veranschlagt. An dieser Stelle hat die ICCT-Studie also offensichtlich sehr optimistisch gerechnet.

Bei den E-Fuels ist die Studie dagegen eher pessimistisch und geht von Vermeidungskosten von 619 bis 910 Euro/t aus. Diese Beträge liegen deutlich über den Werten, welche die (durchaus E-Fuel-kritische) Studie von Ueckerdt et al. (2021) berechnet: Demnach betragen die Vermeidungskosten bei den E-Fuels derzeit (also in den Versuchsanlagen) ca. 800 bis 1.200 Euro pro Tonne CO2, bei entsprechender Steigerung der Produktionsmengen künftig geschätzt ca. 20 bis 270 Euro/t – womit der vom ICCT behauptete Effizienzvorteil der Abwrackprämie gegenüber E-Fuels verschwinden würde. Hinzu kommt noch, dass Elektroautos ja bereits jetzt (und auch nach Wegfall der Kaufprämie) mit Milliardenbeträgen subventioniert werden (insbesondere Steuervorteile, aber auch Förderung von Ladeinfrastruktur). Diese Förderung ergibt noch einmal Vermeidungskosten von bis zu 1.300 Euro/t, die zu der Abwrackprämie hinzukämen.

Fazit: Auf EU-Ebene wurde kürzlich ein „Recht auf Reparatur“ beschlossen, auf der Website des Bundesumweltministeriums liest man dazu: „Damit soll eine Umkehr geschaffen werden: Weg von der Wegwerfgesellschaft hin zu einer Gesellschaft, die Produkte wertschätzt.“ Vor diesem Hintergrund erscheint es geradezu absurd, dass nun wieder über eine Prämie für die Verschrottung funktionsfähiger Kraftfahrzeuge diskutiert wird. Sinnvoll ist dies sicher nicht, und wie gezeigt muss man schon sehr optimistisch rechnen, um eine solche Abwrackprämie sogar als effiziente Klimapolitik anzusehen.

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© Der/die Autor:in 2024

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2024-0211

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