Wer im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung Orientierung sucht, der wird enttäuscht. Wer sich Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft erhofft, wird keine finden. Zwar erhält mit dem 500 Mrd. Euro umfassenden Sondervermögen das Thema Infrastruktur eine prominente Bedeutung. Gleichwohl fehlt der Plan, wie das Geld sinnvoll auszugeben ist. Die neue Regierung orientiert sich an einer Gesellschaft der 1950er und 1960er Jahre und verlängert diese passenderweise einfach in die Zukunft. Aber mit einem „Höher-Schneller-Weiter“ lassen sich weder die tatsächlichen gesellschaftlichen Entwicklungen adressieren noch die für moderne Infrastruktur weitreichenden und über die Aktualität hinausreichenden Herausforderungen meistern.
Infrastrukturpolitik kann sich nicht vom Vergangenen leiten lassen und nicht in der Alltagspolitik verharren. Sie muss eine Idee von der Zukunft der nächsten Jahrzehnte haben. Welche Aspekte dabei zu berücksichtigen sind, hat das Bundesverfassungsgericht bereits 2021 eindeutig formuliert:
Die Schonung künftiger Freiheit verlangt auch, den Übergang zu Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten. Konkret erfordert dies, dass frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion formuliert werden, die für die erforderlichen Entwicklungs- und Umsetzungsprozesse Orientierung bieten und diesen ein hinreichendes Maß an Entwicklungsdruck und Planungssicherheit vermitteln. (BVerfG, 2021)
Infrastrukturpolitik als Autoförderung
Wenn die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen gefährdet werden, spielen alle politischen Ziele keine Rolle mehr. Pragmatismus reicht also nicht aus. Es braucht eine Idee und den Mut, sich von der Vergangenheit zu befreien. Das dies bitter notwendig ist, zeigt sich in der Verkehrsinfrastruktur. Hier leidet Deutschland immer noch an einer Erblast aus den 1930er Jahren. Die Nationalsozialisten entwickelten damals die Grundlage einer autoritären Moderne, deren technischer Unterbau die Massenmotorisierung war. Deutschland lag zu dieser Zeit in der Motorisierungsrate weit hinter Frankreich, Italien, England und vor allen Dingen den USA zurück. Die Nazis setzten dazu bereits vorhandene Pläne eines gigantischen Netzes von „Nur-Autostraßen“ in der Größenordnung von fast 4.000 Kilometern um, obwohl es zu dieser Zeit in Deutschland so gut wie keine Autos gab. Mit Blick auf die USA ging man aber davon aus, dass dem Auto die Zukunft gehören würde und ironischerweise ließ man die Autostraßen von der Deutschen Reichsbahn bauen. Das damals größte Unternehmen der Welt erhoffte, mit einem eigenen Straßennetz über den zukünftig zu erwartenden Lkw-Verkehr die Kontrolle zu erlangen und gab dafür die Zukunftsidee der Schiene auf (Baumeister, 2024). Gleichzeitig begann während dieser Zeit die Städteplanung die verdichteten Ballungsräume mit ihren Funktionen „Wohnen“, „Arbeiten“ und „Vergnügen“ räumlich auseinander zu reißen und den Betrieb durch ein dichtes Netz von Autostraßen abzusichern. Zur Erinnerung: Autos gab es nur wenige. Dafür aber das untrügliche Gefühl, dass diese kommen würden und dass die Menschen – wenn sie nur die Möglichkeit hätten – alle diese Autos wünschten und fahren würden. Damit diese Vision in Erfüllung gehen konnte, wurden neben der Infrastrukturpolitik noch eine Reihe weiterer Maßnahmen umgesetzt, die das Auto mit vielerlei Privilegien ausstatteten (Knie, 2025).
