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Der rasche Übergang Europas zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft hat eine begrenzte Anzahl von Technologien für erneuerbare Energien, wie Wärmepumpen und Solarzellen, in den Mittelpunkt der industriellen Strategie der EU gestellt. Bei einigen dieser Netto-Null-Technologiegüter ist die EU in erheblichem Maße von Einfuhren aus einigen wenigen Drittländern abhängig, insbesondere China. Dadurch sind die europäischen Lieferketten Risiken ausgesetzt, die nur schwer zu beherrschen sind. Als Reaktion darauf hat die EU die Weichen für ein neues marktbasiertes Instrument gestellt: die Einführung von Resilienzkriterien im öffentlichen Beschaffungswesen und bei Auktionen zur Förderung erneuerbarer Energien. In diesem Artikel werden die Gründe für solche Kriterien erörtert und die Stärken und Schwächen verschiedener Gestaltungsoptionen untersucht. Am Beispiel der Förderauktionen für Freiflächen-PV in Deutschland werden die Auswirkungen eines Resilienzbonus auf die Förderkosten und die Nachfrage nach heimischen PV-Modulen simuliert.

Europas Transformation zur Klimaneutralität hängt an der Verfügbarkeit einer begrenzten Zahl von Technologien. Auf den Weltmärkten für einige dieser wichtigen „Netto-Null-Technologien“, wie Speicherbatterien und Photovoltaik (PV)-Module, spielen europäische Hersteller nur eine untergeordnete Rolle. In Zukunft droht ihre Position durch strukturelle Kostennachteile bei Ressourcen wie Arbeit und Energie weiter geschwächt zu werden. Dies gefährdet nicht nur die Innovationskraft Europas in diesen Bereichen, sondern zementiert auch die Importabhängigkeit von wenigen Lieferländern, insbesondere von China. Ein solches Szenario setzt die EU einem hohen Risiko von Handelsstörungen und politischer Erpressung aus. Es widerspricht auch der grundlegenden Vorstellung der EU, dass der internationale Handel von komparativen Vorteilen bestimmt sein sollte. Denn die dominante Marktposition Chinas ist zumindest zum Teil eine Folge gezielter Industriesubventionen (Bickenbach et al., 2024).

Vor diesem Hintergrund hat sich die EU ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Im Jahr 2030 sollen die heimischen Produktionskapazitäten für Netto-Null-Technologien ein Niveau von 40 % des jährlichen Bedarfs in der EU erreichen (EU, 2024). Die angebotsseitigen Maßnahmen, die bisher auf EU-Ebene vereinbart wurden – insbesondere eine Verkürzung von Genehmigungsverfahren für Fertigungskapazitäten und eine Fokussierung bestehender Förderkanäle – bleiben weit hinter den Ambitionen dieses Ziels zurück. Die Hoffnungen richten sich deshalb auf ein neues nachfrageorientiertes Förderinstrument: die Einführung von Resilienzkriterien im öffentlichen Beschaffungswesen und in Förderauktionen für erneuerbare Energien. Bei hoher Importabhängigkeit von einzelnen Drittstaaten bei bestimmten Technologiekomponenten werden Obergrenzen für den Anteil der Komponenten festgelegt, der von den marktbeherrschenden Lieferländern bezogen werden darf. Dies erzeugt Anreize für Bieter, ihre Beschaffungskanäle zu diversifizieren und damit die Nachfrage nach Vorleistungen aus alternativen Bezugsquellen zu erhöhen.

Eine intuitive wohlfahrtsökonomische Begründung für verbindliche Resilienzkriterien wäre der Wunsch, Monopole oder Oligopole auf Märkten für kritische Technologien zu überwinden. Wenn Investoren die Durchsetzung solcher Kriterien als glaubwürdig erachten, kann dies Investitionen in alternative Produktionsstandorte anregen und dazu beitragen, skalenbedingte Wettbewerbsvorteile der dominierenden Produzenten abzubauen. Auf diese Weise könnten sich die Kriterien mit der Zeit selbst überflüssig machen. Da sie jedoch nur auf den Produktionsstandort Bezug nehmen, sind sie als wettbewerbsförderndes Instrument zu unpräzise. Wie das Beispiel der PV-Module zeigt, kann eine hohe geografische Konzentration des Angebots durchaus mit einem starken Preiswettbewerb zwischen Anbietern aus derselben Region (in diesem Fall: China) einhergehen (Crooks, 2024). Davon profitieren europäische Importeure in Form niedriger Weltmarktpreise. Streng formulierte Resilienzkriterien könnten die Wettbewerbsintensität sogar verringern, wenn sie die Zahl der zugelassenen Anbieter deutlich einschränken.