Aber offenkundig musste in Deutschland der Wunsch nach einem Auto erst noch entfacht und mit vielerlei Anreizen geschaffen werden. Bis weit in die 1960er Jahre blieben die Zulassungszahlen trotz dieser auf das Auto fokussierten Infrastrukturpolitik hinter den Nachbarländern zurück. Erst nachdem die steuerlichen Vergünstigungen 1957 die tatsächlichen Kosten eines privaten Autos mehr als wettmachten und der öffentliche Raum für das Parken privater Autos freigegeben wurde, nahm die Massenmotorisierung auch in Deutschland zu. Ob es nun wirklich der Wunsch der Menschen war oder doch nur ein ökonomisches Kalkül, das für ein Auto sprach – jedenfalls waren die schnell steigenden Zulassungszahlen eine Folge infrastrukturpolitischer Entscheidungen. Deutschland hatte die Eisenbahn und den öffentlichen Nahverkehr praktisch abgewickelt und stattdessen überall aufs Auto gesetzt. Das Zufußgehen und das Fahrradfahren blieben in dieser infrastrukturellen Perspektive auf der Strecke und wurden noch nicht einmal mehr statistisch erfasst (Knie, 2025).
Und heute? Die neue Regierung gibt im Koalitionsvertrag ein Bekenntnis zum Auto ab, und weiß nicht, wie mit der Bahn umzugehen ist. Die dem Auto in den früheren Jahren zugestandenen Privilegien werden auch weiterhin nicht in Frage gestellt. Ganz im Gegenteil, man möchte auch zukünftig neue Straßen bauen und die Entfernungspauschale, die vor allen Dingen den Menschen mit mittleren und höheren Einkommen finanzielle Vorteile verschafft, sogar noch weiter erhöhen (CDU, CSU & SPD, 2025).
Während man also weiterhin die Förderung des Autos wie vor 50 Jahren fortsetzt, kann man gleichzeitig die Herausforderungen des Klimawandels nicht leugnen und das Klimaschutzgesetz mit einer deutlichen Reduktion der Klimagase bleibt erstmal auf der Agenda: Für den Verkehr würde das bis 2030 eine Reduktion von rund 40 % gegenüber dem Referenzjahr 1990 erfordern. Um diese Ziele zu erreichen, spielen die Bahn und der öffentliche Verkehr als Alternative zum Auto eine wichtige Rolle: Das Bundesverkehrsministerium prognostiziert ein Wachstum auf der Schiene bis 2030 von rund 30 %, trifft aber keine Aussagen darüber, wie dies angesichts der Autodominanz zu erreichen ist (BMDV, 2025). Ganz im Gegenteil: Das Deutschlandticket als neues Zugpferd im Nahverkehr, das sehr gut nachgefragt wird und immerhin bewirkt, dass Menschen mit Affinität zum Öffentlichen Verkehr mehr Fahrten mit Bussen und Bahnen unternehmen, wird in seiner jetzigen Form kritisch reflektiert. Es soll zwar zunächst nicht abgeschafft werden, wird aber auch nicht als Blaupause für weitere Innovationen im Nahverkehr verstanden. Im Koalitionsvertrag fehlen ebenfalls Aussagen darüber, welche Verkehrsträger wie viel Geld bekommen sollen.
Die Gesellschaft verändert sich
Diese Ausrichtung der Infrastrukturpolitik ist ein mutloses Festhalten an der Tradition und kann weder die zukünftigen Herausforderungen abbilden noch ist sie für die Gegenwart hilfreich. Bereits heute gibt es fast 50 Mio. zugelassene Pkw in Deutschland und ihre Zahl wächst. Diese stehen – rechnet man die Geflüchteten heraus, deren Zahl laut den Vorstellungen der neuen Bundesregierung deutlich zurückgehen soll – einer schrumpfenden Bevölkerung gegenüber. Angesichts des demografischen Wandels ist ein Bevölkerungswachstum in den nächsten Jahrzehnten nicht erwartbar.