Ein überzeugenderes ökonomisches Argument ist die Existenz politischer Versorgungsrisiken. Eine hohe Konzentration des weltweiten Angebots kritischer Technologien in einem Land impliziert eine hohe Abhängigkeit weltweiter Importe von der Industrie- und Handelspolitik dieses Landes. Dies stärkt zum einen seine geostrategische Machtposition, da es die eigene Wirtschaftspolitik als diplomatisches Druckmittel einsetzen kann. Zum anderen entstehen direkte wirtschaftliche Risiken für die Wertschöpfungsketten in den Importländern. Während Preisrisiken potenziell abgesichert werden können, ist dies bei physischen Beschaffungsrisiken zumindest kurzfristig oft nicht möglich. Handelt es sich bei dem betreffenden Produkt um ein schwer substituierbares Vorprodukt oder ein Kapitalgut, können sich diese Beschaffungsrisiken auf ganze Lieferketten erstrecken. Aus Sicht eines Investors ist eine Risikodiversifizierung besonders schwierig, wenn die betreffende Technologie aufgrund ihres breiten Anwendungsspektrums die Grundlage für Lieferketten in einer Vielzahl unterschiedlicher Branchen bildet, wie dies bei einigen Schlüsseltechnologien für erneuerbare Energien der Fall ist. Dies impliziert stark positiv korrelierte Branchenrisiken.

Aus diesem Grund können praktische Maßnahmen zur Überwindung solcher Abhängigkeiten als eine Art positiver externer Effekt angesehen werden. Indem sie zur Schaffung räumlich diversifizierter Produktionskapazitäten beitragen, verringern sie die Risikoexposition aller Importeure. Aufgrund des externen Charakters dieses Beitrags ist die Zahlungsbereitschaft der Individuen aus Wohlfahrtsperspektive unzureichend. Dies kann eine grundlegende Rechtfertigung für regulatorische Anforderungen zur Nachfrage-Diversifizierung sein. Die positive Externalität muss jedoch gegen die Kosten für den Aufbau alternativer Versorgungskanäle abgewogen werden, die sich kurzfristig in höheren Kaufpreisen niederschlagen. Diese höheren Preise können wiederum die preisliche Wettbewerbsfähigkeit heimischer nachgelagerter Technologien in den Importländern beeinträchtigen. Der mittelfristige Preiseffekt ist a priori unklar. In einem Positivszenario würde der Nachfrageimpuls über Skaleneffekte zu einer Senkung der Produktionskosten alternativer Anbieter führen. In einem Negativszenario würden die Anreize für die Erforschung neuer Technologien zunichte gemacht, da die heimischen Hersteller verleitet würden, sich auf den Schutzschild der Resilienzanforderungen zu verlassen.

Die tatsächlichen Auswirkungen werden stark von der Ausgestaltung abhängen. Zunächst stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die Kriterien als Local-Content-Anforderungen wie im US-Inflation Reduction Act oder als allgemeine Diversifizierungskriterien wie bislang von der EU favorisiert ausgestaltet werden. Das Recht der Welthandelsorganisation (WTO) spricht klar gegen Local-Content-Anforderungen. Der Grundsatz des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (General Agreement on Tariffs and Trade, GATT) der Inländerbehandlung verbietet es den WTO-Mitgliedern, Anforderungen an den Inlandsanteil bei der Herstellung von Gütern zu stellen. Die mit einer solchen Anforderung zwangsläufig verbundene Unterscheidung nach Herkunft stellt einen Verstoß gegen Artikel III des GATT dar (Figueiredo, 2022). Die EU, die den Erhalt eines regelbasierten Handelssystems zu einer Priorität ihrer handelspolitischen Strategie erklärt hat, sollte sich hieran gebunden fühlen. Zudem besteht die Gefahr von Gegenreaktionen in Form von restriktiven Vergeltungsmaßnahmen der derzeit dominierenden Produzentenländer. Eine Formulierung als Diversifizierungskriterium, das nicht ausschließlich bestimmte Herkunftsländer diskriminiert, erscheint demgegenüber weit weniger problematisch.