Hinzu kommt, dass die wachsende Anzahl von Pkw offenkundig einen abnehmenden Grenznutzen hat: Mehr Fahrzeuge schaffen nicht mehr Wohlstand. Die jüngsten Ergebnisse der zwei großen bundesdeutschen Verkehrserhebungen – Mobilität in Ballungsräumen (MiD) (Follmer, 2025) sowie das System repräsentativer Verkehrserhebungen (SrV, 2025) – bestätigen die bereits aus anderen empirischen Verkehrserhebungen bekannten Trends: Es wird weniger Auto gefahren. Die Zahl der Wege sinkt genauso wie die mit dem Auto zurückgelegten Entfernungen. Dieser Trend ist bereits seit über zehn Jahren zu beobachten. Die Coronapandemie hat zudem Strukturen entstehen lassen, die es rund einem Drittel aller Beschäftigten erlauben, mehrere Arbeitstage pro Woche nicht ins Büro zu fahren – Tendenz eher steigend als sinkend. Damit nehmen Verkehrsmittel für den Nahraum an Bedeutung zu. Zum Beispiel kann das Zufußgehen als „Gewinner“ während der Pandemie angesehen werden (MobiCor, 2024). Ebenfalls drückt sich dieses Verhalten zurückgehender Raumüberwindungen im Flugverkehr aus. Starts und Landungen sowie die Passagierzahlen liegen in Deutschland – im Unterschied zum übrigen Europa – immer noch bei rund 70 % des Niveaus vor der Coronapandemie (ADV, o. D.). Dies hat auch mit einer geänderten Arbeitswelt zu tun. Sicherlich auch mit den hohen Passagierzahlen aus der Zeit vor der Coronapandemie, die selbst drei Jahre nach dem Fortfall der Restriktionen nicht mehr erreicht werden. Eigentlich eine Steilvorlage für eine ambitionierte Klimapolitik.
Doch was steht dazu im Koalitionsvertrag? Man gewinnt den Eindruck, dass es der neuen Bundesregierung fast unangenehm ist, dass in Deutschland so wenig geflogen wird. Daher wird die Luftverkehrssteuer mit der Absicht gesenkt, dass wieder mehr geflogen werden soll. Auch hier knüpft man an tradierte Denkmuster an: Moderne Gesellschaften zeichnen sich in dieser Vorstellung durch eine große Anzahl an Autos und Autofahrten aus. Je öfter geflogen wird, umso moderner ist eine Gesellschaft. Das hätte sicherlich für eine Infrastrukturpolitik der 1970er Jahre gelten können, aber heute sind die Gesellschaften andere. Und es gibt keine Anzeichen, dass sich der demografische Wandel sowie die fortschreitende Digitalisierung in den nächsten Jahrzenten abschwächen. Gleichzeitig werden die Folgen des Klimawandels aber immer deutlicher (Canzler et al., 2025).
Die viel gescholtene und als völlig überfordert dargestellte Gesellschaft ist offenkundig doch viel reflektierter als häufig unterstellt wird. Der entfernungsintensive Arbeits- und Lebensstil Deutschlands wird schon seit vielen Jahren eher selbstkritisch wahrgenommen. Die Alternative ist einfach: weniger fahren. Die fortgeführten Anreize der erhöhten Entfernungspauschale, der Subventionierung des Dieseltreibstoffes sowie des Dienstwagenprivilegs verpuffen in ihren Wirkungen völlig, kosten aber viel Geld (UBA, 2021). Der öffentliche Personenverkehr (ÖV) scheint bundesweit für die Autogesellschaft jedoch noch keine echte Alternative zu sein. Die Ergebnisse der oben bereits zitierten Erhebungen MiD und SrV sowie MobiCor zeigen einen stagnierenden Anteil des ÖV am Verkehrsmarkt. Es sei denn, es täte sich Revolutionäres. Wie so etwas aussehen könnte, das demonstrierte die kurze Erfolgsgeschichte des „9-EUR Ticket“. Fast 60 Mio. Tickets wurden gekauft, praktisch jeder mobile Mensch hatte sich den Zugang zu einer ansonsten vielfach fremden Welt verschafft. Mit Erstaunen konnte man erleben, dass Busse und Bahnen keineswegs aus den Köpfen der Menschen verschwunden sind, sondern sich wunderbar emotionalisieren lassen – wenn denn die Bedingungen stimmen. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel muss einfach und zumindest in einem ersten Schritt unschlagbar günstig sein.