Eine zweite wichtige Frage betrifft den Anwendungsbereich der Kriterien. Neben der Anwendung in der öffentlichen Beschaffung und in Auktionen für erneuerbare Energien könnten Resilienzkriterien auch für den Erhalt von anderen Formen staatlicher Unterstützung verpflichtend gemacht werden. Dies könnte beispielsweise für den Zugang zu öffentlichen Investitionen oder Forschungsgeldern gelten. Eine solche Anwendung von Resilienzkriterien in Bereichen, die über Ausschreibungen hinausgehen, erfordert die Entwicklung neuer Umsetzungsformen. Insbesondere ist darauf zu achten, dass mögliche Kostenimplikationen der Kriterien nicht den Förderzielen zuwiderlaufen.

Resilienzkritierien bei Förderauktionen für erneuerbare Energieträger

Für den Anfang spricht einiges dafür, die Anwendung von verbindlichen Resilienzkriterien auf Förderauktionen für erneuerbare Energieträger wie Windkraft und PV-Strom (EE-Ausschreibungen) zu konzentrieren. Ein Vorteil dieses Szenarios ist, dass keine direkten Kostenrisiken für nachgelagerte Industrien zu erwarten sind. Denn die Kosten, die den geförderten Projektentwicklern entstehen, sind Fixkosten und haben somit keinen direkten Einfluss auf die Preisbildung an den Strommärkten. Daher ist es unwahrscheinlich, dass die Resilienzkriterien den Erfolg der grünen Transformation insgesamt gefährden, indem sie Druck auf die Energiekosten ausüben. Dennoch werden dem Steuerzahler möglicherweise erhebliche Kosten in Form von öffentlichem Finanzierungsbedarf entstehen. Bei der Festlegung spezifischer Resilienzkriterien sollten daher die Wechselwirkungen mit dem bestehenden Design von Ausschreibungen für erneuerbare Energien sorgfältig analysiert werden.

Grundsätzlich können Resilienzvorgaben in EE-Ausschreibungen entweder als Präqualifikationskriterien definiert werden, die verbindliche Anforderungen für die Teilnahme definieren, oder als Zuschlagskriterien, die den Angebots­preis als Kriterium ergänzen. Ein allgemeiner Vorteil von Präqualifikationskriterien ist die direktere Steuerbarkeit der politischen Ziele. Obligatorische Anforderungen an die Diversifizierung der Inputs stellen sicher, dass alle geförderten Anlagen zur Erreichung des Resilienzziels beitragen. In EE-Förderprogrammen mit einem festen jährlichen Volumen an geförderter Erzeugungskapazität kann so der Ausbau alternativer Versorgungswege direkt gesteuert werden. Werden hingegen Resilienzkriterien als Zuschlagskriterien festgelegt, ist es ungewiss, ob die Bieter einen Resilienzbonus in Anspruch nehmen werden oder nicht. Diese Unsicherheit ist besonders groß, wenn Auktionen durch starke Kostenheterogenität und strategisches Bieterverhalten gekennzeichnet sind, wie es bei pay-as-bid Auktionen häufig der Fall ist (Afshar et al., 2018).

Zuschlagskriterien verschaffen den Bietern jedoch mehr Flexibilität. Sie werden nur dann alternative Lieferkanäle für Technologie-Komponenten wählen, wenn sich dadurch ihre erwartete Nettoauszahlung verbessert. Bei Präqualifikationskriterien hingegen besteht die Gefahr, dass zu ehrgeizige Diversifizierungsvorgaben den Preis für Komponenten aus alternativen Kanälen aufgrund der zusätzlichen preisunelastischen Nachfrage deutlich erhöhen. Diese Gefahr ist insbesondere in der Anfangsphase akut, wenn alternative Produktionswege erst aufgebaut werden müssen. Die entstehenden Mehrkosten würden dann über höhere Gebotspreise von der Allgemeinheit getragen. Im schlimmsten Fall könnte dies sogar den Ausbau der erneuerbaren Energien bremsen, wenn die Investitionen in alternative Fertigungskapazitäten nicht mit der induzierten Nachfrage Schritt halten können.