Damit leiten sich weitere Konsequenzen für eine zukunftsfähige Infrastrukturpolitik ab: Angesichts einer weiter abnehmenden Verkehrsmenge sind alle Ausbauten bestehender Infrastrukturen auf den Prüfstand zu stellen und kritisch auf den tatsächlichen Bedarf hin zu evaluieren. Die bisherige Denkweise, dass eine Ausweitung des Angebots an Straßen, Flughäfen, Schienen und Kanälen sich selbst rechtfertigt, indem auch die Nachfrage – der Verkehr – zunimmt, dieser Ansatz ist weder finanzierbar noch klimapolitisch sinnvoll und er wird auch nicht mehr funktionieren. Eine im besten Sinne nachhaltige Infrastrukturpolitik orientiert sich an der Dynamik der gesellschaftlichen Entwicklung: Die Gesellschaft wird schrumpfen, sie wird sich weiter fragmentieren und digitalisieren. Die Idee einer gesellschaftlichen Modernisierung durch das Auto hat sich sozusagen erledigt. Noch mehr in neue Straße zu investieren, würde nicht einmal die aktuellen Bedürfnisse adressieren, geschweige denn Bedarfe in den nächsten Jahrzehnten bedienen können (Knie, 2025).
Eckpunkte für eine moderne Verkehrsinfrastrukturplanung
Eine einfache Fortsetzung der Infrastrukturplanung entspricht also nicht den gesellschaftlichen Realitäten und entwickelt auch keine Zukunftsidee. Zudem müssen die Strukturen der Mittelverwendung modifiziert und aus der haushaltsrechtlichen Jährlichkeit sowie aus der „föderalen Politikfalle“ befreit werden. Daher sind alle Mittel für die Verkehrsinfrastruktur in einem Fonds abzusichern und auf mindestens sieben Jahre zu garantieren. Die Mittel sollten zudem nicht weiter nach den bestehenden föderalen Verteilungsschlüsseln ausgegeben werden, sondern nur dort, wo Verkehre auch zukünftig zu erwarten sind. Der bisherige Bundesverkehrswegeplan ist als Sammelstelle für politische Projektionen und Wünsche kein adäquates Instrument mehr und sollte aufgegeben werden. Grundsätzlich muss bei der Verkehrsinfrastruktur aus einem bundesweiten Blick entschieden werden. Für den Verkehrsträger Straße ist mit der Gründung der Deutschen Autobahngesellschaft zumindest ein erster Schritt getan, die Planungen auch einer stärker bundesweiten Logik zu unterstellen. Mit Blick auf die erwähnten gesellschaftlichen Entwicklungen sollte es ein Moratorium für Neuplanungen sämtlicher Bundesfernstraßen geben sowie ein bedarfsorientiertes Zurückbauen: Was nicht mehr gebraucht wird, sollte abgerissen und entsiegelt werden.
Das Eisenbahnnetz allein ist wie ein Fisch auf dem Trockenen: in einer durch das Automobil völlig zersiedelten Landschaft muss auch ein Schienennetz wohl überlegt werden und kann nicht einem Hase-und-Igel-Spiel folgend die gleichen Erreichbarkeitsstandards wie die Straße gewähren. Hier gilt es die erste und letzte Meile als strategische Achillesferse zu erkennen und die Verkehre als ein „Hub and Spoke“-System auszubauen, d. h. den gebündelten, schienengeführten Verkehr durch bedarfsgesteuerte „On-Demand“-Verkehre auf der Straße zu bedienen. Damit werden Taxi- und Mietwagenfahrzeuge zu zentralen Elementen des öffentlichen Verkehrs und die Schiene bleibt den gebündelten Verkehren vorbehalten.
Notwendig dazu ist eine Reform des Eisenbahnwesens. Die bisherige Struktur, in der die Bundesländer durch die Regionalisierungsmittel entsprechend dem „Kieler Schlüssel“ Geld zugewiesen bekommen, ist ebenfalls aufzukündigen und die Eisenbahn wieder aus einem Guss zu führen. Die im Wettbewerb vergebenen Leistungen des Schienenpersonenverkehrs haben eine in hohem Grad bürokratische Struktur erzeugt, die durch eine Integration dieser Wettbewerber unter einem Dach schlicht gespart werden können. Die verfügbaren Finanzmittel für die Bundesländer zur Bestellung dieses Nahverkehrs haben sich seit 1996 bis in das Jahr 2022, also noch vor Einführung des Deutschlandtickets, von unter 5 auf knapp 14,4 Mrd. Euro entwickelt und werden noch auf über 16 Mrd. Euro im Jahre 2026 steigen. Dies entspricht einem Wachstum der Mittel um ca. 200 %. Das Fahrgastaufkommen stieg im selben Zeitraum zwar ebenfalls, jedoch deutlich geringer. Wurden im Jahr 1996 1,53 Mrd. Personen befördert, stieg diese Zahl bis 2022 nur um ca. 55 % auf 2,37 Mrd. Personen und die Tendenz ist seit der Pandemie stagnierend (Statista, 2025). Nach den Erfahrungen der Bahnreform aus den letzten zehn Jahren hat sich gezeigt, dass ein Wettbewerb zwischen einzelnen Wertschöpfungselementen des Eisenbahnproduktionswesen vor allen Dingen die Komplexität erhöht und die Interaktionskosten steigen lässt. Trasse und Traktion gehören zusammen, die Personenverkehre und das Netz sollten daher in ein integriertes System zurückorganisiert werden (Bantleon et al., 2025).
Bislang unbeachtet ist das Fahrrad. Mit dem Fahrrad werden bundesweit mehr als 12 % und in Ballungszentren im Schnitt 20 % aller Wege zurückgelegt. In einigen Kommunen, wie Bremen oder Leipzig, ist das Fahrrad mit fast 30 % Wegeanteil das am meisten genutzte Verkehrsmittel überhaupt. Dennoch bleibt es in der bundesweiten Infrastrukturpolitik unberücksichtigt. Im Organigramm des Verkehrsministeriums hat dieses Verkehrsmittel noch nicht einmal ein eigenes Referat. Es ist Konsens, dass dem Fahrrad für die Zukunft des Verkehrs eine große Bedeutung zukommt, dafür aber ein substanzieller Ausbau der Infrastruktur notwendig ist. Bislang waren in erster Linie die Kommunen als Baulastträger der Gemeindestraßen dafür verantwortlich, aber sie verfügen in aller Regel weder über den unbedingten politischen Willen noch über die Kapazitäten. Analog der Deutschen Autobahngesellschaft wäre daher eine bundesweit agierende Deutsche Fahrradstraßenbaugesellschaft ein möglicher Ausweg aus diesem Dilemma. In diesem Unternehmen könnten alle Kapazitäten gebündelt und auf Bestellung der Kommunen der Bau durch den Bund professionell betrieben und finanziert werden.