Um dieses Risiko zu vermeiden, erfordert die Spezifizierung von Präqualifikationskriterien ein hohes Maß an Informationen, z. B. über Kostenstruktur und Investitionsvolumina in der Komponentenproduktion. Sie müssten zudem häufig an die tatsächliche Marktentwicklung angepasst werden, um die Balance zwischen Wirkung und Kosten zu wahren. Zuschlagskriterien hingegen ermöglichen eine schrittweise Einführung alternativer Beschaffungskanäle über den Wettbewerbsmechanismus und erfordern damit seltener Anpassungen am Design.

Schließlich sind auch Auswirkungen auf Innovationsanreize ein relevanter Faktor. Auch in dieser Hinsicht erscheinen Präqualifikationskriterien problematischer. Dies gilt insbesondere dann, wenn zunächst wenig alternative Anbieter von Komponenten auf dem Markt sind. Die durch Präqualifikationskriterien geschaffene Absatzsicherheit könnte dann den Anreiz für langfristig effizienzsteigernde Innovationen verringern. Bei der Formulierung als Zuschlagskriterien hingegen erzeugt die Abwägung der Bieter zwischen den Mehrkosten und dem Nutzen alternativer Lieferkanäle Anreize für kostensenkende Innovationen unter Komponentenherstellern.

Simulation der Auswirkungen von Resilienz-auktionen in Deutschland

Da Deutschland unter den EU-Mitgliedstaaten den mit Abstand größten Markt für erneuerbare Energien darstellt, ist zu erwarten, dass eine Einführung von Resilienzkriterien in das deutsche Fördersystem erhebliche Impulse für die gesamte EU auslösen würde. Wir simulieren die Auswirkungen der Einführung eines zusätzlichen Resilienzkriteriums in den Förderausschreibungen für PV-Freiflächenanlagen. PV-Module gehören zu den grünen Technologien mit gegenwärtig besonders starken externen Abhängigkeiten in der Lieferkette (IEA, 2023). Bei Freiflächenanlagen sind die Ausschreibungsvolumina zudem deutlich größer als bei Aufdachanlagen, was einen größeren Nachfragesog für die PV-Modulproduktion verspricht (Bundesnetzagentur, 2024).

Die Ausschreibungen sind als einstufige pay-as-bid-Auktionen für eine feste Gesamterzeugungskapazität konzipiert (EEG, 2023). Im aktuellen System erfolgt der Zuschlag rein preisbasiert. Für die Ergänzung eines Resi­lienzkriteriums gehen wir von dem einfachsten denkbaren Szenario aus. Die Produzenten von PV-Strom haben die Wahl, PV-Module von zwei verschiedenen Anbietern zu beziehen: dem etablierten, marktbeherrschenden Anbieter oder einem alternativen Anbieter. Entscheiden sie sich für den alternativen Anbieter, erhalten sie im Rahmen des Auktionssystems einen bestimmten Resilienzbonus (in Eurocent/kWh). Die Vergabe der Förderverträge erfolgt in aufsteigender Reihenfolge der Nettogebotswerte der Teilnehmer, definiert als Bruttogebotswert abzüglich des möglichen Resilienzbonus. Durch die Wahl eines alternativen Beschaffungsweges können Bieter somit ihre Zuschlagswahrscheinlichkeit für ein gegebenes Bruttogebot erhöhen.

Bei der Formulierung der Verhaltensannahmen folgen wir dem Ansatz von Federico und Rahman (2003). Sie gehen davon aus, dass Bieter risikoneutral sind, d. h. dass sie ihren erwarteten Gewinn maximieren wollen. Jeder Bieter betrachtet seine Zuschlagswahrscheinlichkeit als gegebene Funktion seiner individuellen Gebotshöhe. Die Form dieser Funktion ergibt sich aus der Wahrscheinlichkeitsverteilung der abgegebenen Gebote.1 Dies entspricht der Situation eines kompetitiven Gebotsverfahrens mit vielen Teilnehmern, was eine angemessene Annäherung an das deutsche Ausschreibungssystem darstellt. Die Kostenstruktur des etablierten Anbieters von PV-Modulen wird durch Schätzungen zur Bandbreite der gegenwärtigen Produktionskosten in China abgebildet, die Kostenstruktur des alternativen Anbieters durch vergleichbare Schätzungen für die Produktion in der EU (ETIP, 2024). Wir simulieren die Einführung eines Resilienzbonus im Jahr 2025. Kostensenkungen in der heimischen Modulproduktion im Zeitverlauf werden als Funktion der kumulierten Produktion in der EU modelliert, bei Heranziehung einer fixen Lernrate. Tabelle 1 präsentiert die zugrundeliegenden Parameter unserer Simulation.