Neue Perspektiven: Weniger ist mehr
Zusammenfassend sind damit einige Eckpunkte einer neuen Infrastrukturpolitik skizziert: Gesellschaftliche Dynamiken im Bereich Verkehr müssen aufgenommen und die Verkehrsinfrastrukturpolitik neu gerahmt werden. Statt der Fortsetzung einer Philosophie des „Höher- Schneller- Weiter“ im Sinne einer steigenden Zahl von Autos, des Ausbaus von Straßen und Flughäfen, muss ein Wechsel zu einem qualitativen Denken mit dem Ziel der Sicherung der sozialen und natürlichen Lebensgrundlagen im Sinne einer Resilienz gegenüber den globalen Herausforderungen stattfinden. Gesellschaften verändern sich – auch und gerade durch und mit infrastrukturpolitischen Entscheidungen. Die Kunst des Gelingens ist es daher, vorhandene Trends und tatsächliche Herausforderungen aufzugreifen und gleichsam „zukunftsfest“ zu machen. Dies würde für Deutschland bedeuten, weiterhin an die Idee einer offenen, vielfältigen demokratischen und gerechten Gesellschaft festzuhalten. Diese braucht dazu aber nicht mehr die Rezepte aus der Nachkriegszeit, als es in der Politik primär darum ging, den Raumwiderstand abzusenken, um die physische Beweglichkeit zu erhöhen und damit auch die geistigen Horizonte zu erweitern. Heute sind die Menschen bereits vielfältig unterwegs, eine Fortsetzung der alten Ansätze – so wie sie im neuen Koalitionsvertrag vorgesehen sind – erhöht somit nur noch mehr die Zentrifugalkräfte in der Gesellschaft mit den Folgen einer weiteren sozialen Ent-Bettung und Vereinzelung. Denn die extreme Beschleunigung lässt die Menschen nicht mehr zusammenkommen. Im wahrsten Sinne des Wortes entfernt man sich voneinander: Ein Weniger an Straßenausbau ist ein Mehr an sozialer Integrität und Robustheit.
Literatur
ADV – Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen e.V. (Flughafenverband ADV). (o. D.). ADV-Dashboard Verkehr.
Bantleon, D., Bögle, D., Ellwanger, G., Göbertshahn, R., Huber, K., Ischebeck, O., Knie, A. & Müller, R. (2025). Eine bessere Zukunft für die Bahn? Weichenstellung für den Neustart. Eisenbahn-Kurier, 4, 70–73.
Baumeister, J. (2024). Weichenstellung für die automobile Zukunft? Die kraftwagenpolitischen Konzepte und Strategien der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft in der Zwischenkriegszeit, 1920–1939 [Dissertation, Technische Universität Berlin].
BMDV – Bundesministerium für Digitales und Verkehr. (2025, April). Verkehrsprognose 2040.
BVerfG – Bundesverfassungsgericht. (2021, 24. März). Beschluss des Ersten Senats vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18, 1 BvR 96/20, 1 BvR 78/20, 1 BvR 288/20 - Rn. (1 - 270).
Canzler, W., Haus, J., Knie, A. & Ruhrort, L. (Hrsg.). (2025). Handbuch Mobilität und Gesellschaft. Sozialwissenschaftliche Verkehrs- und Mobilitätsforschung. Springer.
CDU, CSU & SPD. (2025). Verantwortung für Deutschland: Koalitionsvertrag, 21. Legislaturperiode.
Follmer, R. (2025). Mobilität in Deutschland – MiD Kurzbericht. Studie von infas, DLR, IVT & infas 360 im Auftrag des Bundesministers für Digitales und Verkehr (FE-Nr. VB600001).
MobiCor (Mobilität vor und nach Corona). (2024). Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.
Knie, A. (2025). Wo kommen bloß die vielen Autos her und wie werden wir sie wieder los? Alexander Verlag.
Statista. (2025). Entwicklung der Regionalisierungsmittel für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) auf der Schiene in den Jahren 1996 bis 2026. Daten entnommen aus F. Berschin, M. Holzhey, T. Petersen, C. Thalhofer & J. Voll (2023), Ermittlung des Finanzbedarfs für den ÖPNV bis 2031. Studie von Ramboll im Auftrag des Bundesministers für Digitales und Verkehr (FE-Nr. VB710017).
SrV – System repräsentativer Verkehrsbefragungen. (2025). Startseite – Mobilität in Städten – SrV – TU Dresden.
UBA – Umweltbundesamt. (2021). Umweltschädliche Subventionen in Deutschland.