Tabelle 1
Parameter der Ausschreibungssimulationen
Parameter Wert Quelle
Allgemein
Diskontsatz 6 % Fraunhofer ISE (2021)
PV-Anlagen
Lebensdauer 25 Jahre Fraunhofer ISE (2021)
CAPEX (Investitionsausgaben) 573.180 Euro/MW Fraunhofer ISE (2021; 2024)
OPEX (O&M) (Betriebsausgaben) 13.300 Euro/MW/Jahr Fraunhofer ISE (2024)
Kapazitätsfaktor regionsspezifisch JRC (2023)
Produktion PV-Module
Produktionskosten China 62.790 – 69.160 Euro/MW ETIP (2024); Konvertiert zu Euro (0,91 Euro/US-$)
Produktions-kosten EU 100.100 – 113.750 Euro/MW ETIP (2024); Konvertiert zu Euro (0,91 Euro/US-$)
Lernrate Produktion 7,5 % Fraunhofer ISE (2024); Kavlak et al. (2018)
Jährlicher Rückgang Weltmarktpreise 3 % VDMA (2023); eigene Berechnungen
Design PV-Förderausschreibungen
Jährliches Volumen 9.900 MW EEG (2023)
Allokation Pay-as-bid EEG (2023)
Modus Single-round EEG (2023)

Quelle: eigene Darstellung.

Abbildung 1 zeigt für verschiedene Bonushöhen die simulierten Effekte der Einführung eines Resilienzbonus in der ersten Auktionsperiode. Der Maximalwert (Minimalwert) reflektiert die sich beim Minimum (Maximum) der Modulkostenverteilung einstellende Nachfrage. Zusätzlich dargestellt ist der Mittelwert der Verteilung. Bei Bonushöhen unter 0,3 Eurocent/kWh erweist sich der Resilienzbonus als unwirksam: Der Bonus ist unzureichend, um den Kostenunterschied zwischen chinesischen und europäischen PV-Modulen zu kompensieren. Dies ändert sich deutlich für etwas höher angesetzte Bonusniveaus. Zunächst würden Bieter, deren Stromgestehungskosten knapp über dem höchsten Zuschlagsgebot (Grenzgebot) liegen, auf europäische Module umsteigen. Ihre Zuschlagswahrscheinlichkeit reagiert besonders sensitiv auf die Inanspruchnahme eines Bonus. Bei einem höheren Bonusniveau würde sich diese Tendenz auf Bieter mit niedrigeren Stromgestehungskosten ausweiten. Der Grund ist der zusätzliche Wettbewerbsdruck. Die zunehmende Zahl an Bietern, die ihre Nettogebote durch den Resilienzbonus reduzieren, übt einen Abwärtsdruck auf die Verteilung der Grenzgebote aus. Dadurch sinkt wiederum die Zuschlagswahrscheinlichkeit für die effizientesten Bieter, was sie dazu veranlasst, ebenfalls auf europäische Module umzusteigen. In der Folge ergeben unsere Simulationen, dass bereits bei einer Bonushöhe von 0,4 Eurocent/kWh nahezu alle erfolgreichen Bieter europäische Module nutzen würden.

Abbildung 1
Einfluss eines Resilienzbonus auf Nachfrage nach heimischen Photovoltaik (PV)-Modulen und Gebotshöhen
Einfluss eines Resilienzbonus auf Nachfrage nach heimischen Photovoltaik (PV)-Modulen und Gebotshöhen

Quelle: eigene Berechnungen.

Um die langfristigen Kosteneffekte eines solchen Bonussystems abzuschätzen, zeigt Abbildung 2 die zeitliche Entwicklung der Kosten europäischer PV-Module. Bei einer Bonushöhe von 0,2 Eurocent/kWh bleibt das Bonussystem demnach über den gesamten Betrachtungszeitraum ineffektiv. Es führt nicht zu einer zusätzlichen Nachfrage nach heimischen Modulen und trägt somit nicht dazu bei, den Kostenabstand zu chinesischen Modulen durch Skaleneffekte zu verringern. Bei einem Niveau von 0,3 Eurocent/kWh ergibt sich bereits eine völlig andere Dynamik. Der in der Anfangsphase ausgelöste Nachfrage­­impuls führt zu einer Kostendegression bei heimischen Modulen, die in den Folgeperioden die Neigung zur Inanspruchnahme des Resilienzbonus erhöht und damit zu einer sukzessiven Ausweitung der heimischen Modulnachfrage beiträgt. Bis 2030 führt dies dazu, dass sich alle Bieter für europäische Module entscheiden. Bei einem Niveau von 0,4 Eurocent/kWh tritt dieser Effekt bereits unmittelbar ein, was eine noch stärkere Kostendynamik in den Folgeperioden verursacht.

Abbildung 2
Entwicklung der Nachfrage und Produktionskosten von Photovoltaik (PV)-Modulen
Entwicklung der Nachfrage und Produktionskosten von Photovoltaik (PV)-Modulen

Quelle: eigene Berechnungen.

In jedem Fall ist die Förderung des Ausbaus der heimischen Modulproduktion mit Kosten für die Gesellschaft verbunden. Trotz eines beschleunigten Rückgangs der Modulpreise würden heimische PV-Module mittelfristig aller Voraussicht nach die teurere Wahl bleiben. Aus Sicht des Steuerzahlers bedeutet dies höhere Förderkosten für PV-Strom pro kWh. Durch den oben beschriebenen Wettbewerbseffekt könnten diese „Resilienzkosten“ jedoch wirksam begrenzt werden.

Gleichzeitig sind keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Großhandelsstrompreise zu erwarten. Ab dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme der PV-Anlage sind die Resilienzkosten versunkene Kosten und haben keinen Einfluss mehr auf die (nahe Null liegenden) Grenzkosten der PV-Stromerzeugung. Die Merit-Order im Stromgroßhandel wird so nicht verzerrt. Die Verteilung der zusätzlichen Förderkosten wird daher ausschließlich durch ihren Finanzierungsmechanismus bestimmt. Bei einer Finanzierung aus dem allgemeinen Staatshaushalt, wie es derzeit in Deutschland der Fall ist, würden die Kosten von der Gesamtheit der Steuerzahler getragen. Bezogen auf den gesamten Stromverbrauch erscheinen die Resilienzkosten für PV-Module eher begrenzt. Geht man von einem Resilienzbonus von 0,5 Eurocent pro gebotener kWh und einem deutschen Strommix wie im Jahr 2023 aus, so lassen sich die Resilienzkosten für das Jahr 2025 auf etwa 0,007 Eurocent/kWh insgesamt verbrauchten Stroms schätzen. In absoluten Zahlen würde dies zusätzliche Kosten von etwa 37 Mio. Euro pro Jahr bedeuten. Im Laufe der Zeit, wenn zusätzliche neue PV-Anlagen gefördert werden, würde diese Summe steigen. Aufgrund des kostensenkenden Skaleneffekts würde der notwendige Förderbetrag für jede neue Anlage im Laufe der Zeit jedoch abnehmen, was den Anstieg der Gesamtkosten begrenzt.

Vor einer flächendeckenden Einführung sollten jedoch ausreichende Erfahrungen über die praktischen Auswirkungen durch wissenschaftliche Experimente und Probeauktionen gesammelt werden. Diese sollten möglichst EU-weit koordiniert werden, um den Wissensaustausch zu verbessern. Um die Designrisiken zu verringern und die Wirksamkeit zu erhöhen, ist es zudem wichtig, ein solches nachfrageseitiges Instrument durch verstärkte komplementäre Investitionsanreize auf der Angebotsseite zu flankieren. Dazu sollten gemeinsame Anstrengungen zur Überwindung inländischer Ressourcenknappheit, die Entwicklung spezialisierter Industriecluster zur Förderung effizienter Großfabriken und eine verstärkte Förderung bahnbrechender Innovationen gehören. Um zusätzlich die private Nachfrage zur Stärkung der Resilienz bei grünen Technologien zu mobilisieren, sollte die EU auch in diesem Feld marktbasierte Instrumente zum Ausgleich von Kostennachteilen entwickeln.

  • 1 Die bestehende Unsicherheit über die Kostenstruktur der Auktionsteilnehmer geht in zweifacher Weise in unsere Schätzungen ein. Zum einen berücksichtigen wir regionale Unterschiede in den PV-Gestehungskosten über eine Zufallsziehung aus regionalen PV-Kapazitätsfaktoren für Deutschland, dem Ansatz von Bichler et al. (2020) folgend. Zum anderen berücksichtigen wir technologisch bedingte Unterschiede in den Modulkosten per MW über Zufallsziehungen aus der Bandbreite an Kostenschätzungen dargestellt in ETIP (2024).

Literatur

Afshar, K., Ghiasvand, F. S. & Bigdeli, N. (2018). Optimal bidding strategy of wind power producers in pay-as-bid power markets. Renewable Energy, 127, 575–586.

Bichler, M., Grimm, V., Kretschmer, S. & Sutterer, P. (2020). Market design for renewable energy auctions: An analysis of alternative auction formats. Energy Economics, 92, 104904.

Bickenbach, F., Dohse, D., Langhammer, R. J. & Liu, W. H. (2024). Foul play? On the scale and scope of industrial subsidies in China. Kiel Policy Brief, Nr. 173.

Bundesnetzagentur. (2024). Ausschreibungen für EE- und KWK-Anlagen.

Crooks, E. (2024, 5. April). China’s solar growth sends module prices plummeting. Wood MacKenzie.

EEG. (2023). Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz).

ETIP – The European Technology and Innovation Platform for Photovoltaics. (2024). PV Manufacturing in Europe: Ensuring resilience through industrial policy.

EU – Europäische Union. (2024). Regulation (EU) 2024/1735 of the European Parliament and of the Council of 13 June 2024 on establishing a framework of measures for strengthening Europe’s net-zero technology manufacturing ecosystem and amending Regulation (EU) 2018/1724.

Federico, G. & Rahman, D. (2003). Bidding in an electricity pay-as-bid auction. Journal of Regulatory Economics, 24(2), 175–211.

Figueiredo, N. D. L. (2022). Local Content Requirements in WTO Law: Between Free Trade and the Right to Development [Dissertation].

Fraunhofer ISE – Fraunhofer Institute of Solar Energy Systems. (2021). Levelized cost of electricity renewable energy technologies.

Fraunhofer ISE – Fraunhofer Institute of Solar Energy Systems. (2024, 3. April). Recent Facts about Photovoltaic in Germany.

IEA – International Energy Agency. (2023). Trends in photovoltaic applications 2023. International Energy Agency – Photovoltaic Power Systems Program (PVPS).

JRC – Joint Research Centre of the European Union. (2023). ENSPRESO - an open data, EU-28 wide, transparent and coherent database of wind, solar and biomass energy potentials [ENSPRESO – SOLAR – PV and CSP dataset].

Kavlak, G., McNerney, J. & Trancik, J. E. (2018). Evaluating the causes of cost reduction in photovoltaic modules. Energy Policy, 123, 700–710.

VDMA – Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (2023). International Technology Roadmap for Photovoltaic (ITRPV) 2022 Results.

Title:Resilience Auctions for Zero-Emission Technologies

Abstract:Europe’s rapid transition to a low-carbon economy has put a limited number of renewable energy technologies, such as heat pumps and solar panels, at the centre of the EU’s industrial strategy. For some of these net-zero technology goods, the EU has significant import dependencies on a few third countries, notably China. This exposes European supply chains to risks that are difficult to manage. In response, the EU has set the stage for a new market-based instrument: the introduction of resilience criteria in public procurement and renewable energy support auctions. This article discusses the rationale for such criteria and examines the strengths and weaknesses of different design options. Using the example of support auctions for ground-mounted PV in Germany, it simulates the impact of a resilience bonus on support costs and demand for domestic PV modules.

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© Der/die Autor:in 2024

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

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DOI: 10.2478/wd-2024-0217

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